Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2004, Az. 3 ARs 5/04

3. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1937

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[X.] vom 12. August 2004 in der Strafsache gegen

wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u. a.; hier: Anfrage des 5. Strafsenats - 5 StR 376/03 - gemäß § 132 Abs. 3 GVG - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 12. August 2004 beschlos-sen: 1. Auf die Sachrüge ist zu prüfen, a) ob bei einer sich aus den Urteilsgründen ergebenden Ver-fahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] die nach der Rechtsprechung des [X.] gebotene Kompensation zutreffend vorge-nommen worden ist oder b) ob ein Erörterungsmangel vorliegt, weil sich aus den [X.] ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die zu einer Prüfung einer Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] drängen. 2. In allen anderen Fällen ist eine Verfahrensrüge erforderlich, wenn der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Verfahrens-verzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geltend machen will. Gründe: Nach der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ist es in Fällen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zunächst erforderlich, Art und Umfang der Verletzung des [X.] ausdrücklich festzu-stellen, sowie das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstandes näher zu - 3 - bestimmen. Für die Kompensation reichen die Möglichkeiten von einer Einstel-lung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO, über das Absehen von Strafe und die Verwarnung mit Strafvorbehalt bis zu einer Berücksichtigung bei der Strafzumessung. In besonders schwer wiegenden Ausnahmefällen kommt die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses in Betracht (vgl. [X.] wi-stra 2004, 15 ff. m. w. N.). Daraus ergibt sich die Besonderheit, daß dieser [X.] nicht wie sonst zur Aufhebung des davon betroffenen Verfahrens, sondern regelmä-ßig zu einem materiellrechtlichen Ausgleich führt (von den nur Extremfällen vorbehaltenen Verfahrenseinstellungen abgesehen). Der [X.] stellt damit die tatsächliche Voraussetzung eines Strafzumessungsumstandes dar. Dem entspricht, daß die primäre Zielrichtung eines Beschwerdeführers dahin geht, eine ihm nicht gewährte Strafmilderung zu erlangen. Daraus erge-ben sich für die revisionsrechtliche Nachprüfung folgende Konsequenzen: 1. Ob der Strafzumessungsumstand "Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]" zutreffend berücksichtigt worden ist, stellt eine Frage der Anwendung materiellen Rechts dar, die grundsätzlich auf die Sach-rüge zu prüfen ist. a) Dies trifft zunächst auf die Fälle zu, in denen eine [X.] im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] in den Urteilsgründen ausdrücklich festgestellt, gleichwohl aber die erforderliche Kompensation unterblieben oder nur unzureichend vorgenommen worden ist. Ebenso gilt dies, wenn sich aus den Urteilsgründen zwar die für die Feststellung einer Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlichen Tatsachen ergeben, aber etwa auf Grund einer fehlerhaften Subsumtion nicht entsprechend gewürdigt - 4 - worden sind (z. B.: unzureichende personelle Ausstattung sei nicht zu vertre-ten). b) Entsprechendes gilt in Fällen eines Erörterungsmangels, der sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt. Ein solcher liegt jedoch nur dann vor, wenn ein nach den sonstigen Urteilsgründen nahe liegender wesentlicher Gesichts-punkt vom Tatrichter nicht erörtert wird, das heißt, wenn die Umstände zu einer Auseinandersetzung drängen (vgl. Beschlüsse des 4. Strafsenats vom 25. März 2004 - 4 ARs 6/04 und des 2. Strafsenats vom 26. Mai 2004 - 2 ARs 33/04). Danach müssen ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Verfahrensverzögerung gegeben sein, die eine Erörterung in den [X.] geboten hätten. Dafür reicht regelmäßig ein überdurchschnittlich langer Zeitraum zwischen der ersten Beschuldigung des Angeklagten und dem Ur-teilszeitpunkt allein nicht aus, da eine solche Verfahrensdauer mannigfaltige Gründe haben kann, die nicht auf eine Verletzung des [X.] zurückzuführen sind. Lagen solche Gründe vor (z. B. Flucht des Angeklag-ten ins Ausland, Bitte des Angeklagten, ein Parallelverfahren abzuwarten u. ä.) und waren sie etwa für alle Beteiligte in der Hauptverhandlung offenkundig, war auch eine Erörterung in den Urteilsgründen nicht geboten. Im einzelnen nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen des 2. und 4. Strafsenats Bezug. Soweit der Senat hierzu in früheren Entscheidungen andere Auffassun-gen vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest. 2. Ergeben die Urteilsgründe weder das Vorliegen einer Verfahrensver-zögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch einen entsprechenden Erörterungsmangel, muß der Beschwerdeführer eine Verfahrensrüge erheben, wenn er aus bestimmten Tatsachen, die bislang nicht festgestellt sind, eine - 5 - Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] herleiten will. Die Sachlage ist nicht anders als in Fällen, in denen der Beschwerdeführer sonst aus dem Urteil nicht ersichtliche tatsächliche Voraussetzungen eines Strafzumessungsumstandes geltend machen will und hierzu die Aufklärungsrü-ge erheben muß (etwa einen eingetretenen Ermittlungserfolg als Vorausset-zung für die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG). Entsprechendes muß gelten, wenn sich das Urteil zwar mit einem bestimmten Verzögerungszeitraum (z. B. vor Anklageerhebung) befaßt, der Beschwerdeführer aber einen weiteren [X.] behaupten will (z. B. vor Terminierung). 3. Die Anregung des 1. Strafsenats, die Rechtsprechung zur Bestim-mung des Strafmaßes bei einer Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu überdenken, begrüßt der Senat. Sollte sich der [X.] ohnehin mit Fragen der Verfahrensverzögerung befassen, wäre es wün-schenswert, wenn diese systemwidrige, dem Strafzumessungsrecht fremde Mathematisierung aufgegeben werden könnte. [X.] [X.] Winkler

Becker

Hubert

Meta

3 ARs 5/04

12.08.2004

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2004, Az. 3 ARs 5/04 (REWIS RS 2004, 1937)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1937

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