Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.10.2020, Az. 20 F 7/20

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2020, 4137

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Gegenstand

Ergänzung von Ermessenserwägungen bei Sperrerklärung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt die Klägerin Auskunft über die beim ... (Beklagter) zu ihrer Person gespeicherten Daten, deren vollständige Bekanntgabe der Beklagte gestützt auf § 26 des [X.] ([X.]) vom 25. Juni 2018 (GVBl. S. 302) teilweise abgelehnt hat.

2

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten unter Vorlage von Sperrerklärungen des ... ([X.]) vom 1. und 5. November 2018 verweigert.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Sache auf Antrag der Klägerin dem Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. November 2018 zur Durchführung des In-camera-Verfahrens vorgelegt (Vorlagebeschluss) und ausgeführt, es halte die Kenntnis der vollständigen und ungeschwärzten Fassung der Akten für entscheidungserheblich.

4

Nachdem der Beigeladene die jeweils einschlägigen Begründungen in den Sperrerklärungen noch einmal mit Schriftsatz vom 2. Januar 2019 jedem Aktenstück zugeordnet hatte, hat der [X.]hof mit Beschluss vom 6. Juli 2020 nur bestimmte Schwärzungen für rechtswidrig erklärt und im Übrigen den Antrag, die Sperrerklärungen für rechtswidrig zu erklären, abgelehnt.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

6

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

7

1. Der Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung des [X.] im selbständigen Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt für seine Zulässigkeit voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen in ordnungsgemäßer Form bejaht hat (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2018 - 20 F 5.18 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 75 Rn. 12 und vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 5).

8

Zwar hat das Verwaltungsgericht keinen - regelmäßig erforderlichen - Beweisbeschluss gefasst, auf Grundlage dessen die Sperrerklärung zeitlich nachfolgend und inhaltlich abgestimmt abgegeben wurde (BVerwG, Beschluss vom 28. September 2020 - 20 F 3.20 - Rn. 8 m.w.[X.]); vielmehr wurde eine förmliche Entscheidung des [X.] erst mit dessen Vorlagebeschluss vom Beschluss vom 23. November 2018 getroffen, während die Sperrerklärungen des Beigeladenen bereits vom 1. und 5. November 2018 datieren. Der Vorlagebeschluss weist jedoch noch die Qualität einer zumindest vergleichbaren förmlichen Äußerung auf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. August 2020 - 20 F 6.19 - juris Rn. 11).

9

Im Übrigen hat der [X.]hof zutreffend angenommen, dass bei der rechtlichen Würdigung der Sperrerklärungen die dem Vorlagebeschluss nachfolgenden schriftsätzlichen Darlegungen des Beigeladenen vom 2. Januar 2019 noch berücksichtigt werden dürfen. Bei Sperrerklärungen ist die Ergänzung von Ermessenserwägungen wie sonst auch im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht möglich, wenn die neuen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorliegen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - juris Rn. 27 m.w.[X.]). Vorliegend hat der Beigeladene die bereits mit der Sperrerklärung vom 1. November 2018 (konkret bezogen auf die Verfahrensakte) und vom 5. November 2018 (konkret bezogen auf die Personenakte) präzise den [X.] zugeordneten Verweigerungsgründe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 8 m.w.[X.]) lediglich veranschaulichend ergänzt. Dies ist in einem bereits anhängigen Zwischenverfahren im Interesse einer prozessökonomischen Entscheidung über die Weigerungsgründe zulässig (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 9).

2. Die Entscheidung des [X.]hofs ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Er hat das Vorliegen der mit den Sperrerklärungen differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung rechtlich zutreffender Maßstäbe auch einzelfallbezogen zutreffend gewürdigt.

a) Ein Nachteil für das Wohl des [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde. Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines [X.] ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise [X.], Aktenzeichen, [X.] und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt, vorzulegen (zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 20 F 2.18 - juris Rn. 15).

b) Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen der Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch bei Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen [X.] (zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2020 - 20 F 2.18 - juris Rn. 16).

c) Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe mit Ausnahme der vom [X.]hof bereits beanstandeten Schwärzungen (auf Blatt 16, 20 und 50 der Verfahrensakte) bestehen. Hinsichtlich der Blätter 46 bis 48 der Personenakte hat der Beklagte die Vorlage zwar auch mit der Begründung verweigert, dass keine Freigabe der Informationen durch eine andere Behörde vorliege. Dies steht jedoch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats, dass allein der Widerspruch einer Behörde für sich genommen nicht ausreicht, um insoweit Schwärzungen oder Vorlageverweigerungen zu rechtfertigen, weil nicht jeder Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörden geheim sei (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2020 - 20 F 7.19 - NVwZ 2020, 971 Rn. 11). Denn vorliegend war die Partnerbehörde nicht Empfänger einer Information, sondern Absender einer solchen, der - wie aus dem Hinweis auf Blatt 47 eindeutig folgt - auch darauf vertraute, dass sie nicht preisgegeben würde. Ungeachtet dessen würden die sonstigen vom Beklagten rechtmäßig herangezogenen Geheimhaltungsgründe dazu führen, dass es ansonsten zur Freigabe inhaltsleerer und nichtssagender Restbestände käme (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12). Letzteres gilt insbesondere, wenn lediglich die auf Blatt 29 der Verfahrensakte erfolgte Schwärzung einer Unterstreichung für rechtswidrig erklärt würde. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen.

d) Der [X.]hof hat zudem zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene in seinen Sperrerklärungen eine auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. April 2020 - 20 F 2.19 - juris Rn. 26 ff. und vom 26. August 2020 - 20 F 6.19 - juris Rn. 16 ff.).

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

20 F 7/20

05.10.2020

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 6. Juli 2020, Az: 27 F 2551/18, Beschluss

§ 99 Abs 2 VwGO, § 99 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.10.2020, Az. 20 F 7/20 (REWIS RS 2020, 4137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4137

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