Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.04.2014, Az. III B 146/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6222

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Gegenstand

Keine Divergenz nach Aufhebung der vorgeblichen Divergenzentscheidung durch den BFH


Leitsatz

1. NV: Für die Frage, ob eine Divergenz vorliegt, kommt es auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision an.

2. NV: Ist ein vom Beschwerdeführer als Divergenzentscheidung bezeichnetes Urteil des Finanzgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision bereits durch den BFH aufgehoben worden, liegt keine Divergenz vor.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2005 als Diplom-Psychologin Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Nach einem Bescheid der [X.] vom 20. Juli 2006 wurden die Vergütungen der Klägerin aufgrund einer Entscheidung des [X.] vom 28. Januar 2004 neu berechnet, woraus sich für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2004 eine Nachzahlung in Höhe von … € ergab. Die Nachzahlung wurde der Klägerin in mehreren [X.] geleistet, die in den Jahren 2004, 2005 und 2006 erfolgten.

2

In ihre durch ihren steuerlichen Berater gefertigte Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus der freiberuflichen Tätigkeit für das [X.] nahm die Klägerin den durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelten Gewinn auf. In der Zeile 56 der Anlage [X.] machte sie keine Angaben zu im Gewinn enthaltenen begünstigten sonstigen Gewinnen i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Bescheid vom 8. Februar 2008 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) die Einkünfte aus selbständiger Arbeit fest.

3

Mit Schreiben vom 16. April 2008 reichte der steuerliche Berater der Klägerin eine berichtigte Anlage [X.] ein, die in Zeile 56 einen Betrag von … € auswies.

4

Das [X.] lehnte eine Änderung des Feststellungsbescheids mit Bescheid vom 20. Juni 2008 und Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011 ab.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Es schloss sich insoweit den Ausführungen des [X.] an, wonach die [X.] des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung wegen eines der Klägerin zuzurechnenden groben Verschuldens nicht vorlägen. Überdies lägen keine ermäßigt zu besteuernden Vergütungen für mehrjährige Tätigkeit vor, da es infolge der sich über drei Veranlagungszeiträume erstreckenden Nachzahlungen an einer Zusammenballung von Einkünften fehle.

6

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und sinngemäß zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO).

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O). Sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

8

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zuzulassen.

9

a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Lange in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 116 [X.]O Rz 171). Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 22. März 2011 [X.] 151/10, [X.], 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, 35, m.w.N.).

b) Diesen Vorgaben genügen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht.

aa) Soweit sich die Klägerin gegen die vom [X.] vorgenommene Würdigung wendet, wonach ein grobes Verschulden darin zu erblicken sei, dass trotz einer im Erklärungsformular enthaltenen Frage nach sonstigen begünstigten Gewinnen die Nachzahlungen der [X.] nicht angegeben worden seien, fehlt es bereits an der Formulierung einer hinreichend konkretisierten abstrakten Rechtsfrage. Die Klägerin wirft vielmehr eine Fragestellung auf, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Entsprechend beziehen sich die weiteren Ausführungen der Klägerin darauf, die konkreten Umstände des Einzelfalls darzulegen und eine Würdigung dahingehend zu begehren, dass kein grobes Verschulden vorgelegen habe. Hieraus ergibt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

bb) Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das [X.] das Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG mangels einer im Streitjahr eingetretenen Zusammenballung von Einkünften verneint hat. Wenn die Klägerin geltend macht, die im Streitjahr 2005 zugeflossenen [X.] beruhten auf einer Tätigkeit, die mehr als zwölf Monate gedauert und sich über wenigstens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt habe, so betrifft dies die Würdigung der Umstände des Einzelfalles. Eine abstrakt generelle Rechtsfrage lässt sich diesen Ausführungen ebenso wenig entnehmen wie eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung.

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) zuzulassen, soweit die Klägerin rügt, das [X.] sei mit seiner Entscheidung von der Entscheidung eines anderen [X.] und mehreren Entscheidungen des [X.] abgewichen.

a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine [X.]-Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. [X.]-Beschluss vom 31. März 2010 IV B 131/08, [X.]/NV 2010, 1487). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen [X.]-Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten [X.]en andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, [X.], 981).

b) Soweit die Klägerin eine Abweichung von der Entscheidung des [X.] Niedersachsen vom 24. Mai 2011  3 K 249/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677) rügt, scheitert eine Revisionszulassung daran, dass insoweit keine Abweichung vorliegen kann.

Für die Frage, ob eine Divergenz vorliegt, kommt es auf den Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision an (Lange in [X.], § 115 [X.]O Rz 181, m.w.N.). Eine Divergenz kann daher nicht vorliegen, wenn die vom Beschwerdeführer bezeichnete [X.] bereits überholt ist (z.B. [X.]-Beschluss vom 23. September 2011 I[X.] 91/11, [X.]/NV 2012, 58; Senatsbeschluss vom 26. April 2006 III B 113/05, [X.]/NV 2006, 1469). Dies war indes hinsichtlich der genannten Entscheidung des [X.] Niedersachsen der Fall, da der Senat diese bereits durch Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12 ([X.]/NV 2013, 1467) aufgehoben hat.

Soweit die Klägerin vorträgt aus den [X.]-Urteilen vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 ([X.]E 194, 9, [X.] 2001, 379), vom 10. August 1988 IX R 219/84 ([X.]E 154, 481, [X.] 1989, 131), vom 18. Mai 1988 [X.] ([X.]E 153, 304, [X.] 1988, 713), vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02 ([X.]/NV 2007, 866), vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98 ([X.]/NV 2000, 978), dem Senatsurteil vom 1. Oktober 1993 III R 58/92 ([X.]E 172, 397, [X.] 1994, 346) und dem [X.]-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02 ([X.]/NV 2005, 1212) ergebe sich, dass eine infolge Unkenntnis des Steuerrechts unterbliebene Erklärung nicht den Vorwurf des groben Verschuldens begründe, hat sie es jedenfalls versäumt, diesem Rechtssatz einen hiervon abweichenden Rechtssatz aus der angegriffenen Entscheidung gegenüberzustellen.

Tatsächlich ist das [X.] auch nicht von einem Fall bloßer Unkenntnis des Steuerrechts ausgegangen, sondern hat auf den Umstand abgestellt, dass in dem Erklärungsformular [X.] ausdrücklich nach begünstigten Gewinnen gefragt wurde. Diesen Umstand hat indes auch der [X.] als Begründung für eine Verneinung eines entschuldbaren [X.] herangezogen (s. etwa [X.]-Urteile in [X.]E 154, 481, [X.] 1989, 131, und in [X.]/NV 2007, 866).

Meta

III B 146/13

17.04.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 16. Oktober 2013, Az: 4 K 3584/11, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.04.2014, Az. III B 146/13 (REWIS RS 2014, 6222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6222

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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