Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2017, Az. VII R 10/17

7. Senat | REWIS RS 2017, 1684

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Gegenstand

Zinsberechnung bei nicht fristgerecht entrichteter Milchabgabe


Leitsatz

Werden auf fällige, aber nicht gezahlte Milchabgabe Zinsen erhoben und erstreckt sich der Zinszeitraum über mehrere Jahre, ist der der Zinsberechnung zugrunde zu legende Zinssatz am 1. Oktober eines jeden Jahres des Zinszeitraums neu zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2016  4 K 2307/15 [X.] aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Wegen Überlieferung der sog. Anlieferungs-Referenzmenge im Zwölfmonatszeitraum 2007/2008 wurde gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Milchabgabe festgesetzt, die zum Teil von der Molkerei gezahlt und hinsichtlich des ausstehenden Betrags mit Abgabenbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) von der Klägerin gefordert wurde.

2

Nachdem die Klägerin begonnen hatte, den [X.] in monatlichen Raten zu begleichen, setzte das [X.] Zinsen für den [X.]raum Oktober 2008 bis zum erwarteten Ende der Ratenzahlungen im Mai 2022 fest, wobei es den Zinssatz für die gesamte [X.] gemäß dem am 1. Oktober 2008 geltenden, um einen Prozentpunkt erhöhten Bezugssatz [X.] bestimmte (Art. 15 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 595/2004 --[X.] 595/2004-- der [X.] vom 30. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung ([X.]) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, [X.] [X.] --[X.]-- Nr. L 94/22, in der Fassung der Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 1468/2006 der [X.] vom 4. Oktober 2006, [X.] Nr. L 274/6, i.V.m. Anhang [X.] 595/2004). Mit Zinsänderungsbescheid vom 11. August 2011 berechnete das [X.] die Zinsen unter Berücksichtigung eines wegen erhöhter monatlicher Raten kürzeren Zinszeitraums neu.

3

Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das [X.] ([X.]) den Zinsänderungsbescheid vom 11. August 2011 wegen im vorliegenden Verfahren nicht mehr streitiger Punkte der Zinsberechnung teilweise auf und wies die weitergehende Klage ab. Das [X.] habe zu Recht Zinsen auf den geschuldeten [X.] festgesetzt. Die Klägerin sei Schuldnerin der Milchabgabe gemäß Art. 4 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1788/2003 ([X.] 1788/2003) des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor ([X.] Nr. L 270/123) und somit auch Schuldnerin der [X.]. Der Abnehmer (Molkerei) sei für die Erhebung der Milchabgabe zuständig, habe sie aber nicht zu tragen. Der zugrunde gelegte Zinssatz sei auch gemäß Art. 15 Abs. 2 [X.] 595/2004 zutreffend bestimmt worden.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der [X.] sei nicht gegeben, weil es sich bei der Milchabgabe nicht um eine Steuer handele. Das [X.] hätte die [X.] zunächst gegenüber dem Abnehmer geltend machen müssen, da dieser sowohl die Abgabenforderung als auch die [X.] zu begleichen habe. Darüber hinaus mache das [X.] eine [X.] der [X.] geltend, der jedoch kein Zinsschaden entstanden sei, weil der [X.] durch die Mitgliedstaaten entrichtet worden sei. Außerdem müsse der Zinssatz jeweils zum 1. Oktober eines jeden Jahres dem jeweils geltenden [X.] angepasst werden.

5

Das [X.] schließt sich der Auffassung des [X.] an.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der angefochtene Zinsänderungsbescheid ist hinsichtlich der Höhe der [X.] rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

7

1. Wegen der nach Ansicht der Revision fehlenden Rechtswegzuständigkeit verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 10. April 2017 in der [X.]/16.

8

2. Anders als die Revision meint, richtet sich der [X.] zu Recht an die Klägerin, da sie Schuldnerin der Milchabgabe und damit auch Schuldnerin der auf den [X.] berechneten Zinsen ist. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen [X.]-Urteil wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

9

3. Das [X.] hat auch zutreffend entschieden, dass die Festsetzung von Zinsen auf den geschuldeten [X.] nicht von einem Zinsschaden der [X.] abhängt. Verzugszinsen werden nach Art. 13 Abs. 4 [X.] 1788/2003 und Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] 595/2004 dem Mitgliedstaat gutgeschrieben.

4. Die Zinsen sind im Streitfall jedoch nach einem unzutreffenden Zinssatz berechnet worden.

Nach Art. 15 Abs. 2 [X.] 595/2004 werden Jahreszinsen nach dem um einen Prozentpunkt erhöhten, am 1. Oktober jedes Jahres gültigen dreimonatigen Bezugssatz gemäß Anhang II der [X.] 595/2004, d.h. für [X.] nach dem [X.], erhoben. Anders als das [X.] und ihm folgend das [X.] meinen, bedeutet das nicht, dass der auf diese Weise ermittelte Zinssatz auf die Ermittlung der Zinsen im gesamten mehrere Jahre umfassenden Zinszeitraum anzuwenden ist. Die Formulierung in Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] 595/2004: "Jahreszinsen (...), deren am 1. Oktober jedes Jahres gültiger dreimonatiger Bezugssatz (...) festgesetzt (...) wird" macht vielmehr deutlich, dass die Vorschrift sich auch auf mehrere Jahre umfassende Zinszeiträume bezieht und in einem solchen Fall der am 1. Oktober eines jeden Jahres gültige Bezugssatz gemäß Anhang II der [X.] 595/2004 für den Zinssatz maßgebend ist. Auch die [X.] Version lautet: "interest annually at the three-month reference rates applicable on 1 October each year".

Weshalb das [X.] unter Hinweis auf den 5. Erwägungsgrund zur Verordnung ([X.]) Nr. 1392/2001 ([X.] 1392/2001) der [X.] vom 9. Juli 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung ([X.]) Nr. 3950/92 des Rates über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor ([X.] Nr. L 187/19) meint, es widerspreche der Sicherung der effektiven Abgabenentrichtung und der Einführung von Sanktionen bei Nichterfüllung, Zinsen nach einem jährlich neu zu ermittelnden Zinssatz zu berechnen, erschließt sich nicht. Zinsen sind kein Mittel, ausstehende Zahlungen zu sanktionieren, sondern gleichen den Schaden aus, den der Gläubiger durch die Vorenthaltung der ihm zustehenden Geldbeträge erleidet. Die Höhe dieses Schadens folgt dem allgemeinen Zinsniveau, das vom Beginn bis zum Ende des Zinszeitraums variieren kann (vgl. § 288 i.V.m. § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, der [X.] habe den [X.] am 1. Oktober des Jahres des Zinsbeginns als maßgebend für den gesamten, ggf. mehrere Jahre dauernden Zinszeitraum festlegen wollen. Der vorgenannte vom [X.] angeführte 5. Erwägungsgrund zur [X.] 1392/2001 gibt für die Frage eines einheitlichen oder eines [X.] zu Jahr wechselnden Zinssatzes nichts her. Keinesfalls kann die Dienstvorschrift der [X.] Zollverwaltung über die Quotenregelung im Milchsektor zur Auslegung des Unionsrechts herangezogen werden. Das liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.

5. Die Sache ist nicht spruchreif.

Die Frage der Höhe des für die Zinsberechnung maßgebenden, am 1. Oktober eines jeden Jahres des streitigen Zinszeitraums gültigen dreimonatigen Bezugssatzes gemäß Anhang II der [X.] 595/2004 ist eine Tatsachenfrage, die im zweiten Rechtsgang zu klären sein und zu einer Änderung der Zinshöhe sowie der Kostenentscheidung führen wird.

6. [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 10/17

28.11.2017

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 6. Juni 2016, Az: 4 K 2307/15 MOG, Urteil

Art 15 Abs 2 EGV 595/2004, Art 4 EGV 1788/2003, Art 13 Abs 4 EGV 1788/2003

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.11.2017, Az. VII R 10/17 (REWIS RS 2017, 1684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1684

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