Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 09.12.2022, Az. 3 C 13/21

3. Senat | REWIS RS 2022, 9387

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen zur Nutzung des EU-Bio-Logos für ein verarbeitetes Lebensmittel, das Mineralstoffe und Vitamine nichtpflanzlichen Ursprungs enthält, und zu dessen Kennzeichnung als ökologisches/biologisches Lebensmittel


Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem [X.] werden folgende Fragen zur Auslegung der Verordnung ([X.]) 2018/848 des [X.] und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates ([X.] L 150 S. 1) in der aktuellen Fassung der Delegierten Verordnung ([X.]) 2022/474 der [X.] vom 17. Januar 2022 ([X.] [X.]) und der [X.] zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 A[X.]V vorgelegt:

1. Ist Art. 33 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 dahin auszulegen, dass das Logo der [X.] für ein verarbeitetes Lebensmittel verwendet werden darf, das unter den Bedingungen des Art. 45 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 zum Zweck des Inverkehrbringens in der [X.] als ökologisches/biologisches Erzeugnis eingeführt wird, das aber, weil es neben pflanzlichen Produkten Mineralstoffe und Vitamine nichtpflanzlichen Ursprungs enthält, nicht den Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 i. [X.]. [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f) entspricht?

2. Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Folgt aus Art. 20 der [X.], dass das Logo der [X.] für ein verarbeitetes Lebensmittel verwendet werden darf, wenn es aus der Europäischen [X.] stammt und den gleichwertigen Produktions- und Kontrollvorschriften eines nach Art. 48 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 anerkannten [X.] entspricht, nicht aber den Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 i. [X.]. [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f)?

3. Folgt aus Art. 20 der [X.], dass ein derartiges aus der Europäischen [X.] stammendes verarbeitetes Lebensmittel gemäß Art. 30 Abs. 1 VO ([X.]) 2018/848 mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet werden darf, ohne das Logo der [X.] zu verwenden?

Gründe

I

1

Der Rechtsstreit betrifft die Kennzeichnung eines verarbeiteten Lebensmittels als aus ökologischer/biologischer Produktion stammend.

2

Die Klägerin stellt das Produkt "[X.]" her, eine Mischung aus Fruchtsäften und Kräuterauszügen, die aus biologischer Produktion stammen. Dem Getränk sind nichtpflanzliche Vitamine und [X.] zugesetzt. Die Klägerin vermarktet "[X.]" als Nahrungsergänzungsmittel. Auf der Verpackung befinden sich das [X.], das nationale Bio-Siegel sowie ein Verweis auf die Herkunft von Zutaten aus "kontrolliert-biologischem Anbau".

3

Mit Bescheid vom 18. Januar 2012 ordnete die [X.] unter anderem an, dass die Klägerin den nach Art. 23 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der [X.] ([X.]) Nr. 2092/91 ([X.] [X.]) geschützten Hinweis auf den ökologischen Landbau in der Etikettierung, Kennzeichnung, Werbung und Vermarktung des Produkts bis zum 1. Dezember 2012 zu entfernen habe. Zur Begründung führte sie aus, dass nach den Vorschriften der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 und Art. 27 Abs. 1 [X.]. f [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 der [X.] vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle ([X.] [X.]) verarbeiteten Produkten, die die Bezeichnung "ökologisch/biologisch" führten, Vitamine und Mineralstoffe nur zugesetzt werden dürften, wenn ihre Verwendung gesetzlich vorgeschrieben sei. Das sei bei "[X.]" nicht der Fall.

4

Gegen den Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat dem [X.] Fragen zur Auslegung des Art. 27 Abs. 1 [X.]. f [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 vorgelegt. Der [X.] hat mit Urteil vom 5. November 2014 - [X.]/13 - entschieden, Art. 27 Abs. 1 [X.]. f [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 sei dahin auszulegen, dass die Verwendung eines in dieser Bestimmung genannten Stoffes nur dann gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn eine Vorschrift des [X.]srechts oder eine mit ihm im Einklang stehende Vorschrift des nationalen Rechts unmittelbar vorschreibt, dass dieser Stoff einem Nahrungsmittel hinzuzufügen ist, damit es überhaupt in Verkehr gebracht werden kann. Die Verwendung eines solchen Stoffes ist nicht in diesem Sinne gesetzlich vorgeschrieben, wenn ein Lebensmittel als Nahrungsergänzungsmittel mit einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe oder als Lebensmittel für eine besondere Ernährung in Verkehr gebracht wird, auch wenn dies bedeutet, dass das Lebensmittel, um die insoweit geltenden unionsrechtlichen Bestimmungen über die Zugabe von Stoffen zu Lebensmitteln zu erfüllen, eine bestimmte Menge des fraglichen Stoffes enthalten muss. Zu dem von der Klägerin bereits im damaligen Verfahren vorgebrachten Einwand, sie werde gegenüber Unternehmen aus [X.] mit als gleichwertig anerkanntem Produktionssystem diskriminiert, hat der [X.] sich nicht geäußert, weil das vorlegende Verwaltungsgericht dazu keine Fragen gestellt hatte.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat mit Urteil vom 29. Juli 2021 zur Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids ausgeführt, dass die Zugabe von Vitaminen und [X.] bei einem verarbeiteten Lebensmittel wie "[X.]" nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben sei, sodass die Verwendung des Logos für ökologische/biologische Produktion (im Folgenden: [X.]) durch die Klägerin gegen die Kennzeichnungsvorschrift des Art. 23 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 verstoße. Art. 27 Abs. 1 [X.]. f [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 sei auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 20 der [X.] ([X.]) erweiternd auszulegen. Die Klägerin sehe sich durch Art. 33 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 ungleich behandelt, weil diese Vorschrift erlaube, dass Konkurrenzprodukte aus [X.] in der [X.] als Bioprodukte mit dem [X.] in Verkehr gebracht werden könnten, obwohl ihnen Stoffe, insbesondere Vitamine beigemischt worden seien, die nach Art. 23 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007, Art. 27 Abs. 1 und [X.] der [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 bei Herstellung in der [X.] unzulässig seien. Eine solche Ungleichbehandlung liege aber nicht vor. Zwar dürften entsprechende Bioprodukte aus [X.] in der [X.] als Bioprodukte vertrieben werden, sie dürften jedoch nicht das [X.] tragen. Nach Art. 25 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 dürfe das [X.] verwendet werden, sofern die Erzeugnisse die Vorschriften der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 erfüllten. Dies sei bei gleichwertigen Erzeugnissen nicht ohne Weiteres der Fall; sie seien nur verordnungskonform im Sinne des Art. 25 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007, wenn sie ausnahmslos die Vorschriften der Verordnung erfüllten. Dies sei bei einem in [X.] hergestellten Erzeugnis, das dem der Klägerin entspreche, nicht der Fall.

6

Mit ihrer Revision wendet die Klägerin sich weiter gegen den Bescheid vom 18. Januar 2012 und macht im Wesentlichen geltend, ein als gleichwertig eingeführtes Erzeugnis dürfe auch dann das [X.] tragen, wenn es nicht zugleich den [X.] der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 entspreche. Wenn ihr dies hinsichtlich des Produkts "[X.]" untersagt werde, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 20 [X.] vor. Zudem sei ein solcher Verstoß bereits deshalb gegeben, weil [X.] mit zugesetzten Vitaminen und Mineralstoffen - unabhängig von der Nutzung des [X.]s - als Bioprodukt präsentiert werden dürften, während sie selbst ihr Produkt "[X.]" nur als konventionelles Erzeugnis vermarkten dürfe. Das Verbot des Hinzufügens von Vitaminen und Mineralstoffverbindungen zu ihrem Produkt könne für sie keine Geltung beanspruchen, wenn es für Produzenten in [X.] nicht gelte.

7

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und trägt im Wesentlichen vor, ein Erzeugnis, das aus einem anerkannten [X.] stamme, dürfe das [X.] nur tragen, wenn es die Vorschriften der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 erfülle. Die geltend gemachte Ungleichbehandlung liege nicht vor. Mit der gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit sei der Zugang zum [X.] auch Produkten gewährt worden, die den [X.]svorschriften für die ökologische/biologische Produktion nicht entsprächen. Die von der Klägerin angestrebte Gleichbehandlung mit US-Produkten würde zu einer erheblichen Änderung des Systems der [X.] führen, die mit der Anerkennung der Gleichwertigkeit gerade nicht vorgesehen sei und die Ziele der [X.]-Regelwerke gefährden würde.

II

8

Das Verfahren ist auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen. Die Auslegung des für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen [X.]srechts ist nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl. [X.] , Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:C:2021:799], [X.] - Rn. 39).

9

1. Mit dem Bescheid vom 18. Januar 2012 ist der Klägerin untersagt worden, für ihr Produkt "[X.]" den durch das [X.]srecht geschützten Hinweis auf den ökologischen/biologischen Landbau zu verwenden. Von der Untersagung erfasst sind die Nutzung des [X.]s und des [X.] sowie etwaige weitere Hinweise auf die ökologische/biologische Produktion wie etwa in der Zutatenliste. Der rechtlichen Beurteilung der Verfügung ist angesichts ihres Charakters als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts geltende Rechtslage zugrunde zu legen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 13. Juni 2019 - 3 C 28.16 - [X.]E 166, 32 Rn. 11). Damit ist nicht mehr die [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 heranzuziehen, auf die der Beklagte seine Anordnung gestützt hatte, sondern die seit dem 1. Januar 2022 geltende [X.] ([X.]) 2018/848 des [X.] und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates ([X.] [X.] S. 1).

2. Rechtsgrundlage für die an die Klägerin gerichtete Untersagung ist Art. 42 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848. Hiernach stellen die zuständigen Behörden bei Verstößen auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs, die die Integrität der ökologischen/biologischen Erzeugnisse oder der Umstellungserzeugnisse beeinträchtigen, weil beispielsweise nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe verwendet oder nicht zugelassene Verfahren angewandt wurden, oder eine Vermischung mit nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnissen stattfand, sicher, dass bei der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte betreffende Partie oder Erzeugung nicht auf die ökologische/biologische Produktion Bezug genommen wird. Der hiernach für ein Eingreifen erforderliche Verstoß im Sinne des Art. 3 Nr. 57 [X.] ([X.]) 2018/848 ergibt sich für "[X.]" als verarbeitetes Lebensmittel aus Art. 16 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 i. V. m. [X.] [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f). Nach diesen Bestimmungen dürfen Mineralstoffe (einschließlich Spurenelemente), Vitamine, Aminosäuren und Mikronährstoffe für die Verarbeitung von Lebensmitteln verwendet werden, jedoch nur, soweit ihre Verwendung in Lebensmitteln für den allgemeinen Verzehr "unmittelbar gesetzlich vorgeschrieben ist" in dem Sinne, dass sie nach dem [X.]srecht oder nach nationalen Rechtsvorschriften, die mit dem [X.]srecht vereinbar sind, unmittelbar vorgeschrieben sind, was dazu führt, dass die Lebensmittel nicht als Lebensmittel für den allgemeinen Verzehr in Verkehr gebracht werden können, wenn diese Mineralstoffe, Vitamine, Aminosäuren oder Mikronährstoffe nicht zugegeben wurden. Dies ist, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, bei "[X.]" nicht der Fall. Damit ist die Zufügung der Vitamine und des [X.]s zum Erzeugnis der Klägerin vom Wortlaut des [X.] [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f) [X.] ([X.]) 2018/848 nicht gedeckt. Das führt dazu, dass die Verwendung des [X.]s nach Art. 33 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 ausgeschlossen ist; für das [X.] Bio-Siegel gilt das Gleiche nach Art. 33 Abs. 5 [X.] ([X.]) 2018/848. Auch eine Kennzeichnung von "[X.]" als "biologisch" oder "ökologisch" ist nach Art. 30 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 nicht zulässig. Bei uneingeschränkter Anwendung der genannten Vorschriften wäre die Untersagung vom 18. Januar 2012 rechtmäßig, Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

3. Die Klägerin wendet hiergegen ein, aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 20 [X.] folge, dass sie befugt sein müsse, "[X.]" mit dem [X.] und dem Hinweis auf die ökologische/biologische Produktion zu kennzeichnen, weil ein entsprechendes in [X.] hergestelltes Produkt dort als "organic" verkehrsfähig sei und damit aufgrund des Äquivalenzabkommens zwischen der [X.] und [X.] in der [X.] als ökologisches/biologisches Lebensmittel - einschließlich Nutzung des [X.]s - vermarktet werden dürfte. Ob dieses Vorbringen der Revision zum Erfolg verhilft, kann der Senat nicht ohne Anrufung des [X.]s entscheiden. Der Fall wirft mehrere klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung des [X.]srechts auf.

a) Der Senat legt dabei zugrunde, dass die [X.] nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Anwendung findet, weil mit den Vorschriften der [X.] ([X.]) 2018/848 die Durchführung von [X.]srecht betroffen ist.

b) Art. 20 [X.] gebietet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (stRspr, [X.], Urteil vom 3. Februar 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 95).

aa) Hinsichtlich des Vorliegens einer Ungleichbehandlung ist zunächst klärungsbedürftig, ob die Klägerin zu Recht geltend macht, im Hinblick auf die Nutzung des [X.]s werde ihr Produkt "[X.]" anders behandelt als ein entsprechendes Produkt eines Unternehmens aus einem [X.] wie [X.], wenn dieses nach Art. 45 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 zur Vermarktung als ökologisches/biologisches Produkt in die [X.] eingeführt werde. Wie unter 2. ausgeführt, darf "[X.]" wegen der Beifügung von Vitaminen und [X.] nicht mit dem [X.] nach Art. 33 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 in Verkehr gebracht werden. Eine ungleiche Behandlung läge demnach vor, wenn ein diesem Produkt entsprechendes verarbeitetes Lebensmittel aus einem [X.], in dem die Beifügung von entsprechenden Vitaminen und Mineralstoffen durch die als gleichwertig anerkannten [X.] erlaubt ist, beim Inverkehrbringen in der [X.] das [X.] tragen dürfte, obwohl es wegen der Beifügung dieser Vitamine und Mineralstoffe nicht den [X.] der [X.] ([X.]) 2018/848 entspricht.

Ob ein solches aus dem [X.] eingeführtes Erzeugnis das [X.] tragen dürfte, kann anhand der Regelung des Art. 33 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 und der bislang ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] - auch im Verfahren [X.]/13 - nach Überzeugung des Senats nicht hinreichend klar beantwortet werden. Das Berufungsgericht hat die Frage - noch unter Geltung der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 - verneint und dabei im Wesentlichen darauf verwiesen, dass nach Art. 25 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 das [X.] verwendet werden dürfe, sofern die Erzeugnisse die Vorschriften der Verordnung erfüllten. Dabei unterscheide die [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 zwischen Produkten, die die Vorschriften der Verordnung erfüllten, und solchen, die lediglich gleichwertig seien. Letztere erfüllten die Voraussetzungen der Verordnung im Sinne des Art. 25 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 nicht. Diese Argumentation, die grundsätzlich auch auf die nunmehr geltende Rechtslage übertragen werden kann, ist allerdings nicht so tragfähig, dass das Auslegungsergebnis als zweifelsfrei zu betrachten ist. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht die Systematik der Vorschrift und das Ziel des Verbraucherschutzes heranzieht. Vielmehr dürfte Einiges dafür sprechen, dass ein in einem [X.] produziertes verarbeitetes Lebensmittel, das unter den Bedingungen des Art. 45 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 in der [X.] in Verkehr gebracht wird, das [X.] tragen darf, auch wenn es neben pflanzlichen Produkten Mineralstoffe und Vitamine nichtpflanzlichen Ursprungs enthält und damit nicht den Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 i. V. m. [X.] [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f) genügt. Zum einen wäre es ebenfalls mit dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 vereinbar, als zu erfüllende "Vorschriften der Verordnung" nicht die [X.], sondern bei einem in die [X.] eingeführten Produkt die Bestimmungen über die Einfuhr, insbesondere über die Anerkennung von Produktions- und Kontrollvorschriften als gleichwertig gemäß Art. 45 ff. [X.] ([X.]) 2018/848 zu betrachten. Dann würde es für die Erfüllung der Vorschriften im Sinne des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]) 2018/848 ausreichen, dass das Erzeugnis unter den danach geltenden Bedingungen eingeführt worden ist. Zum anderen dürfte es dem mit der Gleichwertigkeitsanerkennung und entsprechenden Äquivalenzabkommen verfolgten Ziel des Abbaus von Handelsschranken eher entsprechen, wenn ein unter den [X.] eingeführtes [X.]sprodukt wie das "gleichwertige" - aber eben nicht identischen Standards entsprechende - [X.]-Produkt gekennzeichnet werden kann; dem [X.] dürfte für die Wettbewerbssituation des [X.] erhebliche Bedeutung zukommen.

bb) Ist die Vorlagefrage 1 zu bejahen, könnte eine Ungleichbehandlung von in der [X.] ansässigen Produzenten gegenüber solchen aus [X.] mit als gleichwertig anerkannten Produktions- und Kontrollvorschriften im Hinblick auf die Nutzung des [X.]s vorliegen, wenn das Inverkehrbringen eines in der [X.] und eines im [X.] hergestellten Produkts in der [X.] ungeachtet der unterschiedlichen Produktions- und Kontrollvorschriften in der [X.] einerseits und dem [X.] andererseits vergleichbare Sachverhalte wären. Dafür könnte sprechen, dass es hier nicht um die Produktion, sondern um die Kennzeichnung von Produkten geht, die in der [X.] in Verkehr gebracht werden dürfen und im Wettbewerb miteinander stehen. [X.] eine Ungleichbehandlung vor, könnte sie indes gerechtfertigt sein. Als sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung könnten dabei die Gleichwertigkeitsanerkennung selbst bzw. die mit ihr bezweckten [X.] herangezogen werden. Demgegenüber geht die Klägerin davon aus, dass eine solche Rechtfertigung jedenfalls dann nicht in Betracht komme, wenn die Europäische [X.] - wie nach ihrer Auffassung hier - Produktions- und Kontrollvorschriften als gleichwertig anerkannt habe, die "essentiellen" in der [X.] geltenden Vorschriften nicht entsprächen. Dann habe das in der [X.] produzierende Unternehmen einen Anspruch darauf, lediglich den für das Unternehmen des [X.]es geltenden [X.] genügen zu müssen. Ob dementsprechend aus Art. 20 [X.] folgt, dass das [X.] für ein verarbeitetes Lebensmittel verwendet werden darf, wenn es aus der [X.] stammt und den gleichwertigen Produktions- und Kontrollvorschriften eines nach Art. 48 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 anerkannten [X.]s entspricht, nicht aber den Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 i. V. m. [X.] [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f), kann nicht hinreichend sicher beantwortet werden. Die hiermit angesprochene Problematik, die mit der Praxis der gegenseitigen Anerkennung verbunden ist, kann von großer Bedeutung sein. Sie wirft vielfältige Fragen nach der Gleichbehandlung und der umgekehrten Diskriminierung sowie nach dem gegebenenfalls eintretenden Verlust der Regelungsautonomie der [X.] auf (vgl. [X.], Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 8. Mai 2014 - [X.]/13 [[X.]:[X.]:C:2014:318] - Rn. 59). Insoweit ist eine Klärung durch den [X.] geboten.

cc) Unabhängig von der Befugnis zur Nutzung des [X.]s stellt sich die Frage in ähnlicher Weise im Hinblick auf den Hinweis auf die ökologische/biologische Produktion nach Art. 30 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848, dessen Verwendung der Klägerin mit dem angegriffenen Bescheid ebenfalls untersagt wurde.

Stellen zwei Unternehmen das gleiche verarbeitete Lebensmittel her, das den gleichwertigen Produktions- und Kontrollvorschriften eines nach Art. 48 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 anerkannten [X.]s entspricht, nicht aber - wie hier wegen der Beifügung bestimmter Inhaltsstoffe - den Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 i. V. m. [X.] [X.] Nr. 2.2.2. [X.]. f), und wollen sie die jeweiligen Produkte mit dem Hinweis auf die ökologische/biologische Produktion in der [X.] vertreiben, besteht, wenn man die Sachverhalte grundsätzlich für vergleichbar hält, insoweit eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 20 [X.]: Während das in der [X.] produzierende Unternehmen nach Art. 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]) 2018/848 sein Produkt bei Vermarktung in der [X.] nicht mit dem Hinweis auf die ökologische/biologische Produktion versehen darf, darf das in einem gemäß Art. 48 [X.] ([X.]) 2018/848 anerkannten [X.] ansässige Unternehmen sein Produkt mit diesem Hinweis kennzeichnen. Dies ergibt sich daraus, dass nach Art. 45 Abs. 1 [X.]. b) Ziffer iii [X.] ([X.]) 2018/848 ein von dieser Verordnung erfasstes Produkt zum Zweck des Inverkehrbringens in der [X.] als ökologisches/biologisches Erzeugnis aus einem [X.] eingeführt werden darf, wenn es - neben weiteren Voraussetzungen - aus einem gemäß Art. 48 [X.] ([X.]) 2018/848 anerkannten [X.] stammt und den gleichwertigen Produktions- und Kontrollvorschriften dieses [X.]es entspricht.

Die unter bb) dargestellten Fragen zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von in der [X.] und in [X.] ansässigen Produzenten stellen sich im Hinblick auf den Hinweis nach Art. 30 [X.] ([X.]) 2018/848 entsprechend. Es ist klärungsbedürftig, ob aus Art. 20 [X.] folgt, dass ein aus der [X.] stammendes verarbeitetes Lebensmittel gemäß Art. 30 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet werden darf, ohne das Logo der [X.] für ökologische/biologische Produktion zu verwenden. Auch für diese Fallgestaltung ist die Antwort auf die Frage nicht offenkundig.

4. Die aufgeworfenen Fragen sind entscheidungserheblich. Der Senat geht nach derzeitigem Verfahrensstand davon aus, dass ein dem Produkt "[X.]" entsprechendes Erzeugnis in [X.] als ökologisches/biologisches Lebensmittel hergestellt und vermarktet werden könnte.

a) Bei [X.] handelt es sich um ein gemäß Art. 48 Abs. 1 [X.] ([X.]) 2018/848 i. V. m. Art. 33 Abs. 2 [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 anerkanntes [X.]. Sie sind mit der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 126/2012 der [X.] vom 14. Februar 2012 zur Änderung der [X.] ([X.]) Nr. 889/2008 hinsichtlich der Bescheinigungen und zur Änderung der [X.] ([X.]) Nr. 1235/2008 hinsichtlich der Sonderregelung für die Einfuhr von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus den [X.] ([X.] L 41 S. 5) in das in [X.] der [X.] ([X.]) Nr. 1235/2008 der [X.] vom 8. Dezember 2008 mit Durchführungsvorschriften zur [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus [X.] enthaltene Verzeichnis der Drittländer aufgenommen worden, deren [X.] und Kontrollmaßnahmen für die ökologische/biologische Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen als denen der [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 gleichwertig anerkannt wurden. Zugrunde lag ein durch Briefwechsel abgeschlossenes Gleichwertigkeitsabkommen vom 15. Februar 2012. Mit der Durchführungsverordnung ([X.]) 2015/931 der [X.] vom 17. Juni 2015 zur Änderung und Berichtigung der [X.] ([X.]) Nr. 1235/2008 mit Durchführungsvorschriften zur [X.] ([X.]) Nr. 834/2007 des Rates hinsichtlich der Regelung der Einfuhren von ökologischen/biologischen Erzeugnissen aus [X.] ([X.] L 151 S. 1) wurde die zunächst befristete Aufnahme auf unbestimmte Zeit verlängert. Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 [X.] ([X.]) 2018/848 ist die Anerkennung bis zum 31. Dezember 2026 befristet. Mit Beschluss ([X.]) 2021/1345 des Rates vom 28. Juni 2021 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss von Abkommen über den Handel mit ökologischen/biologischen Erzeugnissen ([X.] L 306 S. 2) ist die [X.] ermächtigt worden, solche Verhandlungen u. a. mit [X.] aufzunehmen.

b) Das Berufungsgericht hat für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO) festgestellt, dass nach dem maßgeblichen Recht der [X.] - insbesondere dem "[X.] ([X.])" - Nährstoffvitamine und -mineralien unter bestimmten Maßgaben als Inhaltsstoffe in oder auf [X.] zugelassen sind, die als ökologisch oder aus ökologisch hergestellten spezifizierten Inhaltsstoffen oder Lebensmittelgruppen gekennzeichnet sind (§ 206.605 [X.]). Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass ein dem Produkt der Klägerin entsprechendes Erzeugnis in [X.] als "organic" vermarktet werden dürfte.

Meta

3 C 13/21

09.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 29. Juli 2021, Az: 20 BV 16.1456, Urteil

Art 267 Abs 3 AEUV, Art 16 Abs 1 EUV 2018/848, Art 30 Abs 1 EUV 2018/848, Art 33 Abs 1 EUV 2018/848, Art 42 Abs 1 EUV 2018/848, Art 45 Abs 1 EUV 2018/848, Art 48 Abs 1 EUV 2018/848, Anh II Teil IV Nr 2.2.2. EUV 2018/848, Art 23 Abs 1 EGV 834/2007, Art 25 Abs 1 EGV 834/2007, Art 33 Abs 1 EGV 834/2007, Art 27 Abs 1 EGV 889/2008

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 09.12.2022, Az. 3 C 13/21 (REWIS RS 2022, 9387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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