Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. 6 AZR 485/16

6. Senat | REWIS RS 2017, 8802

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Gegenstand

Besitzstandszulage im kirchlichen Bereich


Leitsatz

Die Abschmelzung der Besitzstandszulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs D der Anlage 33 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost des Deutschen Caritasverbands e. V. vom 8. Dezember 2011 hält sich innerhalb der Bandbreite des Teils 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2016 - 2 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten darüber, ob eine Besitzstandszulage durch Verrechnung mit Entgelterhöhungen abgeschmolzen werden darf.

2

[X.]ie Klägerin ist bei der Beklagten als Erzieherin beschäftigt. [X.]ie Beklagte unterhält Krankenhäuser. Sie ist Teil des [X.], eines kirchlichen Krankenhausträgers. Im Arbeitsvertrag der Parteien ist bestimmt, dass für das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des [X.] ([X.]) in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.

3

[X.] sind [X.] besonderer Art. Mit ihnen werden allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch eine paritätisch aus Vertretern der [X.] und der [X.] zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt. [X.]ie [X.] besteht aus einer Bundeskommission und sechs [X.]. [X.]ie Zuständigkeiten der Bundeskommission und der [X.] sind in § 10 der Ordnung der [X.] des [X.] ([X.]) geregelt. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 in der vom 1. April 2010 bis zum 31. [X.]ezember 2012 geltenden Fassung ([X.] 2010) lautet:

        

„§ 10 Zuständigkeiten der Bundeskommission und der [X.]

        

(1) [X.]ie Bundeskommission hat eine umfassende Regelungszuständigkeit mit Ausnahme der Bereiche, die ausschließlich den [X.] zugewiesen sind. In den ausschließlich den [X.] zugewiesenen Bereichen bestehen Bandbreiten; sie betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. [X.]ifferenz nach oben und nach unten, für die Festlegung des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs von dem mittleren Wert 10 v. H. [X.]ifferenz nach oben und nach unten. [X.]ie Bundeskommission legt den mittleren Wert fest; sie kann den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern.

        

(2) [X.]ie [X.] sind ausschließlich zuständig für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs. [X.]abei haben sie die von der Bundeskommission nach Absatz 1 festgelegten Bandbreiten einzuhalten. Fasst die Bundeskommission nach Aufforderung durch den Beschluss einer Regionalkommission nicht innerhalb von sechs Monaten einen Beschluss zur Festsetzung eines mittleren Wertes und des Umfangs einer Bandbreite, kann die Regionalkommission einen eigenen Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 ohne eine nach Absatz 1 Sätze 2 und 3 festgelegte Bandbreite fassen. Beschlüsse einer Regionalkommission, die außerhalb der durch die Bundeskommission festgelegten Bandbreite liegen, sind als Beschluss der äußersten von der Bundeskommission als zulässig festgelegten Bandbreite auszulegen.“

4

Am 21. Oktober 2010 fasste die Bundeskommission einen Beschluss, mit dessen Teil 4 Ziff. 1 eine Anlage 33 in die [X.] eingefügt wurde. [X.]adurch sollten Sonderbestimmungen für Beschäftigte im [X.] geschaffen werden. [X.]iese Arbeitnehmer sollten künftig in [X.] eingruppiert sein. Bisher nach anderen Eingruppierungsregelungen vergütete Arbeitnehmer sollten nach Anhang [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] in das neue System übergeleitet werden.

5

In Teil 4 Ziff. 2 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 heißt es:

        

„2.     

[X.]ie Bundeskommission legt die in Ziffer 1 genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile sowie den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und des Zusatzurlaubs als mittlere Werte bis zum 31.12.2012 fest.

                 

…       

                 

[X.]ie Bundeskommission legt für die mittleren Werte eine Bandbreite von 20 v. H. nach oben und unten fest.“

6

Anhang [X.] zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den [X.] lautet auszugsweise:

        

„Präambel

        

1Zweck dieser Regelung ist es, zum einen sicherzustellen, dass der einzelne Mitarbeiter nach der Überleitung in die Anlage 33 zu den [X.] durch diese Überleitung keine geringere Vergleichsjahresvergütung hat. 2Zum anderen soll erreicht werden, dass die Einrichtung bei Anwendung der Anlagen 30 bis 33 zu den [X.] durch die Überleitung finanziell nicht überfordert wird (Überforderungsklausel)

        

…       

        

§ 3 Besitzstandsregelung

        

(1) Mitarbeiter, deren bisherige Vergütung (Vergleichsvergütung) das ihnen am Tag des Inkrafttretens der Anlage 33 zu den [X.] durch Beschluss der jeweiligen Regionalkommission zustehende Entgelt übersteigt, erhalten eine Besitzstandszulage.

        

(2) 1[X.]ie monatliche Besitzstandszulage wird als Unterschiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung (Abs. 3) und dem [X.] (Abs. 4), jeweils geteilt durch 12, errechnet. 2Bei der Vergleichsberechnung sind die neuen Werte aus der zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Anlage 33 zu den [X.] von der Regionalkommission festgelegten Vergütungstabelle zugrunde zu legen.

        

(3) 1[X.]ie Vergleichsjahresvergütung errechnet sich als das 12-fache der am Tag vor dem Inkrafttreten der Anlage 33 zu den [X.] durch Beschluss der jeweiligen Regionalkommission zustehenden Monatsvergütung, zuzüglich des Urlaubsgeldes gemäß Anlage 14 und der [X.] gemäß Abschnitt [X.] 1 zu den [X.].

        

2Zur Monatsvergütung im Sinne dieser Vorschrift gehören die Regelvergütung gemäß Abschnitt III der Anlage 1, die Kinderzulage gemäß Abschnitt V der Anlage 1, [X.] gemäß Anlage 1b zu den [X.] und weitere regelmäßig gewährte Zulagen.“

7

[X.]er am 1. Juli 2012 in [X.] getretene Beschluss der Beschlusskommission des [X.]eutschen Caritasverbands vom 28. Juni 2012 bestimmt unter „[X.] 5.1.1 Vergütungsänderungen 2012/2013“ zu I Satz 1, die nachfolgend festgelegten mittleren Werte seien bis zum 31. [X.]ezember 2013 befristet. Für die Besitzstandszulage, die in § 3 des Anhangs [X.] zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den [X.] geregelt ist, wurde dort kein mittlerer Wert festgelegt.

8

[X.]ie Beklagte fällt in den räumlichen Zuständigkeitsbereich der [X.]. [X.]iese beriet über den Beschluss der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010, konnte sich aber nicht darauf verständigen, den Beschluss für ihr Zuständigkeitsgebiet zu übernehmen. Nach erfolglosen Vermittlungsversuchen trat der erweiterte Vermittlungsausschuss der [X.] zusammen. Er hat nach § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 [X.] 2010 über Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer Regionalkommission zu entscheiden. [X.]er Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses tritt nach § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 Satz 7 [X.] 2010 an die Stelle des Beschlusses einer Regionalkommission.

9

[X.]er erweiterte Vermittlungsausschuss der [X.] beschloss am 8. [X.]ezember 2011, die [X.] mit Wirkung vom 1. Juli 2012 um Anlage 33 - „Besondere Regelungen für Mitarbeiter im [X.]“ - zu ergänzen. Bestandteil dieser Regelungen ist ein Anhang [X.] zur Anlage 33, der eine mit dem Beschluss der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 identische Präambel und in § 3 eine Besitzstandszulage aufweist. Anders als die Fassung der Bundeskommission sieht die Version des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] in Abs. 2a eine Abschmelzung der Besitzstandszulage vor. [X.]ie Regelung der Besitzstandszulage lautet in Teilen:

        

„§ 3 Besitzstandsregelung

        

(1) Mitarbeiter, deren bisherige Vergütung (Vergleichsvergütung) das ihnen am 1. Juli 2012 zustehende Entgelt übersteigt, erhalten eine Besitzstandszulage.

        

(2) 1[X.]ie monatliche Besitzstandszulage wird als Unterschiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung (Abs. 3) und dem [X.] (Abs. 4), jeweils geteilt durch 12, errechnet. 2[X.]abei sind Vergütungsveränderungen durch Beschlüsse nach § 11 [X.] nicht zu berücksichtigen.

        

(2a) 1Ist der Unterschiedsbetrag nach Absatz 2 positiv, wird die monatliche Besitzstandszulage bei der nächsten Stufensteigerung des Regelentgelts mit bis zu 50 v. H. des der Steigerung entsprechenden Wertes verrechnet. 2Sofern ein Abschmelzen nach S. 1 nicht möglich ist, wird ein Betrag von bis zu 50 v. H. des der Steigerung entsprechenden Wertes mit sonstigen Vergütungssteigerungen verrechnet. 3Eine Verrechnung nach S. 1 oder S. 2 erfolgt längstens bis zum 31.12.2020.“

In der Folge wurde der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 nach den Vorgaben der Richtlinien über die Inkraftsetzung der Beschlüsse der [X.] des [X.] in [X.] gesetzt.

[X.]ie [X.] der Bundeskommission strengte wegen der [X.] in Anhang [X.] § 3 Abs. 2a des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 vor dem [X.] beim erzbischöflichen [X.] ein Organstreitverfahren gegen die [X.] nach § 45 der [X.]sordnung ([X.]) an. Sie meinte, der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] greife in die Kompetenz der Bundeskommission ein. [X.]er Antrag blieb vor dem [X.] ebenso erfolglos wie die dagegen eingelegte Revision zum [X.]shof der [X.]eutschen Bischofskonferenz. [X.]er Kirchliche [X.] hielt den Antrag für unzulässig. [X.]as Kirchliche Arbeitsgericht könne nach § 45 Satz 2 [X.] nur durch eine [X.]reiviertelmehrheit der Mitglieder der Bundeskommission angerufen werden. [X.]ieses Erfordernis sei bei einem Antrag nur der [X.] nicht gewahrt (vgl. [X.] 5. Juli 2013 - K 24/12 - zu II 2 der Gründe).

[X.]ie Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2012 in die [X.] S 6 Stufe 5 übergeleitet und erhielt eine Besitzstandszulage.

In der Folgezeit erhöhte sich das Entgelt der Klägerin mehrfach. Für die [X.] ab April 2013 stieg das Tabellenentgelt ausgehend von den Werten auf dem Stand des 1. Juli 2012 um 1,5 %. Ab September 2013 stieg die Klägerin in Stufe 6 der [X.] S 6 auf. Zum 1. Januar 2014 erhöhte sich das Tabellenentgelt der Klägerin erneut um 1,5 %.

[X.]ie Beklagte nahm diese Entgelterhöhungen zum Anlass, die Besitzstandszulage der Klägerin nach § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] in der Fassung des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 zu kürzen.

[X.]ie Klägerin hat sich gegen die Abschmelzung der Besitzstandszulage gewandt. [X.]er Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 sei unwirksam. Er überschreite die Kompetenzen der Regionalkommission. [X.]ie Bundeskommission habe keine Anrechnung von Vergütungserhöhungen auf den Besitzstand vorgesehen und hierfür auch keine mittleren Werte und Bandbreiten festgelegt. Es sei daher festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, künftige Entgeltsteigerungen auf die Besitzstandszulage anzurechnen.

[X.]ie Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

der Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, ab dem 1. August 2014 Vergütungssteigerungen gemäß § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] nach dem Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 mit der Besitzstandszulage der Klägerin zu verrechnen.

[X.]ie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. [X.]er Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 sei rechtmäßig. [X.]ieses Gremium habe von der Kompetenz Gebrauch gemacht, die ihm § 10 Abs. 2 [X.] 2010 verliehen habe. Selbst im Fall einer Kompetenzüberschreitung habe der Beschluss nach § 45 [X.] vor den [X.]en nicht erfolgreich angegriffen werden können. [X.]as Kirchliche Arbeitsgerichtsverfahren akzeptiere in einem gewissen Rahmen [X.] einzelner Gremien der [X.]. [X.]as sei wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und ihrer karitativen Einrichtungen auch von den staatlichen Gerichten zu respektieren.

[X.]as Arbeitsgericht hat dem als Feststellungsklage ausgelegten Antrag der Klägerin stattgegeben. [X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision der Klägerin ist unbegründet. [X.]as [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert. [X.]ie Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

A. [X.]ie Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

I. [X.]as [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, die Klägerin habe einen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. [X.]er Wortlaut des Antrags legt zwar eine Unterlassungsklage nahe. [X.]ie Klägerin hat jedoch bereits in der Klageschrift ausgeführt, sie wolle festgestellt wissen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, künftige Vergütungssteigerungen auf die [X.]zulage anzurechnen. [X.]ie Vorinstanzen haben folgerichtig angenommen, das Rechtsschutzziel sei auf einen feststellenden Ausspruch gerichtet. [X.]ie Klägerin erstrebt die Feststellung, dass [X.] entgegen § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 nicht auf die [X.]zulage angerechnet werden dürfen.

II. [X.]er Feststellungsantrag ist zulässig. [X.]as nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. [X.]er angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Abschmelzung der [X.]zulage für die Zeit ab dem 1. August 2014 beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. [X.]as rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. [X.] 22. September 2016 - 6 [X.] - Rn. 11 mwN).

B. [X.]ie Klage ist unbegründet.

I. [X.]ie Erfolglosigkeit des von Teilen der Bundeskommission nach § 45 [X.] angestrengten [X.] vor den kirchlichen Arbeitsgerichten ist für die Frage der Wirksamkeit der Regelung zur Abschmelzung des [X.] allerdings unerheblich.

1. [X.]ie staatliche Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz erstreckt sich auch auf die Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen. Für Streitigkeiten, die ausschließlich die Anwendung kirchlichen Rechts zum Gegenstand haben, sind die staatlichen Gerichte zwar unzuständig. [X.]as folgt aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 [X.]. Fragen des bürgerlichen Rechts unterliegen aber als Streitigkeiten aus einem für alle geltenden Gesetz iSv. Art. 137 Abs. 3 [X.] grundsätzlich der staatlichen Gerichtsbarkeit. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der jeweilige Streitgegenstand. Sind die staatlichen Gerichte zuständig, müssen sie auch das kirchliche Recht anwenden, wenn von ihm die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. Sie sind zu einer eigenen Auslegung befugt, wenn sich die Kirchen keine Vorfragenkompetenz vorbehalten haben (vgl. [X.] 30. April 2014 - 7 [X.] - Rn. 20, [X.]E 148, 97; 11. November 2008 - 1 [X.] - Rn. 9 mwN).

2. [X.] der [X.]zulage ist keine Angelegenheit, die ausschließlich das kirchliche Recht berührt. Es geht um individuelle Ansprüche der Klägerin, die aus dem Arbeitsvertrag herrühren und deshalb dem staatlichen bürgerlichen Recht zuzuordnen sind.

3. Es besteht auch keine Vorfragenkompetenz kirchlicher Gerichte. [X.]ie kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 [X.] zwar ua. zuständig für Rechtsstreitigkeiten aus dem Recht der Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts. [X.]ie Zuständigkeit der kirchlichen Arbeitsgerichte ist nach § 2 Abs. 3 [X.] für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis aber nicht eröffnet. [X.]as sind - wie hier - Rechtsstreitigkeiten aus dem Individualarbeitsverhältnis zwischen dem einzelnen Mitarbeiter und seinem [X.]ienstgeber. Nehmen die Kirchen das staatliche System der Privatautonomie in Anspruch, gilt die staatliche Rechtsschutzgarantie (vgl. [X.] in Oxenknecht-Witzsch/Stöcke-Muhlack/[X.]/[X.]/[X.] Kommentar [X.] § 2 [X.] Rn. 10).

II. [X.]ie in § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 vorgesehene Abschmelzung der [X.]zulage ist jedoch von Teil 4 Ziff. 2 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 gedeckt. [X.]ie Auslegung des [X.]s trifft zu.

1. Bei der [X.]zulage handelt es sich um einen kollektiv geregelten Vergütungsbestandteil iSv. § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2010 (zum kollektiven Regelungscharakter [X.] 2017, 1, 7 mwN).

2. [X.]er Begriff der Vergütungsbestandteile erfasst das Entgelt für die geleistete Arbeit in seiner gesamten Zusammensetzung. Sonst wäre in § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2010 nur das Tabellenentgelt des § 12 zur Anlage 33 zu den [X.] idF vom 21. Oktober 2010 genannt. [X.]ie Weite des Begriffs wird zusätzlich unterstrichen, indem die ausschließliche Kompetenz der Regionalkommission „alle“ Vergütungsbestandteile erfassen soll.

a) [X.]ie [X.]zulage stellt deswegen einen Vergütungsbestandteil iSv. § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2010 dar. [X.]ie monatliche [X.]zulage errechnet sich nach § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF vom 21. Oktober 2010 als Unterschiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem [X.], jeweils geteilt durch zwölf.

b) Mit der [X.]regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF vom 21. Oktober 2010 legte die Bundeskommission zugleich einen mittleren Wert iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 [X.] 2010 fest. [X.]as ergibt sich aus Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010. [X.]anach legt die Bundeskommission ua. die in Teil 4 Ziff. 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile als mittlere Werte bis zum 31. [X.]ezember 2012 fest. In Teil 4 Ziff. 1 dieses Beschlusses findet sich die Anlage 33 zu den [X.] einschließlich ihrer Anhänge, dh. auch die [X.]regelung in § 3 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.]. Mittlere Werte der monatlichen [X.]zulage iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 [X.] 2010 sind die nicht um Steigerungsbeträge des Regelentgelts abgeschmolzenen [X.] zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem [X.], jeweils geteilt durch zwölf (§ 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF vom 21. Oktober 2010). [X.]anach bleibt die [X.]zulage als mittlerer Wert von künftigen Vergütungssteigerungen unberührt.

c) Mit Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 veränderte die Bundeskommission die 15-prozentige Bandbreite des § 10 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2010 für Vergütungsbestandteile in eine Bandbreite von 20 % nach oben und unten. [X.]iese Kompetenz kam ihr aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 [X.] 2010 zu.

d) Für die Festlegung der Höhe des [X.] der [X.]zulage innerhalb der 20-prozentigen Bandbreite nach oben und unten waren daher nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] 2010 die [X.] zuständig. [X.]ie Zuständigkeit der [X.] wurde nach dem gescheiterten Vermittlungsverfahren aufgrund von § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 der [X.] 2010 durch die Kompetenz ihres erweiterten Vermittlungsausschusses ersetzt.

e) [X.]ie Abschmelzung der [X.]zulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 hält sich innerhalb dieser Bandbreite.

aa) [X.]er in der Präambel des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 ausgedrückte Zweck der [X.]zulage steht dem nicht entgegen. [X.]ie [X.]zulage soll zum einen sicherstellen, dass der einzelne Mitarbeiter nach der Überleitung in die Anlage 33 zu den [X.] durch die Überleitung keine geringere Vergütung als die Vergleichsjahresvergütung erzielt. Zum anderen soll erreicht werden, dass die Einrichtung bei Anwendung der Anlagen 30 bis 33 zu den [X.] durch die Überleitung finanziell nicht überfordert wird.

bb) [X.]ie Abschmelzung der [X.]zulage wird diesen zum Ausgleich zu bringenden Zwecken gerecht.

(1) [X.]er mittlere Wert iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 [X.] 2010 der [X.] zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem [X.], jeweils geteilt durch zwölf, lässt es zu, dass die jeweilige Regionalkommission diesen von der Bundeskommission vorgegebenen Wert statisch übernimmt. Sie kann stattdessen auch innerhalb der 20-prozentigen Bandbreite des Teils 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 nach oben oder unten von dem mittleren Wert abweichen. In der Bandbreite kann die Regionalkommission also nach oben dynamisieren oder nach unten abschmelzen.

(2) [X.]ie Abschmelzung der [X.]zulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 wahrt die Bandbreite. Sie führt nicht zu einem geringeren Entgelt als vor der Überleitung.

(3) Soweit es zu einer Unterschreitung des mittleren Werts des § 3 Abs. 2 Satz 1 im Anhang [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 kommt, wird eine Überschreitung der Bandbreite von 20 % nach unten zulasten des Mitarbeiters jedenfalls durch das Korrektiv in § 10 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2010 verhindert. [X.]ort ist bestimmt, dass Beschlüsse einer Regionalkommission, die außerhalb der durch die Bundeskommission festgelegten Bandbreite liegen, als Beschluss der äußersten von der Bundeskommission als zulässig festgelegten Bandbreite auszulegen sind.

(4) Im Übrigen sieht § 3 Abs. 2a Satz 3 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 vor, dass eine Verrechnung nach Satz 1 oder Satz 2 dieser Regelung längstens bis zum 31. [X.]ezember 2020 erfolgt.

f) [X.]ie Befristung der mittleren Werte in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 steht der Fortwirkung der abschmelzenden Regelung in § 3 Abs. 2a des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses des erweiterten [X.] vom 8. [X.]ezember 2011 nicht entgegen.

aa) Nach Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 legt die Bundeskommission die in Teil 4 Ziff. 1 dieses Beschlusses genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile als mittlere Werte bis zum 31. [X.]ezember 2012 fest.

bb) [X.]er mittlere Wert der [X.]regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs [X.] zur Anlage 33 zu den [X.] idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 und die Bandbreitenregelung in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 dieses Beschlusses galten sowohl im Zeitpunkt der Überleitung der Klägerin in [X.] zum 1. Juli 2012 als auch in den streitgegenständlichen Zeiträumen seit dem 1. August 2014.

(1) [X.]er am 1. Juli 2012 in [X.] getretene Beschluss der Beschlusskommission des [X.]eutschen Caritasverbands vom 28. Juni 2012 legt unter [X.] 5.1.1 zu I Satz 1 für die [X.]zulage in § 3 des Anhangs [X.] zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den [X.] keinen mittleren Wert fest.

(2) Weder die [X.] noch eine andere Regionalkommission forderten die Bundeskommission nach § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2010 auf, einen neuen mittleren Wert und den neuen Umfang einer Bandbreite festzusetzen. [X.]ie Festlegung des mittleren Werts durch die Bundeskommission und die von ihr getroffene Bandbreitenregelung in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 wirken deshalb ungeachtet ihrer Befristung über den 31. [X.]ezember 2012 hinaus fort. [X.]ie [X.] bzw. der erweiterte Vermittlungsausschuss blieben nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 der [X.] 2010 dafür zuständig, die Höhe des [X.] der [X.]zulage innerhalb der von der Bundeskommission vorgegebenen Bandbreite festzulegen.

C. [X.]ie Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Gallner    

        

        

        

    Lauth    

        

    C. Klar    

                 

Meta

6 AZR 485/16

29.06.2017

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Halle (Saale), 8. September 2015, Az: 2 Ca 1999/14, Urteil

Anl 33 Anh D § 3 Abs 2a DCVArbVtrRL, § 10 Abs 2 S 1 AKDCVO, § 10 Abs 1 S 3 Halbs 1 AKDCVO, Art 137 Abs 3 WRV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. 6 AZR 485/16 (REWIS RS 2017, 8802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8802

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