Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.08.2018, Az. 5 StR 160/18

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 4792

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Gegenstand

Berücksichtigung von spontanen Einlassungen des Angeklagten


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und mit Führen einer Schusswaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung von § 261 [X.] Erfolg.

2

1. Die Revision beanstandet mit der [X.], dass das [X.] in seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht ([X.], 19), obwohl er sich am fünften Hauptverhandlungstag vom 8. September 2017 und am sechsten Hauptverhandlungstag vom 19. September 2017 während der Vernehmungen der Zeuginnen M.    und E.    jeweils „spontan zur Sache äußerte“. Eine diesbezügliche Einlassung zur Sache ist durch die entsprechenden Formulierungen im [X.], das keine Berichtigung erfahren hat, im Sinne des § 274 [X.] bewiesen.

3

2. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Das [X.] genügt dem Erfordernis des vollständigen Tatsachenvortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.].

4

Der Inhalt der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung gehört nicht zu den diesen Verfahrensmangel begründenden Tatsachen und musste deshalb in der [X.] nicht vorgetragen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 3 StR 489/14, [X.], 473; [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 267 Rn. 12). Das Tatgericht hat stets selbst in den Urteilsgründen den Inhalt der Sacheinlassung eines Angeklagten in der Hauptverhandlung festzustellen und damit auch Umfang und Inhalt der weiteren beweiswürdigenden Darlegungen zu bestimmen (vgl. [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO). Dies gilt unabhängig davon, in welcher Form und mit welchem Inhalt die Einlassung erfolgt ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. Dezember 2008 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 344 Abs. 2 Satz 2 Einlassung 1; vom 27. September 2017 - 4 StR 142/17, [X.], 113). Daher begründet auch die Besonderheit, dass der Angeklagte sich jeweils spontan äußerte, keine höheren Anforderungen an die Vortragspflicht zu einer Einlassung zur Sache.

5

3. Die Rüge ist auch begründet. Zu der Tatsache, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 8. September 2017 und vom 19. September 2017 zur Sache eingelassen hat, stehen die Urteilsgründe in Widerspruch. Die Nichtberücksichtigung der nach dem Protokoll bewiesenen Einlassung des Angeklagten verstößt gegen § 261 [X.] (vgl. LR/[X.], [X.] 26. Aufl., § 261 Rn. 176).

6

Der [X.] kann trotz der im Übrigen sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 261 [X.] beruht. Wegen des Verbots, den Inhalt der Hauptverhandlung zu rekonstruieren, ist der Inhalt der Einlassung des Angeklagten über deren Wiedergabe im Urteil hinaus der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugänglich (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. August 2007 - 2 [X.], [X.], 235, 236; vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08, [X.]St 52, 175, 180; vom 9. Dezember 2008 - 3 [X.], aaO; vom 22. Juni 2017 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 261 Inbegriff der Verhandlung 52; vom 27. September 2017 - 4 StR 142/17, aaO). Dem [X.] ist es mithin verwehrt, Überlegungen darüber anzustellen, inwieweit es sich bei den [X.] lediglich um eine bloße Unmutsäußerung des Angeklagten, wie sie die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft für die Hauptverhandlung vom 19. September 2017 mitteilt, oder um Zwischenrufe gehandelt haben könnte, mit denen Aussagen von Zeuginnen gewertet wurden, die - nach den Urteilsgründen naheliegend - keine Angaben zum konkreten Tatvorwurf gemacht haben.

Mutzbauer     

        

Schneider     

        

Berger

        

Mosbacher     

        

Köhler     

        

Meta

5 StR 160/18

15.08.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 29. November 2017, Az: 1 Ks 13/16

§ 261 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.08.2018, Az. 5 StR 160/18 (REWIS RS 2018, 4792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4792

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3 StR 489/14

4 StR 142/17

1 StR 242/17

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