Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2012, Az. 4 StR 81/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6948

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 81/12
vom
25. April 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschuldigten am 25.
April 2012
gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:
Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 30.
November 2011 mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat gegen die Beschuldigte im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre hierge-gen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
1.
Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen die wegen Dieb-stahls, Betrugs und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestrafte, an einer [X.] schizophrenen Psychose leidende Be-schuldigte sind vorsätzliche Körperverletzungen zum Nachteil von Krankenpfle-gerinnen im Januar und im April 2011 während einer auf der Grundlage von Betreuungsrecht angeordneten Unterbringung auf einer geschlossenen Station der LWL-Klinik in P.

.
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2
2
-
3
-
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit der Beschuldigten hat sich die [X.] den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach angesichts des chronisch-kontinuierlichen Verlaufs der Erkrankung und des eingetretenen [X.] die Gefahr bestehe, dass die Beschuldigte in Zukunft weitere gleichartige strafrechtlich relevante Handlungen begehen wer-de.
2.
Die bisherigen Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anord-nung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
a)
Die
Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine
außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dabei sind zu erwartende Gewalt-
und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen ([X.], Urteil vom 17.
Februar 2004

1
StR
437/03, Beschlüsse vom 3.
April 2008

1
StR
153/08 und
vom 10.
August 2010

3
StR
268/10). Dies trifft auf die [X.] zu, die für sich betrachtet gewichtige Straftaten sind. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreu-ungseinrichtung begeht ([X.], Urteil vom 22.
Januar 1998

4
StR
354/97, [X.], 405; Beschlüsse vom 6.
November 2003

4
StR
456/03, [X.], 21; vom 17.
Februar 2009

3 StR 27/09, [X.], 169, Rn.
9 und vom 22.
Februar 2011

4
StR
635/10, NStZ-RR 2011, 202,
Rn.
13; vgl. auch [X.],
Beschluss vom 8.
Dezember 2011

2
BvR
2181/11, [X.], 513,
Rn.
27). Soweit die [X.] in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass es sich bei den geschädigten Zeuginnen gerade
nicht um im Umgang mit 3
4
5
-
4
-
schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenes besonders geschultes Per-sonal, sondern um einfache Krankenpflegerinnen gehandelt habe, rechtfertigt dies keine Gleichsetzung der Taten mit solchen außerhalb der Einrichtung. Es kann von einer psychisch schwer erkrankten Person nicht erwartet werden, das Krankenpflegepersonal nach entsprechend geschulten und ungeschulten Per-sonen zu unterscheiden.
b)
Auf dieser Grundlage vermag allein die Gefahr, dass die Beschuldigte künftig den [X.] gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die [X.] nicht zu begründen. Damit ist die vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten nicht hinreichend belegt. Die Beschuldigte ist vor den [X.] nicht mit Gewalt-
oder Aggressionsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten, obwohl die Erkrankung spätestens seit 2002 besteht. Unbegleitete Ausgänge hat sie zum Konsum von Drogen und hochprozentigen Alkoholika, aber offen-bar nicht zu Gewalttaten genutzt. Aggressive Verhaltensweisen sind erst nach der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im [X.], was einen Zusammenhang zwischen den Gewalttaten und der Unterbrin-gung möglich erscheinen lässt. Bei
dieser Sachlage durfte sich die [X.] nicht darauf beschränken, die Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Taten allein aus der aktuellen Beurteilung des [X.] durch den Sach-verständigen herzuleiten. Vielmehr hätte das Verhalten der Beschuldigten vor und nach der Tat, insbesondere die im Urteil erwähnten weiteren aggressiven Auffälligkeiten (UA
4 und 7), eingehender dargestellt und erörtert werden müs-sen. Auch hätte die in der Hauptverhandlung erklärte Absicht der Beschuldig-ten, im Falle verfügbarer Waffen auf diese zurückgreifen zu wollen, näher [X.] werden müssen. Sind aufgrund der krankheitsbedingten wahnhaften Realitätsverkennung auch Angriffe auf unbeteiligte Personen oder ist eine [X.]
-
5
-
gerung der Intensität und Gefährlichkeit der Angriffe auf das Pflegepersonal mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, könnte dies die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten gemäß §
63 StGB rechtfertigen.
Ernemann
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 81/12

25.04.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2012, Az. 4 StR 81/12 (REWIS RS 2012, 6948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6948

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Ws 136/18

3 Ws 270/17

Zitiert

4 StR 81/12

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