Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2015, Az. NotSt (Brfg) 4/15

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2015, 1955

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
NotSt([X.]) 4/15
vom

23. November 2015

in der Disziplinarsache

wegen Disziplinarverfügung

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 14 Abs. 2; [X.]eurkG § 4
Der Notar muss seine Mitwirkung bereits bei Handlungen versagen, bei denen erkennbar der Verdacht besteht, dass unerlaubte oder unredliche Zwecke ver-folgt werden.
[X.], [X.]eschluss vom 23. November 2015 -
NotSt([X.]) 4/15 -
KG [X.]erlin

-
2
-

Der [X.], [X.],
hat am 23.
November
2015 durch den Vorsitzenden [X.]
Galke, die [X.]in [X.], den [X.] Prof. Dr. Radtke und die
Notare
Dr. Strzyz
und Dr.
Hahn

beschlossen:

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des [X.] vom
21.
Januar
2015
wird zurückgewiesen.

Der Kläger
trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 9.

festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er ist am 9.
Dezember 1997 zum Notar für den [X.]ezirk des [X.] bestellt worden. [X.] wurde gegen ihn unter anderem wegen der nicht ordnungsgemäßen Abwicklung eines [X.] eine Ermahnung ausgesprochen. Mit Schreiben vom 18.
Sep-tember 2012 teilte die örtlich zuständige Notarkammer dem Kläger mit, von [X.]n des Handelsregisters des Amtsgerichts Ch. sei der Verdacht geäußert worden, dass der Kläger die Übertragung von Gesellschaftsanteilen insolvenz-bedrohter
oder insolvenzreifer
Gesellschaften
mit beschränkter Haftung
beur-kunde, die als illegale Firmenbestattungen zu qualifizieren seien. Der Kläger 1
-
3
-

verlangte daraufhin, ihm die
Namen der [X.] und die [X.]eurkundungsgeschäf-te
konkret zu benennen.
Nur so könne er beurteilen, ob ein Pflichtenverstoß vorliege. Die sich im Folgenden entwickelnde Korrespondenz heftete der Kläger zu einem
Rundschreiben des Präsidenten des [X.] vom 30.
November 2004 zu
den charakteristischen Merkmalen und der rechtlichen Problematik von Firmenbestattungen
in seiner Generalakte unter dem Sachgebiet "Firmenbe-stattungen"
ab. Aufgrund des Inhalts von Unterlagen zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die in [X.] geschäftsansässige [X.] führte der Präsident des [X.] am 30. Mai und 4.
Juni 2013 eine Prüfung der
Amtsgeschäfte
des [X.] durch. Mit Verfügung vom 25.
Oktober 2013 leitete
er
das Disziplinarverfahren gegen den Kläger
ein. Zu den
bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnissen wurde
der Kläger mit Schreiben vom 28.
Oktober 2013 angehört. Mit Schreiben des Präsidenten des [X.] vom 9. Januar 2014, zugegangen am 27. März 2014, wurde dem Kläger [X.] zur abschließenden Äußerung gegeben.
Der Kläger verzichtete
auf eine Stellungnahme.
Mit [X.]escheid vom 5. Mai 2014
hat der Präsident des [X.] [X.] dem Kläger einen Verweis wegen Verstoßes gegen §
14 Abs.
2, Abs. 3 Satz
2 [X.] erteilt und gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 8.000

verhängt.
Der Kläger hat gegen die am 14. Mai 2014
zugestellte Disziplinarverfügung am 16.
Juni 2014 Klage zum [X.] eingereicht
und die Aufhebung der Disziplinarverfügung beantragt.
Das [X.] hat die i-gen die Klage abgewiesen. Es hat die [X.]erufung nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung
der [X.]erufung, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
bestünden (§
124 Abs.
2 Nr. 1 VwGO), der Fall be-sondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise (§
124 Abs.
2 2
3
-
4
-

Nr.
2 VwGO), die Rechtssache grundsätzliche [X.]edeutung habe

124 Abs.
2 Nr.
3
VwGO)
und ein erheblicher
Verfahrensmangel
vorliege (§
124 Abs. 2 Nr.
5 VwGO)
jeweils i.[X.]. §
111d
Satz 2
[X.].

II.
1.
Das [X.] hat die verfahrensrechtlichen Einwände des [X.] gegen das Disziplinarverfahren nicht für durchgreifend erachtet. Den [X.] des §
20 Abs. 1 [X.] sei dadurch genügt, dass das disziplinar-rechtliche Verfahren mit Verfügung vom 25.
Oktober 2013 eingeleitet und der Kläger mit Schreiben vom 28.
Oktober 2013 zu den bisherigen Ermittlungen angehört worden sei. Es
sei unschädlich, dass dem Kläger das Schreiben des [X.]eklagten vom 9. Januar 2014 mit dem letzten Stand der Ermittlungen lediglich in Abschrift zugegangen sei. § 30 [X.] schreibe für die abschließende Anhö-rung des von dem Disziplinarverfahren [X.]etroffenen keine bestimmte Form vor. Der Kläger habe hinreichend Gelegenheit erhalten, zu dessen Inhalt Stellung zu nehmen, was er aber abgelehnt habe. Anhaltspunkte für eine [X.] gegenüber dem Kläger bei dem [X.]eklagten seien nicht erkennbar ge-geben.
In der Sache hat der Senat die Auffassung der Dienstaufsichtsbehörde geteilt, dass der Kläger gegen die Verpflichtung aus § 14 Abs. 2, Abs.
3 Satz 2
[X.] verstoßen
habe, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar sei. Zur [X.]egründung hat er ausgeführt, dass ein Notar bereits dann unredlich
handle, wenn er an Geschäften mitwirke, bei de-nen sich die Verfolgung unredlicher Ziele als möglich darstelle oder gar [X.], deren rechtliche und wirtschaftliche Tragweite er aber mangels sorgfäl-tiger Prüfung der damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen 4
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5
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Fragen nicht durchschaue. Es bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] mit den beim Kläger veranlassten [X.] im großen Stile an möglicherweise illegalen oder doch unredlichen Zwecken dienenden Firmenbestattungen mitwirkte. Diese hätten dem Kläger mit zunehmender, auf Veranlassung der [X.] vorge-nommener [X.]eurkundungstätigkeit genügen müssen, von weiteren [X.]eurkundun-gen ohne eine genaue Prüfung ihrer rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe abzusehen.
Der Kläger habe von März 2010 bis April 2013 die Übertragung von [X.] an zweihundert
offensichtlich verschiedensten [X.]ranchen angehörigen Gesellschaften auf gerade einmal neunzehn in der Rechtsform einer Limited Corporation ([X.]) mit Sitz in [X.] firmierende [X.] beurkundet. Als Vertreter der übernehmenden Gesellschaften seien lediglich sechzehn Personen aufgetreten, die in der Regel zu Geschäftsführern der übernommenen Gesellschaften bestellt worden und in dieser Funktion nach eigenen Angaben des [X.] überwiegend unter der Anschrift der [X.] in [X.] geschäftsansässig gewesen seien. Schon aufgrund des Umfangs der beurkundeten [X.] auf nur we-nige Gesellschaften und der dadurch bedingten Unmöglichkeit der ordnungs-gemäßen Fortführung der den unterschiedlichsten [X.]ranchen zuzuordnenden operativen Geschäfte oder der ordnungsgemäßen Abwicklung der übernomme-nen Gesellschaften, hätte sich dem Kläger erschließen müssen, dass es sich um reine Mantelverkäufe handle. Tatsächlich seien nach dem eigenen Vorbrin-gen des [X.] nur noch achtundsiebzig der übernommenen Gesellschaften in welcher Form auch immer aktiv, der Rest sei aufgelöst oder gar gelöscht. Im Hinblick auf die Durchgriffshaftung auf die [X.] Limited mit
einem möglich-erweise sehr geringen Haftungskapital seien die Folgen einer
Insolvenz der im Ausland ansässigen Muttergesellschaften nach ausländischem Insolvenzrecht 6
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für die Gläubiger der übertragenen Kapitalgesellschaften unwägbar. Auch lie-ßen sich [X.] der übernommenen Geschäftsanteile durch die im Ausland ansässige Gesellschafterin schwerer nachvollziehen. Zweifel an der Werthaltigkeit und der Liquidität der zu übernehmenden Gesellschaften hätten dem Kläger auch kommen müssen, weil
die Kosten der [X.]eurkundungen noch am [X.] in bar entrichtet
worden seien. Auch sei auffällig, dass in keiner Urkunde der Kaufpreis genannt worden sei. Die [X.] sei ein wichtiger Geschäftspartner des [X.] gewesen, auch wenn die von ihr vermittelten [X.]eurkundungen nur 10% der [X.]eurkundungen des Notariats ausmachten. Diese Gesichtspunkte
hätten
den Kläger unabhängig von einer
Intervention von dritter Seite,
spätestens
aber
nach dem
Schreiben der Notar-kammer im September 2012 veranlassen müssen, konkret zu hinterfragen, was mit den von ihm auf Vermittlung der [X.] beurkundeten Transaktionen wirklich
bezweckt wird. Gleichwohl habe der Kläger noch im
Jah-re 2013 vierzehn durch die [X.] vermittelte [X.] von Gesellschaftsübertragungen nach dem vorbezeichneten Muster vorgenommen, bevor er die Tätigkeit im April 2013 einstellte.
Der in der Nieder-schrift zur [X.]eurkundung
enthaltene unbestimmte Hinweis, es sei die höchstrich-terliche Rechtsprechung zum Problem des unzulässigen Mantelkaufs erörtert worden, reiche ebenso wenig aus wie die sonstigen
in den Urkunden enthalte-nen
allgemeinen
Hinweise auf Haftungstatbestände für Gesellschafter und [X.]. Der Kläger könne sich auch nicht dadurch
entlasten, dass den an den Geschäften beteiligten Parteien nicht näher bekannte Musterbelehrungen der [X.] über die Folgen einer illegalen Firmenbestat-tung vorgelegen hätten. Damit habe der Kläger nicht
aufgeklärt, ob eine Fir-menbestattung vorliege.
Es hätte nahe gelegen, zumindest zu erfragen, wel-chen Zweck die übernehmende Gesellschaft mit dem Erwerb der Gesell-schaftsanteile verfolge, ob beispielsweise das operative Geschäft fortgeführt -
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werden solle oder es sich um einen reinen Mantelkauf handle und was mit dem Mantel geschehen solle.
Nach Abwägung aller Umstände sei ein Verweis bei gleichzeitiger [X.] einer Geldbuße angemessen und zweckmäßig. Die Höhe der [X.] sei aber zu reduzieren, denn eine Mitwirkung an illegalen Firmenbestattun-gen sei dem Kläger nicht zu unterstellen. Ihm sei nur vorzuwerfen, dass er [X.] bestehende Anhaltspunkte nicht aufgeklärt, sondern die Augen davor ver-schlossen habe. Die dem Kläger vorzuwerfenden Pflichtverletzungen rückten ihn allerdings in die Nähe strafbarer bzw. sittenwidriger Geschäftspraktiken. Sie seien daher geeignet, dem Ansehen des [X.] in besonderem Maße zu schaden. Erschwerend komme hinzu, dass er sein pflichtwidriges Verhalten auch noch fortsetzte, als er bereits von der
Notarkammer auf Zweifel an seiner [X.]eurkundungspraxis angesprochen worden sei.
2. Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist zulässig. Er ist [X.] rechtzeitig und formgerecht gestellt worden
(§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 64 Abs. 2 [X.], §§ 124, 124a
Abs. 4, 5 VwGO). Er erweist sich aber als unbegrün-det, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
a)
Ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO
i.[X.]. § 111d Satz 2 [X.])
ist nicht gegeben.
aa) Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass
das [X.] Er-kenntnisse aus der Geschäftsprüfung verwertet hat.
Zutreffend weist der Kläger allerdings daraufhin, dass der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht hat, das be-hördliche Disziplinarverfahren einzuleiten, sobald zureichende tatsächliche [X.] vorliegen, die den
Verdacht
eines Dienstvergehens
rechtfertigen (§
17 Abs.
1 Satz
1 [X.], § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Gemäß §
20 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist der [X.]eamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unver-7
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züglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des [X.] möglich ist.
Danach ist zwar fraglich, ob das Verfahren gegen den Kläger nicht be-reits zu [X.]eginn der Geschäftsprüfung am 30. Mai 2013,
nicht erst am 25.
Oktober 2013, hätte eingeleitet werden müssen. Die Verzögerung, die der Kläger rügt,
stellt aber keinen wesentlichen Mangel dar, weil sich ausschließen lässt, dass ihm
durch die erst am 28.
Oktober 2013 erfolgte Unterrichtung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens ein Nachteil erwachsen ist. Auch wenn der
[X.]eklagte
im Rahmen der Geschäftsprüfung am 30.
Mai 2013 und 4.
Juni 2013 unzulässige Vorermittlungen durchgeführt hätte, um [X.]eweise zum Nach-weis der Mitwirkung des [X.] an den [X.]eurkundungen von rechtlich unzuläs-sigen oder zumindest rechtlich zweifelhaften Firmenbestattungen zu erlangen, wirkt sich dies nicht auf die Rechtmäßigkeit der Disziplinarverfügung aus.
Die [X.] gemäß §
17 Abs.
1 Satz
1 [X.] und die Unterrich-tungspflicht gemäß §
20 Abs.
1 [X.] dienen zwar auch dem Schutz des [X.]. Sie sollen sicherstellen, dass disziplinarische Ermittlungen so früh wie
mög-lich im Rahmen eines gesetzlich geordneten Disziplinarverfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zu Gunsten des [X.]eamten,
insbesondere dem Recht auf [X.]eweisteilhabe gemäß §
24 Abs.
4 [X.], geführt werden
([X.]VerwG, [X.], 399 juris Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], § 17 Rn. 2). Sobald sich Vermutungen zu dem Verdacht konkretisiert haben, ein bestimmter [X.]eamter habe ein bestimmtes Dienstvergehen begangen, verbietet §
17 Abs.
1 Satz
1 [X.], von der Verfahrenseinleitung abzusehen und den Sachverhalt außerhalb eines behördlichen Disziplinarverfahrens ohne Kenntnis des [X.]eamten zu [X.] ([X.]VerwG, [X.], 399
aaO). Verstöße gegen die [X.] des Dienstvorgesetzten gemäß §
17 Abs.
1 Satz
1 [X.] haften dem [X.] aber schon deshalb nicht als Mangel an, weil sie ihm zeitlich vorgelagert 11
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sind
([X.]VerwG, [X.], 399 juris Rn. 15). Sie können allerdings zur Unzu-lässigkeit des Disziplinarverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.] führen, wenn nach § 15 [X.] eine Maßnahme wegen Zeitablaufs nicht mehr verhängt werden darf ([X.]VerwG, [X.], 399 juris Rn. 15). Verzögert der Dienstvorgesetzte die Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen seiner Dienstpflicht gemäß §
17 Abs. 1 Satz 1 [X.], so ist dies bei der [X.]emessung der Disziplinarmaß-nahme gemäß § 13 Abs. 1 und 2 [X.] zu berücksichtigen. Ein solches Verhal-ten kann dem [X.]eamten als mildernder Umstand zugutekommen, wenn es für sein weiteres Fehlverhalten ursächlich war ([X.]VerwG, [X.], 399 juris Rn.
16). Ein
Verstoß gegen das Recht des [X.]eamten auf [X.]eweisteilhabe
im be-hördlichen Disziplinarverfahren
kann durch eine nachträgliche [X.]eweiserhebung geheilt werden (vgl. [X.]VerwG, [X.], 399 juris Rn.
18; [X.]VerwG, [X.] 2011, 34, juris Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], § 24 Rn. 21). Von diesen Grundsätzen ist auch in einem gegen einen Notar gerichteten Disziplinarverfah-ren auszugehen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]).
Danach hat eine verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens gege-benenfalls keine Auswirkungen auf die Verhängung der Disziplinarmaßnahme. Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens
(vgl. [X.]/[X.], [X.], § 15 Rn. 8 mwN)
richtet sich der Zeitpunkt der Vollendung des dem Klä-ger zur Last liegenden Dienstvergehens nach der letzten Pflichtverletzung im [X.]eurkundungstermin am 9. April 2013. Ein [X.] gemäß § 15 [X.] wegen Zeitablaufs ist mithin nicht gegeben. Eine Milderung kommt nicht in [X.], weil nur [X.]eurkundungstermine vor der Geschäftsprüfung am 30. Mai 2013 Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind und sich die förmliche Einlei-tung des Disziplinarverfahrens erst am 25. Oktober 2013 ersichtlich auf sein Fehlverhalten nicht ausgewirkt hat.
Eine etwaige Verletzung des Rechts des [X.] auf [X.]eweisteilhabe wäre ebenfalls
vom [X.]eklagten
im behördlichen Dis-ziplinarverfahren
dadurch
geheilt
worden, dass
dem Kläger durch Schreiben 13
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-

vom 28.
Oktober 2013 und nach Abschluss der Ermittlungen durch Schreiben vom 9.
Januar 2014, zugegangen am 14.
März 2014, Gelegenheit gegeben
worden ist, Stellung zu nehmen. Der [X.]eklagte hat die Möglichkeit der Äußerung nach dem Schreiben vom 28.
Oktober 2013 wahrgenommen, hingegen nach dem Anschreiben vom 14.
März 2014 eine weitere Stellungnahme abgelehnt.
bb) Auch die vom Kläger geäußerte [X.]esorgnis der [X.]efangenheit gemäß §
21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, §
3 [X.] in der Person des [X.]eklagten ist nicht [X.]. Der Kläger legt keine Umstände dar,
die darauf schließen ließen,
dass der [X.]eklagte gegen ihn voreingenommen gewesen wäre. Soweit er den Vorwurf der [X.]efangenheit auf den Wortlaut des Schreibens vom 10.
März 2014 stützt, teilt der Senat dessen
Sinndeutung
nicht, dem Kläger werde darin wider [X.] Wissen angelastet, er habe ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgeschickt, obwohl die Dienstaufsicht positive Kenntnis gehabt habe, dass das Schreiben vom 9. Januar 2014
nebst Empfangsbekenntnis nicht
an ihn abgesandt worden sei. Dem Schreiben lässt sich lediglich entnehmen, dass ein Zugang des Schreibens vom 9.
Januar 2014, in dem der Abschluss der Ermittlungen mitge-teilt worden ist, an den Kläger aktenmäßig nicht nachvollzogen werden kann und deshalb die [X.] wiederholt wird. Selbst wenn sich den Akten entnehmen ließe, dass das Schreiben vom 9.
Januar 2014 nicht die [X.]ehörde verlassen haben sollte, handelt es sich um eine Formulierung, die für das [X.] unerheblich war und sich für den Kläger in negativer Weise weder bei Erlass der Disziplinarverfügung noch bei Erlass des Urteils durch das [X.] ausgewirkt haben kann.
b)
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils [X.] nicht

124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.[X.]. § 64 Abs. 2 Satz 2 [X.] und §
105 [X.]). Zu Recht hat das [X.] ein Dienstvergehen darin gesehen, dass der Kläger entgegen §
14 Abs.
2, Abs. 3 Satz 2
[X.], §
4 [X.]eurkG 14
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pflichtwidrig [X.]eurkundungen vorgenommen hat, mit denen erkennbar [X.] oder unredliche Zwecke verfolgt werden sollten.
aa) Erfolglos wendet sich der Kläger dagegen,
dass ihm das Kammerge-richt anlastete, dass
er an Geschäften mitgewirkt hat, bei denen sich die Verfol-gung unredlicher
Ziele als möglich darstellte oder gar aufdrängte, deren rechtli-che und wirtschaftliche Tragweite er
-
wie das [X.] zu seinen Guns-ten angenommen hat
-
mangels sorgfältiger Prüfung der damit zusammenhän-genden tatsächlichen und rechtlichen Fragen nicht durchschaut hat. Der Kläger hat es unterlassen, sich sorgfältig über die Hintergründe der zu beurkundenden Verträge zu vergewissern und notfalls die [X.]eurkundung abzulehnen.
Der Notar hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar ist, insbesondere seine Mitwirkung bei [X.] verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele ver-folgt werden (§
14 Abs.
2 [X.], § 4 [X.]eurkG). Das gilt vor allem, wenn der Verdacht besteht, dass seine Tätigkeit der
[X.]egehung von Straftaten dienen könnte
(vgl. [X.], [X.], [X.]eschluss vom 8. November 2013
-
NotSt ([X.]) 1/13, NJW-RR 2014, 633 juris [X.]; vom 17. November 2008
-
NotZ 13/08, [X.] 2009, 290, 291 und vom 2. Juli 1984 -
NotZ 4/84, [X.] 1985, 487; Kanzleiter in [X.]/[X.]racker, [X.] 9. Aufl. § 14 Rn. 19 ff.; [X.] in [X.]/[X.]racker aaO § 95 Rn. 15). Die im [X.] nicht bestrittenen Ge-schehensabläufe erfüllen auch unter [X.]erücksichtigung der hierzu abgegebenen Erklärungen des [X.] den Tatbestand eines grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflichten aus §
14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 [X.], der ein Dienstverge-hen darstellt (§
95 [X.]), das die Verhängung der getroffenen [X.] rechtfertigt.
16
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-

Zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass schon die Anzahl der von der [X.] veranlassten [X.]eurkundungen dem Kläger Anhaltspunkte zur Prüfung geben musste, ob
er möglicherweise an ille-galen Firmenbestattungen mitwirkte. Unerheblich ist
hierfür, dass in der Diszip-linarverfügung lediglich 180 Firmenübertragungen aufgelistet worden sind und es sich in einem
Fall um einen Vorratskauf gehandelt haben soll,
das Kammer-gericht aber von "an"
die 200 Firmenübertragungen ausgegangen ist. Auch bei 180 Übertragungsbeurkundungen handelte es sich um eine
auffällige Anzahl,
die -
entgegen der Auffassung des [X.]
-
die Charakteristika illegaler Fir-menbestattungen aufwies. [X.]ereits
der Umstand, dass regelmäßig eine formu-larmäßige Anbahnung durch die [X.] der [X.]eurkundung vorausging, hätte den Kläger zu Recherchen veranlassen müssen, auch wenn die [X.]eurkundungstermine
mit dem [X.]üro des [X.] abgestimmt worden und nicht von der [X.] vorgegeben worden sind. Das [X.] weist zutreffend auf die weitere Auffälligkeit hin,
dass Gesellschaf-ten, die
den verschiedensten [X.]ranchen angehörten,
auf lediglich neunzehn
in Form einer Limited Company mit Sitz in [X.] firmierende [X.] übertragen worden sind
und
als Vertreter der übernehmenden [X.] lediglich sechzehn Personen auftraten, die regelmäßig zu den [X.]n der übernommenen Gesellschaften bestellt worden und in [X.]
an-sässig gewesen sind. Für den Kläger hätten
sich bei gebotener gewissenhafter Überprüfung daraus erhebliche Zweifel ergeben
müssen, ob
eine Fortführung der operativen Geschäfte der übernommenen Gesellschaften möglich sein wür-de. Der äußere Anschein deutete jedenfalls darauf hin, dass
es sich in der gro-ßen Masse um reine Mantelverkäufe handeln dürfte. Dem entspricht, dass nur noch 78 der übernommenen Gesellschaften aktiv sind
und
der Rest aufgelöst oder gar gelöscht
ist. Die Würdigung des [X.], dass es schlichtweg nicht vorstellbar ist, dass ein in [X.] erfahrener 18
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13
-

Notar angesichts der festgestellten Umstände geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu, ist [X.], jedenfalls nicht zulassungsfordernd fehlerhaft. Spätestens bei der [X.]eur-kundung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach dem Schreiben der Notarkammer vom 18.
September 2012 musste es sich dem Kläger aufdrän-gen, dass bei den von der [X.] vermittelten Geschäfts-anteilsübertragungen unredliche, möglicherweise sogar strafwürdige Zwecke verfolgt würden. Aufgrund der gegebenen Verdachtsmomente in Form
der Viel-zahl lediglich Abtretungen betreffende
[X.]eurkundungsaufträge durch die [X.] sowie der mit den [X.]eurkundungen verbundenen [X.] durch die Personen der Vertreter und der Übertragung der [X.] auf wenige Personen war es nicht erforderlich, dass dem Kläger
von der Notarkammer
die [X.]eteiligten namentlich und der [X.]eurkundungsvorgang im Einzelnen benannt wurden.
Es
ist nicht maßgebend, ob einem Gläubiger der Gesellschaften, deren Anteilsübertragungen der Kläger beurkundet hat, Schaden durch seine Tätigkeit entstanden ist oder das Verhalten des Notars oder auch der an den [X.]eurkun-dungsvorgängen [X.]eteiligten strafbar war. Der Senat teilt nicht die Auffassung des [X.], dass die Übertragung auf eine [X.] Limited den Gläubiger einer insolvenzbedrohten GmbH bevorzuge, jedenfalls
aber nicht benachteilige. Zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass allein die Folgen einer Insolvenz einer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft für die Gläubiger der übertragenen Kapitalgesellschaften unwägbar sind, abgesehen davon, dass sich [X.] der übernommenen Gesellschaftsanteile durch die im Ausland ansässige Gesellschafterin schwerer nachvollziehen lassen. Diese naheliegenden Überlegungen mussten sich dem Kläger als in der [X.]eurkundung von Gesellschaftsanteilen erfahrenem Notar aufdrängen und ihm Anlass sein, 19
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14
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konkret zu hinterfragen, was mit den von ihm auf Vermittlung der [X.] beurkundeten Transaktionen bezweckt werden soll.
Von dieser Pflicht war der Kläger nicht deshalb entlastet, weil die [X.] der übernehmenden Gesellschaft sozial angepasst und [X.] gewandt wirkten. Entscheidend ist, dass bei der Vielzahl der übernomme-nen [X.] und der Verschiedenheit der Geschäftszweige der übernommenen Geschäftsanteile eine ordnungsgemäße Geschäftsführung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen erscheinen musste. [X.] hätte den Kläger aufmerksam machen müssen, dass die übernehmenden Firmen ihre inländische Geschäftsanschrift
unter der Anschrift der [X.] begründeten. Die angebliche Verwahrung der Geschäfts-unterlagen der vielen übertragenen Gesellschaften in den Räumen der [X.]
vermag den Verdacht der gewerblichen Firmenbestat-tung eher zu erhärten als auszuräumen.
All
diese Verdachtsmomente hatten eine Signalfunktion, die der Kläger nicht unbeachtet lassen durfte. Dass
der Kläger sich für die Gründe der [X.] nicht interessierte, weil diese
Sache der Vertragsparteien seien, die ihn nichts angingen, stellt ein mit den Pflichten eines Notars nicht vereinbares,
sorgloses Verhalten dar. Eine zumindest mögliche Schädigung Dritter, speziell der Gläubiger der übertragenen Gesellschaft,
lag auf der Hand. Wenn der Klä-ger angesichts dieser Umstände vorgibt, er habe sich bei all dem nichts [X.]öses gedacht und sei davon ausgegangen, das alles habe seine Richtigkeit, hat er die Augen verschlossen vor [X.]edenken, die sich ihm hätten aufdrängen müssen.
bb) Dass die [X.]eteiligten vom Kläger bzw. der [X.] über die Folgen einer Geschäftsanteilsübertragung zu unredlichen Zwe-cken belehrt worden sind, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Zutreffend 20
21
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15
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weist das [X.] darauf hin, dass die an die Veräußerer gerichteten Fragen
nach ihrer Zahlungsunfähigkeit bzw. einer Überschuldung der zu über-tragenden Gesellschaften wenig konkret und eventuelle Antworten hierzu auch wenig verlässlich waren. Der Grundsatz, dass der Notar im Zweifel den Anga-ben der [X.]eteiligten vertrauen darf
(Kanzleiter in [X.]/[X.]racker aaO, §
14 Rn.
20), gilt umso weniger, je gewichtiger die Hinweise auf unredliches Verhal-ten sind und je größer die mögliche Unredlichkeit des verfolgten Zwecks ist. Der unwiederbringliche Vertrauensverlust in die Redlichkeit des Notars tritt in der Öffentlichkeit durch [X.]eurkundungen zweifelhafter
Geschäftsanteilsübertragun-gen
trotz erfolgter
[X.]elehrungen gleichwohl
ein.
Die Pflichtverletzung des [X.] stellt ein
fahrlässiges
Dienstvergehen nach §
95
NotO dar.
cc)
Die Erteilung eines Verweises und die Höhe der Geldbuße ist
im Hin-blick darauf, dass der Kläger nicht vorsätzlich, sondern
fahrlässig gehandelt hat und sich die Verfolgung der illegalen bzw. unredlichen Ziele erst bei zunehmen-der Anzahl der vom Kläger vorgenommenen [X.]eurkundungen aufgrund entspre-chender Anhaltspunkte manifestiert hat,
verhältnismäßig. Auch im Falle eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 [X.], § 4 [X.]eurkG wird die Stellung des Notars als rechtstreuer unabhängiger und unparteiischer [X.]etreuer der Inte-ressen der [X.]eteiligten beeinträchtigt.
c)
Hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe fehlen begründende
Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]. Umstände, aus denen sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.[X.]. §
111d Satz 2 [X.]) ergeben könnten, sind weder vorgetragen noch ersicht-lich.
23
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16
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
111b Abs. 1 [X.] i.[X.]. §
154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
109 [X.], §
78 Satz 2 [X.], §
52 Abs. 2 GKG.
Galke

[X.]

Radtke

Strzyz

Hahn
Vorinstanz:
KG [X.]erlin, Entscheidung vom 21.01.2015 -
Not 9/14 -

26

Meta

NotSt (Brfg) 4/15

23.11.2015

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2015, Az. NotSt (Brfg) 4/15 (REWIS RS 2015, 1955)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1955

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