Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az. 4 AZR 114/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 17099

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Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. November 2014 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des [X.] auf ein höheres Bruttoentgelt und eine weitere Abfindungszahlung.

2

Der Kläger war seit 1991 bei der [X.] zu 1. und deren Rechtsvorgängerin in [X.] beschäftigt. Eine durch die Beklagte zu 1. geplante Betriebsschließung konnte durch Verhandlungen mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft [X.]etall (IG [X.]etall) teilweise abgewendet werden. Hierzu schlossen die Beklagte zu 1. und die IG [X.]etall ua. am 4. April 2012 einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend [X.]) sowie einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag ([X.]), dessen persönlicher Geltungsbereich diejenigen Beschäftigten erfasste, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr [X.]itglied der IG [X.]etall geworden sind“. Am gleichen Tag vereinbarten die Beklagte zu 1. und der Betriebsrat einen „Interessenausgleich“. Der Kläger schloss mit beiden [X.] einen mit Schreiben vom 4. April 2012 erhaltenen „[X.]“ (nachfolgend [X.]). Hinsichtlich des näheren Inhalts von [X.], [X.], Interessenausgleich und [X.] wird auf die Entscheidung der Vorinstanz verwiesen (sh. auch BAG 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 5 bis 8).

3

[X.]it seiner Klage begehrt der Kläger Leistungen auf Grundlage des [X.], jedenfalls aber eine andere Berechnung des ihm in der Transfergesellschaft geleisteten [X.] nach dem [X.]. Er ist der Auffassung, die Differenzierungsregelung im [X.] sei unwirksam. Deshalb könne er die dort geregelten zusätzlichen Leistungen im Wege einer „Anpassung nach oben“ verlangen. Dies ergebe sich ua. auch aus dem arbeitsrechtlichen und dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 [X.]. Schließlich sei der [X.] aufgrund der unwirksamen Stichtagsregelung insgesamt nichtig und bei den dann allein noch verbleibenden Regelungen des [X.] handele es sich nunmehr um [X.] iSv. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, die auch für den Kläger gelten würden.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

        

1.    

die [X.] samtverbindlich zu verurteilen, an ihn eine weitere Abfindung von 10.000,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2012 zu zahlen,

        

2.    

die [X.] samtverbindlich zu verurteilen, an ihn 18.816,96 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmtem Umfang und zeitlicher Staffelung zu zahlen,

        

3.    

die [X.] samtverbindlich zu verurteilen, an ihn 155.867,54 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 94.221,70 Euro netto zu zahlen.

5

Die [X.] haben Klageabweisung beantragt.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. [X.]it der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist unbegründet.

8

I. Das Urteil des [X.] ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als das [X.] einen Anspruch des [X.] aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit abgelehnt hat.

9

1. Der [X.] nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat ([X.] 24. Februar 2010 - 4 [X.] - Rn. 28; 16. Dezember 1970 - 4 [X.] - [X.]E 23, 146; [X.] 29. November 1990 - I ZR 45/89 - zu I 2 a der Gründe mwN).

2. Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen seinen Anspruch gegen die Beklagten nicht auf eine Tarifgebundenheit gestützt. Indem das [X.] einen Anspruch des [X.] aufgrund einer Tarifgebundenheit aberkannt hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Das klageabweisende Urteil ist daher zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft ([X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] - Rn. 17; [X.] 28. Mai 1998 - I [X.] - zu [X.]) zu verhindern. Eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte es insoweit nicht.

II. Die Klage ist unbegründet. Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger für die von ihm erhobenen Ansprüche die Beklagten zu 1. und 2. jeweils als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen kann.

1. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Kläger kann auf Grundlage der Bestimmungen in A 2.1. [X.] keine weitere Abfindung verlangen.

a) Er wird nicht vom persönlichen Geltungsbereich des an dieser Stelle im [X.] genannten [X.] erfasst, weil er zum maßgebenden Zeitpunkt nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft war.

b) Die Stichtagsregelung in § 1 Nr. 2 [X.] ist wirksam. Die tarifliche Bestimmung verletzt weder die sog. negative Koalitionsfreiheit noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (dazu ausf. [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 25 bis 53). Weiterhin kann sich der Kläger weder auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ([X.]. bereits [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 54 bis 58) noch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen ([X.]. hierzu [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 59 bis 68). Aufgrund der Wirksamkeit der Stichtagsregelung kann es de[X.]alb dahinstehen, ob die Auffassung des [X.], der [X.] sei insgesamt nichtig und de[X.]alb handele es sich bei den verbleibenden Regelungen des [X.] um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, von denen auch sein Arbeitsverhältnis erfasst werde, auch nur im Ansatz zutreffend sein könnte (so schon [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 69).

2. Die weiteren Klageanträge zu 2. und 3. sind ebenfalls ohne Erfolg.

a) Der Kläger hat aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsregelung in [X.] 2 [X.] keinen Anspruch auf eine Ergänzung der monatlichen Zahlungen zu den Mindestarbeitsbedingungen seines [X.] nach § 2 Satz 1 [X.] („monatlich 80 Prozent ihres [X.]“). Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Nr. 2 [X.] eine wirksame Geltungsbereichsbestimmung vereinbart ([X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 72 f. iVm. Rn. 25 bis 53). Weiterhin kann sich der Kläger auch insoweit weder auf den arbeitsrechtlichen noch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen ( [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 74 bis 77). Gleiches gilt für § 3 Abs. 2 TVG (unter [X.] b).

b) Schließlich kann der Kläger nicht die Zahlung der monatlichen Vergütung nach [X.] 1 [X.] auf der Basis seines (bi[X.]erigen) [X.] in Höhe von [X.] unter Heranziehung des Berechnungsfaktors in § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] („13,5-fache des bi[X.]erigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf“) beanspruchen, auf das erst dann etwaige Nettoleistungen der [X.] anzurechnen sind (dazu ausf. [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 78 bis 82).

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Treber    

        

        

        

    Klotz    

        

    Lippok    

                 

Meta

4 AZR 114/15

27.01.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 18. Juni 2013, Az: 17 Ca 9049/12, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az. 4 AZR 114/15 (REWIS RS 2016, 17099)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17099

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