Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.12.2014, Az. X K 5/14

10. Senat | REWIS RS 2014, 335

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Restitutionsklage - Zuständigkeit für die Entscheidung über eine Wiederaufnahmeklage - Entscheidung über die Verweisung bei Anrufung eines unzuständigen Gerichts


Leitsatz

1. NV: "Revisionsgericht" i.S. des § 584 ZPO ist auch das Rechtsmittelgericht, das über eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden hat. Für den Restitutionsgrund des Auffindens einer Urkunde ist jedoch stets das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig .

2. NV: Wird mit einer Restitutionsklage ein unzuständiges Gericht angerufen, ist die Entscheidung über die Verweisung an das zuständige Gericht nicht durch formlose Abgabe, sondern durch bindenden Beschluss zu treffen. Die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht wahrt die für Wiederaufnahmeklagen geltende Frist von einem Monat seit Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrund .

Tatbestand

1

I. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Wiederaufnahmebeklagte (das Finanzamt --[X.]--) hatte gegen die Klägerin, Beschwerdeführerin und Wiederaufnahmeklägerin (Klägerin) im [X.] an eine Steuerfahndungsprüfung Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1997 bis 2006 erlassen, in denen die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb geschätzt worden war. Nachdem der erkennende Senat ein erstes klageabweisendes Urteil des Finanzgerichts ([X.]) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte (Beschlüsse vom 29. Juni 2011 [X.] 242-244/10, [X.], 1715), minderte das [X.] die Schätzungsbeträge im zweiten Rechtsgang, setzte die Festsetzungen entsprechend herab und wies die Klagen im Übrigen ab. [X.] der Klägerin gegen diese Entscheidungen blieben beim erkennenden Senat ohne Erfolg (Beschluss vom 14. Mai 2013 [X.] 123-125/12, [X.], 1253).

2

Mit einem am 23. Juni 2014 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schreiben begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme der Verfahren [X.] 123-125/12. Sie bringt vor, erst am 6. Juni 2014 im Wege der erneuten Einsichtnahme in die Akten des parallel geführten Steuerstrafverfahrens Kenntnis von dem [X.] und dessen Auswertung erhalten zu haben. Diese Unterlagen habe die Steuerfahndung erst mit Schreiben vom 20. März 2014 zu den Strafakten gereicht; zuvor seien sie der Klägerin nicht zugänglich gewesen. Aus diesen Unterlagen ergebe sich die Notwendigkeit der Vernehmung des Fahndungsprüfers.

3

Die Klägerin beantragt,
die abgeschlossenen Verfahren [X.] 123-125/12 wieder aufzunehmen und die Revisionen zuzulassen,
hilfsweise, die [X.] an das [X.] zu verweisen.

4

Das [X.] hält den [X.] für nicht zuständig und beantragt,
die [X.] an das [X.] zu verweisen,
hilfsweise, die [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die [X.] ist an das [X.] zu verweisen.

6

1. Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien (Beteiligten) von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges (§ 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--). Diese Vorschrift ist im finanzgerichtlichen Verfahren in Fällen der Anrufung eines sachlich oder örtlich unzuständigen Gerichts entsprechend anzuwenden (§ 70 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

7

a) Die sachliche Zuständigkeit --hier: [X.] Zuständigkeit als Unterfall der sachlichen Zuständigkeit-- für [X.]n richtet sich nach § 584 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 134 [X.]O. Danach ist für [X.]n --abgesehen von der im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen [X.] ausschließlich zuständig das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; jedoch das Revisionsgericht, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nrn. 4, 5 ZPO angefochten wird.

8

Danach liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des [X.] nicht vor. Zwar ist "Revisionsgericht" im Sinne dieser Vorschrift auch das Rechtsmittelgericht, das über eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden hat ([X.] vom 25. November 1999 I K 1/98, [X.], 730, und vom 26. Juni 2003 III K 1/03, [X.] 2003, 1436). Jedoch hat die Klägerin ihre [X.] nicht auf die §§ 579, 580 Nrn. 4, 5 ZPO gestützt. Ausdrücklich bezeichnet sie keinen der gesetzlichen Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe. Ihr Begehren ist aber sinngemäß dahingehend auszulegen, dass sie den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO geltend machen will, da sie vorbringt, erst nach der Rechtskraft der vorangehenden Entscheidungen den Observationsbericht und dessen Auswertung zu benutzen in den Stand gesetzt worden sei. Damit ist das [X.] als das Gericht, welches das angefochtene Urteil in erster Instanz erlassen hat (vgl. § 584 ZPO), grundsätzlich für die Entscheidung über die Restitutionsklage ausschließlich zuständig. Dies ist nach der Systematik des § 584 ZPO auch in der Sache gerechtfertigt, weil die von der Klägerin vorgebrachten Restitutionsgründe nicht die eigene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, sondern die tatsächlichen Feststellungen des [X.] betreffen (vgl. auch hierzu [X.] in [X.], 730).

9

b) Die in § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG vorgesehene Anhörung der Beteiligten ist im vorliegenden Verfahren entbehrlich. Das [X.] hat in seiner Klageerwiderung auf die Unzuständigkeit des [X.] hingewiesen und die Verweisung an das [X.] beantragt. In seiner Replik ist die Klägerin dem nicht entgegengetreten und hat selbst --jedenfalls hilfsweise-- die Verweisung beantragt.

2. Wird mit einer Restitutionsklage ein unzuständiges Gericht angerufen, ist die Entscheidung über die Verweisung an das zuständige Gericht nicht durch formlose Abgabe, sondern durch bindenden Beschluss zu treffen (Beschluss des [X.] vom 29. November 1990 AR 2 Z 85/90, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1991, 133). Aus diesem Grund wahrt die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht die in § 586 Abs. 1 ZPO für [X.]n vorgesehene Frist von einem Monat seit Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrund (vgl. auch § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG; Urteil des [X.] vom 12. November 1969  4 [X.], [X.], 126).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (§ 17b Abs. 2 GVG i.V.m. § 70 Satz 1 [X.]O).

Meta

X K 5/14

16.12.2014

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 580 Nr 7 Buchst b ZPO, § 584 ZPO, § 586 ZPO, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 17b Abs 2 GVG, § 70 S 1 FGO, § 134 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.12.2014, Az. X K 5/14 (REWIS RS 2014, 335)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 335

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI B 5/15 (Bundesfinanzhof)

NZB gegen FG-Urteil, mit dem eine Restitutionsklage abgewiesen wurde - Anforderung an eine Wiederaufnahmeklage


16 U 46/97 (Oberlandesgericht Köln)


L 7 U 166/19 (LSG München)

Zulässigkeit einer Restitutionsklage


IV ZR 196/17 (Bundesgerichtshof)

Zuständiges Gericht für eine Restitutionsklage betreffend ein vom Revisionsgericht erlassenes Urteil: Fall einer Entscheidung des …


II-1 WF 8/02 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

IV ZR 196/17

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.