Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2010, Az. V ZR 144/09

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5952

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 11. Juni 2010 Weschenfelder, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2010 durch [X.] [X.], [X.] Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und [X.] Czub und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 3. Juli 2009 auf-gehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 2006 übertrug die Klägerin ih-rem [X.], dem [X.]n, ihr Grundstück nebst der darauf betriebenen Pensi-on. Als Gegenleistung bestellte der [X.] seiner Mutter ein Wohn- und Nut-zungsrecht an einer Wohnung im Kellergeschoss der Pension und verpflichtete sich, ihr Wart und Pflege zu gewähren sowie eine monatliche Rente von 300 • zu zahlen. 1 - 3 - Vor Abschluss des Übergabevertrages gingen die Parteien davon aus, dass der [X.] und seine Ehefrau das von ihnen bewohnte Kellergeschoss räumen und in das bislang von der Klägerin teilweise zu Wohnzwecken, teilwei-se für die Pension genutzte Erdgeschoss umziehen würden. Hierzu ist es [X.] nicht gekommen. 2 Im November 2006 hatte die Klägerin die linke Hälfte des Erdgeschosses längerfristig an ihren Enkel, den [X.] des [X.]n, vermietet; dies war dem [X.]n bei Abschluss des Übergabevertrages nicht bekannt. Die rechte [X.] des Erdgeschosses wird zum überwiegenden Teil als Frühstücks- und Auf-enthaltsraum für die Pensionsgäste genutzt. 3 Die Klägerin verlangt die Einräumung des Wohn- und Nutzungsrechts an der Kellerwohnung. Der [X.] meint, hierzu nicht verpflichtet zu sein, weil er das Erdgeschoss aufgrund der Vermietung an seinen [X.] nicht zu Wohnzwe-cken nutzen könne. 4 Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der [X.] [X.], verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. 5 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne die Einräumung des Be-sitzes an der Wohnung im Kellergeschoss derzeit nicht verlangen. Sie sei ver-pflichtet gewesen, den [X.]n darüber aufzuklären, dass sie kurz vor [X.] des Übergabevertrages mit ihrem Enkel einen Mietvertrag über die [X.] - 4 - ke Erdgeschosshälfte abgeschlossen und für fünf Jahre auf die Ausübung ihres ordentlichen Kündigungsrechts verzichtet habe. Dies habe sie zumindest fahr-lässig unterlassen. Als Rechtsfolge dieses Verschuldens bei Vertragsschluss ergebe sich für den [X.]n ein Anspruch auf Vertragsanpassung (§ 311 Abs. 2 BGB). Er könne am Vertrag festhalten und den entstandenen [X.] liquidieren; dabei sei er so zu behandeln, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu anderen, für ihn günstigeren Bedingungen abzuschließen. Wäre dem [X.]n die Vermietung der linken Erdgeschosshälfte bekannt gewesen, hätte er der Klägerin nicht sofort ein Wohnrecht an der Kellerwohnung eingeräumt, sondern dies an die Vorausset-zung geknüpft, dass das Mietverhältnis mit dem Enkel beendet sei. Hierauf [X.] sich die Klägerin [X.] einlassen müssen. Der [X.] sei daher so zu stellen, als wenn diese Bedingung vereinbart worden wäre. I[X.] Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem [X.]n stehe nach § 311 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) ein Anspruch auf Vertragsanpas-sung zu, den er dem Wohnrecht der Klägerin entgegenhalten könne, verkennt die Rechtsfolgen eines Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluss. 7 1. Nach einer Verletzung von Aufklärungspflichten kann der Geschädigte grundsätzlich Ersatz des [X.] verlangen (Senat, [X.], 35, 39 m.w.N.). Er ist so zu stellen, wie er bei [X.] [X.] maßgeblichen Umstände stünde. Da in aller Regel anzunehmen ist, dass der [X.] nicht oder mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre, ist der Geschädigte in erster Linie berechtigt, sich von diesem zu lösen und Ersatz seiner im Vertrauen auf den [X.] - 5 - schluss getätigten Aufwendungen zu verlangen (vgl. [X.], 75, 82). Daneben räumt die Rechtsprechung des [X.] dem Geschädig-ten das Recht ein, an dem für ihn ungünstigen Vertrag festzuhalten. Geschieht dies, reduziert sich der zu ersetzende [X.] auf dessen berech-tigte Erwartungen, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befrie-digt werden (Senat, [X.], 35, 39). Dabei geht es - anders als das Berufungsgericht meint - nicht darum, den [X.] anzupassen, sondern darum, den verbliebenen [X.] zu berechnen (Senat, aaO). Das geschieht bei einem Kauf-vertrag in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt wird, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigen Preis abzuschließen. Schaden ist danach der Betrag, um den der Geschädigte den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Da es dabei nur um die [X.] des verbliebenen [X.]s und nicht um die Anpassung des Vertrages geht, braucht der Geschädigte nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelas-sen hätte (Senat, aaO S. 39 f. m.w.N.). Hier könnte die Berechnung des [X.] in der Weise erfolgen, dass der [X.] - unter Anrechnung der von dem Enkel gezahlten Miete - den Betrag liquidiert, den er für die [X.] einer Wohnung für sich und seine Ehefrau aufbringen muss, oder welcher ihm dadurch entgeht, dass er andere Räume in der Pension bezieht und diese dann nicht mehr als Gästezimmer vermieten kann. 9 2. Demgegenüber stellt das Berufungsgericht den [X.]n so, als wäre ihm infolge der Pflichtverletzung der Klägerin ein günstigerer [X.]. Indem es ihm durch Anpassung der bestehenden Vereinbarung die Vortei-le dieses (vermeintlich) entgangenen Vertrages einräumt, ersetzt es nicht das Vertrauens-, sondern das Erfüllungsinteresse (vgl. Senat, aaO, S. 40 f.). Der 10 - 6 - Ersatz des [X.] kommt als Folge einer Pflichtverletzung bei Vertragsschluss jedoch nur ausnahmsweise in Betracht und setzt die [X.] voraus, dass die aufklärungspflichtige Partei - wäre der verschwiegene Umstand während der Vertragsverhandlungen bekannt geworden - den Vertrag zu den von dem Geschädigten nunmehr erstrebten Bedingungen geschlossen hätte. Von einer entsprechenden Bereitschaft der [X.] kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Sie wäre bei erfolgter Aufklä-rung nämlich nicht gehindert gewesen, mit Rücksicht auf die dann ungünstige-ren Vertragsbedingungen von einem Vertragsschluss gänzlich abzusehen. Der Geschädigte, der Ersatz des [X.] erstrebt, muss deshalb darle-gen und beweisen, dass die Gegenseite den [X.] zu den für sie ungünstigeren Bedingungen geschlossen hätte (vgl. Senat, aaO). Entsprechende Feststellungen sind von dem Berufungsgericht nicht ge-troffen worden. Es meint lediglich, die Klägerin hätte sich [X.] auf die von dem [X.]n erstrebte Anpassung des Vertrages einlassen müssen. Darauf kommt es indessen nicht an. Eine Anpassung des Vertrages könnte der [X.] nur verlangen, wenn feststünde, dass die Klägerin bereit gewesen wäre, auf ein Wohnrecht zu verzichten, solange ihr Enkel die [X.] nutzt. 11 II[X.] Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil es nach den bislang getroffenen Feststellungen möglich erscheint, dass der [X.] dem Anspruch der Klägerin auf Einräumung des Wohnrechts ein Zu-rückbehaltungsrecht (§ 320 oder § 273 BGB) entgegenhalten kann. Der Beklag-12 - 7 - te rügt zu Recht, dass das Bestehen einer solchen Einrede von dem [X.] mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.], auf die das Be-rufungsurteil Bezug nimmt, haben die Parteien unstreitig vereinbart, dass die Klägerin mit ihrer Schwester in die Wohnung im Kellergeschoss und der [X.] mit seiner Ehefrau dafür in das Erdgeschoss ziehen sollten. Das [X.] hat dies als Vereinbarung eines Wohnungstauschs und als Teil des Übergabe-vertrages gewertet. Auch die Revision nimmt an, die Einräumung des Wohn- und Nutzungsrechts habe nach einer mündlichen Vereinbarung der Parteien im Wege eines [X.] erfolgen sollen. Auf welcher tatsächlichen Grundlage das Berufungsgericht seine davon abweichende Rechtsauffassung stützt, es fehle bereits an einer als vertragliche Nebenabrede zu dem Übergabevertrag zu qualifizierenden Vereinbarung, ist mangels näherer Be-gründung nicht nachvollziehbar. 13 Eine mündliche Nebenabrede der Parteien wäre nicht notwendigerweise formnichtig (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) und deshalb unbeachtlich. Die von dem Berufungsgericht für möglich erachtete Heilung des Formmangels gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB scheitert nicht an der dafür erforderlichen Willens-übereinstimmung der Parteien im Zeitpunkt der Auflassung (vgl. Senat, Urt. v. 15. Oktober 1993, [X.], NJW 1994, 586, 588). Da die Auflassung hier bei Abschluss des Übergabevertrages erklärt wurde und ein Wegfall der [X.] zwischen Auflassung und Eintragung unschädlich ist (Se-nat, Urt. v. 23. März 1973, [X.], [X.], 612, 613), kommt es nur auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. Zu diesem bestand die notwendige Willensübereinstimmung jedoch fort. Deren Wegfall ist nämlich nur in Betracht zu ziehen, wenn eine der Parteien ihren gegenteiligen Willen erkennbar äußert ([X.], Urt. v. 18. November 1993, [X.], NJW-RR 1994, 317, 318). 14 - 8 - Nach den getroffenen Feststellungen hat die Klägerin gegenüber dem [X.]n aber gerade nicht zu erkennen gegeben, an der [X.] nicht festhalten zu wollen, insbesondere hat sie im Notartermin nicht offenbart, mit ihrem Enkel einen Mietvertrag über die Räume im [X.] zu haben. Die Zurückverweisung der Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut zu prüfen, ob ein Zu-rückbehaltungsrecht des [X.]n besteht. 15 [X.] Schmidt-Räntsch Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 13.10.2008 - 5 [X.]/07 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 03.07.2009 - 13 U 138/08 -

Meta

V ZR 144/09

11.06.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2010, Az. V ZR 144/09 (REWIS RS 2010, 5952)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5952

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 144/09 (Bundesgerichtshof)

Verschulden bei Vertragsschluss: Schadensersatzanspruch bei Verletzung von Aufklärungspflichten


V ZR 135/07 (Bundesgerichtshof)


II ZR 17/17 (Bundesgerichtshof)

Beitritt zu einer Anlagegesellschaft aufgrund unrichtiger Prospektangaben: Wahlrecht im Rahmen des Vertrauensschadens


VI ZR 40/20 (Bundesgerichtshof)

Deliktische Haftung des Herstellers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs: Sog. kleiner Schadensersatz bei …


IV ZR 474/15 (Bundesgerichtshof)

Pflichtteilsergänzungsanspruch: Beginn des Laufs der Zehnjahresfrist bei Schenkung eines Grundstücks mit Vorbehalt eines Wohnungsrechts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 144/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.