Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2006, Az. 2 StR 157/06

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 828

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 15. November 2006 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. November 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.] und [X.] am [X.] Dr. Bode, [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] Prof. [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2005 wird als un-begründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen
Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen ge-werbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Vom weiteren Vorwurf der versuchten Strafvereitelung hat es den Angeklagten freigesprochen. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1 I. Nach den Feststellungen des [X.] hatte der Angeklagte, der als Rechtsanwalt in [X.] tätig ist, Kontakt zu Personen, die Frauen aus [X.], der [X.] und dem Baltikum nach [X.] einschleusten, wo sie als Prostituierte tätig waren. Sämtliche Frauen waren mit einem gültigen, aber durch falsche Angaben erschlichenen Visum eingereist, das meist für 10 2 - 4 - bis 15 Tage ausgestellt war. Lief dieses Visum ab, wandten sich Begleiter der Prostituierten an den Angeklagten, damit dieser eine Verlängerung der [X.] beantragte. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Frauen ihre [X.] durch falsche Angaben erschlichen und keinen Anspruch auf eine Ver-längerung der Aufenthaltsgenehmigung hatten. 3 Der Angeklagte hatte durch allgemeine Anweisungen den Ablauf in [X.] Kanzlei so organisiert, dass er selbst mit der Bearbeitung möglichst nicht befasst war und in den Akten nicht auftauchte. Er ließ durch Mitarbeiterinnen der Kanzlei die betroffenen Frauen zunächst das behördliche Formular eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung blanko unterschreiben. Sodann erhielten sie bzw. ihre als Dolmetscher fungierenden Zuhälter ein kanz-leiinternes Formular, das der Angeklagte entworfen hatte und das unter ande-rem Fragen zu Namen, Wohnort und Zweck des Aufenthalts enthielt. Dieses Formular hatten die Frauen auszufüllen, wobei auf Vollständigkeit der Angaben nicht geachtet wurde. Gespräche mit den Frauen über ihren tatsächlichen [X.], ihren Wohn- bzw. Aufenthaltsort oder die Finanzierung ihrer Reise wurden nicht geführt. Mitarbeiter des Angeklagten füllten an Hand der von den Frauen ausgefüllten Vordrucke das Behördenformular später [X.] aus. Soweit die Frauen Angaben zu Aufenthaltsort, -zweck und [X.] unterlassen hatten, wurden frei erfundene Angaben nach [X.] mit dem Angeklagten oder seiner Lebensgefährtin eingesetzt. Sodann wurde der Antrag nach einer von dem Angeklagten oder seiner Lebensgefährtin vorgenommenen Endkontrolle bei der Ausländerbehörde gestellt. Für die Tätig-keit des Angeklagten hatten die Frauen ein pauschales Entgelt in Höhe von 100 • zu entrichten. In Fällen, in denen das Visum zum Zeitpunkt des [X.] in der Kanzlei bereits abgelaufen war, wurden die Frauen bzw. deren Be-gleiter aufgefordert, von zwei bestimmten Ärzten rückdatierte falsche Atteste - 5 - über angeblich der Ausreise entgegenstehende akute Erkrankungen zu [X.]. 4 Das [X.] hat im Zeitraum vom 17. April 2001 bis 2. August 2002 insgesamt sieben einzelne Fälle festgestellt. In den [X.] wurden zu-sätzlich zu den Anträgen auch unrichtige Atteste bei der Ausländerbehörde [X.]. Im Fall 6 gelangte der zum Antrag gehörende amtliche Fragebogen nicht mit dem Antrag zu der Behörde. Im Fall 7 wurde ein Antrag nicht gestellt. Insgesamt brachten die - insoweit abgeurteilten - Zuhälter, mit denen der Ange-klagte regelmäßig zusammenarbeitete, im Zeitraum von 2001 bis August 2002 mehr als 50 Frauen in die Kanzlei des Angeklagten, damit entsprechende [X.] gestellt wurden. Der Angeklagte ging jeweils davon aus, dass die Anträge auf Verlänge-rung der Aufenthaltsgenehmigungen der Frauen zwar zulässig, jedoch unbe-gründet waren. Mit der Erteilung einer Verlängerung der [X.] rechnete er daher nicht. Grund für die Antragstellung war jeweils die in Folge der Bearbeitungszeit des Verlängerungsantrags nach § 69 Abs. 2 Satz 1 [X.] eintretende [X.], die für die Frauen ausgenutzt werden sollte. Auf diese Weise sollten die zulässige Aufenthaltsdauer verlängert und eine Ab-schiebung vermieden werden, da ein Abschiebungsvermerk ein Hindernis für eine spätere Wiedereinreise bedeutet hätte. Dabei war das Ausländeramt der Stadt [X.]

gezielt für alle Anträge ausgesucht worden, weil dort mit der längsten Bearbeitungszeit zu rechnen war. 5 Das [X.] hat auf der Grundlage dieser Feststellungen den Ange-klagten einer Tat für schuldig befunden. [X.] hat es nicht angenommen, weil der Angeklagte in den jeweiligen Einzelfällen keine gesonderten Aktivitäten 6 - 6 - mehr entfaltet, sondern seine Tätigkeit sich auf die [X.] beschränkt habe. 7 Die Strafe hat das [X.] im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer - eine erste Durchsuchung der Kanzlei des Angeklagten fand am 5. August 2002 statt - um ein Drittel gesenkt. [X.] Die Revision des Angeklagten ist nicht begründet. Der Tatbestand des § 92 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] a.F. ist erfüllt. Denn der Angeklagte hat den aus Osteuropa stammenden Ausländerinnen Hilfe ge-leistet, unrichtige Angaben zu machen, um für sich eine [X.] oder Duldung zu beschaffen. 8 1. Durch die unrichtige Angabe der jeweiligen Anschrift, des [X.] sowie der Finanzierung der Reise haben die Ausländerinnen ihrerseits den Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verwirklicht. Dabei ist es unerheb-lich, dass die amtlichen Antragsformulare von ihnen nicht eigenhändig ausge-füllt worden sind. Die von den Angestellten des Angeklagten dort jeweils ange-gebenen unrichtigen Tatsachen sind den Ausländerinnen zuzurechnen, die die Antragsformulare blanko unterzeichnet und in dem kanzleiinternen Fragebogen selbst falsche oder unvollständige Angaben gemacht hatten. Sie erhielten [X.] Durchschriften der von dem Angeklagten an die [X.] ([X.]), aus denen die unrichtigen Angaben ersichtlich [X.]. Hinsichtlich des Vorsatzes der Unrichtigkeit war im Übrigen zu [X.], dass die Ausländerinnen bereits vor der Einreise wissentlich falsche An-gaben zur Erlangung eines formell gültigen Touristenvisums gemacht hatten. 9 - 7 - 2. Die unrichtigen Angaben der ausländischen Frauen erfolgten mit dem Ziel, eine Aufenthaltsgenehmigung - und nicht allein eine Duldung - zu erlan-gen; die Ausländerinnen strebten eine Verlängerung ihres Aufenthalts in der [X.] an. Dass sie hierbei den unrichtigen Angaben zu ihrem Aufent-haltsort sowie zum Zweck und zur Finanzierung der Reise keine Bedeutung beigemessen haben könnten, liegt fern; es bedurfte daher keiner näheren Erör-terung durch den Tatrichter. 10 Von der Strafvorschrift des § 92 [X.] a.F. wird im Übrigen, entgegen der Ansicht der Revision, auch die [X.] gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. erfasst. Die Vorschrift erfasste sämtliche unrichtigen und unvollstän-digen Angaben unabhängig von ihrer Verwendung in den ausländerrechtlichen Verfahren und bezog das Erwirken einer Duldung ausdrücklich ein. Aus dem systematischen Zusammenhang ergeben sich ebenso wenig wie aus der ge-setzlichen Zielrichtung Anhaltspunkte dafür, dass unrichtige oder unvollständige Angaben allein im Rahmen der Herbeiführung einer behördlichen Entscheidung den Tatbestand erfüllen sollten; vielmehr diente die Vorschrift gerade der Pöna-lisierung von abstrakt gefährlichen Handlungen im Vorfeld solcher Entschei-dungen (vgl. [X.], 378; [X.] in [X.] § 92 [X.] Rdn. 37 m.w.N.). 11 Dass die Ausländerinnen - wie der Angeklagte - angenommen haben könnten, die Anträge würden ohnehin als unbegründet abgelehnt werden, liegt fern, denn die erst kurz zuvor eingereisten, regelmäßig sprachunkundigen [X.] hatten zu differenzierten ausländerrechtlichen Erwägungen weder Anlass noch waren sie dazu überhaupt in der Lage. Das gilt insbesondere auch für eine nähere Kenntnis des [X.] Verwaltungsverfahrens unter Einschät-zung der voraussichtlichen Bearbeitungszeit und deren materiellrechtlichen Folgen. Der Schluss des [X.], die Angabe unrichtiger Umstände in den 12 - 8 - [X.] habe aus Sicht der Antragstellerinnen subjektiv dem Erhalt einer Aufenthaltsgenehmigung dienen sollen, ist daher aus [X.] nicht zu beanstanden. 13 3. Die Revision rügt zu Unrecht, dass das [X.] hinsichtlich der Zeugin E. die Beantragung einer Duldung angenommen habe; dies sei aber nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes, das insoweit milderes Recht sei, nicht mehr strafbar ([X.], Anklagepunkt 2). Denn der Angeklagte hat auch im Auftrag dieser Ausländerin einen Antrag auf Aufenthaltsverlänge-rung gestellt; hierauf hat das [X.] ersichtlich abgestellt. Die von der [X.] hervorgehobene Beantragung einer Duldung bezog sich dagegen auf eine Verlängerung der Ausreisefrist, nachdem über den Antrag auf [X.] bereits ablehnend entschieden worden war. Eine Strafbarkeit des Angeklagten hat das [X.] insoweit gerade nicht angenommen. 4. Rechtlich zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Angeklagte zu den Taten der Ausländerinnen durch die Anfertigung der mit [X.] Angaben versehenen Anträge und ihre Einreichung bei der Auslän-derbehörde Hilfe geleistet hat. Die Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen des Ange-klagten sind diesem gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Eine eigene Täter-schaft des Angeklagten gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 [X.] a.F. lag ersichtlich nicht vor, so dass es auf die von der Revision angestellten Erwägungen zur Übertra-gung des Absichtserfordernisses auf den Tatbestand des § 92 a Abs. 1 [X.] a.F. nicht ankommt. Eine solche liegt nach der Systematik der Regelungen auch fern. 14 Dem Vorsatz des Angeklagten steht nicht entgegen, dass er von [X.] von einer Ablehnung der Anträge ausgegangen ist. Der [X.] des § 92 a Abs. 1 [X.] a.F., der eine zur selbständigen Tat aufgewertete [X.] - 9 - hilfe unter Strafe stellte, bestimmt sich nach den für § 27 StGB geltenden Grundsätzen. Der Täter handelt daher bereits dann vorsätzlich, wenn er er-kennt, dass seine Hilfeleistung an sich geeignet ist, die fremde Tat zu fördern (vgl. [X.]/[X.] 53. Auflage § 27 Rdn. 8 m.w.N.). Dies war bei dem Angeklagten der Fall, denn diesem war bewusst, dass die Ausländerinnen mit seiner Hilfe gegenüber der Ausländerbehörde unrichtige Angaben machten, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Dass er selbst nicht von der Begründet-heit der Anträge ausging, steht dem nicht entgegen. Die bei den [X.] selbst gegebene Motivation ihres Handelns musste der Angeklagte nicht selbst aufweisen. Seine Vorstellung von der konkreten Eignung zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung ist daher für den subjektiven Tatbestand des § 92 a Abs. 1 [X.] a.F. ohne Bedeutung ([X.], 378; [X.] in [X.]/[X.] aaO). 5. Auf die von der [X.]schaft in der Hauptverhandlung [X.] vertretene Auffassung, eine Strafbarkeit des Angeklagten folge bereits [X.] aus § 92 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] a.F., weil die [X.] des § 69 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. nicht eingetreten sei und die Ausländerinnen sich daher gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 1 [X.] a.F. ohne Aufenthaltsgenehmigung im [X.] aufgehalten hätten, wozu ihnen der Angeklagte Hilfe geleistet habe (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.] § 69 [X.] Rdn. 2), kommt es nicht an. Der [X.] hätte allerdings Bedenken, den Begriff der unerlaubten Einreise innerhalb desselben Gesetzes unterschiedlich auszulegen. 16 6. Die Revision führt zwar zutreffend aus, dass strafbare [X.] in den Fällen der Anklagepunkte 6 und 7 nicht gegeben seien; die Hilfeleistungen des Angeklagten in diesen Fällen sind daher nicht Teil der vom [X.] an-genommenen einheitlichen Tat. Ein den Angeklagten beschwerender Rechts-fehler bei der Strafzumessung liegt aber trotz der insoweit missverständlichen 17 - 10 - Formulierungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht vor. Das [X.] hat strafmildernd berücksichtigt ([X.]), dass lediglich in fünf Fällen unrichtige bzw. unvollständige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde [X.] worden seien. Es hat somit die Hilfeleistung des Angeklagten in den bei-den genannten Fällen aus dem Schuldumfang ausdrücklich herausgenommen. [X.] [X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 157/06

15.11.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2006, Az. 2 StR 157/06 (REWIS RS 2006, 828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 828

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