Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. IV ZR 201/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8515

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 201/13

Verkündet am:

22.
Januar 2014

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

VVG § 159; [X.] § 47

Zur Auslegung eines "unwiderruflichen Bezugsrechts mit Vorbehalt" des [X.] in einem vom Arbeitgeber für ihn geschlossenen [X.] für den Fall der
insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (im [X.] an [X.], Urteile vom 8.
Juni 2005 -
[X.]/04, [X.], 1134 und vom 3.
Mai 2006 -
IV ZR 134/05, [X.], 1059).

[X.], Urteil vom 22.
Januar 2014 -
IV ZR 201/13 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom
22.
Januar 2014

für Recht erkannt:

Auf die
Revision
der [X.]
wird das
Urteil des 7. Zi-vilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart
vom 16.
Mai
2013
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Bezugs-berechtigung aus drei Rentenversicherungsverträgen, die die A.

-S.

-W.

GmbH & Co KG (im Folgenden: Versicherungsneh-merin) bei der [X.] im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertra-ges für ihre Arbeitnehmer
Birgit [X.]

, [X.] [X.]

und Francesco M.

abgeschlossen hatte.
Der Versicherungsbeginn lag in den genannten Fällen zwischen dem 1.
April 2007 und dem 1.
Februar 2008.

In diesen Versicherungen war zugunsten der Arbeitnehmer ein "unwiderrufliches Bezugsrecht mit Vorbehalt" vereinbart. Dieser Vorbe-halt ging nach den vereinbarten Bedingungen

mit leicht unterschiedli-chen Formulierungen in den einzelnen Fällen

übereinstimmend dahin, 1
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dass die Versicherungsnehmerin berechtigt war, Versicherungsleistun-gen für sich
in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ein-tritt des
Versicherungsfalles endete und der Arbeitnehmer zu dieser [X.] noch keine unverfallbare Anwartschaft hatte, was erst dann der Fall sein sollte, wenn er zum
[X.]punkt des Ausscheidens das 30.Lebensjahr [X.] hatte und die Versicherung fünf Jahre bestand.

Über das Vermögen der Versicherungsnehmerin wurde am 17. Mai 2011
das Insolvenzverfahren eröffnet. Aus diesem Grunde endeten die Arbeitsverhältnisse der genannten
Arbeitnehmer. Der zum Insolvenzver-walter der Versicherungsnehmerin bestellte Kläger begehrte
in dieser [X.] die Auszahlung der Rückkaufswerte der fraglichen drei Versi-cherungen sowie derjenigen von zwei weiteren Arbeitnehmern in einer Gesamthöhe
von insgesamt 7.265,06

Er hat geltend gemacht, dass noch keiner der betroffenen [X.] eine unverfallbare Anwartschaft erworben habe. Die Beklagte meint,
die Klausel zum Bezugsrecht sei in allen Fällen einschränkend dahin auszulegen, dass der Vorbehalt nicht in den Fällen insolvenzbe-dingten Ausscheidens des Arbeitnehmers gelte.

Das [X.] hat der
Klage hinsichtlich der Rückkaufswerte aus den Versicherungen der eingangs genannten Arbeitnehmer in Höhe von 3.690,18

Kosten in Höhe von 169,25

und sie im Übrigen abgewiesen. Das
Ober-landesgericht hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der [X.].

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-

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg
und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass dem Kläger der An-spruch auf Auszahlung der Rückkaufswerte
zustehe, nachdem er mit
Schreiben vom 24.
Mai 2011 erklärt habe, die Gruppenversicherung zur Insolvenzmasse einzuziehen,
womit er die
Verträge konkludent gekün-digt und zugleich die bisherige
Bezugsberechtigung der versicherten
Ar-beitnehmer widerrufen habe.

Im Verfahren 3 [X.] sei durch Vorlage des [X.] an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (im Folgenden kurz: Gemeinsamer Senat) Einigkeit über die Rechtsweggrenzen hinweg erzielt worden, dass die Vertragsklausel über die eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsberechtigung des [X.] so auszulegen
sei,
dass der Vorbehalt "ohne weiteres"
auch die in-solvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasse.
Es [X.] deshalb entscheidend darauf an, ob sich "außerhalb des Wortlautes"
der Klausel Umstände fänden, die ein anderes Verständnis des [X.] geböten. Das sei nicht der Fall. Die von der [X.] dargelegten Interessen von Arbeitnehmern
und Arbeitgebern
begründeten derartige Umstände nicht, sondern seien solche, die sich gerade "ohne weiteres"
aus dem Vorbehalt ergäben.

Das im [X.] an den Gemeinsamen
Senat herbeige-führte Einvernehmen bedeute insofern "an sich"
eine Abkehr von der 6
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früheren Rechtsprechung des [X.] in dessen Urteilen vom 8.
Juni 2005 ([X.]/04,
VersR
2005, 1134)
und
vom 3.
Mai 2006 (IV ZR
134/05, VersR
2006, 1059).

I[X.] Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
Das Berufungsge-richt hat bei seiner
Auslegung des [X.] die Interes-sen der Beteiligten zu Unrecht nicht berücksichtigt.

1. Im Ansatz zutreffend ist
das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Erfolg der Klage davon abhängt, ob die Rechte aus den Versicherungsverträgen der Masse zustehen, weil bezüglich des Bezugsrechts noch eine Widerrufsmöglichkeit bestand, oder
ob sie zum Vermögen der Arbeitnehmer gehören und ihnen ein Aussonderungsrecht zusteht. Dabei steht das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht ei-nem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht gleich, solange die tatbestandlichen Vorausset-zungen des vereinbarten Vorbehalts nicht erfüllt sind (Senatsurteile vom 8. Juni 2005 [X.]/04, [X.], 1134 unter [X.]; vom 3.
Mai 2006 IV ZR 134/05, [X.], 1059 Rn.
10; [X.], 372 Rn. 23).

Ob diese Voraussetzungen gegeben
sind, hängt

da die [X.] hier beendet sind und Unverfallbarkeit der Anwartschaften unstreitig noch nicht gegeben war

allein davon ab, ob die Klausel ein-schränkend dahin auszulegen ist, dass sie die Fälle insolvenzbedingter Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfasst.
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2. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung
des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit -
auch -
auf seine Interessen an.
Liegt -
wie hier -
ein Grup-penversicherungsvertrag und damit eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die [X.] durch-schnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (Senatsurteil vom 8.
Mai 2013

IV ZR 233/11, [X.], 853 Rn.
40 m.w.N; st. Rspr.).

a) Dabei werden sowohl die Versicherungsnehmerin als auch die Versicherten zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen. Insoweit schließt der Vorbehalt zum Widerruf der Bezugsberechtigung bei [X.] vor eingetretener Unverfallbarkeit der Anwartschaft die Fälle insolvenzbedingter Beendigung "ohne weiteres"
ein, weil der Wortlaut nicht auf den [X.] abstellt (vgl. die Stellungnahme des Senats im Verfahren [X.] 2/07
vom 21.
August 2009, wiedergegeben in [X.], 372 Rn. 44).

b) Hierauf darf sich die Auslegung jedoch nicht beschränken. Auch in Fällen insolvenzbedingter Beendigung ist zu fragen, ob der erkennba-re Sinnzusammenhang der Klausel unter Berücksichtigung der Interes-sen von Versicherungsnehmern und Versicherten eine von einem reinen Wortlautverständnis abweichende Interpretation gebietet.
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aa) Insoweit
hat der Senat

wie das Berufungsgericht
noch zutref-fend
erkennt

schon in seiner früheren Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt,
dass dem Arbeitnehmer bei einer nur am Wortlaut ori-entierten Auslegung die erworbenen Versicherungsansprüche auch in den Fällen entzogen würden, die sich seiner Einflussnahme entziehen und auch sonst nicht seiner Sphäre zuzuordnen sind, sowie dass sich der Arbeitgeber mit dem Vorbehalt auch der weiteren Betriebstreue des Arbeitnehmers vergewissern wolle, wofür es aber genüge, dass der [X.] solche Beendigungsgründe erfasst, die neben der freiwilligen Auf-gabe des Arbeitsplatzes auch sonst auf die Person
und das betriebliche Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen sind (Urteile vom 8. Juni 2005

[X.]/04, [X.], 1134 unter [X.]; vom 3. Mai 2006

IV ZR 134/05, [X.], 1059 Rn.
14
ff.).
Bei dieser
Interessenlage
der Arbeitnehmer einerseits und des Arbeitgebers andererseits, die dem Vorbehalt regelmäßig zugrunde
liegt, handelt es sich um einen außer-halb des Wortlauts liegenden Umstand.

Maßgeblich für die Auslegung des Vorbehalts ist dabei allein die Interessenlage, wie sie sich im [X.]punkt der Begründung des [X.] darstellt, so dass die Interessen von [X.] nach der erst später erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Rolle spielen können.

Zwar meint das
Berufungsgericht, diese Interessenlage
sei bereits im Wortlaut der Klausel dadurch hinreichend angesprochen, dass die Versicherten als Arbeitnehmer, die Versicherungsnehmerin als Arbeitge-ber und das Versicherungsprodukt als der betrieblichen Altersversorgung dienend benannt sei(en), und hieraus folge, dass sich der beschriebene 16
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Interessenkonflikt allein anhand des Wortlautes der Vertragsklausel "[X.]"
entwickeln lasse. Dies trifft aber nicht zu.

Vielmehr sind der Wortlaut einer vertraglichen Regelung und die Interessenlage
der Vertragsbeteiligten zwei unterschiedliche, streng voneinander zu unterscheidende [X.].
Dies wird beson-ders in denjenigen Fällen deutlich, in denen die erkennbare Interessen-lage ein vom eindeutigen Wortlaut abweichendes Auslegungsergebnis erfordert. Daran ändert es nichts, wenn sich ein Hinweis auf die [X.] Interessen bereits aus dem Wortlaut selbst ergibt. Dies macht die [X.] nicht zu einem Teil der Wortlautauslegung.

bb) Die Berücksichtigung vorgenannter
Gesichtspunkte bei der Auslegung des Vorbehalts hat das Berufungsgericht ferner auch deshalb zu Unrecht
abgelehnt, weil es unzutreffend
der Auffassung ist, das im [X.] vor dem Gemeinsamen
Senat herbeigeführte Einver-nehmen bedeute eine Abkehr von der
früheren Rechtsprechung des [X.].

Eine derartige Abkehr
hat es
weder im [X.] vor dem Gemeinsamen Senat noch danach gegeben.
Der Senat hat in seiner Stellungnahme
im Verfahren [X.] 2/07 (aaO)
im Gegenteil aus-drücklich
klargestellt, dass [X.] außerhalb des Wortlauts, die ein anderes Verständnis gebieten könnten, von seiner Be-jahung der präzisierten Vorlagefrage
nicht berührt würden, weil diese Frage ausschließlich aufgrund des in der Frage gegebenen Wortlauts zu beantworten sei und beantwortet werde. Damit ist auch in diesem Vorla-geverfahren das Primat der Auslegung klargestellt worden, und der Se-nat hat
danach weiter daran festgehalten, dass es jeweils der Auslegung 19
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im Einzelfall bedarf, wann die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Vorbehalts erfüllt sind (Senatsurteil vom 2.
Dezember 2009

IV ZR 65/09, [X.], 517 Rn. 10; Senatsbeschluss vom 6.
Juni 2012

[X.], [X.], 762 Rn.
3).

cc) Dies steht ferner nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des [X.].
Dieses hat vielmehr ebenfalls ausgeführt, dass Umstände außerhalb der Urkunde bei der Auslegung zu berücksichtigen sind und daher eine Auslegung im Einzelfall geboten ist ([X.], 372 Rn.
46 und
48). Zu diesen Umständen zählt

wie dargelegt

die das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers beeinflussen-de Interessenlage der Vertragsparteien und der Versicherten
bei [X.].
Dagegen wird sein Verständnis vom Inhalt einer versiche-rungsvertraglichen Bezugsrechtserklärung regelmäßig nicht entschei-dend von der

ihm in der Regel unbekannten

gesetzlichen Bestimmung des § 1b [X.] beeinflusst, die dem Arbeitgeber einen Widerruf des Bezugsrechts erst ab Eintritt der Unverfallbarkeit verbietet.

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10
-

II[X.] Das
Berufungsgericht wird daher,
ggf. nach ergänzendem Vor-trag der Parteien, erneut zu prüfen haben, ob unter Berücksichtigung dieser Interessen eine von einem reinen Wortlautverständnis abwei-chende Interpretation der Bezugsrechtsklausel geboten ist oder ob [X.] Gesichtspunkte vorliegen, die auch unter Berücksichtigung dieser In-teressen ein Festhalten am Wortlaut gebieten.

[X.] [X.]

[X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.12.2012 -
22 O 282/12 -

O[X.], Entscheidung vom 16.05.2013 -
7 U 12/13 -

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Meta

IV ZR 201/13

22.01.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. IV ZR 201/13 (REWIS RS 2014, 8515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8515

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 201/13

3 AZR 334/06

IV ZR 233/11

IV ZA 23/11

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