Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2023, Az. 6 StR 103/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2598

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Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten B.    wird das Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2022, soweit es sie betrifft, im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten ihres Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

2. Ihre weitergehende Revision und die Revision des Angeklagten [X.]     werden verworfen.

3. Der Angeklagte [X.]     hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte B.     hat es wegen besonders schweren Raubes eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt; ferner hat es ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den [X.] eines Teils der Strafe angeordnet. Die Revision der Angeklagten B.     erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist ihr Rechtsmittel ebenso wie dasjenige des Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Entscheidung, die Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen (§ 64 StGB), hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

3

Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Dezember 2022 – 6 StR 468/22; vom 7. April 2020 – 6 StR 28/20; vom 12. Januar 2017 – 1 [X.], [X.], 672, 673).

4

Diese Voraussetzung hat das [X.] bei der Angeklagten nicht festgestellt. Zwar hat es zur Begründung der Anordnung der Maßregel darauf hingewiesen, dass die Angeklagte seit ihrer Schulzeit kontinuierlich Betäubungsmittel wie [X.], Amphetamine, Kokain, [X.] und [X.] ([X.]) konsumiert und wegen ihrer Betäubungsmittelsucht die Schule abgebrochen habe. Zudem sei sie frühzeitig in die [X.] „abgerutscht“ und habe „dadurch bedingt keinen Fuß im sozial gefestigten Leben fassen können“. Doch bleibt dabei unberücksichtigt, dass der beschriebene massive Betäubungsmittelmissbrauch bereits vor sechs Jahren endete und die Angeklagte – wie zu ihren persönlichen Verhältnissen ausdrücklich festgestellt – „seit dem [X.] … nur noch gelegentlich Marihuana sowie ärztlich verordnete Medikamente“ konsumiert. Für die Annahme, dass ein Täter Rauschmittel im Übermaß zu sich nimmt (§ 64 Satz 1 StGB), genügt jedoch die bloße Feststellung, dass er gelegentlich Alkohol oder Betäubungsmittel konsumiert, grundsätzlich nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. November 2003 – 1 [X.], [X.], 384; vom 28. Januar 2004 – 2 [X.], [X.], 365; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 452).

5

Zu keinem anderen Ergebnis führt die im Urteil wiedergegebene Diagnose des Sachverständigen   R.       . Hiernach leidet die Angeklagte unter „einem Abhängigkeitssyndrom durch Cannabinoide ([X.] 10 F12.2) und [X.]“. Maßgebliche Einzelheiten werden dazu aber nicht mitgeteilt. Es fehlen etwa Angaben zur Häufigkeit des Konsums, zu den dabei jeweils vereinnahmten Dosen wie auch zu den damit einhergehenden konkreten Auswirkungen auf ihren Alltag. Mit Blick auf den Konsum von [X.] fehlt es zudem an Feststellungen zum symptomatischen Zusammenhang zwischen dem von der [X.] angenommenen Hang und der hier begangenen Straftat. Da dieses Medikament der Angeklagten ohnehin von ihrem Hausarzt verordnet wurde, liegt ein solcher Zusammenhang fern, hätte jedenfalls aber näherer Erläuterung bedurft.

6

Mit der Aufhebung der [X.] entfällt zugleich die Grundlage für die Bestimmung der Dauer des [X.]s (§ 67 Abs. 2 StGB).

[X.]     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 103/23

02.05.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 1. Dezember 2022, Az: 46 KLs 14/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2023, Az. 6 StR 103/23 (REWIS RS 2023, 2598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2598

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