Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 196/17

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11974

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210318BIVZR196.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 196/17
vom
21. März 2018
in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.], die Richterinnen [X.] und [X.]

am 21. März 2018

beschlossen:

Der [X.] erklärt sich für unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Restitu-tionsklägers an das [X.].

Gründe:

[X.] Der im Jahr 1940 nichtehelich geborene [X.] (im Folgenden: Kläger) erstrebt die Wiederaufnahme eines rechtskräftig ab-geschlossenen Verfahrens (im Folgenden: Ausgangsverfahren). In [X.] machte er im Wege der Stufenklage Pflichtteils-
und Pflichtteilser-gänzungsansprüche gegen die Restitutionsbeklagte (im Folgenden: [X.]) aus dem Erbfall nach dem am 26.
Juni 2006 verstorbenen [X.] geltend. Der Erblasser war im Jahr 1949 verurteilt worden, gemäß §
1708 BGB in der damals geltenden Fassung Unterhalt an den Kläger zu zahlen. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist des-sen testamentarische Alleinerbin.

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Im Ausgangsverfahren blieb die Klage erfolglos. Die Revision des [X.] gegen das die klageabweisende Entscheidung des [X.] bestätigende Urteil des Berufungsgerichts wies der Senat mit Urteil vom 26.
Oktober 2011 zurück ([X.], [X.], 229). Dem Kläger stehe als nichtehelichem, vor dem 1.
Juli 1949 geborenem Kind gemäß Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.
August 1969 ([X.] I 1243; im Folgenden: [X.]) i.V.m. §
1589 Abs.
2 BGB in der bis zum 30.
Juni 1970 gel-tenden Fassung kein Pflichtteil am Nachlass des Erblassers zu; die Auf-hebung von Art.
12 §
10 Abs.
2 [X.] durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12.
April 2011 ([X.] I 615; im Folgenden: ZwErbGleichG) sei gemäß Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG nur mit Wirkung zum 29.
Mai 2009 erfolgt. Hiergegen [X.] der Kläger Verfassungsbeschwerde ein. Diese wurde nicht zur Ent-scheidung angenommen ([X.] [X.] 2013, 326).

Auf die Individualbeschwerde des [X.] gegen die [X.] [X.] stellte der [X.] (im Folgenden: [X.]) durch Urteil vom 23.
März 2017 ([X.] 2017, 507) fest, dass das Ergebnis der Rechtsanwendung im Ausgangsverfahren dessen Rechte aus Art.
14 (Diskriminierungsverbot) der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: [X.]) i.V.m. Art.
1 des Zusatzprotokolls zur [X.] (Schutz des Eigentums) ver-letze. Das Urteil wurde gemäß Art.
44 Abs.
2 [X.] mit Ablauf des 23.
Juni 2017 endgültig. Im [X.] hieran schlossen der Kläger und
die Bundesrepublik [X.] eine Vereinbarung, nach der sich diese verpflichtete, an den Kläger als Ausgleich für sämtliche Ansprüche im 2
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Zusammenhang mit der Individualbeschwerde einen Gesamtbetrag von 83.721,20

Der Kläger hat am 20.
Juli 2017 Restitutionsklage beim Bundesge-richtshof erhoben. Er meint, das Ausgangsverfahren sei gemäß §§
578 Abs.
1, 580 Nr.
8 ZPO wieder aufzunehmen. Er beantragt, das rechts-kräftige Urteil des [X.] vom 26.
Oktober 2011 ([X.])
und
das Berufungsurteil aufzuheben sowie im Wege der Stufen-klage über seinen Pflichtteilsanspruch zu entscheiden.
Die Beklagte [X.], die Restitutionsklage zurückzuweisen.

I[X.] Der
[X.] ist für die Restitutionsklage nicht zu-ständig. Auf den -
jedenfalls schlüssig gestellten -
Hilfsantrag des [X.] ist sie an das im Ausgangsverfahren zuständige Berufungsgericht zu verweisen.

1. Die Zuständigkeit für eine Restitutionsklage gegen ein Urteil richtet sich nach § 584 Abs.
1 ZPO. Für die Klagen ist ausschließlich zu-ständig das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat (§
584 Abs.
1 Halbsatz
1 ZPO). Wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des §
580 Nr. 1
bis 3, 6, 7 ZPO angefochten wird, ist das Berufungsge-richt zuständig (§
584 Abs. 1 Halbsatz
2 ZPO). Wenn ein in der [X.] erlassenes Urteil aufgrund der §§
579, 580 Nr.
4, 5 ZPO an-gefochten wird, besteht eine Zuständigkeit des [X.] (§
584 Abs. 1 Halbsatz 3 ZPO).

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Das Gesetz enthält demgegenüber keine Regelung zu der Frage, welches Gericht für eine Restitutionsklage, die ein in der [X.] erlassenes Urteil betrifft,
in den Fällen des § 580 Nr. 8 ZPO zu-ständig ist.
Das beruht auf einem Versehen des Gesetzgebers ([X.] in [X.], ZPO 22.
Aufl. §
584 Rn.
2). §
580 Nr.
8 ZPO ist erst nach-träglich durch Art.
10 Nr.
6 des [X.] vom 22.
Dezember 2006 ([X.] I 3416) in die Zivilprozessordnung aufgenommen worden. Dass sich die Zuständigkeit für eine auf den [X.] gestützte und sich gegen ein Revisionsurteil rich-tende Restitutionsklage nicht aus §
584 Abs.
1 ZPO ergibt, ist dabei nicht bedacht worden (vgl. BT-Drucks. 16/3038 S.
25, 38
ff.).

Wie diese Regelungslücke zu schließen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass in den Fällen des §
580 Nr.
8 ZPO ausnahmslos eine Zuständigkeit des [X.]s gegeben ist
(Büscher in [X.]/Schütze, ZPO 4.
Aufl. §
584 Rn.
17). Andere halten das Revisionsgericht nur für zuständig, wenn es eigene tatsächliche Feststellungen getroffen hat. Ansonsten soll das Be-rufungsgericht zuständig sein (so [X.] in [X.], ZPO 9.
Aufl. §
584 Rn.
7; ferner [X.] in [X.], ZPO 32.
Aufl. §
584 Rn.
9; vgl. auch [X.], Urteil vom 6.
Dezember 1973 -
IX ZR 154/72, [X.]Z 62, 18 juris Rn.
7, wonach die beim Revisionsgericht zu [X.] gemäß §
580 Nr.
7 b ZPO ausnahmsweise stattfin-det, wenn damit tatsächliche Feststellungen des [X.] ange-griffen werden). Mangels eigener tatsächlicher Feststellungen des Se-nats in dem Urteil vom 26.
Oktober 2011 ([X.], [X.], 229) wäre hiernach eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben. [X.] andere differenzieren im Rahmen von §
580 Nr.
8 ZPO danach, aus welchem Verfahren die Mängel herrühren, die geltend gemacht wurden 7
8
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6
-

(so [X.] in [X.], ZPO 22.
Aufl. §
584 Rn.
5). Da
es hier nicht um Verfahrensmängel im Sinne von §
580 Nr.
4 oder Nr.
5 ZPO geht, wäre eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben.
Schließlich un-terscheiden andere
-
ohne hierbei gesondert auf §
580 Nr.
8 ZPO einzu-gehen
-
danach, ob nur das Revisionsverfahren von dem gerügten Man-gel betroffen ist. In diesem Fall soll die Klage ungeachtet des geltend gemachten Grundes beim Revisionsgericht zu erheben sein. Sei dage-gen ebenfalls das Berufungsverfahren betroffen, so sei in allen Fällen das Berufungsgericht zuständig (so [X.]/[X.], 5.
Aufl. §
584 Rn.
1, 6
f.; vgl. auch [X.], Beschluss
vom 8.
Juni 1973 -
I [X.], [X.]Z 61, 95 juris Rn.
8-10; einschränkend
[X.], Urteil vom 4.
Juli 1980 -
V [X.], [X.], 1350
juris Rn.
4-6; Musielak in [X.]/[X.], ZPO 14. Aufl. § 584 Rn. 8). Da hier die Frage der Erbenstel-lung des [X.] sowohl das Berufungs-
als auch das
Revisionsurteil [X.], wäre das Berufungsgericht zuständig.

Jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Fall kommt
eine Zustän-digkeit des [X.] nicht in Betracht. Auch wenn §
584 Abs.
1 ZPO den Restitutionsgrund
des §
580 Nr.
8 ZPO nicht ausdrücklich nennt, liegt der Vorschrift die Grundstruktur eines
Regel-Ausnahme-Verhältnisses
zugrunde. Grundsätzlich zuständig für die [X.] ist das Gericht des ersten [X.]. Lediglich für den
Fall, dass das angefochtene Urteil oder eines der angefochtenen Urteile von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder ein in der Revisionsinstanz vom Revisionsgericht erlassenes Urteil aufgrund des §
580 Nr.
1
bis 3, 6, 7 ZPO angefochten wird, ist das Berufungsgericht zuständig. Eine Zustän-digkeit des [X.] kommt nur in den Ausnahmefällen in [X.], in denen ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund des
§
580 Nr. 4, 5 ZPO angefochten wird. Das Gesetz geht mithin bei der 9
-
7
-

Anfechtung eines Revisionsurteils von einer grundsätzlichen Zuständig-keit der Berufungsinstanz aus (vgl. [X.]/[X.], 5.
Aufl. §
584 Rn.
6).

Der hier maßgebliche
Sachverhalt ist auch nicht mit den [X.] des §
580 Nr.
4 und 5 ZPO vergleichbar
(in der [X.] wurde bei Entscheidungen des [X.] allenfalls eine Parallele zu §
580 Nr.
7
b ZPO erwogen, vgl. BT-Drucks. 16/3038 S.
39 m.w.N.). Bei diesen
geht es um grobe Mängel des Verfahrens, die den Bestand des Revisionsurteils unbeschadet der tatsächlichen Feststellungen der [X.] in Frage stellen (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 1954 -
V [X.], [X.]Z 14, 251, 256
[juris Rn.
21]). Um derartige Verfahrensmän-gel handelt
es sich hier nicht. Der [X.] hat vielmehr mit seinem Urteil vom 23.
März 2017 entschieden, dass das vom Revisionsgericht und den Vorinstanzen angenommene Ergebnis der Rechtsanwendung die Rechte des [X.] aus Art.
14 [X.] (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art.
1 des Zusatzprotokolls zur [X.] (Schutz des Eigentums) verletzt
([X.] 2017, 507). Es geht
mithin um die Frage der materiellen Vereinbarkeit inner-staatlicher Rechtsnormen bezüglich
des Erbrechts
nichtehelicher Kinder mit der [X.].

Demgegenüber kommt
nach dem Regelungsplan des [X.] eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts in Betracht, wenn es um den vom Berufungsgericht festgestellten oder festzustellenden Sachver-halt geht ([X.], Urteil vom 13.
Juli 1954 aaO; ferner Beschluss vom 8.
Juni 1973 -
I [X.], [X.]Z 61, 95, 97, 100
[juris Rn.
9
f.]; [X.] vom 7.
Dezember 2015 -
6
PKH 10/15, juris Rn.
12; Musielak in [X.]/[X.], ZPO 14.
Aufl., §
584 Rn.
2; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
584 Rn.
1). Hier wären
im Falle des Vorliegens der weiteren 10
11
-
8
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Voraussetzungen des § 580 Nr. 8 ZPO nach erfolgter Wiederaufnahme des Verfahrens zunächst tatsächliche Feststellungen zu treffen bzw. nachzuholen. Die Klage ist bisher allein deshalb abgewiesen worden, weil die Tatsacheninstanzen sowie das Revisionsgericht von einer feh-lenden Erbberechtigung des [X.] infolge der innerstaatlichen gesetz-lichen Regelung ausgegangen sind. Tatsächliche Feststellungen zu den Voraussetzungen des
vom Kläger
im Wege der Stufenklage verfolgten [X.] waren bisher nicht zu treffen. Da das [X.] für derartige tatsächliche Feststellungen nicht zuständig ist, käme im Falle seiner erfolgreichen Anrufung im Wiederaufnahmeverfahren oh-nehin lediglich eine Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts und eine
Zurückverweisung an dieses in Betracht. In einem derartigen Fall ist
eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts
gegeben.

2. Auf den Hilfsantrag des [X.] ist der Rechtsstreit gemäß §§
585, 281 Abs.
1 Satz
1 ZPO an das Berufungsgericht zu verweisen (vgl. zur Verweisung in einem solchen Fall [X.], Beschluss vom 8. Juni 1973

I [X.], NJW 1973, 1701
juris Rn. 13; [X.] vom 16. Dezember 2014 -
X K
5/14, juris Rn.
5
f.).
Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren
gegebenenfalls auch zu prüfen haben,
ob die angefochtenen Entscheidungen im Sinne von § 580 Nr. 8 ZPO auf der Verletzung der [X.] beruhen und dabei insbesondere zu klären haben, ob im hier zu beurteilenden Sachverhalt die tatschlichen Umstände vorliegen, bei de-ren Vorhandensein der Senat ausnahmsweise eine konventionsfreundli-che Auslegung im Sinne einer teleologischen Erweiterung von Art.
5

12
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9
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Satz
2 ZwErbGleichG für möglich erachtet hat
(hierzu zuletzt Senatsbe-schluss vom 12. Juli 2017

IV ZB 6/15, [X.] 2017, 510 Rn.
18-22; vgl. ferner Lieder/[X.], [X.], 1623
f.).

[X.]

Dr. Karczewski

[X.]

[X.]

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
309 [X.]/09 -

O[X.], Entscheidung vom 15.06.2010 -
2 U 8/10 -

Meta

IV ZR 196/17

21.03.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 196/17 (REWIS RS 2018, 11974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11974

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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