Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2014, Az. IX ZR 80/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6865

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 80/13

Verkündet am:

20. März 2014

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
InsO §§ 1, 50, 87
Zahlt der Insolvenzverwalter aus dem Erlös des Verkaufs eines zur Masse gehören-den Grundstücks einen Betrag an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger, dessen Recht in der Zwangsvollstreckung offensichtlich wertlos wäre, um dessen Bedingung für die [X.] zu erfüllen, ist weder eine entsprechende Vereinbarung noch die Zahlung selbst insolvenzzweckwidrig, wenn der Betrag ausschließlich zu
Lasten eines damit einverstandenen vorrangigen Grundpfandgläubigers geht ([X.] zu [X.], [X.], 884).
[X.], Urteil vom 20. März 2014 -
IX ZR 80/13 -
OLG [X.]

LG Osnabrück

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom
20. März 2014
durch [X.] [X.],
den
Rich-ter Vill, die Richterin [X.], [X.] Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 4.
Zivilsenats des Oberlandes-gerichts [X.] vom 13.
März 2013 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 31.196,43

er zur Ablösung einer Restkaufpreishypothek an diese gezahlt hat. Er ist [X.] im Insolvenzverfahren über das Vermögen des

S.

(nachfolgend: Schuldner). Dieser hatte am 10.
Oktober 2007 von der Beklagten zum Kaufpreis von 1.275.000

Immobilie war mit einer erstrangigen brieflosen Grundschuld der

[X.] (künftig: [X.]) über 1.295.000

t-kaufpreishypothek über 300.000

i-gentumsumschreibung war nach Zahlung von 975.000

a-nach noch offenen Kaufpreis von 300.000

e-re 17.000

erbracht.

1
-
3
-

Der Kläger verkaufte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 1.
Juni 2011 freihändig zu einem Preis von 603.000

um die mit der erstrangigen Grundschuld besicherte Forderung zu befriedigen, die am 16.
Juli 2010 mit 1.342.917,53

In
§
3 Nummer
3 des Kaufvertrages hatte sich der Kläger verpflichtet, die absonderungsberechtigten Gläubiger und sonstigen Grundschuldgläubiger ab-zulösen. Nachdem sich die Beklagte dem Kläger gegenüber geweigert hatte, die [X.] für ihr Grundpfandrecht zu erteilen, einigte sie sich mit der [X.] über die Ausgestaltung der
Treuhandaufträge für die Lö-schungsbewilligungen
dergestalt, dass ein Kaufpreisanteil von 31.196,43

sie fließen konnte, den die [X.] entsprechend weniger erhielt. Der Kläger, an den der Kaufpreis vertragsgemäß insgesamt zu entrichten war, zahlte die-sen Betrag an die Beklagte unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Beru-fung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in [X.] Umfang
weiter.

2
3
4
-
4
-
Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung zu, insbesondere nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung ge-mäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Fall
1 BGB (Leistungskondiktion). Die Beklagte habe das Geld nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Rechtsgrund sei der zwischen dem Schuldner und der Beklagten geschlossene Kaufvertrag, aus dem noch ein Kaufpreisanspruch von 283.000

hlt.

Die Verfügung des [X.] über die Auszahlung des Geldes sei nicht nichtig. Insbesondere sei sie nicht insolvenzzweckwidrig. Dies sei nur anzu-nehmen, wenn die Verfügung dem Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubi-gerbefriedigung offenbar zuwider laufe. Die Insolvenzgläubiger sollten nur [X.], was ihnen nach der Quote zustehe. Darüber hinausgehende Zahlungen seien, wie im vorliegenden Fall, nur gerechtfertigt, wenn sie z.B. auf
einem An-spruch auf abgesonderte Befriedigung beruhten.

Die Beklagte habe einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung [X.]. Der hypothekarisch gesicherte Restkaufpreisanspruch sei in Höhe des gezahlten Betrages werthaltig gewesen. Die Werthaltigkeit ergebe sich aus der Vereinbarung zwischen der [X.] und der Beklagten. Die [X.] habe auf die Auszahlung des in Rede stehenden Betrages verzichtet und so der 5
6
7
8
-
5
-
nachrangigen hypothekarisch gesicherten Forderung zur Werthaltigkeit verhol-fen.

Die Vereinbarung zwischen [X.] und Beklagter sei auch im [X.] zum Kläger wirksam, weil sie keine Regelung zu Lasten der Masse ent-halte, sondern neutral sei. Der Kaufpreisanteil wäre der Masse ohnehin nicht zugeflossen. Hätte die [X.] nicht zugunsten der Beklagten verzichtet, ha-be der Kaufpreis an die [X.] ausbezahlt werden müssen. Hinsichtlich der dadurch offen gebliebenen Forderung der [X.] liege in Höhe des an die Beklagte ausgezahlten Betrages lediglich ein [X.] vor.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

Dem
Kläger steht gegen die Beklagte kein Bereicherungsanspruch we-gen einer Leistung ohne rechtlichen Grund gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Fall
1 BGB zu.

1. Die Beklagte hat infolge einer Verfügungshandlung des [X.] den Betrag von 31.196,43

Leistung im Sinne des §
812 Abs.
1 Satz
1 BGB dar, auch wenn die Verfü-gungshandlung des [X.] selbst nichtig
sein sollte (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Mai 1990 -
VI [X.], NJW-RR 1990, 1521, 1522; [X.]/[X.], BGB, 73.
Aufl.,
§
812 Rn.
15).

2. Der Leistung fehlt jedoch nicht der rechtliche Grund.
9
10
11
12
13
-
6
-

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] sind Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters unwirksam, welche dem [X.] der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger (vgl. §
1 Satz
1 InsO) klar und eindeutig, also offensichtlich zuwiderlaufen ([X.], Urteil vom 25.
April 2002
-
IX
ZR 313/99,
[X.]Z 150, 353, 360
f; Beschluss vom 20.
März 2008 -
IX
ZR 68/06, [X.], 884 Rn.
4;
jeweils
mwN). Wirksam sind dagegen Verfügungen des Insolvenzverwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind ([X.], Urteil vom 25.
April 2002, aaO mwN; Beschluss vom 20.
März 2008, aaO mwN).

b) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann hier eine
In-solvenzzweckwidrigkeit nicht angenommen werden. Die Zahlung an die [X.] erfolgte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Kaufvertrag,
aus dem noch eine Restkaufpreisforderung von 283.000

stand, die im Insolvenzverfahren lediglich eine Insolvenzforderung darstellte. [X.] können im Insolvenzverfahren nur in Höhe der Quote erfüllt werden. Weitergehende Zahlungen auf
Insolvenzforderungen aus der Masse sind offen-sichtlich insolvenzzweckwidrig, sofern sie nicht anderweitig gerechtfertigt sind, etwa aus einem Anspruch auf abgesonderte Befriedigung.

aa) Der Beklagten stand zwar ein Absonderungsrecht zur Seite. Dieses
war jedoch aus sich heraus unstreitig nicht werthaltig. Der vom Kläger erzielte Kaufpreis von 603.000

e-richts bereits bei weitem nicht aus, die mit mehr als 1
Mio.

der erstrangigen Grundschuld gesicherte Forderung zu befriedigen.

14
15
16
-
7
-

Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erklärte Weigerung, die Löschung der [X.] zu bewilligen, diente ausschließlich der (teilweisen) Durchsetzung der schuldrechtlichen Kaufpreisforderung ohne die Beschränkungen der [X.].

[X.]) Mit der sodann gefundenen Lösung war jedoch für die Masse kein Nachteil verbunden, weil der zu zahlende Betrag wirtschaftlich ausschließlich zu Lasten der erstrangigen Grundschuldgläubigerin
ging und die Masse hierdurch nicht beeinträchtigt wurde, auch wenn die Zahlungsabwicklung gemäß §
3 Nr.
3 des Kaufvertrages über den Kläger erfolgte.

Ein Vorteil für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger war mit der durch die Löschung der Hypothek der Beklagten möglich gewordenen Durchführung des freihändigen Verkaufs des Betriebsgrundstücks
insoweit nicht verbunden, als ein durch den freihändigen Verkauf erzielter höherer Erlös wegen der [X.] Belastung durch die erstrangige Sicherheit nicht zu einem Massezuwachs führte
(vgl. [X.], Beschluss vom 20.
März 2008, aaO Rn.
6).

Sowohl in dem hier vorliegenden
Rechtsstreit wie in jenem vom Senat am 20.
März 2008 entschiedenen Fall lehnte der Inhaber des nachrangigen Grundpfandrechts, das im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wertlos gewesen wäre, die Bewilligung der Löschung zunächst ab und [X.] sodann die Löschung nur gegen Zahlung eines bestimmten Betrages.
In je-nem am 20.
März 2008 entschiedenen Fall war der Ablösebetrag
auf der Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Grundpfandgläubiger aus der Masse bezahlt worden. Diese schuldrechtli-che Vereinbarung war wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig.

17
18
19
20
-
8
-

Eine Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagter hat das Berufungsge-richt vorliegend nicht ausdrücklich festgestellt. Der Kläger hat hier aber [X.] gezahlt, um die von der Beklagten zur Löschung des Grundpfandrechts gestellte Bedingung zu erfüllen. Diese war entsprechend dem Vorschlag des [X.] so (um-)formuliert worden, dass von der [X.] [X.] gemacht werden konnte, wenn "der Insolvenzverwalter bestätigt, dass aus dem Kaufpreis ein Anteil in Höhe von 31.196,43

wird. Spätestens mit der Zahlung hat der Kläger diese Bedingung der Beklagten erfüllt und ihr Angebot auf Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung an-genommen.

Diese ist jedoch ebenso wie die Zahlungsverfügung nicht wegen [X.] Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig. Durch die Vereinbarung und die Zahlung wird, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, die gleich-mäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger in keiner Weise beeinträchtigt. Die durchgeführte Handhabung wurde allein dadurch ermöglicht und bewirkt, dass die [X.] ihrerseits auf einen entsprechenden Anteil am Erlös verzichtete.

cc) Der Senat hat in der Entscheidung vom 20.
März 2008 offen
gelas-sen, ob eine Vereinbarung, in welcher der Insolvenzverwalter sich zu einer [X.] als Gegenleistung für die Löschung eines
nachrangigen und im Falle der Zwangsversteigerung voraussichtlich wertlosen Grundpfandrechts verpflichtet, schlechthin als insolvenzzweckwidrig zu qualifizieren und deshalb unwirksam ist, oder ob es auf das Verhältnis der Höhe der Zahlung und den durch die frei-händige Veräußerung erzielten Massezuwachs ankommt. Die Frage kann auch hier offen
bleiben. Der Kläger hat sich gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, eine Gegenleistung aus der Masse zu erbringen. Er hätte im Verhältnis zu der Beklagten ohne weiteres davon absehen können, den Ab-21
22
23
-
9
-
lösebetrag zu zahlen. Außerdem liegt auch tatsächlich -
anders als im
Fall vom 20.
März 2008 (vgl. [X.]/Ganter, 3.
Aufl., Vor §§
49 bis 52 Rn.
99e; [X.], [X.], 726, 727) wirtschaftlich keine Zahlung aus der Masse vor.

[X.]) Die Besonderheit des Falles liegt, wie die Revision zutreffend sieht, in dem Umstand, dass die Insolvenzmasse durch die Zahlung der "Lästigkeits-prämie" weder einen Vorteil noch einen Nachteil hatte. Dass die Zahlung wirt-schaftlich aus der Masse erfolgt, ist aber der wesentliche Gesichtspunkt für die Insolvenzzweckwidrigkeit einer entsprechenden Verpflichtung oder Verfügung des Insolvenzverwalters. Wird demgegenüber der Bestand der Masse nicht be-einträchtigt, kann die Zahlung auf die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger keinen Einfluss haben. Dass in der Folge der erstrangige Grundschuldgläubiger eine entsprechend höhere Insolvenzforderung hat, ist unerheblich, weil sich die Insolvenzforderung des nachrangigen Grundpfandgläubigers entsprechend [X.], die Quote also unverändert bleibt. In einem solchen Fall hat die Masse zudem regelmäßig -
wie auch hier in Höhe von 20.100

-
den Vorteil, dass bei freihändigem Verkauf aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung ein [X.] der Grundpfandgläubiger an die Masse fließt, der -
nach Erledigung der Kosten des Insolvenzverfahrens
-
den Gläubigern zugute kommt.

3. Die weiteren Angriffe der Revision greifen ebenfalls nicht durch.

Soweit das Berufungsgericht aus dem Schreiben der [X.] vom 3.
Februar 2011 auf eine Vereinbarung zwischen der [X.] und der [X.] geschlossen hat, hält sich dies im Rahmen tatrichterlicher Beweiswür-digung und liegt nahe. Die rechtliche Würdigung eines Sachverhalts ist nicht an eine Zeugenaussage gebunden. Dass die [X.] selbst an die Beklagte 24
25
26
-
10
-
zahlen wollte, nimmt das Berufungsgericht nicht an. Die [X.] hat allein zugunsten der Beklagten auf die Auszahlung des streitigen Betrages verzichtet.
Der Masse wollte sie diesen Betrag nicht zukommen lassen.

Kayser
Vill
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung
vom 23.12.2011 -
8 O 2425/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.03.2013 -
4 [X.] -

Meta

IX ZR 80/13

20.03.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2014, Az. IX ZR 80/13 (REWIS RS 2014, 6865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6865

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 80/13 (Bundesgerichtshof)

Grundstücksverkauf durch den Insolvenzverwalter: Insolvenzzweckwidrigkeit der Zahlung an nachrangigen Grundpfandgläubiger zu Lasten eines damit einverstandenen …


IX ZR 68/06 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 301/13 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Grundstückseigentümers: Pflicht des durch Zwangssicherungshypothek nachrangig gesicherten Gläubigers zur Bewilligung …


2 U 14/17 (Oberlandesgericht Köln)


IX ZR 301/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 80/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.