Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 12.11.2014, Az. 1 BvR 159/09

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2014, 1417

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Gegenstandswertfestsetzung und Anordnung der hälftigen Auslagenerstattung nach Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde - Sorgerecht des nichtehelichen Vaters


Tenor

Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die Hälfte der im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betraf eine Entscheidung zum elterlichen Sorgerecht. Der Beschwerdeführer ist der Vater eines nichtehelich geborenen [X.], für den keine Sorgeerklärung abgegeben wurde.

2

1. Im März 2008 beantragte der Beschwerdeführer wegen Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Gesundheitssorge, der Kindesmutter das Sorgerecht gemäß § 1666 BGB zu entziehen und auf ihn zur alleinigen Ausübung zu übertragen, hilfsweise sinngemäß die Einräumung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts. Die Kindesmutter stimmte der Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts nicht zu, woraufhin das Amtsgericht den Antrag insgesamt zurückwies. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB lägen nicht vor. Die Begründung eines Mitsorgerechts des Beschwerdeführers setze zwingend die Zustimmung der Kindesmutter voraus, an der es fehle. Die hiergegen gerichteten Beschwerden zum [X.] und zum [X.] blieben ohne Erfolg.

3

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung seines Elternrechts geltend, wobei er sich auf die Verfassungswidrigkeit der Entscheidung insgesamt sowie mittelbar der Rechtslage, wonach eine Einräumung des Sorgerechts von der Zustimmung der Kindesmutter abhänge, wenn kein Fall des § 1666 BGB vorliege, berief.

4

3. Nachdem der Erste Senat des [X.] mit Beschluss vom 21. Juli 2010 entschieden hatte, dass es mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar sei, den Vater eines nichtehelichen Kindes von der Sorgetragung generell auszuschließen, wenn die Weigerung der Mutter des Kindes, der gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder dessen [X.] für das Kind zuzustimmen, nicht gerichtlich am Maßstab des Kindeswohls überprüft werden kann ([X.] 127, 132 ff.), erklärte der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache insgesamt für erledigt und ersuchte um Auslagenerstattung sowie Festsetzung des Gegenstandswerts.

5

4. Das [X.] hat zur Auslagenerstattung und zum Gegenstandswert Stellung genommen.

6

1. In dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang war anzuordnen, dass dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu ersetzen sind.

7

a) Der Maßstab für die der Kammer nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde obliegende Entscheidung (vgl. [X.] 72, 34) über die Erstattung der dem Beschwerdeführer durch die Verfassungsbeschwerde entstandenen Auslagen ergibt sich aus § 34a Abs. 3 [X.], wonach das [X.] auch in Fällen, in denen sich die Verfassungsbeschwerde nicht als begründet erweist, volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen kann. Diese Entscheidung ist nach Billigkeitsgründen zu treffen, wobei insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. [X.] 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine sonstigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. [X.] 87, 394 <397>). Daneben kommt eine Erstattung der Auslagen aus Billigkeitsgründen in Betracht, wenn die Verfassungsbeschwerde bei überschlägiger Beurteilung offensichtlich Aussicht auf Erfolg hatte und im Rahmen der hierfür vorzunehmenden kursorischen Prüfung zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen nicht Stellung genommen zu werden braucht (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2013 - 2 BvR 1446/12 -, juris, Rn. 5).

8

b) Hiernach entspricht die Anordnung der Auslagenerstattung zur Hälfte und damit in dem Umfang der Billigkeit, in dem die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Zurückweisung des im Ausgangsverfahren gestellten Hilfsantrages des Beschwerdeführers und mittelbar gegen die diesbezügliche Rechtslage richtete. Insoweit wäre die Verfassungsbeschwerde aller Voraussicht nach erfolgreich gewesen, da der Sachverhalt insoweit dem der Senatsentscheidung vom 21. Juli 2010 zugrundeliegenden entsprach. Im Übrigen - soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung des im Ausgangsverfahren gestellten [X.] richtete - entspräche die Anordnung der Auslagenerstattung dagegen nicht der Billigkeit. Insoweit war die Erklärung der Erledigung durch die Senatsentscheidung schon nicht veranlasst.

9

2. Grundlage der Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist § 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 159/09

12.11.2014

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 26. November 2008, Az: XII ZB 103/08, Beschluss

Art 6 Abs 2 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 12.11.2014, Az. 1 BvR 159/09 (REWIS RS 2014, 1417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1417

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 UF 117/08 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1690/14

Zitiert

2 BvR 1446/12

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