Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2023, Az. IV ZR 17/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3257

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Gegenstand

Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Revision wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als festgestellt worden ist, dass

1. die Prämienerhöhung des [X.] im [X.]                  /1 zum 1. April 2015 um 36,69 € im Zeitraum nach dem 31. Mai 2019 nicht wirksam geworden ist,

2. der Kläger nach dem 31. Mai 2019 nicht zur Tragung des [X.] aus der Erhöhung des [X.] im [X.]                /1 zum 1. April 2015 um 36,69 € verpflichtet ist und

3. die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vom 1. Januar 2016 bis zum 8. Februar 2019 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger bis zum 31. Dezember 2015 auf die im Tenor des Berufungsurteils genannten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

Im unter 2. und 3. genannten Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10.002,65 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2

Der Kläger ist bei der [X.] krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des [X.]" (im Folgenden: MB/KK) sowie die "Tarifbedingungen" der [X.]. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:

"§ 8b Beitragsanpassung

1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]

1.1 Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden.

[…]

2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.

3. […]"

3

Die Beklagte informierte den Kläger über Beitragserhöhungen zum 1. April 2015 im [X.]                 /1 um 36,69 € und im [X.]     um 9,99 € (Schreiben vom Februar 2015), zum 1. April 2016 im [X.]                /1 um 129,90 € (Schreiben vom Februar 2016) und zum 1. April 2017 unter der neuen [X.] um 75,53 € (Schreiben vom Februar 2017).

4

Im Schreiben vom Februar 2015, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

in [X.] nehmen schwerwiegende Krankheitsfälle immer mehr zu. Hierunter fallen psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen. Aber auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes wie Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden treten häufiger auf.

Die betroffenen Patienten sind deshalb oft lange arbeitsunfähig. Dadurch steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. Auch deshalb müssen wir in diesem Jahr die Beiträge für die Krankentagegeldtarife erhöhen.

[…]"

5

Im Schreiben vom Februar 2016, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Und mehr Lebensqualität zu genießen.

Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage 'Medizinischer Fortschritt - Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]'.

[…]"

6

Im Schreiben vom Februar 2017, dem u.a. ein Nachtrag zum Versicherungsschein und ein Informationsblatt beigefügt waren, hieß es:

"[…]

Warum ändert sich Ihr Beitrag?

Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich immer weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen erhöhen sie die Lebensqualität.

[…]

Im Jahresvergleich sind im [X.]                 die Versicherungsleistungen besonders stark gestiegen. Dies gilt vor allem für den stationären Bereich. Auch im ambulanten Bereich registrierten wir eine erhöhte Inanspruchnahme. Hier sind vor allem die Arznei- und Verbandmittel betroffen. Im zahnärztlichen Bereich stiegen besonders die Leistungen für Kieferorthopädie. Die ausgezahlten Leistungen lagen deutlich über denen des Vorjahres. Vor allem deshalb müssen wir die Beiträge anpassen.

[…]

Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage. 'Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]'.

[…]"

7

Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 7.968,39 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an ihn herauszugeben hat, die Beitragserhöhungen unwirksam waren und er nicht zur Zahlung des jeweiligen [X.] verpflichtet ist.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger die genannten Anträge weiterverfolgt. Das [X.] hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 7.599,99 € nebst Zinsen seit dem 9. Februar 2019 verurteilt worden ist. Weiter hat es festgestellt, dass folgende Prämienerhöhungen in den nachfolgenden Zeiträumen nicht wirksam geworden sind und der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen [X.] verpflichtet ist: im [X.]                /1 zum 1. April 2016 und [X.] zum 1. April 2017 sowie im [X.]      zum 1. April 2015 jeweils bis zum 31. Mai 2019 und im [X.]                 /1 zum 1. April 2015 seit dem 1. April 2015. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie vom 1. Januar 2016 bis zum 8. Februar 2019 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf diese Beitragserhöhungen gezahlt hat, an den Kläger herauszugeben hat.

9

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Beitragsanpassungen in formeller Hinsicht unwirksam gewesen seien. Aus den jeweiligen Anpassungsschreiben ergebe sich nicht, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Leistungsausgaben gebe, dessen Überschreitung die hier in Rede stehenden Prämienanpassungen ausgelöst habe. Die Beitragsanpassungen im [X.] zum 1. April 2016, im [X.] zum 1. April 2017 und im [X.]     zum 1. April 2015 seien durch Zustellung des Schriftsatzes der Beklagten vom 17. April 2019 geheilt und zum 1. Juni 2019 wirksam geworden. Hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit habe die Beklagte für diese drei [X.] auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens den Beweis für die materielle Wirksamkeit geführt. Die Beitragsanpassung im [X.] zum 1. April 2015 sei wegen der Unwirksamkeit der [X.] in § 8b MB/KK endgültig unwirksam.

Die zu viel gezahlten Beträge errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Januar 2019 vorsehe, in Höhe von insgesamt 7.599,99 €. Die Verjährung der ab dem 1. Januar 2016 entstandenen [X.] sei durch die Zustellung des die nunmehr geltenden Klageanträge enthaltenen Schriftsatzes gehemmt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten [X.]n in unverjährter Zeit.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

1. Die Revision ist insgesamt zulässig. Ihre Zulassung ist vom Berufungsgericht nicht wirksam beschränkt worden.

a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht im [X.] angeordnet ist, kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - [X.], [X.], 903 Rn. 3). Demnach wollte das Berufungsgericht die Revision "nur im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der [X.] in § 8b Ziffern 1, 2 [X.] Teil I" zulassen. Diese Frage betrifft ausschließlich die materielle Wirksamkeit der Prämienerhöhung im [X.]                /1 zum 1. April 2015, da nur diese auf einer Anwendung der genannten [X.] beruht.

b) Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aber nicht wirksam beschränkt.

aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nur im Hinblick auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des [X.] zulässig, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen (Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 606 Rn. 16 m.w.[X.]). Daher können die formelle oder die materielle Unwirksamkeit einer Prämienanpassung, die nur zwei verschiedene Begründungen für ein einheitliches Klagebegehren sind, nicht von einem Rechtsmittel ausgenommen werden (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - [X.] aaO Rn. 17).

bb) Zudem kann die Zulassung der Revision nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des [X.] beschränkt werden, wenn der davon betroffene Teil des Streits in tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen [X.] beurteilt werden kann und nach einer Zurückverweisung eine Änderung des von der beschränkten Zulassung erfassten Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil gerät (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - [X.], [X.], 1134 Rn. 13 m.w.[X.]). Da die formelle Wirksamkeit der Prämienanpassung im [X.]                 /1 zum 1. April 2015 auf demselben [X.] vom Februar 2015 wie die Prämienanpassung im [X.]     beruht, können diese Erhöhungen nicht unabhängig voneinander beurteilt werden. Aber auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die [X.] zum 1. April 2015 und die darauf beruhenden [X.] ist nicht wirksam. Insoweit besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, weil die Frage, für welchen Zeitraum der Kläger bei einer unterstellten Unwirksamkeit der Prämienanpassung im [X.]                /1 zum 1. April 2015 nicht zur Zahlung des [X.] verpflichtet ist und gezahlte Prämien zurückfordern kann, von der Wirksamkeit der späteren Prämienanpassungen in demselben Tarif abhängt, die zur Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner neuen Gesamthöhe werden könnten (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 55). Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Berufungsentscheidung über die späteren Prämienanpassungen in Rechtskraft erwachsen und damit für das weitere Verfahren bindend zugrunde zu legen sein könnte. Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach den genannten Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der [X.] auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 14). Ein Rechtsmittel gegen die von der Revisionszulassung ausgenommenen Urteilsteile war - unabhängig von der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts - jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. September 2020 - [X.], [X.], 2454 Rn. 10).

2. Die Revision ist nur teilweise begründet.

a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die [X.] die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 [X.] erforderlichen Mitteilung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 26) nicht erfüllten. Danach erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 [X.] die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 [X.] veranlasst hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO). Entgegen der Ansicht der Revision ist in diesem Sinne aber auch entscheidend, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz ([X.]) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 29). Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 [X.] genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 38).

Revisionsrechtlich relevante Fehler liegen auf dieser Grundlage nicht vor. Nach der [X.] Beurteilung des Berufungsgerichts ergab sich aus den Mitteilungen nicht, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die Beitragserhöhung ausgelöst hat. Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Erwähnung zunehmender schwerwiegender Krankheitsfälle und steigender Ausgaben (Schreiben vom Februar 2015) oder gestiegener Gesundheitskosten (Schreiben vom Februar 2016 und 2017) als Grund der Beitragserhöhung ebenfalls nicht als die geforderte Mitteilung verstand, dass die Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über einem festgelegten Schwellenwert die Beitragserhöhung ausgelöst hat. Entgegen der Ansicht der Revision genügt auch die Darstellung der Voraussetzungen einer Beitragsanpassung in dem jeweils beigefügten Informationsblatt nicht als Begründung, da sie sich nicht auf die konkreten [X.] für die Tarife des Klägers bezieht.

b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in dem am 29. April 2019 zugestellten Schriftsatz nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 41 f.). Es ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die formal zunächst unwirksamen [X.] zum 1. April 2015 im [X.]      sowie zum 1. April 2016 und 1. April 2017 im [X.]                 /1 bzw.    /2 erst ab dem 1. Juni 2019 wirksam wurden und bis zu diesem Zeitpunkt die [X.] nicht zu zahlen waren.

c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienerhöhung im [X.]                /1 zum 1. April 2015 über die formelle Unwirksamkeit hinaus mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.

aa) Bei der genannten Prämienanpassung lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei der hier in Rede stehenden Prämienanpassung überschritten.

bb) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 ([X.], [X.]) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 f.), aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt dies die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 33 ff.).

d) Da die Prämienanpassung im [X.]              /1 zum 1. April 2015 in dem hier maßgeblichen Rückforderungszeitraum bis zum 31. Januar 2019 formell unwirksam war, hat deren materielle Wirksamkeit oder Unwirksamkeit keine Auswirkungen auf die Höhe des insoweit begründeten Zahlungsanspruchs. Der Kläger kann daher die auf die streitgegenständlichen [X.] gezahlten und von der Verjährung für die Zeit vor dem 1. Januar 2016 nicht erfassten [X.] bis zum 31. Januar 2019 zurückverlangen. Daraus folgt der vom Berufungsgericht zu Recht zugesprochene Betrag in Höhe von 7.599,99 € ([36,69 € + 9,99 €] x 37 Monate + 129,90 € x 33 Monate + 75,53 € x 21 Monate), der hinsichtlich der Prämienerhöhung zum 1. April 2016 die Begrenzung des [X.] auf 33 Monate sowie hinsichtlich der Prämienerhöhung zum 1. April 2017 die Begrenzung des [X.] auf 21. Monate aus dem Klageantrag berücksichtigt. Dieser ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Die Höhe des [X.] wird im Übrigen von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

e) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem 1. Januar 2016 geleisteten [X.] durch die Zustellung des den entsprechenden [X.] enthaltenden Schriftsatzes am 8. Februar 2019 rechtzeitig gehemmt wurde und dieser Anspruch nicht verjährt ist.

Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die [X.] aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der [X.] (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 - [X.], [X.], 31 Rn. 41). Bei [X.] erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. [X.], Urteil vom 27. Mai 2008 - [X.], [X.], 1258 Rn. 12). Wie der Senat mit Urteil vom 22. Juni 2022 ([X.], [X.], 1078 Rn. 43) entschieden und im Einzelnen begründet hat, können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden.

f) Das Berufungsgericht ist auch noch grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die vom 1. Januar 2016 bis zum 8. Februar 2019 gezogenen Nutzungen aus den zurückzuzahlenden [X.]n nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus den [X.]n insgesamt - und damit auch hinsichtlich der Beitragserhöhungen zum 1. April 2016 und 1. April 2017 - für die seit dem 1. Januar 2016 gezogenen Nutzungen festgestellt hat. Da sich die Herausgabepflicht nur auf die gezogenen Nutzungen bezieht, ergibt sich daraus für die [X.] zum 1. April 2016 und 1. April 2017, auf die vor diesen Daten keine [X.] gezahlt wurden, für diese Zeit auch noch kein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber den Herausgabeanspruch auf die Nutzungen erstreckt, die die Beklagte vom 1. Januar 2016 bis zum 8. Februar 2019 aus den bis zum 31. Dezember 2015 gezahlten und nicht geschuldeten [X.]n gezogen hat. Auch die erst später gezogenen Nutzungen aus den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Prämien sind von diesem [X.] abhängende Nebenleistungen im Sinne von § 217 BGB (Senatsurteil vom 22. Juni 2022 - [X.], [X.], 1078 Rn. 44 m.w.[X.]), die daher zusammen mit dem [X.] auf Rückzahlung der bis zum 31. Dezember 2015 geleisteten Prämienzahlungen verjährten; dies gilt auch dann, wenn sie erst nach Ablauf der den [X.] betreffenden Verjährungsfrist beziffert werden können (Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO m.w.[X.]).

g) Die Sache ist nur teilweise entscheidungsreif.

aa) Die bereits als begründet festzustellenden Ansprüche umfassen die Rückzahlung der vom 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2019 gezahlten [X.] in Höhe von 7.599,99 € nebst Zinsen und die Herausgabe der vom 1. Januar 2016 bis zum 8. Februar 2019 daraus gezogenen Nutzungen. Weiterhin begründet ist die Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienanpassungen und der fehlenden Pflicht zur Zahlung der [X.] für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2019.

bb) Unbegründet ist dagegen der Antrag auf Feststellung der fehlenden Pflicht zur Zahlung des [X.] aus der Prämienanpassung im [X.]                /1 zum 1. April 2015 für den Zeitraum nach dem 31. Mai 2019. Da die zum 1. April 2016 vorgesehene Prämienanpassung in diesem Tarif durch Heilung der formellen Unwirksamkeit zum 1. Juni 2019 wirksam geworden ist, bildet diese fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 55). Außerdem hat der Kläger - wie ausgeführt - keinen Anspruch auf Nutzungen, die aus den bis zum 31. Dezember 2015 gezahlten [X.]n gezogen wurden. Insoweit ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung durch das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

cc) Die darüberhinausgehende Klage bedarf dagegen zu ihrer Entscheidung noch einer Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung im [X.]                /1 zum 1. April 2015 über die Wirksamkeit der [X.] hinaus. Der Kläger hat für alle erfolgten [X.] bestritten, dass die zugrunde liegenden Rechnungsgrundlagen überhaupt und in der jeweiligen konkreten Höhe eine Beitragserhöhung gerechtfertigt haben, doch das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - dazu für die hier in Rede stehende Prämienanpassung noch keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit die Unwirksamkeit dieser Prämienerhöhung über den 31. Mai 2019 hinaus festgestellt worden sind.

III. Im zuletzt genannten Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Prämienanpassung im [X.] zum 1. April 2015 materiell rechtmäßig war.

Prof. Dr. Karczewski     

  

Harsdorf-Gebhardt     

  

Dr. Brockmöller

  

Dr. Bußmann     

  

Dr. Bommel     

  

Meta

IV ZR 17/22

26.04.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 30. November 2021, Az: 9 U 307/19

§ 199 Abs 1 BGB, § 8b Abs 1 MB/KK, § 8b Abs 2 MB/KK, § 155 Abs 3 S 2 VAG, § 203 Abs 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2023, Az. IV ZR 17/22 (REWIS RS 2023, 3257)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3257

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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