Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2013, Az. VI ZR 304/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1462

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VI ZR 304/12

Verkündet am:

5. November 2013

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
BGB § 823 Abs. 1 ([X.]); [X.]. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1; [X.]. 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1
a)
In der Abwägung schutzwürdiger Belange der Presse an der Veröffentli-chung von persönlichen Daten mit dem Recht auf informationelle Selbst-bestimmung kann das Gewicht eines Eingriffs dadurch gemindert werden, dass die persönlichen Daten aufgrund von Presseberichten in früheren Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden und weiterhin im [X.] zugänglich sind.
b)
Eine Regelvermutung für den Vorrang des allgemeinen Persönlichkeits-rechts gegenüber der Pressefreiheit besteht nicht schon dann, wenn der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Rede steht.
[X.], Urteil vom 5. November 2013 -
VI ZR 304/12 -
Hanseatisches O[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
22.
Oktober 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und Wellner, die Richterinnen
Diederichsen
und von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.]n werden das Urteil des 7.
Zi-vilsenats des [X.] vom 24.
April 2012 aufgehoben und das Urteil der 24.
Zivilkammer des [X.] vom 13.
Januar 2012 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, [X.] S.,
begehrt von der [X.]n,
die [X.]
zu unterlassen, sie sei die Tochter von [X.] J.
Im [X.] wurde die Klägerin von dem Fernsehmoderator
[X.] J. und seiner Ehefrau [X.] als
Kind angenommen. Bis in das [X.] wurde in mehreren Presseveröffentlichungen darüber unter Nennung des [X.] und des Alters der Klägerin berichtet. Bei Eingabe des Suchbegriffes "[X.] S."
in die Suchmaschine "[X.]"
wurden zum Zeitpunkt der Ent-scheidung des [X.] 2430 Treffer erzielt. Um zu verhindern, dass das 1
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Kindschaftsverhältnis zu [X.] J. schon aufgrund des Familiennamens of-fenbar würde, bestimmten die Eheleute, dass die Klägerin
den Familiennamen S. trägt. Die [X.] veröffentlichte in der von ihr verlegten Zeitschrift "[X.]"
aus Anlass der Verleihung der [X.] an [X.] J. einen Beitrag über die Eltern der Klägerin mit der Überschrift "Ehekrise".
Darin wur-den der Umgang der Eheleute miteinander bei öffentlichen Auftritten und die Auswirkung der starken beruflichen Beanspruchung von [X.] J. auf die ehe-lichen Beziehungen thematisiert. Die familiären Aufgaben
von [X.] wer-den
unter anderem wie folgt beschrieben:
"Sie kümmert sich im heimischen [X.] um die vier Kinder: Die beiden leiblichen Töchter [X.] (21) und [X.] (18) [X.] die adoptierten Mädchen [X.] (14) und [X.] (10)."
Die Klägerin wendet sich gegen die [X.], da sie durch Nen-nung ihres Vornamens,
Alters
sowie die Angabe
des vollen Namens ihrer Eltern als Tochter von [X.] J. erkennbar werde.
Eine Abmahnung blieb erfolglos.
Das [X.] hat die [X.]
verurteilt, es zu unterlassen zu veröf-fentlichen, dass die Klägerin ein Kind von [X.] J.
ist. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Se-nat zugelassenen Revision verfolgt die [X.] das Begehren, die Klage [X.], weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
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4

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Das allgemeine Unterlassungsgebot im
Urteil des [X.] begegne keinen Bedenken. Es
mache hinreichend deutlich, dass die [X.] nicht in einer Art und Weise über die Klägerin berichten dürfe, die
-
insbesondere durch Nennung ihres Namens
-
für Dritte das Kindschaftsverhältnis zu [X.] J. er-kennbar mache. Davon nicht erfasst würden Berichterstattungen, in denen schlicht davon die Rede sei, dass und gegebenenfalls wie viele
Kinder [X.] J. habe.

Der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägerin rechtfertige das [X.], weil
die Klägerin keinen Anlass zu einem Bericht über sich
ge-geben
habe
und ein berechtigtes öffentliches Interesse an einer
Berichterstat-tung über sie
nicht dadurch begründet werde, dass sie das Kind eines [X.] Fernsehmoderators sei.
Selbst
wenn die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer bestimmten Familie eher
der Sozialsphäre zuzuordnen sei, bedürfe es einer Abwägung zwischen dem Interesse der von der Berichterstattung be-troffenen Person, nicht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt zu werden,
und dem allgemeinen Informationsinteresse. Dabei sei maßgebend, ob über Verhaltensweisen oder Verhältnisse der betroffenen Person berichtet werde, die auf ihr eigenes Verhalten zurückzuführen seien.
Die Klägerin sei als Kind unter 14
Jahren besonders schutzwürdig und habe ein besonderes Interesse daran, in dieser Phase der Entwicklung nicht durch das Interesse der Öffent-lichkeit gestört zu werden, so dass sie sich in ihrer Umwelt nicht so unbefangen verhalten könne, wie dies für andere Kinder ihres Alters möglich sei. Aufgrund der Entscheidung der Eltern der Klägerin, sie nicht an der Prominenz ihres [X.] teilhaben zu lassen, sondern sie aufwachsen zu lassen wie ein Kind, des-sen Eltern nicht über große Bekanntheit verfügen, erfahre das allgemeine [X.] der Klägerin durch den Grundrechtsschutz aus Art.
6 Abs.
1 und 2 GG zudem eine Verstärkung. Demgegenüber bestehe
ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran, über die Klägerin informiert zu werden, allen-6
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falls in so geringem Maße, dass es hinter den
Persönlichkeitsschutz der Kläge-rin zurücktrete. [X.]en über die persönlichen Verhältnisse des [X.] der Klägerin könnten auch erfolgen, ohne dass über die Klägerin in einer Weise berichtet werde, die eine individualisierte Feststellung der [X.] ermögliche.

II.
Die Revision hat Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die [X.] keinen Anspruch aus §
1004 Abs.
1 Satz
2, §
823 Abs.
1 BGB, Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.]
auf Un-terlassung der beanstandeten [X.].

1. Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht das durch Art.
2 Abs.
1, Art.
1 Abs.
1 GG, Art.
8 Abs.
1 [X.] gewährleistete allgemeine [X.] der Klägerin durch die angegriffene [X.] beeinträchtigt gesehen.
a) Der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als offenes Rah-menrecht entspricht es, dass sein Inhalt nicht abschließend umschrieben ist, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet werden müssen ([X.] 54, 148, 153
f. -
Eppler). So sind als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt die [X.], Geheimsphäre und Intimsphäre (vgl.
etwa [X.] 27, 1, 6 -
Mikro-zensus; 27, 344, 350
f. -
Scheidungsakten; 32, 373, 379 -
Arztkartei; 34, 238, 245
f. -
heimliche Tonbandaufnahme; 47, 46, 73 -
Sexualkundeunterricht; 49, 286, 298 -
Transsexuelle), die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person ([X.] 35, 202, 220
-
Lebach), das Recht 8
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6

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am eigenen Bild und am gesprochenen Wort ([X.] 34, 238,
246) und unter bestimmten Umständen das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner [X.] verschont zu bleiben (vgl. [X.] 34, 269, 282
f.
-
Soraya; 54, 148, 153
f. -
Eppler). Diese Ausformungen des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts
müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um gerichtliche Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschrif-ten des Privatrechts handelt (vgl. [X.] 35, 202, 221; 54, 148, 153 f. -
Epp-ler).
b) Im Streitfall ist als besondere Ausprägung des allgemeinen Persön-lichkeitsrechts das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Es geht über den Schutz der Privatsphäre des Einzelnen hinaus und gibt ihm die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner per-sönlichen Daten zu bestimmen
(vgl. [X.] 65, 1, 43, juris Rn. 146 -
Mikro-zensus; 84, 192, 194; Senatsurteile vom 23.
Juni 2009 -
VI [X.], [X.]Z 181, 328 Rn.
28 und vom 23.
November 1990 -
VI ZR 104/90, [X.], 433, 434). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit. Es umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzel-nen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. [X.] 65, 1
ff. aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.].Lieferung, Art.
10 Rn.
54).
Auch dieses Recht ist nicht schrankenlos gewährleistet. Seine Schranken sind in der Wechselwirkung mit den Rechten anderer
und den Bedürfnissen der [X.] zu finden. Der Einzelne hat keine absolute, [X.] Herrschaft über "seine"
Daten.
Er entfaltet seine Persönlichkeit in-nerhalb der [X.]. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der [X.] Realität dar, der nicht aus-schließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann.
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Über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft ist im Sinne einer Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu [X.]. Deshalb muss der Einzelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit sol-che Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl.
[X.] 65, 1, 44
ff.,
juris Rn.
150; 78, 77, 85).
Als Norm des objektiven Rechts erstreckt sich das Recht auf informatio-nelle Selbstbestimmung aber auch in das
Privatrecht. Es schützt nicht nur vor einer überzogenen Ausforschung von personenbezogenen Daten durch den Staat, sondern es weist auf [X.] bürgerlichrechtlicher
Verhältnisse dem Schutzbedürfnis einer Person einen entsprechend hohen Rang gegenüber Ein-griffen zu, die sie gegen ihren Willen für die Öffentlichkeit verfügbar machen
(vgl. [X.] 84, 192, 194
f.; [X.],
[X.], 1669, Rn.
27; [X.], 1772
Rn.
17 ff.; Senatsurteile vom 12. Juli 1994 -
VI
ZR 1/94, [X.], 1116, 1117 und vom 13. November 1990 -
VI
ZR 104/90, aaO; [X.] NJW 1990, 2272).
Grundsätzlich obliegt es zwar dem Grundrechtsträger, seine Kommuni-kationsbeziehungen zu gestalten und in diesem Rahmen darüber zu [X.], ob er bestimmte Informationen preisgibt oder zurückhält
(vgl. [X.], [X.], 1669 Rn.
28). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt dem Einzelnen im privatrechtlichen Umgang jedoch
nicht ein unbe-schränktes dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen. Es wird nicht vorbehaltlos gewährleistet.
Vielmehr kann im privatrechtlichen Bereich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grenze in den Rechten [X.] finden, beispielsweise in Art.
2 Abs.
1 GG, Art.
8 Abs.
1 [X.]. Die Grenzen sind dann im Wege einer Gesamtabwägung der betroffenen [X.] auszuloten (vgl. [X.] 84, 192, 195; [X.] [X.], 1772 Rn.
17).
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8

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c) Im Streitfall steht der Persönlichkeitsschutz im Spannungsverhältnis zu der von Art.
5 Abs.
1 GG, Art.
10 Abs.
1 [X.] garantierten Meinungs-
und Pressefreiheit. Die personenbezogene Wortberichterstattung privater [X.] verletzt nicht in jedem Fall das Recht auf informationelle Selbstbestim-mung des davon Betroffenen, denn Art.
2 Abs.
1 GG, Art.
8 Abs.
1 [X.] ge-währleisten nicht, dass der Einzelne nur so dargestellt und nur dann Gegen-stand öffentlicher Berichterstattung werden kann, wenn und wie er es wünscht ([X.], NJW 2011, 740 Rn.
53). Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört zwar
die Befugnis des Einzelnen selbst zu entscheiden, wie er sich [X.] darstellen will und inwieweit von [X.] über seine Person verfügt werden kann (vgl. [X.] 54, 148, 154). Die dem Grundrechtsträger hiermit eingeräumte ausschließliche Rechtsmacht erstreckt sich jedoch allein auf die tatsächlichen
Grundlagen
seines [X.] [X.] ([X.], NJW 2011, 740 Rn.
56). So kann sich auf das Recht,
gegen seinen Willen nicht zum Objekt einer öffentlichen Berichterstattung gemacht zu werden,
jedenfalls nicht derjenige Grundrechtsträger berufen, der sich in freier Entscheidung der Medi-enöffentlichkeit aussetzt. Denn eine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne der Herrschaft des Grundrechtsträ-gers auch über den Umgang der Öffentlichkeit mit Aussagen oder Verhaltens-weisen, deren er sich öffentlich entäußert hat, gewährleistet das Grundrecht aus Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs.
1 GG,
Art.
8 Abs.
1 [X.] nicht
([X.] NJW 2011, 740 Rn.
56). Tritt der Einzelne in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein oder berührt er auf sonstige Weise Be-lange anderer oder des Gemeinschaftslebens, können Informationsinteressen vorhanden sein, denen gegenüber den persönlichen Belangen der [X.] ist. Der Konflikt zwischen dem Schutz des allgemeinen [X.]s und der Meinungs-
und Pressefreiheit ist
dann in einem möglichst schonenden Ausgleich zueinander im Wege einer Güter-
und Interessenabwä-14
-

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gung zu lösen (vgl. [X.] 35, 202, 221
-
Lebach; [X.] in [X.]/[X.] aaO, 39. Erg.Lieferung, Art.
2 Rn.
233).
2.
Im Streitfall hat
der Persönlichkeitsschutz der Klägerin hinter dem Recht der [X.]n auf Freiheit der Berichterstattung zurückzutreten.

a) Zweifellos
berührt die [X.] der Abstammung, des Vorna-mens und des Alters die Klägerin in ihrem Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung. Auch bewertet das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem [X.] den Grundrechtsschutz der Klägerin
zutreffend als dadurch ver-stärkt, weil es sich bei ihr um ein Kind handelt.
Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich zu eigenver-antwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl. [X.] 101, 361, 385). Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann durch eine Berichterstattung empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen. Der erkennende Senat teilt die Auf-fassung des [X.]
und des Berufungsgerichts, dass eine Beeinträchti-gung des Persönlichkeitsrechts eines Kindes nicht nur dann vorliegen kann, wenn das Kind die persönlichkeitserheblichen Einwirkungen Dritter bemerkt, sondern schon dann gegeben ist, wenn Dritte persönlichkeitsbezogene [X.] verbreiten und dies dazu führen kann, dass dem Kind in Zukunft nicht unbefangen begegnet wird oder dass es sich speziellen Verhaltenserwartungen ausgesetzt sieht.
Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobach-tung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen ([X.] 101, 361, 385;
119, 1, 24; 120, 180, 199). Der [X.] erfährt durch Art.
6 Abs.
1 und 2 GG
eine Verstärkung, die den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört. 15
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Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind (vgl. [X.] 101, 361, 386; [X.] NJW 2000, 2191, 2192, juris Rn. 5; 2005, 1857, 1858,
juris [X.]; Senatsurteil
vom
5.
Oktober
2004
-
VI ZR 255/03, [X.]Z 160, 298, 304
f.).
b) Zutreffend ist danach der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts
und des [X.], dass die Presse bei der Nennung des Namens von Kindern in der Berichterstattung besondere Rücksicht auf die Beteiligten zu nehmen hat. Das Gebot der Rücksichtnahme auf die Persönlichkeit der Betroffenen gebietet der Presse,
hier
mit besonderer Sorgfalt abzuwägen, ob dem [X.] nicht ohne Namensnennung genügt werden kann.
Im Streitfall haben die Eltern der
Klägerin deren
besonderem
Schutzbedürfnis dadurch Rechnung ge-tragen, dass sie den Geburtsnamen der Mutter (S.) und nicht des "berühmten"
[X.] (J.) zum Familiennamen
der Klägerin
bestimmten und diese
von öffentli-chen Auftritten fernhielten.
Gleichwohl sind Vorname, Alter und Abstammung der Klägerin
durch die Presseberichterstattung über die Adoption, die sich zum Teil auf Äußerungen des [X.] der Klägerin stützte,
im [X.] öffentlich
bekannt geworden. Im landgerichtlichen Urteil, auf das das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist festgestellt, dass diverse Presseveröffentlichungen aus den Jahren 2006 bis 2008 erwähnen, dass [X.] im [X.] das aus [X.] stammende Mädchen [X.] adoptierte. Bei Eingabe des Suchbegriffes "[X.] S."
in der Suchmaschine "[X.]"
wurden zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landge-richts 2430 Treffer erzielt.
Danach kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin aufgrund des Zeitablaufs die von ihr beanspruchte Anonymität bereits wiedererlangt hat.
Vielmehr sind ihre
Daten weiterhin in der Öffentlichkeit prä-sent
und betrifft die Berichterstattung Umstände, die von jedermann mit Hilfe gängiger Systeme problemlos recherchiert werden können.
18
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-

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-

c)
Demgegenüber kann sich die [X.] auf das
Recht
der Meinungs-
und Medienfreiheit
berufen (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 -
VI
ZR 261/07, [X.]Z 180, 114 Rn.
19), auch wenn die [X.] der Daten den Bericht
über die Ehe der Eltern der Klägerin
lediglich in seinem Unterhaltungs-wert aufwertet (vgl.
Senatsurteil vom 1. Juli 2008 -
VI
ZR 243/06, [X.], 1506 Rn.
23 f.).
Unterhaltende Beiträge sind ein zulässiger wesentlicher Be-standteil der [X.], der durch die Pressefreiheit geschützt wird, zumal der publizistische und wirtschaftliche Erfolg der Presse auf unterhaltende Inhalte und entsprechende Abbildungen angewiesen sein kann. Allerdings [X.] es bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maße der abwägenden Be-rücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen. Eine Re-gelvermutung
des grundsätzlichen Vorrangs des allgemeinen Persönlichkeits-rechts gegenüber der Pressefreiheit, sobald schutzbedürftige Interessen von Kindern und Jugendlichen in Reden stehen, von der das Berufungsgericht aus-geht, ist jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu eng und undifferenziert (vgl. [X.], NJW 2012, 1500 Rn.
42).
d) Bei der hiernach gebotenen Abwägung der betroffenen Rechtspositio-nen überwiegt im Streitfall das Recht der [X.]n auf freie Berichterstattung den Schutz des Rechts der Klägerin
auf informationelle Selbstbestimmung.
[X.] ist für die Zulässigkeit der [X.] freilich nicht
maßgebend, dass darin auf den von der Klägerin tatsächlich geführten Familiennamen nicht aus-drücklich hingewiesen
wird.
Von einem Leser kann
wegen der
namentlichen Nennung der Eltern ohne weiteres darauf geschlossen werden,
wie die Klägerin heißt. Ausschlaggebend wirkt sich jedoch bei der
im Zuge der Abwägung gebo-tenen
Gesamtbetrachtung der Umstand aus, dass die mitgeteilten Daten bereits vor der [X.] einer breiten Öffentlichkeit bekannt waren. Wie oben
ausgeführt, waren die betreffenden Daten der Klägerin aufgrund der Pressebe-richte
über die Adoption
in den Jahren 2006 bis 2008
einer großen Zahl von 20
21
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12

-

Personen bekannt geworden, die sie ihrerseits weitergeben konnten. Hinzu kommt, dass die persönlichen Daten der Klägerin im Zeitpunkt der [X.] [X.] im [X.] zugänglich waren. Selbst wenn die
vorherge-henden
[X.]en teilweise gegen den Willen der Klägerin bzw.
den Willen der für sie verantwortlichen
sorgeberechtigten Eltern erfolgt wären, ist der damit verbundene Wegfall der Anonymität rechtlich nicht unbeachtlich (vgl. [X.], [X.], 365 Rn.
33).
Die Sicht der Öffentlichkeit auf die betroffene Person ist dann schon gegeben und wird wesentlich durch die bereits vorhan-denen Informationen mitgeprägt. Das Gewicht des Eingriffs durch die Weiter-verbreitung
einer bereits bekannten Information ist mithin
gegenüber dem Erst-eingriff im Allgemeinen
verringert
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 29.
Juni 1999 -
VI [X.], [X.], 1250, 1252; EGMR, NJW 1999, 1315, 1318).

Danach muss sich die [X.] nicht darauf verweisen lassen, über die Klägerin nur in einer Weise zu berichten, die sie für dritte Personen nicht er-kennbar macht. Die angegriffene [X.] tangiert zwar das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung, doch hat sie die Beeinträchti-gung hinzunehmen, zumal über die [X.] hinausgehende [X.] nicht ersichtlich sind.

3. Die Urteile der Vorinstanzen haben danach keinen Bestand. Darauf, dass der Tenor der angegriffenen Urteile zu weit gefasst ist, kommt es nicht mehr an (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 11.
Dezember 2012 -
VI [X.], [X.], 321 Rn.
32).
22
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-

13

-

4. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, kann der erken-nende Senat gemäß §
563 Abs.
3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 ZPO.
Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.01.2012 -
324 O 454/11 -

O[X.], Entscheidung vom 24.04.2012 -
7 U 5/12 -

24
25

Meta

VI ZR 304/12

05.11.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2013, Az. VI ZR 304/12 (REWIS RS 2013, 1462)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1462

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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