Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2017, Az. II ZR 6/16

2. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10476

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Gegenstand

Betriebliche Versorgung von Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft: Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes


Leitsatz

Von den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes kann zum Nachteil von Organen einer Kapitalgesellschaft abgewichen werden, soweit auch den Tarifvertragsparteien Abweichungen erlaubt sind.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 30. Dezember 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger war von 1989 bis zum 30. September 2011 gemeinsam mit dem Mitgesellschafter [X.]     Geschäftsführer der beklagten GmbH. Der Kläger hielt 35 %, [X.]     5 % der Geschäftsanteile an der Beklagten.

2

Am 21. Dezember 1999 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten, dem Kläger und seinen versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine betriebliche Versorgung zu gewähren. Der Kläger sollte eine Versorgungszusage von damals monatlich 3.500 DM erhalten. Nr. 15.4 der Vereinbarung lautet:

"Das Unternehmen ist berechtigt, nach Eintritt des Versorgungsfalls Versorgungsansprüche durch Kapitalzahlung abzufinden. Die Kapitalisierung erfolgt in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des [X.]es gemäß den versicherungsmathematischen Grundsätzen und Bemessungsgrundlagen, die für die Berechnung der jährlichen [X.] gemäß § 6a EStG zu diesem Zeitpunkt gültig sind. …"

3

Nr. 20 der Vereinbarung lautet:

"Auf diese Versorgungszusage findet das [X.] mit Ausnahme des Abfindungsverbots aus § 3 des Gesetzes in seiner jeweiligen Fassung Anwendung, soweit diese Versorgungszusage nicht ausdrücklich günstigere Regelungen für den Versorgungsberechtigten enthält."

4

Ab dem 1. Oktober 2011 zahlte die Beklagte an den Kläger eine monatliche Rente, derzeit 2.333,13 € brutto. Nach einer von der Beklagten erstellten Abfindungsberechnung auf der Grundlage des Teilwertprinzips nach § 6a EStG belief sich der [X.] der Rente zum 31. Dezember 2011 auf 300.000 €.

5

Die Mitgesellschafter des [X.] beabsichtigen, die Rente in eine Kapitalabfindung umzuwandeln. In einer Gesellschafterversammlung vom 28. November 2013 wurden mit der Mehrheit der Stimmen "die vertragliche Abwicklung der Versorgungsansprüche über das im Jahr 1999 vereinbarte [X.] nach § 15.4" beschlossen und der Antrag des [X.], die Versorgungszusage ins System des [X.] zurückzuführen, abgelehnt.

6

Der Kläger hat gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Das [X.] hat den Beschluss, wonach die Versorgungsansprüche abgefunden werden sollen, für nichtig erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beschluss zur Abfindung der Versorgungsansprüche verstoße nicht gegen das Gesetz. Nr. 15.4 der Versorgungszusage sei nicht wegen eines Verstoßes gegen § 3 [X.] unwirksam. Zwar sei nach § 17 Abs. 3 Satz 3 [X.] eine von § 3 [X.] abweichende Vereinbarung unzulässig. Das [X.] von § 3 [X.] sei aber nicht einschlägig. Die vertraglich vorgesehene Kapitalzahlung sei keine Abfindung im Sinne des Gesetzes. Eine Abfindung setze einen Vertrag voraus, durch den der [X.] auf seine Anwartschaft oder die laufenden Leistungen verzichte und der Dienstherr sich verpflichte, dafür eine Entschädigung zu bezahlen. Die Ausübung eines in der Versorgungszusage eingeräumten Gestaltungsrechts genüge dafür nicht. Der Anspruch des [X.] habe von vorneherein unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Beklagte ihr Gestaltungsrecht nicht ausüben würde. Das habe der [X.] mehrfach für die Anwendung der ersten Variante des § 3 Abs. 1 [X.] - die Abfindung einer Anwartschaft - entschieden. Für die hier einschlägige zweite Fallvariante - die Abfindung einer laufenden Leistung - könne nichts anderes gelten.

9

Nr. 15.4 der Versorgungszusage sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ein gegenseitiger Vertrag sei bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und Hinzutreten eines weiteren Umstandes, der den [X.] als sittenwidrig erscheinen lasse, nichtig. Ein schlüssiger Vortrag zum Verhältnis von Leistung und Gegenleistung fehle. Die Einmalzahlung sei eine Gegenleistung für die Dienstleistung des [X.], deren Wert nicht dargetan sei. Selbst wenn es auf die wertmäßige Gegenüberstellung von Renten- und Kapitalzahlung ankäme, seien für die Sittenwidrigkeit die Umstände bei Vertragsschluss, d.h. im Jahr 1999, maßgeblich. Dazu sei nichts vorgetragen.

II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Der Beschluss, die Versorgung des [X.] zu kapitalisieren, verstößt nicht gegen das Gesetz.

1. Der Beschluss verstößt nicht gegen § 3 [X.]. Dabei kann dahinstehen, ob - wie das Berufungsgericht angenommen hat - das [X.] in § 3 [X.] nicht eingreift, wenn bereits in der Versorgungszusage vereinbart ist, dass der Dienstherr statt einer laufenden Rentenzahlung auch nach deren Beginn einen kapitalisierten Betrag leisten kann. Denn in Nr. 20 der [X.] war vereinbart, dass § 3 [X.] und damit auch das [X.] auf die Vereinbarung zur Altersversorgung des [X.] keine Anwendung finden sollen.

§ 3 [X.] konnte in der [X.] abbedungen werden. Von den Vorschriften des [X.] kann zum Nachteil von Organen einer Kapitalgesellschaft nach § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] abgewichen werden, soweit auch den Tarifvertragsparteien Abweichungen erlaubt sind (vgl. [X.], [X.] Nr. 20 zu § 1 [X.] Beamtenversorgung Rn. 45). Zu den Vorschriften, von denen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] abgewichen werden kann, zählt auch § 3 [X.].

Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 [X.] kann allerdings von den Bestimmungen des [X.] grundsätzlich nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Diese Regelung gilt auch für den Kläger, der als Geschäftsführer [X.] der Beklagten war. Arbeitnehmer im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 [X.] sind auch die in § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Personen, zu denen der Kläger gehörte. Die Erstreckung der arbeitsrechtlichen Vorschriften des [X.] auf diesen Personenkreis liefe ins Leere, könnte durch vertragliche Vereinbarungen ohne weiteres von den gesetzlichen Schutzregelungen abgewichen werden. Dass bei [X.]ern - zumindest typischerweise - anders als bei Arbeitnehmern bei der Aushandlung ihrer Betriebsrentenregelung keine Verhandlungsunterlegenheit vorliegt, rechtfertigt nicht die Annahme, das Betriebsrentenrecht sei für diesen Personenkreis vollständig abdingbar.

Abweichende Vereinbarungen kommen allerdings insoweit in Betracht, als der Gesetzgeber sie unter Zugrundelegung eines [X.], der geeignet ist, zu angemessenen Ergebnissen zu führen, zulässt, wie § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] zeigt. Für Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne kann dies angenommen werden, soweit eine tarifliche Regelung vorliegt, weil der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien eine entsprechende Verhandlungsmacht zuerkennt. Das Betriebsrentenrecht ist demzufolge auch für [X.]er insoweit abdingbar, als auch den Tarifvertragsparteien Abweichungen erlaubt sind. Eine weitergehende Unabdingbarkeit würde dazu führen, dass dieser Personenkreis besser geschützt wäre als Arbeitnehmer. Von einer Verhandlungsunterlegenheit des einzelnen [X.]s, wie sie der Gesetzgeber bei einem Arbeitnehmer typisiert annimmt, kann nicht ausgegangen werden.

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus früheren Entscheidungen des [X.]s ([X.], Urteil vom 29. Mai 2000 - [X.], [X.], 1311, 1313; Urteil vom 3. Juli 2000 - [X.], [X.], 1452, 1454; Urteil vom 16. März 2009 - [X.], [X.], 880 Rn. 10) nichts Gegenteiliges, wie schon das [X.] festgestellt hat ([X.], [X.] Nr. 20 zu § 1 [X.] Beamtenversorgung Rn. 46).

2. Der Beschluss verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Zwar ist ein Beschluss entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig, wenn er nach seinem Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Der Beschlussinhalt, entsprechend der vertraglichen Vereinbarung die laufenden Renten zu kapitalisieren und den sich ergebenden Betrag auszuzahlen, enthält aber ebensowenig einen [X.] wie die vereinbarte Kapitalisierungsregelung entsprechend § 6a EStG. Einen solchen macht der Kläger auch nicht geltend, der vielmehr ein Missverhältnis zwischen dem von der Beklagten errechneten [X.] und der seiner Ansicht nach noch zu zahlenden Rente gesehen hat. Der errechnete [X.] ist aber schon nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses, so dass auch offen bleiben kann, ob und wie in ihm künftige Rentenerhöhungen einzubeziehen sind.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Sunder     

      

Bernau     

      

Meta

II ZR 6/16

23.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 30. Dezember 2015, Az: 9 U 47/15

§ 17 Abs 3 S 1 BetrAVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2017, Az. II ZR 6/16 (REWIS RS 2017, 10476)

Papier­fundstellen: WM2017,1368 REWIS RS 2017, 10476

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 6/16

8 U 68/17

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