Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2011, Az. 27 W (pat) 162/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 4714

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "QE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 017 817.5

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2011 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 2. August 2010 wird insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke der Schutz versagt wurde.

Gründe

I.

1

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des [X.] hat die Anmeldung der am 24. März 2010 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35 und 41 angemeldeten Wortmarke

[X.]

2

mit Beschluss vom 2. August 2010, teilweise, nämlich für die folgende Waren und Dienstleistungen

3

9: [X.], Schallplatten, [X.], CD-ROMs, DVDs, Computersoftware, elektronische Publikationen (herunterladbar); Audio- und Videodateien (herunterladbar), alle vorgenannten Waren bezogen auf Selbsthilfe und Heilmethoden,

4

16: [X.], Fotografien, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), Veröffentlichungen (Schriften), Bücher, alle vorgenannten Waren bezogen auf Selbsthilfe und Heilmethoden,

5

35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten, alle vorgenannten Waren bezogen auf Selbsthilfe und Heilmethoden,

6

41: Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Organisation, Veranstaltungen und Durchführung von Unterricht, Seminaren, Workshops (Ausbildung) und Symposien, insbesondere auf dem Gebiet der Entspannung, Heilung und Meditation, Online-Publikationen von elektronischen Büchern, alle vorgenannten Waren bezogen auf Selbsthilfe und Heilmethoden,

7

mit der Begründung zurückgewiesen, dass insoweit der angemeldeten Buchstabenkombination die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehle. Die Abkürzung "[X.]" werde das angesprochene Publikum dahingehend verstehen, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handle, die mit der Heilmethode [X.] zu tun hätten. Die Abkürzung würden die hier angesprochenen Fachkreise aus Medizin und Heilkunde sowie die interessierten und informierten Laien ohne weiteres als Fachabkürzung für eine bestimmte Heilmethode verstehen. Alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten sich mit dieser Heilmethode beschäftigen, nämlich durch Ausbildung darin, Seminare und Workshops darüber, elektronische und gedruckte Publikationen zu dem Thema usw. Was alles zu dieser Heilmethode gehöre, müsse nicht genau definiert werden, da dies naturgemäß sehr umfassend sein könne. Der Begriff könne bewusst weit gehalten sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken.

8

Dass die Anmelderin den Begriff möglicherweise ursprünglich einmal kreiert habe bzw. die Werke des Erfinders der Heilmethode publiziere, führe nicht zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Buchstaben. Gerade bei Heilmethoden sei es üblich, dass diese nach ihrer Entwicklung in zahlreichen Praxen und von anderen Personen, die die Methode erlernt hätten, ebenfalls angewendet würden und dann ein Fachbegriff, von dem ursprünglichen Erfinder "verselbständigt", entstehe, wie z. B. Tanztherapie nach [X.], Psychoanalyse nach [X.], Urschrei-Therapie nach [X.], Bewegungstherapie nach [X.], Feldenkrais-Methode, Hörtraining nach [X.] etc. Alle diese Therapien und Methoden würden nicht mehr nur von den ursprünglichen Erfindern und ihren Schülern ausgeübt oder in von diesen gegründeten Instituten, sondern von Ärzten, Psychologen, Heilpraktikern usw. allgemein.

9

Die Abkürzung "[X.]" gebe keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise direkt (in glatt beschreibender Form) auf Art und Thema der Waren und Dienstleistungen hin, nämlich alles rund um die Heilmethode "[X.]". Eine Analyse der Buchstabenkombination, zu der der Verbraucher erfahrungsgemäß nicht neige, sei dazu nicht notwendig.

Ob die Abkürzung lexikalisch nachweisbar sei oder bereits häufig verwendet werde, sei unmaßgeblich. Da Marken auch stets im Zusammenhang mit den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen zu sehen seien, ergebe sich hier aus den beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Bezug zu Heilmethoden.

Auch eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit liege nicht vor, da fernliegende Bedeutungen außer Betracht bleiben könnten und Bedeutungen wie "[X.]", "Quartalsende" oder der IATA-Code für die Fluglinie [X.] im Zusammenhang mit Heilmethoden abwegig seien.

Ferner werde "[X.]" im genannten Sinn nicht nur von der Anmelderin verwendet. Wie aus den als Anlage beigefügten Internetauszügen ersichtlich sei, werde die dahinter stehende Heilmethode beispielsweise auch in [X.] praktiziert.

Ob hier auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege, könne aufgrund der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

Der Beschluss ist der Anmelderin am 9. August 2010 zugestellt worden.

Mit ihrer Beschwerde vom 7. September 2010 wendet sie sich gegen die Wertung in dem ablehnenden Teil der angegriffenen Entscheidung und verfolgt ihren Eintragungsantrag insgesamt weiter. Dazu trägt sie vor, [X.] sei mehrdeutig und könne für Quantenenergie, [X.], [X.], [X.] oder auch Quantessenz stehen. Die Buchstabenkombination bezeichne die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen daher weder unmittelbar noch durch mittelbare Hinweise auf wesentliche Merkmale.

Auch belegten die in Bezug genommenen Internetseiten, auf denen [X.] verwendet werde, eindrücklich die Herkunftsfunktion des angemeldeten Zeichens. Sämtliche vorgelegten Internetseiten seien solche der Anmelderin selbst bzw. deren Lizenznehmer. Darüber hinaus wiesen all ihre Publikationen auf bestehende Markenrechte und deren Zitierweise hin. Auch hinsichtlich der Abkürzung [X.] für die Heilmethode [X.] sei die Anmelderin nachhaltig bemüht, eine markenrechtliche Verwendung zu erhalten. Dazu hat sie in der Beschwerde umfangreiche Korrespondenz mit Lizenznehmern und Dritten vorgelegt.

Im Unterschied zu den im Beschluss beispielhaft aufgeführten Heilmethoden handle es sich bei [X.] bzw. [X.] nicht um einen "verselbständigten" Begriff, sondern um ein lediglich von der Anmelderin und deren Lizenznehmern verwendetes Zeichen. [X.] werde dementsprechend von den Verbrauchern ausschließlich der Anmelderin und dem mit der Anmelderin verbundenen [X.], der die Methode entwickelt habe, zugeschrieben. Die Anmelderin verlege nicht nur dessen Werke, sondern organisiere für ihn auch die für den Lizenzerwerb erforderlichen Kurse im [X.] Raum, berate ihn bzgl. Veranstaltungen im [X.] Sprachraum und sei Inhaberin der [X.] und weltweiten Schutzrechte.

Soweit Dritte die Methode anböten, handle es sich ausnahmslos um Lizenznehmer der Anmelderin, die zuvor bestimmte, im [X.] Raum ausschließlich von der Anmelderin organisierte Kurse belegen müssten und erst im [X.] daran Lizenzen für die Verwendung der Marke [X.] erwerben könnten. Diese Kurse führe ausschließlich [X.] selbst durch.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 2. August 2010 aufzuheben, soweit mit ihm die Anmeldung zurückgewiesen worden ist, und

die Eintragung der angemeldeten Marke insgesamt zu beschließen.

[X.]

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 66, 64 Abs. 6 [X.]) und hat in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung der Markenabteilung kann der Buchstabenkombination [X.] das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht abgesprochen werden, und auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] greift insoweit nicht.

[X.] hat als Buchstabenfolge mit zwei Buchstaben von Haus aus einen individualisierenden Charakter und ist deshalb zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet.

a) Unterscheidungskraft im Sinn von §8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] [X.], 428, 431 Nr. 48 - Henkel; [X.], 229, 230 - BioID).

Wortmarken besitzen nach der Rechtsprechung dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen das angesprochene Publikum für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.] GRUR 2003, 604 - [X.]; [X.], 674 - Postkantoor; [X.], 1000 - Käse in [X.]) oder wenn das Publikum sie als sprachüblichen Begriff nicht als Herkunftshinweis versteht.

Dies ist im Hinblick auf die beteiligten [X.] zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist ([X.], 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006).

Den sich daraus ergebenden markenrechtlich gebotenen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird [X.] im Kontext mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen gerecht.

Die Anmelderin verwendet [X.] selbst als Akronym für "[X.]". Damit wird eine von [X.] entwickelte Heilmethode beschrieben.

Allerdings versteht das angesprochene Publikum [X.] für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als rein beschreibend, sondern durchaus als Herkunftshinweis. Die von der Markenstelle durchgeführten Internet-Recherchen zeigen zwar, dass [X.] von verschiedenen Stellen angeboten wird. Wie die Anmelderin belegt hat, wird [X.] dabei aber nicht nur verfahrensmäßig verwendet und verstanden, sondern einem Anbieter zugeschrieben, zumal sich die Anmelderin nachhaltig um die markenmäßige Herkunftsverwendung bemüht. Maßgeblich ist, dass [X.] auf dem einschlägigen Markt keine gebräuchliche gattungsmäßige Bezeichnung einer Heilmethode ist. Die Markenstelle hat zwar Beispiele gefunden, in denen [X.] in einer Form erscheint, die an einen Gattungsbegriff erinnert. Es kann aber nicht als nachgewiesen gelten, dass solche Nutzungen so nachhaltig erfolgten, dass [X.] nicht mehr als Anbieterangabe verstanden wird. Die Antragstellerin hat nämlich dargetan, dass sie in allen von der Markenstelle belegten und in weiteren Fällen, die der Markenstelle nicht bekannt waren, eine Verwendung in markenmäßiger Form in angemessener Zeit angemahnt und durchgesetzt hat. Selbst wenn im Rahmen der Prüfung des § 8 Abs. 2 Nr. 3 [X.] für einen Begriff bereits Entwicklungen in Richtung Gattungsbezeichnung festgestellt werden können, kann der Markeninhaber dem durch eine "kämpferische Markenpflege" erfolgreich entgegentreten ([X.], 155 - [X.]; [X.], 685, [X.]7 - [X.]). Dies muss auch im Rahmen der Prüfung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gelten.

Die von der Markenstelle durchgeführten Recherchen zeigen [X.] bzw. "[X.]" als Heilmethode, wobei immer auf deren Schöpfer [X.] bzw. auf eine Ausbildung des Anbieters bei diesem hingewiesen wird. Bei den Kursen bzw. Buchtiteln erscheint [X.] als Anbieter bzw. Autor. In zwei Fundstellen ist [X.] bzw. "[X.]" mit

Wer das [X.]-Verfahren und seine Bezeichnung entwickelt hat, ist allerdings nicht entscheidungserheblich (vgl. [X.], [X.], 1078 - [X.]). Maßgeblich ist allein, dass [X.] auf dem einschlägigen Markt nicht als gattungsbegriffliche Bezeichnung wirkt, die die angesprochenen [X.] nur als Sachbegriff verstehen.

Dass [X.] auch als Abkürzung für "[X.]", "Quality English", den IATA-Code für die Fluglinie [X.], "Qualitätsentwicklung", "qualifying examination", Quartalsende", "Quadrateinheit" bzw. "quadratic equation (quadratische Gleichung), "Quantitative Easing" (ökonomisch-finanzpolitischer Begriff), "Quality Engineering", "[X.]" (= Name des Windows-Systems in [X.]), "Quod est" und "Quanten Elektronik", "[X.]", "quantum efficiency", "Quantenenergie", "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "Quantessenz" benutzt und verstanden wird, kann im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen erst recht kein Schutzhindernis begründen.

b) Soweit [X.] für die streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keine auf einen Inhalt bezogene Angabe ist, ist die Bezeichnung auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen, denn sie besteht nicht ausschließlich aus Angaben, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Nur solche Angaben wären aber von der Registrierung ausgeschlossen.

2. Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass, zumal die Anmelderin erst im Beschwerdeverfahren die von der Markenstelle herangezogenen Fundstellen in ihrer Bedeutung relativiert hat.

Meta

27 W (pat) 162/10

18.07.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2011, Az. 27 W (pat) 162/10 (REWIS RS 2011, 4714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4714

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