Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.2015, Az. 4 B 35/15

4. Senat | REWIS RS 2015, 2243

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Gegenstand

Nachbarbeteiligung; Reduktion des Befreiungsermessens auf null


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eklagte beimisst.

3

a) Die Frage, ob ein Gericht [X.] annehmen und die [X.]aurechtsbehörde zur Erteilung einer [X.]augenehmigung verpflichten darf, wenn gesetzlich vorgeschriebene [X.]eteiligungsverfahren, insbesondere gesetzlich vorgeschriebene Nachbarbeteiligungsverfahren, noch nicht durchgeführt worden sind, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich im [X.] nach [X.] Landesrecht beantwortet.

4

Die [X.] einer Sache ist nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO eine der Voraussetzungen dafür, dass das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde ausspricht, die beanspruchte Amtshandlung vorzunehmen. [X.] bedeutet, dass das Gericht zu einer abschließenden Entscheidung über den Erlass des Verwaltungsakts in der Lage ist (Kopp/[X.], VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 193). Ob [X.] vorliegt, richtet sich nach den materiellrechtlich einschlägigen Vorschriften. An sie knüpft § 113 Abs. 5 VwGO an, ohne sie jedoch zu verändern ([X.]VerwG, Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 - [X.]VerwGE 85, 368 <377 f.>). Aus dem Landesrecht - hier aus der [X.]auordnung des [X.] - ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung zu erteilen ist und ob zu den Voraussetzungen namentlich die vorherige Durchführung eines Nachbarbeteiligungsverfahrens gehört. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass dem Vorhaben entgegenstehende und von der [X.]ehörde zu prüfende Vorschriften nicht gegeben sind. An diese Auslegung und Anwendung irrevisibler Rechtsvorschriften ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).

5

b) Die Frage, ob eine Reduktion des [X.] nach § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] auf null angenommen werden kann, wenn die vorherige Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Verfahren zur Nachbarbeteiligung unterblieben ist, löst die Zulassung der Revision ebenfalls nicht aus. Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um die Feststellung treffen zu können, dass § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] keinen [X.]ezug zu landesrechtlichen Vorschriften, hier zu § 55 Abs. 1 [X.] als der die Nachbarbeteiligung regelnden Norm, herstellt. § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] setzt für die Erteilung einer [X.]efreiung von den Festsetzungen eines [X.]ebauungsplans u.a. voraus, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen [X.]elangen vereinbar ist. Dass die nachbarlichen Interessen nur gewahrt sein können, wenn die Eigentümer an das [X.]auvorhaben angrenzender Grundstücke nach den Vorgaben des Landesrechts benachrichtigt worden sind, ergibt sich aus § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] nicht. Erst recht ist die vorherige - förmliche - Nachbarbeteiligung kein Gesichtspunkt, der für die Frage einer Ermessensreduzierung auf null auf der Rechtsfolgeseite des § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] von [X.]edeutung ist. Eine Rolle spielen können hier allenfalls materielle Nachbarinteressen. Ob sie ohne förmliche Nachbarbeteiligung vollständig und ihrem Gewicht entsprechend ermittelt werden können, ist eine Tat- und keine Rechtsfrage und zudem von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

6

c) Die Revision ist ferner nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob eine Reduktion des [X.] nach § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] auf null angenommen werden kann, wenn die Anhörung der [X.] nach § 7a der 26. [X.]ImSchV zur Auswahl des Standorts der Hochfrequenzanlagen nicht erfolgt ist. Dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass die Anhörung unterblieben ist, von der die Klägerin in der [X.]eschwerdeerwiderung behauptet, dass sie erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des [X.] scheidet die Zulassung der Revision aus, wenn die Vorinstanz eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. Dezember 1998 - 9 [X.] 197.98 - juris Rn. 6 und vom 28. November 2005 - 4 [X.] 66.05 - Zf[X.]R 2006, 159).

7

Schließlich rechtfertigt die Frage, ob ein [X.], das bei Anfragen für Standorte für Hochfrequenzanlagen im Sinne der 26. [X.]ImSchV eine Standortalternativenprüfung vorsieht, ein relevanter Gesichtspunkt für die Ausübung des [X.] nach § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] sein kann, nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Sie lässt sich nicht verallgemeinernd, sondern nur einzelfallbezogen unter Rückgriff auf die jeweilige Zielsetzung des Konzepts (hier: Ersetzung der Grenzwerte der 26. [X.]ImSchV durch niedrigere Werte, [X.]) beantworten.

8

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

9

a) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe durch die Entscheidung, mit dem in der [X.]erufungsinstanz gestellten Hilfsantrag sei keine Klageänderung verbunden, gegen § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO und durch die Hilfserwägung, eine Klageänderung wäre als sachdienlich zuzulassen, gegen § 91 Abs. 1 VwGO verstoßen, ist unzulässig. Nach § 91 Abs. 3 VwGO ist die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, nicht selbständig anfechtbar. Die gesetzliche Regelung ist dahin zu verstehen, dass über die Frage, ob von einer Klageänderung auszugehen und - [X.] - ob sie sachdienlich ist, kein gesonderter Rechtsstreit geführt werden soll. Der geltend gemachte Verfahrensfehler kann aus diesem Grunde auch kein selbständiger [X.]eschwerdegrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 14. Mai 1999 - 4 [X.] 21.99 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 20 S. 2).

b) Die Rüge der [X.]eklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe die Sache zu Unrecht für spruchreif gehalten, führt nicht auf einen Verfahrensmangel. Die [X.]eklagte wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, aus § 55 Abs. 1 Satz 1 L[X.]O nicht die gebotenen Schlussfolgerungen gezogen und zudem übersehen zu haben, dass für das modifizierte [X.]auvorhaben eine Anhörung nach § 7a der 26. [X.]ImSchV hätte erfolgen müssen. Die Verletzung von Verwaltungsprozessrecht auf dem Weg zum Urteil (vgl. Kraft, in: [X.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 45) zeigt sie damit nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 35/15

17.11.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 2. Juni 2015, Az: 8 S 634/13, Urteil

§ 31 Abs 2 BauGB, § 7a BImSchV 26, § 91 Abs 1 VwGO, § 91 Abs 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.2015, Az. 4 B 35/15 (REWIS RS 2015, 2243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2243

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