Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2013, Az. VII ZR 116/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5233

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Werklohnprozess: Begründungspflicht für die Präklusion von erheblichem Sachvortrag wegen Verspätung; Begründungspflicht des Berufungsgerichts für die Annahme unsubstanziierten Parteivortrags


Tenor

Der Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 15. April 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 30.570,28 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt Zahlung von [X.] aus abgetretenem Recht der [X.] Der [X.] ist Inhaber eines Gewerbebetriebes, der Bauvorhaben projektiert und durchführt. Am 14. Dezember 2006 beauftragte er die [X.] mit dem Rückbau sowie der Altlastentsorgung eines ehemaligen Sägewerks. Nach vertragsgemäßer Durchführung der Arbeit erteilte die [X.] unter dem 9. Februar 2007 eine Schlussrechnung über brutto 429.755,45 €. Anschließend einigten sich die Vertragsparteien auf einen Pauschalpreis in Höhe von insgesamt 370.000 € zuzüglich einer weiteren Rechnung in Höhe von 20.000 €, somit 390.000 €.

2

Der [X.] erbrachte bis einschließlich 2. Mai 2008 hierauf Teilzahlungen in Höhe von etwas mehr als 350.000 €. Die anschließend eingeschaltete Klägerin, die ein Inkassobüro betreibt, machte unter dem 8. September 2008 eine Restforderung von 40.339,70 € geltend. Darauf erkannte der [X.] unter dem 17. September 2008 die Forderung in dieser Höhe zuzüglich weiter entstehender Zinsen an, wobei er Ratenzahlung zusagte. Er leistete noch weitere vier Raten zu je 2.000 €.

3

Das [X.] hat der Klage in Höhe eines Betrages von 32.339,70 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]n hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.]n, der nach Zulassung der Revision Klageabweisung erreichen möchte.

II.

4

1. Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung von Vortrag des [X.]n zur Anfechtung des Werkvertrags vom 14. Dezember 2006 wegen arglistiger Täuschung und zur Nichtigkeit wegen sittenwidrig überhöhter Preise als verspätet durch das [X.] für zutreffend gehalten. Zwar könne nicht die Anfechtungserklärung als solche präkludiert sein, jedoch könne der sie stützende Tatsachenvortrag nach den prozessualen Regeln verspätet sein. Das [X.] habe insoweit die Präklusionsvorschriften der §§ 282, 296 Abs. 1 ZPO zutreffend angewandt. Zur Klageerwiderung sei dem [X.]n ordnungsgemäß eine Frist gesetzt worden. Die Klage sei auch schlüssig und hinreichend substantiiert gewesen. Hinzu komme, dass dem [X.] auch insoweit zu folgen sei, als es ausgeführt habe, dass der [X.] weder den Anfechtungsgrund noch die Einhaltung der Anfechtungsfrist hinreichend substantiiert dargetan habe.

5

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Urteil beruht, wie die Beschwerde zu Recht rügt, auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.]n (Art. 103 Abs. 1 GG).

6

a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, das [X.] habe den Vortrag des [X.]n bezüglich der Anfechtung seiner auf den Abschluss des Werkvertrags gerichteten Erklärung und zur Sittenwidrigkeit des Vertrages zutreffend als verspätet zurückgewiesen und insoweit die Präklusionsvorschriften des § 296 Abs. 1 ZPO zutreffend angewandt. Denn es fehlt an jeglicher Feststellung dazu, ob nach der freien Überzeugung des Gerichts die Zulassung des Vortrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Weder das [X.] noch das Berufungsgericht haben sich hiermit auseinandergesetzt. Insbesondere ist nicht festgestellt worden, dass die Behauptungen des [X.]n bestritten worden seien. Bei einer derart offenkundig fehlerhaften Anwendung einer Präklusionsvorschrift, bei der ein wesentliches Tatbestandsmerkmal ungeprüft bleibt, ist zugleich das rechtliche Gehör der betroffenen [X.] verletzt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 2012 - [X.], [X.], 3787 Rn. 9 m.w.N.).

7

b) Zu Recht rügt die Beschwerde weiter, dass das Berufungsgericht mit seiner Hilfsbegründung, dass dem [X.] auch insoweit zu folgen sei, dass der [X.] weder einen Anfechtungsgrund noch die Einhaltung der Anfechtungsfrist hinreichend substantiiert dargetan habe, ebenfalls gegen den Anspruch des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Denn weder das landgerichtliche Urteil, auf das sich das Berufungsgericht bezieht, noch das Urteil des Berufungsgerichts enthalten eine Begründung für diese Beurteilung. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen, die an die Substantiiertheit eines [X.]vortrages zu stellen sind, grundlegend und damit in einer Weise verkannt hat, dass hiermit der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.

8

Die Beschwerde legt ausreichend dar, inwieweit der [X.] zu den Voraussetzungen der Anfechtungsvorschriften vorgetragen hat. Der [X.] habe im Einzelnen vorgetragen, der Geschäftsführer der [X.] habe zur Position 01.02.0500 des Angebots vom 6. Dezember 2006 erläutert, diese betreffe die an die Deponie zu entrichtenden Kosten. Auf die Nachfrage, weshalb in der Schlussrechnung ein geringerer Betrag je Tonne angesetzt sei, habe der Geschäftsführer der [X.] erklärt, die Deponie habe aufgrund der erheblichen Mehrmenge einen Preisnachlass von 108,00 € auf 88,75 € pro Tonne gewährt. Die tatsächlichen Deponiekosten hätten aber lediglich 25 € je Tonne betragen, was dem Geschäftsführer schon vor Vertragsschluss bekannt gewesen sei. Hätte der [X.] gewusst, dass es sich bei dieser Position nicht um den von der Deponie berechneten Preis gehandelt habe, hätte er den Vertrag nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen. Zur Anfechtungsfrist habe der [X.] vorgetragen, er habe von diesen Vorgängen erstmals im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits Kenntnis erlangt. Da die Anspruchsbegründung dem [X.]n am 19. März 2010 zugestellt worden ist, sei die im Schriftsatz vom 30. Juni 2010 erklärte Anfechtung innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB geschehen.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.]n. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer vollständigen Prüfung der Voraussetzungen der Präklusionsvorschriften sowie der Grundsätze der Substantiierung eines [X.]vorbringens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

d) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Mit den bisher angestellten Erwägungen lässt sich auch nicht begründen, dass der [X.] die Verspätung seines Vorbringens nicht genügend entschuldigt habe. Es ist nicht ersichtlich, warum der [X.] prozessual verpflichtet gewesen sein könnte, früher bei der Gutachterin Nachfrage zu halten. Hierzu müsste jedenfalls ein Anlass bestanden haben. Anlass dazu hätten allenfalls die Kostenfestsetzungsbescheide bieten können. Der [X.] hat die Bescheide jedoch nach seinem Vorbringen unmittelbar zur Prüfung an die Sachverständige weitergeleitet, so dass er hieraus keine Verdachtsmomente abgeleitet hat.

[X.]                         [X.]

                [X.]                                       Jurgeleit

Meta

VII ZR 116/11

06.06.2013

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 15. April 2011, Az: 10 U 1077/10

Art 103 Abs 1 GG, § 282 ZPO, § 296 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2013, Az. VII ZR 116/11 (REWIS RS 2013, 5233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5233

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII ZR 116/11 (Bundesgerichtshof)


VII ZR 50/09 (Bundesgerichtshof)

Werklohnprozess: Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung klarstellenden Vortrags in der Berufungsinstanz; Darlegung der Fristwahrung bei Arglistanfechtung des …


VII ZR 50/09 (Bundesgerichtshof)


I-22 U 135/08 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


IV ZR 40/09 (Bundesgerichtshof)

Geld- und Werttransportversicherung: Beginn der Jahresfrist für eine Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung; Umfang …


Referenzen
Wird zitiert von

VII ZR 116/11

Zitiert

VIII ZR 273/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.