Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. VI ZB 42/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 554

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI [X.]/13
vom

9. Dezember 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Fd
Zur [X.] fristgebundener Anwaltsschriftsätze.
[X.], Beschluss vom 9. Dezember 2014 -
VI [X.]/13 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Dezember 2014 durch
den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.],
die Richterin
von Pentz und den Richter Offenloch

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss des
16. Zivilsenats
des [X.]s Frankfurt
am Main vom 9. Oktober
2013
wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.
[X.]: 7.906,78

Gründe:
I.
Dem Kläger ist das klageabweisende Urteil des [X.] am 9. Juli 2013
zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat er rechtzeitig Berufung einge-legt. Mit [X.] vom 9. September 2013, der am 10. September 2013 beim [X.] eingegangen ist, hat er beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 9. Oktober 2013 zu verlängern. Das [X.] hat die Frist mit Verfügung vom 11. September 2013
antragsgemäß verlängert. Vor Zugang dieser Verfügung hat der Kläger mit [X.] vom 16. September 2013 beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Frist zur Berufungsbegründung zu gewähren. Im selben [X.] hat er nochmals beantragt, die Frist zur
Berufungsbegründung bis zum 9.
Oktober 2013 zu verlängern. Mit Verfügung vom 19. September 2013 hat das 1
-
3
-

[X.] die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. Oktober 2013 verlängert. Die Berufungsbegründung ist am 14. Oktober 2013 bei Gericht eingegangen.
Der Kläger hat geltend
gemacht, seine Prozessbevollmächtigte, Rechts-anwältin [X.],
habe den Fristverlängerungsantrag bereits in der Woche vor dem Fristablauf diktiert und mit der Begleitverfügung versehen, dass dieser [X.] am 9. September 2013 ausgefertigt, ihr zur Unterschrift vorgelegt und fristwahrend vom Sekretariat gefaxt werden solle. Die Rechtsanwaltsfachange-stellte B.
habe den [X.] am Freitag, dem 6. September 2013, mit Datum 9. September 2013 ausgefertigt und Rechtsanwältin [X.], die an jenem Tag Ur-laub gehabt habe, in einer Unterschriftsmappe auf den Schreibtisch gelegt. [X.] unvorhersehbar sei Rechtsanwältin [X.] am Morgen des 9. September 2013 aufgrund einer akuten Erkrankung in ihrer Wohnung zusammengebrochen, ha-be sich einer Notoperation unterziehen
müssen und befinde sich seither im Koma. Davon habe man in der Anwaltskanzlei am 9. September 2013 noch keine Kenntnis gehabt. [X.]
habe zunächst geglaubt, Rechtsanwältin [X.]
werde im Laufe des [X.] im Büro erscheinen. Gegen 18.00 Uhr habe [X.] das Büro verlassen und dabei sowohl die in der vorliegenden Sache zu wah-rende Frist als auch die in dem Büro von Rechtsanwältin [X.] liegende Unter-schriftenmappe vergessen. Das Büro von Rechtsanwältin [X.] sei von außen nicht einsehbar, weshalb ihr die Mappe im Laufe des [X.] nicht mehr aufge-fallen sei. Aus diesem Grund habe sie auch keinen anderen Rechtsanwalt auf die [X.] angesprochen, obwohl sie für solche Fälle allgemein angewiesen sei, die [X.] zuständige Rechtsanwältin anzurufen, und wenn sie sie nicht erreiche, deren Vertreterin oder einen in der Kanzlei anwesenden Rechts-anwalt auf den Fristablauf anzusprechen. Am 9. September 2013 um 18.00 Uhr
sei Rechtsanwältin [X.]. noch anwesend gewesen. Die Büroorganisation sei ge-nerell so geregelt, dass eine Fristversäumung weitestgehend ausgeschlossen 2
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-

sei. Es gebe feste Fristenregelungen, wonach diejenige Bürokraft, die konkret mit der Fristenwahrung beauftragt sei -
unabhängig davon,
ob dies durch per-sönliche Ansprache oder im Wege eines Diktats
erfolgt sei,
-
bis zur vollständi-gen Erledigung die Vorgänge der Fristwahrung überwache und diese erst dann als erledigt austrage. Diese Bürokraft sei auch für eine Fristenkontrolle am En-de des [X.] zuständig. Im Arbeitsvertrag mit [X.] sei ihr Aufgabenbereich fest umschrieben. Sie habe die Aufgaben einer Rechtsanwaltsfachangestellten; mithin sei ihr sowohl generell als auch im Besonderen die Wahrung der Fristen im Rahmen der Büroorganisation aufgetragen gewesen. [X.] habe den Um-stand, dass die Frist noch zu wahren
gewesen sei, schlicht und einfach [X.].
Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch
mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 zurückgewiesen, weil es nicht den Anforderungen des §
236 Abs.
2 Satz 2 ZPO entspreche.
Der Kläger habe die versäumte Prozess-handlung nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist
nachgeholt. Die irrtümlich bewilligte Fristverlängerung für die Einreichung der Berufungsbegründung sei unwirksam und habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Mit der Rechts-beschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Beschlusses und [X.] in die versäumte Frist zur Begründung
der Berufung, hilfsweise Zurückverweisung.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 ZPO iVm
§
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Die [X.] wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeu-3
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tung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die
Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde beruht der [X.] Beschluss weder auf einer Verletzung des verfahrensrechtlich gewährleis-teten Anspruchs
des [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf ein fai-res Verfahren (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Aus-prägung als Willkürverbot (Art.
3 Abs.
1 GG). Dem
Kläger wird
insbesondere nicht der
Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz
in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise er-schwert.
a) Es
kann offenbleiben, ob dem
Kläger,
der seine Berufungsbegründung erst am 14. Oktober 2013 und damit nach Ablauf der
für die Nachholung der versäumten [X.] geltenden einmonatigen Frist des §
236 Abs.
2 Satz 2 ZPO eingereicht hat,
ein Verschulden an der Versäumung dieser
Frist angelastet werden kann
oder ihm wegen der
irreführenden
Fristverlängerung durch das Berufungsgericht vom 19. September 2013 -
auf seinen konkluden-ten Antrag im [X.] vom 14. Oktober 2013 oder von Amts wegen
-
[X.] wegen der Versäumung der Frist des §
236 Abs.
2 Satz 2 ZPO zu gewähren wäre
(vgl. [X.] 110, 339, 343 ff.; [X.], Beschluss vom 7. Juni 1999 -
II
ZB 25/98, [X.], 647, 648).

b) Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte [X.] im Ergebnis zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur [X.] auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten be-ruht, das
ihm nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist. Der Kläger
hat
weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass seine
Prozessbevollmächtigte durch 5
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-
6
-

eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass [X.]
nicht versäumt werden.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] ge-hört
es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Pro-zessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel-
oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine [X.] schaf-fen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die [X.] in [X.] Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der [X.] also gefertigt und abgesandt oder [X.] postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Dabei ist der für die Kontrolle zuständige Angestellte anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2013 -
VI
ZB 78/11, [X.], 645
Rn.
10; [X.], Beschlüsse
vom 23. Januar 2013 -
XII
ZB 559/12, [X.], 1330 Rn.
6; vom 27. November 2013 -
III
ZB 46/13, juris Rn. 8,
jeweils mwN).
Schließlich gehört zu einer wirksamen [X.] auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr.,
s. etwa [X.], Senatsbeschlüsse vom
17. Januar 2012 -
VI
ZB 11/11, 8
-
7
-

[X.], 1009 Rn. 9; vom 12. April 2011 -
VI
ZB 6/10, [X.], 506 Rn.
7 f; [X.], Beschlüsse vom 4. November 2014 -
VIII
ZB 38/14, juris Rn. 8 f.; vom 16. Juli 2014 -
IV
ZB 40/13, juris Rn.
9; vom 27. November 2013 -
III
ZB 46/13, juris Rn. 8; vom 23. April 2013 -
X
ZB 13/12, juris
Rn.
9; vom 27. März 2012 -
II
ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn.
9; vom 16. Februar 2010
-
VIII [X.], NJW 2010, 1378, Rn.
7).
bb) Der Begründung des [X.] ist nicht zu entneh-men, dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des [X.]
die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen wurden. Obwohl der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit [X.] vom 26. September 2013 ausdrücklich auf das Fehlen jeglichen Vortrags zur [X.] hinge-wiesen hatte, hat
der Kläger weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ei-ne Kanzleianweisung besteht, aufgrund derer [X.] in einen Fris-tenkalender einzutragen und erst zu streichen sind, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist. Ebenso wenig ist eine Anordnung der [X.] dargetan, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des Fris-tenkalenders von einer dazu
beauftragten Bürokraft überprüft wird.
cc) Die unzureichende [X.] in der Kanzlei der [X.] des [X.] war auch kausal für die Fristversäumung. Hätte die Prozessbevollmächtigte des [X.] Vorkehrungen dafür getroffen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist, und die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des Fristenkalenders von einer da-zu beauftragten Bürokraft überprüft wird, so wäre die Berufungsbegründungs-frist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gewahrt worden (vgl. zur Kausalität Senatsbeschluss vom 13. Juli 2010
-
VI
ZB 1/10,
NJW 2011, 151 Rn. 9; [X.]/
9
10
-
8
-

Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rn. 22). Denn dann
hätte es sich nicht ausge-wirkt, dass [X.] die Frist und die Postmappe im Büro der Prozessbevoll-mächtigten des [X.] am 9. September 2013 "schlicht und einfach
[X.]" hatte. Vielmehr wäre bei der gebotenen Fristenkontrolle aufgefallen, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, dem das Oberlan-desgericht in der Folge stattgegeben hat, noch nicht fertiggestellt war. Nach dem eigenen Vortrag des [X.] wäre er dann von der noch anwesenden Rechtsanwältin [X.]. unterzeichnet und
rechtzeitig per Telefax an das Oberlan-desgericht übersandt worden. Die Frist wäre dann nicht am 9. September 2013, sondern aufgrund der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 19. September 2013 am 21. Oktober 2013 abgelaufen und durch die am 14. Oktober 2013 ein-gegangene
Berufungsbegründung gewahrt worden.
Galke
[X.]
[X.]

von Pentz
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2013 -
2-10 O 383/12 -

O[X.], Entscheidung vom 09.10.2013 -
16 [X.] -

Meta

VI ZB 42/13

09.12.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. VI ZB 42/13 (REWIS RS 2014, 554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 554

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 42/13

VIII ZB 76/09

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