Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2022, Az. IX R 17/20

9. Senat | REWIS RS 2022, 5204

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Gegenstand

Übersehen einer Rechtsnorm


Leitsatz

NV: Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht, wenn eine eindeutig einschlägige Rechtsnorm des materiellen Rechts vom FG übersehen und deshalb nicht angewandt worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.], [X.] vom 21.01.2020 - 11 K 334/19 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.], [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung des Objekts in [X.] in [X.]öhe von jeweils 36.000 € für die [X.] und 2013 und 18.000 € für das [X.] geltend und erläuterten die [X.]ufwendungen in [X.]nlagen mit den Kurzbezeichnungen "Ex-Spk …/[X.] ..." (2012 und 2013) oder "Ex-Spk …/Ex[X.]/[X.] ...". Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

2

Der Kläger war u.a. [X.]etreuer für seinen nach einem ärztlichen [X.]ehandlungsfehler schwerbehinderten [X.]ruder ([X.]). Daneben war er aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter Generalvollmacht zu dessen Vertretung umfassend ermächtigt. Die Versicherung des Schädigers leistete zum [X.]usgleich eine Zahlung von 1,2 Mio. € an [X.].

3

Die Kläger verwendeten das Geld dazu, um zwei Darlehen, mit denen die Klägerin die [X.]nschaffung des Objekts in [X.] finanziert hatte, abzulösen. Die Klägerin zahlte seitdem "Darlehenszinsen" in [X.]öhe von 3.000 € monatlich an [X.] und setzte die Zahlungen auch nach dessen Tod im Dezember 2011 fort. Erst zu [X.]eginn des Jahres 2014 reduzierte sie die Zahlungen auf 1.500 € monatlich. Nach den [X.]ngaben des [X.] dienten die Zahlungen nach dem [X.]bleben des [X.] (jedenfalls seit dem 01.01.2012) der Versorgung der Schwester ([X.]), die nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim untergebracht werden musste und für deren Unterbringung die Kläger wie für [X.] vereinbarungsgemäß hätten aufkommen müssen. [X.] sei unter der [X.]elastung der Pflege des [X.] zusammengebrochen. Die Kläger gehen deshalb von einem einheitlichen Geschehensablauf aus.

4

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --F[X.]--) versagte den [X.]bzug der Schuldzinsen. Durch das im zweiten Rechtsgang ergangene, angefochtene Urteil ist für die rechtskräftig gewordenen Jahre 2010 und 2011 geklärt, dass die "Schuldzinsen" als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen sind.

5

Für die im Revisionsverfahren nur noch offenen [X.] bis 2014 hat das Finanzgericht ([X.]) in dem angefochtenen Urteil erkannt:

6

"Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide [2012 und] 2013 vom 25. [X.]ugust 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2016 wird die Einkommensteuer der Kläger

-   

für 2012 auf den [X.]etrag herabgesetzt, der sich bei [X.]nwendung des gesonderten Steuertarifs auf ihre Kapitaleinkünfte nach § 32d [X.]bs. 1 EStG ergibt,

-     

für 2013 auf den [X.]etrag herabgesetzt, der sich bei zusätzlicher [X.]erücksichtigung von Unterhaltsleistungen an die gemeinsame Tochter […] in [X.]öhe von 8.130 € und ferner der [X.]nwendung des gesonderten Steuertarifs auf ihre Kapitaleinkünfte nach § 32d [X.]bs. 1 EStG ergibt.

Die Steuerberechnung wird dem beklagten Finanzamt übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

7

Mit der Revision erheben die Kläger die Sachrüge. Sie begehren vor allem den [X.]bzug der Zahlungen, die der Kläger durch Übernahme der [X.]eimunterbringungskosten für [X.] aufgewandt haben will.

8

Die Kläger haben keinen [X.]ntrag angekündigt.

9

Das F[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es bezieht sich --bei Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung-- auf das angefochtene Urteil.

Die [X.]eteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Zur [X.]egründung seines Urteils hat das [X.] u.a. ausgeführt, zwar seien die von der Klägerin in den Folgejahren (gemeint: 2012 bis 2014) geleisteten Zinszahlungen in Höhe von jeweils 36.000 € in den Jahren 2012 und 2013 sowie 18.000 € im Jahr 2014 bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten abzugsfähig. Sie führten jedoch beim Kläger zu Kapitaleinkünften in gleicher Höhe. Ursprünglich habe der Kläger die [X.] für A verwaltet. Mit dessen Tod sei die Darlehensforderung jedoch auf den Kläger übergegangen, da er Alleinerbe von A geworden sei. Seitdem habe deshalb er die Kapitaleinkünfte erzielt. Aufwendungen für die Unterbringung der [X.] könnten steuerlich schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht nachgewiesen seien. Da den Zinszahlungen der Klägerin (bisher nicht berücksichtigte) Kapitaleinkünfte des [X.] in gleicher Höhe gegenüberstünden, wirke sich die steuerliche Anerkennung des Darlehensvertrages auf den Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute nicht aus und seien die Einkünfte in den Streitjahren 2012 bis 2014 im Ergebnis zutreffend ermittelt.

2. Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft. Das [X.] hat nicht berücksichtigt, dass die dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 2 Abs. 5b EStG nicht in die [X.] und Einkommensermittlung einzubeziehen sind; insbesondere ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Näheverhältnis der Klägerin zu dem Darlehensgeber nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 [X.]uchst. a EStG zu begründen (Urteile des [X.]undesfinanzhofs vom 28.09.2021 - VIII R 12/19, [X.]FHE 274, 450, [X.]St[X.]l II 2022, 260, und vom 29.04.2014 - VIII R 44/13, [X.]FHE 245, 361, [X.]St[X.]l II 2014, 992). Das [X.] hätte deshalb die dem [X.] unterliegenden Einkünfte der Kläger um den [X.]etrag der anerkannten Werbungskosten vermindern müssen. Das kommt im Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht zum Ausdruck. Das Urteil kann deshalb keinen [X.]estand haben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Offenbar haben die Kläger die Aufwendungen des [X.] zugunsten von [X.] nur deshalb nicht nachgewiesen, weil sie auf Anforderung des Gerichts die falschen Kontoauszüge vorgelegt haben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das [X.] verpflichtet gewesen wäre, die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf diesen Fehler hinzuweisen. Jedenfalls ist nach Aktenlage nicht auszuschließen, dass der Kläger [X.] in [X.]ezug auf die Kosten der Heimunterbringung zum Unterhalt verpflichtet war. Immerhin hatte sich der Kläger zur [X.]etreuung und Unterbringung von [X.] verpflichtet. Auch das [X.] hat die Aufwendungen nicht von vornherein als unerheblich erachtet. Sonst hätte es die Kläger nicht unter Setzung einer Ausschlussfrist zur Vorlage von Zahlungsnachweisen aufgefordert.

Im dritten Rechtsgang werden die Kläger nun erneut Gelegenheit haben, den Zahlungsnachweis zu erbringen und ergänzend dazu vorzutragen, inwiefern die Aufwendungen für [X.], sofern nachweisbar, als Sonderausgaben oder außergewöhnliche [X.]elastung zu berücksichtigen sind.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 17/20

19.07.2022

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 21. Januar 2020, Az: 11 K 334/19, Urteil

§ 118 Abs 1 S 1 FGO, § 2 Abs 5b EStG 2009, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 32d Abs 1 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.07.2022, Az. IX R 17/20 (REWIS RS 2022, 5204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5204


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX R 17/20

Bundesfinanzhof, IX R 17/20, 19.07.2022.


Az. IX S 15/22

Bundesfinanzhof, IX S 15/22, 12.01.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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