Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.11.2020, Az. 9 B 48/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 4267

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Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 21. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist Teilnehmerin eines Flurbereinigungsverfahrens, das u.a. ein Gebiet umfasst, in dem die [X.]eigeladene einen Kiesabbau betreibt. Gegenstand der streitgegenständlichen Anfechtungsklage ist ein [X.]escheid, mit dem der [X.]eklagte der [X.]eigeladenen die Zustimmung nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erteilt hat, ein Einlageflurstück der Klägerin ganz und ein weiteres teilweise auszukiesen. Die betroffenen (Teil-)Flächen dieser Flurstücke liegen nach der Neugestaltung des [X.] innerhalb der Grenzen der dem Unternehmen der [X.]eigeladenen zugewiesenen Abfindungsflurstücke, in deren [X.]esitz die [X.]eigeladene vorläufig eingewiesen worden ist.

2

Die Klägerin hatte in einem Vorprozess gegen den [X.] geklagt mit dem Ziel, ihr statt ihres - ebenfalls im [X.] liegenden - Abfindungsflurstücks die Einlageflurstücke erneut zuzuordnen, weil sie eine Wertgleichheit bezweifelte. Dieses Verfahren endete mit einem [X.], dessen Inhalt und Rechtsfolgen in der Folgezeit zwischen den [X.]eteiligten streitig waren. Auf den Antrag der Klägerin, das den [X.] betreffende Klageverfahren fortzusetzen, stellte der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil fest, dass das Verfahren durch den [X.] beendet worden sei. Mit dem streitgegenständlichen Urteil vom gleichen Tag hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage gegen die Zustimmung nach § 34 [X.] als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin die Klagebefugnis fehle. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die vorliegende [X.]eschwerde.

II

3

Die (allein) auf den Zulassungsgrund des [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe die Klage verfahrensfehlerhaft als unzulässig abgewiesen, greift nicht durch.

4

1. In der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil liegt ein Verfahrensmangel, wenn ihr eine fehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschriften zugrunde liegt (vgl. nur [X.], Urteil vom 3. September 2010 - 6 [X.] - [X.] 310 § 127 VwGO Nr. 16 Rn. 6 m.w.[X.]). Dies ist etwa der Fall, wenn die prozessuale [X.]edeutung der anzuwendenden Verfahrensbestimmungen fehlerhaft beurteilt wird und [X.]egriffsinhalte oder die zugrunde zu legenden Maßstäbe verkannt werden (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 21. Juli 2014 - 3 [X.] 70.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68 Rn. 20 und vom 20. Dezember 2017 - 6 [X.] - [X.] 402.41 [X.] Rn. 11). Keinen Verfahrensfehler stellt es demgegenüber dar, wenn das Gericht bei Anwendung der prozessualen Vorschrift eine materiellrechtliche Vorfrage fehlerhaft beurteilt, weil es etwa der einschlägigen Norm keine Rechte des [X.] entnommen hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 23. Januar 1996 - 11 [X.] 150.95 - [X.] 424.5 [X.] Nr. 1 S. 1 f.). Eine inhaltliche Nachprüfung der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz kann mit der Verfahrensrüge nicht erreicht werden ([X.], [X.]eschluss vom 21. Januar 1993 - 4 [X.] 206.92 - NVwZ 1993, 884 <885>).

5

2. [X.]ei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angefochtene Entscheidung nicht verfahrensfehlerhaft.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat die prozessuale [X.]edeutung des § 42 VwGO nicht verkannt, als er eine Klagebefugnis nach der sog. Adressatentheorie mit der [X.]egründung abgelehnt hat, die Klägerin sei nicht [X.] der der [X.]eigeladenen erteilten Zustimmung, die sich für sie auch nicht als belastender Verwaltungsakt darstelle. Die Klägerin wendet sich der Sache nach nur gegen die Auslegung des [X.]escheidinhalts, ohne insoweit einen revisionsrechtlich relevanten Verfahrensfehler aufzuzeigen. Soweit sie dabei geltend macht, der [X.]eklagte habe sie in das Verfahren einbezogen und als Adressatin der Zustimmungsentscheidung angesehen, trifft dies nicht zu. Der angefochtene [X.]escheid ist nur an die [X.]eigeladene gerichtet und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich formlos zur Kenntnis übersandt worden. Dass der Widerspruchsbescheid an die Klägerin gerichtet war, ist die prozessuale Folge der Widerspruchseinlegung, ohne dass die Klägerin damit auch zur (unmittelbaren) Adressatin der materiell streitigen Ausgangsentscheidung geworden wäre.

7

Die [X.]eschwerde trägt im Übrigen selbst vor, dass die Klägerin als "Dritte" von der Zustimmung betroffen sei. Als Fall der [X.] wird in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts aber gerade die Konstellation verstanden, in der ein Kläger nicht (unmittelbarer) Adressat eines Verwaltungsakts ist und eine Klagebefugnis nur mit der [X.]ehauptung geltend machen kann, dass die Verletzung einer Vorschrift vorliegt, die ihn als [X.] zu schützen bestimmt ist (stRspr, vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 31. Juli 2017 - 4 [X.] 12.17 - [X.] 451.17 § 43f EnergG Nr. 1 Rn. 6 m.w.[X.]). Mit dieser Rechtsprechung stehen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zur Schutznormtheorie im Einklang.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 1 [X.], auf die der angefochtene [X.]escheid gestützt ist, im Grundsatz keine drittschützende Wirkung beigemessen und auch das Vorliegen eines Ausnahmefalls verneint. Er hat damit eine Rechtsverletzung der Klägerin von vornherein für ausgeschlossen gehalten. Diese [X.]egründung wird den prozessualen Anforderungen an eine mögliche Rechtsverletzung, die für die [X.]egründung der Klagebefugnis ausreicht, gerecht. Danach genügt es, wenn die Verletzung eines eigenen Rechts nach dem Vorbringen des [X.] jedenfalls möglich erscheint, dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn die behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nicht bestehen (stRspr, vgl. nur [X.], Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 17.93 - [X.]E 95, 333 <334 f.>). Von diesem Fall ist der Verwaltungsgerichtshof hier ausgegangen.

9

Die [X.]eschwerde wendet sich gegen die Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 [X.] durch den Verwaltungsgerichtshof und damit gegen dessen materielle Rechtsauffassung, worauf sich eine Verfahrensrüge nicht stützen lässt.

Im Übrigen stehen die Urteilsausführungen zur [X.] bei Entscheidungen nach § 34 [X.] mit der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts im Einklang. Danach enthält § 34 Abs. 1 [X.] für die Zeitspanne zwischen [X.]ekanntgabe des [X.] und Unanfechtbarkeit des [X.]s ein Veränderungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das dazu dient, die Neugestaltung des [X.], deren Ergebnisse im [X.] zusammengefasst werden, zu gewährleisten und die planerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen des [X.] zu sichern. Der Regelung kommt damit grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zu. Ebenso wie in der Fallgruppe des § 34 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (dazu [X.], Urteil vom 25. April 1989 - 5 C 24.86 - [X.] 424.01 § 34 [X.] Nr. 3 S. 2) bezweckt das Zustimmungserfordernis der Flurbereinigungsbehörde auch im Fall der hier einschlägigen Änderung der Nutzungsart von Grundstücken (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) den Erhalt von Gestaltungsmöglichkeiten für die Flurbereinigung (so insgesamt für § 34 Abs. 1 [X.] [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 5). Gerade bei der hier beabsichtigten Auskiesung der Grundstücke wird deutlich, dass derart umgenutzte Grundstücke für eine landwirtschaftliche Nutzung ausfallen.

Dieses Verständnis schließt allerdings die Möglichkeit einer Ausnahme ein, etwa wenn aus einem besonderen Rechtsgrund ein Anspruch auf Zuteilung des betroffenen Grundstücks geltend gemacht wird (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 12. Oktober 1979 - 5 C 3.77 - [X.] 424.01 § 34 [X.] Nr. 2 S. 3 und Urteil vom 25. April 1989 - 5 C 24.86 - [X.] 424.01 § 34 [X.] Nr. 3 S. 2 f.; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 5). Der Verwaltungsgerichtshof hat dies geprüft, dem Vorbringen der Klägerin aber keine Grundlage für einen etwaigen Anspruch auf [X.] ihrer Einlageflurstücke entnehmen können, weshalb er die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung ausgeschlossen hat. Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit die Klägerin als potentiell zu beachtende subjektive Rechte auf ihr Eigentum und den [X.]esitz an den Einlageflurstücken sowie ihre prozessuale Rechtsposition aufgrund der nach ihrer Rechtsauffassung noch anhängigen Klage gegen den [X.] verweist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch damit befasst. Er hat eine mögliche Rechtsverletzung verneint und auf die bestandskräftige vorläufige [X.]esitzeinweisung sowie das mit der Klage gegen den [X.] nur erreichbare Ziel der wertgleichen Abfindung verwiesen. Auch dies wird den prozessualen Anforderungen an die Prüfung der Klagebefugnis gerecht. Das von der Klägerin geltend gemachte Eigentumsrecht an den Einlageflurstücken besteht zwar formal bis zum [X.] infolge der Ausführungsanordnung nach § 61 [X.] fort, diese Eigentümerstellung als solche wird durch die erteilte Zustimmung zur Nutzungsänderung aber nicht berührt. Das [X.]esitzrecht der Klägerin ist mit der bestandskräftigen vorläufigen [X.]esitzeinweisung nach § 65 [X.] auf die [X.]eigeladene übergegangen, weshalb nunmehr diese - und nicht mehr die Klägerin - der Zustimmung nach § 34 Abs. 1 [X.] für die Vornahme einer Nutzungsänderung bedarf (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2018, § 66 Rn. 4). Nach der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens unter Einbeziehung ihrer Einlageflurstücke hat die Klägerin keinen Anspruch mehr auf eine uneingeschränkte eigentumsrechtliche Nutzung dieser Flurstücke. Eine erneute Zuteilung für eine künftige Nutzung kann sie grundsätzlich nicht mehr verlangen, sondern (nur noch) eine wertgleiche Abfindung. Dieser Abfindungsanspruch wird durch die Entscheidung nach § 34 Abs. 1 [X.] nicht berührt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen eines Ausnahmefalls verneint. Seine Ausführungen, die im Wesentlichen das materielle Flurbereinigungsrecht betreffen, lassen keine verfahrensrechtlich relevanten Fehlvorstellungen erkennen.

3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsverletzung der Klägerin auch deshalb ausgeschlossen hat, weil er mit Urteil vom selben Tag die wirksame [X.]eendigung des gegen den [X.] erhobenen Klageverfahrens festgestellt hatte. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kann sich die Klägerin nicht berufen, nachdem der Senat diese [X.]eschwerde mit [X.]eschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 13.2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Meta

9 B 48/19

19.11.2020

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 21. März 2019, Az: 13 A 18.2256, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.11.2020, Az. 9 B 48/19 (REWIS RS 2020, 4267)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4267

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