Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 614/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7953

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 614/13
vom
12. Februar 2014
in der Unterbringungssache

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 12.
Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der
Betroffenen wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 2.
Oktober
2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde,
an das [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die betreuungsgerichtliche Genehmi-gung der Verlängerung ihrer Unterbringung.
Für die Betroffene besteht eine Betreuung unter anderem mit den Aufga-benkreisen der Sorge für die Gesundheit und der Aufenthaltsbestimmung ein-schließlich der Entscheidung über eine Unterbringung und unterbringungsähnli-che Maßnahmen. Die
Betroffene, die seit ihrem 12.
Lebensjahr an Epilepsie leidet, wurde in den letzten Jahren wegen psychiatrischer Auffälligkeiten mehr-fach stationär behandelt. Nach dem Inhalt der am 17.
August 2012, 28.
März 2013, 18.
Juli 2013
und 23.
August 2013 erstellten Sachverständigengutachten des Leitenden Oberarztes der Klinik für spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie des Klinikums
S.
leidet die Betroffene an einer organischen 1
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Wesensveränderung und an einer organischen wahnhaften Störung im Rahmen einer therapierefraktären Epilepsie.
Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 7.
September 2012 wurde die durch die Betreuerin angeordnete Unterbringung in einem geschlossenen Pfle-geheim für Psychiatrie bis längstens zum 6.
September 2013 betreuungsge-richtlich genehmigt.
Auf den Antrag der Betreuerin genehmigte das Amtsgericht durch [X.] vom 3.
September 2013 die weitere geschlossene Unterbringung der Betroffenen durch die Betreuerin bis längstens zum 2.
September 2014. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde der
Betroffenen zurückge-wiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die
Betroffene mit ihrer
Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung.
1. Nach §
1906 Abs.
2 Satz
1 BGB bedarf die Unterbringung eines Be-treuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, grund-sätzlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Die Genehmigung kann nur erteilt oder aufrechterhalten werden, wenn und solange die [X.] nach
§
1906 Abs.
1 BGB zulässig ist. Nach §
1906 Abs.
1 Nr.
1 BGB ist die Unterbringung unter anderem zulässig, solange sie zum Wohl des Betreu-ten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Auch eine Un-3
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4
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terbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betreute auf Grund seiner psychischen Krankheit oder seiner geistigen oder seelischen Behinderung
seinen Willen nicht frei bestimmen kann ([X.] vom 13.
Januar 2010

XII
ZB
248/09
FamRZ 2010, 365 Rn.
13 und vom 17.
August 2011

XII
ZB
241/11
FamRZ 2011, 1725 Rn.
12).
Dieses Er-fordernis lässt sich dem Gesetz zwar nicht unmittelbar
entnehmen, ergibt sich aber aus der Erwägung, dass
der Staat von Verfassungs wegen nicht das Recht hat, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bür-ger zu erziehen, zu bessern oder daran zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen
([X.], 600; [X.] FamRZ 2005, 1196, 1197 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Beschwerdegericht seine Feststellungen zur fehlenden [X.]
nicht rechtsfeh-lerfrei
getroffen hat.
a) Die Ausführungen des [X.] dazu, dass die Betroffene "nicht in der Lage sei, ihre eigene Situation zu erfassen", stehen

ebenso wie die Ausführungen
des Amtsgerichts, dass die Betroffene "zu keiner freien Wil-lensbestimmung
zumindest hinsichtlich der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erkrankung"
imstande sei

im Widerspruch zu den vom
Sachverständi-gen in seinem Gutachten vom
23.
August 2013 gezogenen Schlussfolgerungen. Denn dieser hatte der Betroffenen im Rahmen der Beantwortung der ihm im Beweisbeschluss gestellten [X.] ausdrücklich bescheinigt, zu "einer freien Willensbestimmung im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Unterbringung in der Lage"
zu sein.
b) Das Gericht ist zwar nicht gehindert, eine vom Ergebnis des Gutach-tens abweichende Bewertung

auch zur Frage der freien Willensbestimmung

vorzunehmen, wenn sich aus dem Gutachten genügend Anknüpfungstatsachen 7
8
9
-
5
-

für eine abweichende Bewertung ergeben (vgl. [X.] FGPrax 2007, 267, 268). Will
der Tatrichter
allerdings
einem Sachverständigengutachten nicht folgen, muss er eine von dem eingeholten Sachverständigengutachten abwei-chende Beurteilung in seiner
Entscheidung sachkundig und ausführlich begrün-den
(vgl. Senatsbeschlüsse
vom 14.
November 2012

XII
ZB
344/12
FamRZ 2013, 284 Rn.
10
und vom 14.
Dezember 2011

XII
ZB
171/11
FamRZ 2012, 441 Rn.
12; [X.]/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
321 Rn.
6; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
280 Rn.
28;
MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 2.
Aufl. §
280 Rn.
7).
c) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht ge-recht. Sie lässt
bereits nicht erkennen, ob sich das Beschwerdegericht des Um-standes bewusst war, dass seine Entscheidung in Bezug auf die Beurteilung der [X.] vom Ergebnis des Gutachtens abweicht. Selbst wenn das Beschwerdegericht davon ausgegangen sein sollte, dass die vom Sachverständigen zur [X.] mitgeteilte
Schlussfolgerung mit Blick auf die von ihm im Gutachten festgestellten Tatsachen zur [X.] Erkrankung der Betroffenen auf einem Schreibfehler oder einem sonsti-gen Irrtum beruhen müsse, hätte es dem im Rahmen seiner Amtsermittlungs-pflicht (§
26 FamFG) durch ergänzende Befragung des Sachverständigen nach-gehen müssen.
10
-
6
-

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen, weil sie
nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.09.2013 -
7 [X.] 220/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 02.10.2013 -
2 [X.] -

11

Meta

XII ZB 614/13

12.02.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 614/13 (REWIS RS 2014, 7953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7953

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