Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 114/10

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6850

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 114/10
Verkündet am:

11. Mai 2011

Vorusso,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 183, 184, 189; [X.] Art. 14
a)
Die in §
184 ZPO geregelte Befugnis des Gerichts, bei einer Zustellung im [X.] nach §
183 ZPO anzuordnen, dass bei fehlender Bestellung eines Prozess-bevollmächtigten ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter zu benennen ist und andernfalls spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden können, gilt nicht für [X.], die nach den Bestimmungen der [X.] vorgenommen werden (Bestätigung des [X.] vom 2. Februar 2011 -
VIII
ZR 190/10, [X.] 2011, 276).
b)
Wird bei
einer unzulässigen Inlandszustellung nach §
184 ZPO die Einspruchsfrist nicht gemäß §
339 Abs.
2 ZPO bestimmt, wird eine Einspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt.
[X.], Urteil vom 11. Mai 2011 -
VIII ZR 114/10 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2011
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Milger sowie die Richter Dr.
[X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 11.
Zivilsenats des [X.] vom 26.
März 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der in H.

ansässige Kläger
nimmt die in Y.

/[X.] an-sässige Beklagte aus einem Kaufvertrag über eine gebrauchte Druckmaschine auf Schadensersatz von 52.840,29

Die Klage-schrift ist auf Zustellungsersuchen des Vorsitzenden der angerufenen Kammer für Handelssachen des [X.] vom 17.
Oktober 2008, dem [X.] durch Beschluss vom 14.
Oktober 2008 unter Bestimmung einer Frist von vier Wochen getroffene Anordnung gemäß §
184 Abs.
1 ZPO beigefügt war, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, nach Maßgabe der Verordnung ([X.]) Nr.
1348/2000 des Rates vom 29.
Mai 2000 über die Zu-stellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Han-delssachen in den Mitgliedsstaaten (Amtsblatt [X.] Nr.
L 160 S.
37 -
im Folgen-den: [X.] 2000) an die für [X.] und [X.] benannte Empfangsstelle in 1
-
3
-
London
übermittelt worden. Diese hat
unter dem 25.
November 2008
bestätigt, die Zustellung an die Beklagte unter der angegebenen Anschrift in Überein-stimmung mit dem innerstaatlichen Recht ohne Empfangsbestätigung mittels pre
paid first class post vorgenommen zu haben.
Am 7.
Januar 2009 hat
das [X.] in dem von ihm angeordneten schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil über die Klageforderung nebst Zinsen
erlassen. Eine Einspruchsfrist hat
es nicht
bestimmt. Das [X.], dem der [X.] der Geschäftsstelle einen formularmäßigen [X.] auf eine zweiwöchige Einspruchsfrist und deren Lauf beigefügt hatte, ist
der [X.] sodann am 12.
Januar 2009 gemäß §
184 ZPO durch Aufgabe der Sendung zur Post zugestellt
worden. Nachdem die [X.] Verfahrens-bevollmächtigten des [X.] den [X.] Verfahrensbevollmächtigten der [X.] aufgrund zwischenzeitlich eingeleiteter Zwangsvollstreckungsmaß-nahmen am 6.
Mai 2009 eine Kopie des Versäumnisurteils und seiner Bestäti-gung als
Europäischer
Vollstreckungstitel
übersandt hatten, hat
die Beklagte unter dem 21.
Juli 2009 gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt
und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist
beantragt.
Das [X.] hat sowohl das Wiedereinsetzungsgesuch als auch den Einspruch der [X.] als unzulässig verworfen. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das Urteil des [X.]s aufgehoben und den Rechtsstreit an das [X.]
zurückverwiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

2
3
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen
Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Einspruch der [X.] sei nicht verspätet, weil es bereits an einer wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils
fehle. Denn
die vom [X.] vorgenommene
(Inlands-)Zustellung durch Aufgabe zur Post gemäß §
184 ZPO sei nicht zulässig gewesen. Die für eine solche Zustellung erforderliche Anord-nung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, sei vielmehr nach der bis zum 12.
November 2008 geltenden
Fassung des § 184 ZPO, die hier maßgeb-lich sei,
nur bei [X.] nach §
183 Abs.
1 Nr.
2 und 3 ZPO aF möglich gewesen, nicht dagegen -
wie das [X.] (NJW-RR 2008, 1522) überzeugend ausgeführt habe
-
bei einer Zustellung nach §
183 Abs.
3 ZPO
aF
auf der Grundlage der [X.] 2000.
Es könne dahinstehen, ob der dadurch begründete [X.] ungeachtet des widersprüchlichen Vortrags der [X.] zum tatsächlichen Zugang des Versäumnisurteils und einer dem Urteil
nicht beigefügten [X.] gemäß §
189 ZPO geheilt worden
sei. Denn in diesem Fall hätte die Einspruchsfrist deshalb nicht zu laufen begonnen, weil das [X.], das insoweit von einer Inlandszustellung ausgegangen sei, bewusst von der bei einer Auslandszustellung gemäß
§
339 Abs.
2 ZPO erforderlichen Be-stimmung einer Einspruchsfrist abgesehen habe. Eine solche
Zustellung im Ausland
hätte indes
vorgelegen, wenn es über §
189 ZPO zu einer
Heilung
der nach §
184 ZPO aF vorgenommenen unwirksamen Inlandszustellung gekom-men sein sollte.
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5
6
7
-
5
-
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-sion zurückzuweisen ist.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die vom [X.] bei Zustellung der Klage nach Maßgabe von §
184 ZPO aF ge-troffene Anordnung, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestel-len, nicht zulässig war, so dass die auf diese Anordnung gestützte Zustellung des anschließend ergangenen Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post un-wirksam war. Des Weiteren hat das Berufungsgericht offen lassen können, ob dieser [X.] gemäß §
189 ZPO geheilt worden ist, weil in diesem Fall
die Frist zur Einlegung eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil man-gels der nach §
339 Abs. 2 ZPO erforderlichen gerichtlichen Fristbestimmung nicht in Lauf gesetzt worden wäre.

1.
Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO waren nicht gegeben, weil die vom [X.] veranlasste Zustellung der Klageschrift nicht -
wie von dieser Vorschrift vorausgesetzt
-
nach §
183 Abs.
1 Nr. 2 oder 3 ZPO aF
beziehungsweise nach § 183 ZPO
in der seit dem 13. No-vember 2008 geltenden Fassung vorgenommen worden ist, sondern nach Maßgabe der gemäß § 183 Abs. 3 ZPO aF oder § 183 Abs. 5 BGB unberührt bleibenden Bestimmungen der [X.] 2000
oder der Verordnung ([X.]) Nr.
1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstü-cken) und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
1348/2000 des Rates (ABl. [X.] Nr. L 324 S. 79 -
im Folgenden: [X.] 2007).
a) Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung des Versäumnisurteils kann dahin stehen, ob die Zulässigkeit der vom [X.] getroffenen Anord-nung, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, anhand der 8
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-
6
-
§§
183
f.
ZPO in der bis zum 12.
November 2008 geltenden Fassung oder
-
wie
die Revisionserwiderung meint
-
anhand der
Neufassung dieser Bestim-mungen mit den
durch Art.
1 Nr.
3, 4 des [X.] der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30. Okto-ber 2008 ([X.]) erfolgten und gemäß Art. 8 Abs. 2 dieses Gesetzes am 13. November 2008 in [X.] getretenen Änderungen zu beurteilen ist. Denn §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO hat das [X.] weder in der einen noch in der anderen Fassung
ermächtigt, der [X.] die Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten aufzugeben, um bei Unterbleiben einer solchen Bestellung spätere Zustellungen gemäß §
184 Abs.
1 Satz
2 ZPO durch [X.] des zuzustellenden Schriftstücks zur Post mit den in § 184 Abs. 2 ZPO vor-gesehenen Folgen bewirken zu können. Wie der Senat in seinem Urteil vom
2.
Februar 2011 ([X.], [X.] 2011,
276 Rn. 17 ff.,
zur Veröffentli-chung in [X.]Z vorgesehen)
anhand des Wortlauts und der Entstehungsge-schichte der Normen
sowie der Gesetzessystematik im Einzelnen ausgeführt hat, erstrecken sich die in §
184 Abs.
1 ZPO jeweils enthaltenen
Verweisungen
auf die Möglichkeit einer (Inlands-)Zustellung durch Aufgabe zur Post gerade nicht auf Zustellungen, denen grenzüberschreitende Zustellungen
nach der [X.] 2000 oder der [X.] 2007 vorausgegangen sind.
b) Die am 12.
Januar 2009 nach Maßgabe von §
184 ZPO bewirkte Zu-stellung des Versäumnisurteils hat die Frist zur Einlegung des hiergegen gege-benen Einspruchs, welche gemäß §
339 Abs.
1 Halbs.
2 ZPO von einer wirk-samen Zustellung abhängt (vgl. Senatsurteil vom 24.
September 1986 -
VIII
ZR 320/85, [X.]Z 98, 263, 267), nicht in Lauf setzen können. Denn eine Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nur zulässig, wenn die betroffene [X.] keinen [X.] benannt hat, obgleich sie dazu gemäß §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO verpflichtet war. Erfolgt die Anordnung, einen Zustellungsbevoll-mächtigten zu benennen, dagegen ohne gesetzliche Grundlage, weil sie -
wie hier
-
für eine Fallgestaltung ausgesprochen wird, die von der in §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO geregelten Anordnungsbefugnis nicht gedeckt wird, kann sie keine 12
-
7
-
Wirkungen zu Lasten des Zustellungsempfängers entfalten (Senatsurteil vom 2.
Februar 2011 -
VIII
ZR 190/10, aaO Rn.
21 mwN).
c) Die nach §
184 ZPO vorgenommene
Zustellung des Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post wird
auch sonst nicht den Anforderungen
an eine nach europäischem
Zustellungsrecht grundsätzlich zulässige Zustellung durch die Post gerecht, wie sie in der [X.] bis zum 12.
November 2008 in Art.
14 [X.] 2000
in Verbindung mit § 1068 Abs. 1 BGB aF geregelt war und seither
in Art.
14 [X.] 2007
geregelt ist. Denn eine solche Zustellung hätte wirksam nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg erfolgen können.
Das ist hier nicht geschehen.
2. Das Berufungsgericht ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass der formgerecht eingelegte Einspruch der [X.] auch nicht aufgrund einer nachfolgenden Heilung des [X.]s verfristet ist und deshalb nicht gemäß §
341 Abs.
1 ZPO als unzulässig verworfen werden kann. Denn §
339 Abs.
2 ZPO schreibt für den Fall, dass die Zustellung eines Versäumnis-urteils im Ausland erfolgen muss, vor, dass
das Gericht
die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen hat. Diese
Einspruchsfrist hat das [X.] nicht bestimmt, so dass
selbst durch eine
vom Berufungsgericht für
denkbar gehaltene Heilung des [X.] gemäß § 189 ZPO eine solche Frist nicht hat in Lauf gesetzt
und in der Folge versäumt werden können.
Eine -
wie hier
-
unzulässige Inlandszustellung nach §
184 ZPO führt auch nicht etwa dazu, dass die in §
339 Abs.
1 Halbs.
1 ZPO vorgesehene Ein-spruchsfrist von zwei Wochen gleichwohl zu laufen beginnt. Denn für den Fall, dass
die vorzunehmende Zustellung im Ausland bewirkt
werden muss, weil die Voraussetzungen für eine
Zustellung des dafür vorgesehenen Schriftstücks im Inland nicht gegeben sind, enthält
§
339 ZPO keine gesetzlich
geregelte Ein-spruchsfrist.
Die Einspruchsfrist ist vielmehr
gemäß §
339 Abs.
2 ZPO von Amts wegen durch das Gericht im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonde-13
14
15
-
8
-
ren Beschluss zu bestimmen, so dass auch der Lauf dieser Frist erst mit Zustel-lung der vorzunehmenden
Fristbestimmung beginnt. Nimmt das Gericht -
wie vorliegend geschehen
-
die erforderliche
Fristbestimmung nicht vor, wird der Lauf einer Einspruchsfrist nicht in Gang gesetzt ([X.], 82,
84
f.; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 339 Rn. 9; [X.], 3.
Aufl., §
339 Rn.
7; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
339 Rn.
3).

Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger

Dr. [X.]
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.09.2009 -
415 [X.]/08 -

O[X.], Entscheidung vom 26.03.2010 -
11 [X.] -

Meta

VIII ZR 114/10

11.05.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 114/10 (REWIS RS 2011, 6850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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