Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2013, Az. X R 30/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 7229

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kürzung des Vorwegabzugs beim Gesellschafter-Geschäftsführer im Fall einer arbeitnehmerfinanzierten Unterstützungskassenzusage


Leitsatz

NV: Die vom Arbeitgeber an eine Unterstützungskasse abgeführten Beträge stellen auch dann keine --die Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 ESG 2004 ausschließende-- eigene Beitragsleistung des Arbeitnehmers dar, wenn dieser zum Erhalt der Versorgungszusage auf einen Teil seines laufenden Gehalts verzichtet.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 als Gesellschafter-Geschäftsführer der [X.], an der er zu 25 % beteiligt ist, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Weitere Gesellschafterin der [X.] ist die [X.] An dieser ist der Kläger nicht beteiligt. Seine Krankenkasse bescheinigte dem Kläger, dass er seit dem 1. Juli 2004 nicht mehr in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert ist.

2

Am 23. März 2005 schloss der Kläger mit der [X.] eine Vereinbarung zur Entgeltumwandlung. Danach verzichtete der Kläger ab April 2005 auf monatlich 500 € seines [X.]. Im Gegenzug sagte die [X.] zu, ihm als Ausgleich für den Verzicht eine wertgleiche und über eine Rückdeckungsversicherung auf das Leben des [X.] abgesicherte sowie an ihn verpfändete Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über die …, eine kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse, zu erteilen, was wenig später auch geschah.

3

Im Einkommensteuerbescheid 2005 kürzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den [X.] nach § 10 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG n.F.) i.V.m. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 und § 10c Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004 (EStG a.F.) auf 0 €. Infolgedessen war der Abzug der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG n.F. günstiger.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der auf Ansatz der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG a.F. unter Berücksichtigung eines ungekürzten [X.]s gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2066 veröffentlichten Gründen statt. Es war der Auffassung, der Kläger habe sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung infolge der vereinbarten Gehaltsumwandlung ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erworben. Damit habe er innerhalb des --von dem Rechtsverhältnis als Gesellschafter zu unterscheidenden-- schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses als Angestellter der [X.] eine Einbuße an einem Vermögenswert, nämlich seinen monatlichen Gehaltsansprüchen, zu verzeichnen. Auf die Frage, ob die Versorgungszusage seiner Beteiligungsquote an der GmbH entspreche, komme es deshalb nicht an.

5

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung der § 10 Abs. 4a EStG n.F., § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. Das Anwartschaftsrecht des [X.] aus der erteilten Versorgungszusage beruhe nicht vollständig auf dessen eigener Beitragsleistung. Da der Kläger Minderheitsgesellschafter der [X.] sei, sei seine [X.] zumindest zum Teil zu Lasten des der Y-GmbH als Mehrheitsgesellschafterin zustehenden Gewinnverwendungsanspruchs erwirtschaftet. Zudem liege durch den Gehaltsverzicht auch deshalb noch keine eigene Beitragsleistung des [X.] vor, weil ihm der Gegenwert seines Verzichts in der Aufbauphase der Altersversorgung noch nicht zugeflossen sei.

6

Das [X.] beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der [X.] ist zu kürzen; das [X.] ist im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG n.F. zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. gehört.

9

1. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. steht einem Steuerpflichtigen für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein [X.] von 3.068 € zu. Der [X.] ist nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.[X.]. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. u.a. dann um 16 % der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG --ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG-- zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.

a) Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] entgegen der Ansicht des [X.] nicht bereits deshalb zu kürzen ist, weil ausschließlich der Kläger eine Versorgungszusage der [X.] erhalten hat.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) ist unter dem Begriff der "Beitragsleistung" für den Erwerb von Anwartschaftsrechten auf eine (eigene) Altersversorgung nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage zu verstehen (Senatsurteil vom 25. März 1992 [X.], [X.]/NV 1992, 596; [X.]-Urteil vom 16. Oktober 2002 [X.] R 25/01, [X.]E 200, 554, [X.], 546). Der [X.]. Senat des [X.] hat --ausgehend von diesem [X.] mit seinen Urteilen in [X.]E 200, 554, [X.], 546 und vom 28. Juli 2004 [X.] R 9/04 ([X.]/NV 2005, 196) entschieden, dass dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH der [X.] für Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zu belassen ist, weil dieser --wirtschaftlich betrachtet-- eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftliche Ansprüche (§§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt.

Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des [X.]. Senats des [X.], wenn eine GmbH mehreren [X.] eine Altersversorgung zugesagt hat und der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung auf Dauer gesehen ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftliche Ansprüche erwirbt ([X.]-Urteil vom 23. Februar 2005 [X.] R 29/03, [X.]E 209, 256, [X.] 2005, 634). Die Frage, ob der Kläger sein Anwartschaftsrecht auf betriebliche Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erwirbt, ist danach unter Berücksichtigung der bestehenden Beteiligungsverhältnisse, des Alters der Gesellschafter-Geschäftsführer und der Höhe der jeweils zugesagten Altersversorgung im Wege der vorausschauenden Berechnung des auf den einzelnen Gesellschafter entfallenden Aufwands der Gesellschaft zu beantworten ([X.]-Urteil vom 15. Dezember 2004 [X.] R 45/03, [X.]/NV 2005, 1509).

bb) Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung des [X.]. Senats im Grundsatz angeschlossen. Er hat in mehreren Urteilen (vom 26. September 2006 [X.], [X.]E 215, 165, [X.] 2007, 452; vom 8. November 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 673; vom 17. Januar 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 1289; vom 2. September 2008 [X.], [X.]/NV 2009, 141, Entscheidungen vom 24. Juni 2009 [X.], [X.]/NV 2010, 22, [X.], nicht veröffentlicht, sowie [X.], [X.]/NV 2010, 25, und vom 19. Mai 2011 [X.], [X.]/NV 2011, 1854) jedoch klargestellt, dass der von dem Geschäftsführer einer GmbH bezogene Arbeitslohn nur dann aus der Bemessungsgrundlage für die Kürzung des [X.]s auszunehmen ist, wenn die gegen die Gesellschaft erworbenen Ansprüche auf eine eigene Altersversorgung vollständig mit dem (ggf. wechselseitigen) Verzicht auf die dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als (Mit-) Gesellschafter zustehenden Ansprüche in Verbindung gebracht werden können.

cc) Im zu entscheidenden Fall ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig, da keine arbeitgeberfinanzierte Direktzusage (Pensionszusage) gegeben ist. Im vorliegenden Fall einer arbeitnehmerfinanzierten Unterstützungskassenzusage wird der der [X.] als Arbeitgeberin durch die Kassenzuwendungen entstehende Aufwand infolge des entsprechend geminderten [X.] kompensiert, die [X.] als weitere Gesellschafterin ist durch diese schuldrechtliche Abrede zwischen dem Kläger und der [X.] nicht in ihren Gesellschaftsrechten tangiert.

b) Gleichwohl hat das [X.] das Vorliegen einer eigenen Beitragsleistung des [X.] zu Unrecht bejaht.

aa) Der im Streitfall gewählte Durchführungsweg über die Unterstützungskasse ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber die zugesagten Versorgungsleistungen nicht selbst erbringen will, sondern sich hierfür eines selbständigen Versorgungsträgers, nämlich der Unterstützungskasse, bedient. Letztere gewährt formell keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen (§ 1b Abs. 4 Satz 1 des [X.] der betrieblichen Altersversorgung --Betriebsrentengesetz--; Keil/ Prost, Pensions- und Unterstützungskassenzusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., Rz 373). Gleichwohl erwirbt der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Urteile vom 17. Mai 1973  3 [X.] 381/72, [X.], 194; vom 5. Juli 1979  3 [X.] 197/78, [X.], 56; vom 16. Februar 2010 3 [X.] 181/08, [X.], 181, unter [X.]; s. weiter Entscheidungen des [X.] vom 19. Oktober 1983  2 [X.], [X.] 65, 196; vom 14. Januar 1987  1 BvR 1052/79, [X.] 74, 129, unter B.II.2.) eine Versorgungsanwartschaft ([X.]/ [X.], EStG, 32. Aufl., § 4d Rz 6). [X.] sind die vom Arbeitgeber an die Unterstützungskasse zu erbringenden Zuwendungen nach Maßgabe des § 4d EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig. Daran ändert auch eine Entgeltumwandlung nichts; die Zuwendungen werden formell weiter durch den Arbeitgeber als Trägerunternehmen geleistet ([X.]/ [X.], a.a.[X.], § 4d Rz 3; Buttler, Einführung in die betriebliche Altersversorgung, 5. Aufl., S. 7 f.).

bb) Nach der ständigen Rechtsprechung bedingt der fehlende Rechtsanspruch des [X.] gegen die Unterstützungskasse auf Versorgung, dass die Beitragsleistungen der [X.] ihm noch nicht als Arbeitslohn zugeflossen sind (vgl. [X.]-Urteil vom 27. Mai 1993 VI R 19/92, [X.]E 172, 46, [X.] 1994, 246, unter [X.]). Dabei macht es nach der geltenden Rechtsprechung keinen Unterschied, ob die Beiträge vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Barlohn erbracht oder ob diese --wie im [X.] durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehalts aufgebracht werden (vgl. [X.]-Urteil vom 29. Juli 2010 VI R 39/09, [X.]/NV 2010, 2296, unter II.3.). Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des [X.] vom 31. März 2010 IV C 3 - S 2222/09/10041, IV C 5 - S 2333/07/0003 – 2010/0256374, [X.], 270, Rz 253). Mangels Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) stellt der Verzicht des [X.] auf die Auszahlung eines Teils seines Gehalts kein Einkommen und damit keine eigene Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. dar.

cc) Die gegenteilige Auffassung wäre auch im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bedenklich. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der gewählten Gestaltung und derjenigen, bei der dem Steuerpflichtigen von Anfang an eine betriebliche Altersversorgung in Gestalt einer Pensionszusage bei geringerem Barlohn gewährt wird, was im Grundsatz zur Kürzung des [X.]s führt; die Zustimmung zu einer Barlohnumwandlung ist daher nicht als Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. anzusehen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 30/11

20.03.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 1. Juni 2011, Az: 4 K 3551/09, Urteil

§ 10 Abs 4a EStG 2002, § 10 Abs 3 Nr 2 S 2 Buchst a EStG 2002, § 10c Abs 3 Nr 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.03.2013, Az. X R 30/11 (REWIS RS 2013, 7229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7229

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.