Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2021, Az. IV ZR 349/19

4. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 9164

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: Risikoausschluss bei Treuhändertätigkeit für eine Aktiengesellschaft


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des [X.] - 26. Zivilkammer - vom 25. November 2019 nach § 552a ZPO auf Kosten der Kläger zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert: 2.399,94 €

Gründe

1

[X.] Die Kläger machen aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers Leistungsansprüche in Höhe von 2.399,94 € aus einer Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte geltend. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob der von den Klägern gegenüber dem Versicherungsnehmer erhobene Schadensersatzanspruch auf einer versicherten Tätigkeit beruht.

2

In den dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die "[X.] von Rechtsanwälten und Patentanwälten ([X.])" heißt es unter anderem:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung:

Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz (Deckung) für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit ... begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. ..."

3

Weiter liegt dem Versicherungsvertrag die "Risikobeschreibung für die [X.] von Rechtsanwälten (einschließlich des Rechtsanwaltsrisikos von Anwaltsnotaren)" (im Folgenden: [X.]) zugrunde. Dort ist unter anderem geregelt:

"[X.] Im Rahmen der dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (...) ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der gegenüber seinem Auftraggeber freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt. Mitversichert ist die Tätigkeit als

1. vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter, Treuhänder nach der Insolvenzordnung, Sachwalter, Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Verwalter nach der Gesamtvollstreckungsordnung, gerichtlich bestellter Liquidator, Zwangsverwalter, Sequester, [X.] und Gläubigerbeiratsmitglied;

2. Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Nachlaßverwalter, Vormund, Betreuer, Pfleger und Beistand;

3. Schiedsrichter;

4. Mediator;

5. Abwickler einer Praxis gemäß § 55 [X.], [X.] gemäß § 30 [X.],

6. Notarvertreter für die Dauer von 60 Tagen innerhalb eines Versicherungsjahres.

...

Diese Risikobeschreibung zählt die mitversicherten Tätigkeiten abschließend auf.

..."

4

Der Versicherungsnehmer der Beklagten, ein Rechtsanwalt, war seit dem Jahre 2009 als Treuhänder einer in [X.] ansässigen Aktiengesellschaft (nachfolgend: [X.]) tätig. Dieses Unternehmen befasste sich mit dem Ankauf unter anderem von Lebensversicherungs- und Bausparverträgen, wobei es seinen Kunden für die Abtretung der entsprechenden Ansprüche und Rechte entweder die zeitlich verzögerte Zahlung eines Mehrfachen des üblichen Kaufpreises oder eine einmalige Zahlung in Höhe des doppelten Rückkaufswertes nach sechs Jahren versprach. Den Versicherungsnehmer hatte es bewusst aufgrund seiner versicherungsrechtlichen Kenntnisse ausgesucht. Potentiellen Kunden gegenüber warb es mit einer sicheren und einfachen Abwicklung durch einen Treuhänder.

5

Die Kläger unterhielten einen Bausparvertrag, den sie an die [X.] verkaufen wollten. Sie schlossen mit dem Versicherungsnehmer am 21. August 2009 zwei als "Geschäftsbesorgungsvertrag" und "Abtretungsvertrag" bezeichnete Verträge.

6

Der "Geschäftsbesorgungsvertrag" enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

"§ 1 Präambel

Der Kunde ist Inhaber der ... [in einer Anlage näher bezeichneten] Vermögensanlagen. Er beabsichtigt, eine Neuordnung seiner bisherigen Investitionen vorzunehmen und beauftragt den Treuhänder mit den in § 2 näher beschriebenen Dienstleistungen, welche jedoch nicht die Prüfung, Vermittlung und Beratung hinsichtlich der Neuordnung der bezeichneten Vermögensanlagen umfassen.

§ 2 Dienstleistungen

1. Der Treuhänder wird vom Kunden beauftragt, die ... [näher bezeichneten] Vermögensanlagen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, die Abwicklung der gekündigten Vertragsverhältnisse vorzunehmen, das vom Kunden zu beanspruchende Guthaben entgegenzunehmen und als Treuhänder entsprechend den nachfolgenden Bestimmungen zu verwenden.

2. Um Korrespondenz und Rückfragen der ... Vertragspartner des Kunden zu vermeiden, tritt der Kunde sämtliche Ansprüche bzw. Rechte aus den ... genannten Verträgen an den Treuhänder entsprechend gesonderter Erklärung ab. ...

Der Treuhänder hat die Kundengelder getrennt von seinem sonstigen Vermögen auf hierfür eingerichteten Abwicklungskonten zu verwalten und die Konten ausdrücklich als Treuhandkonten zu bezeichnen.

...

4. Der Kunde beauftragt und bevollmächtigt den Treuhänder, in Höhe der aus der Abwicklung der gekündigten Vertragsverhältnisse ... eingehenden Gelder im Namen und für Rechnung des Kunden einen Kaufvertrag/Kaufverträge mit der [[X.]] ... abzuschließen, und zwar in voller Höhe des [X.]. Mit der Übermittlung des jeweiligen Kaufvertragsangebots an die [[X.]] ... erklärt der Treuhänder zugleich die Rückabtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus den ... genannten Verträgen an den Kunden. Der Kunde erklärt bereits jetzt die Annahme der Rückabtretung. ... Der Treuhänder wird beauftragt, das [X.] unmittelbar an die [[X.]] ... zu überweisen und im Kaufvertrag die gewünschte Auszahlung ... zu vereinbaren. ...

§ 4 Vergütung

Der Treuhänder erhält für die in § 2 beschriebene Dienstleistungen ein Entgelt in Höhe von zwei Prozent bezogen auf das [X.]. ..."

7

Der Versicherungsnehmer kündigte den Bausparvertrag der Kläger und bot der [X.] sodann namens und im Auftrag der Kläger den Abschluss eines diesbezüglichen Kaufvertrages an. Die [X.] nahm das Angebot am 12. Oktober 2009 an. Das [X.], das der Versicherungsnehmer an die [X.] weiterreichte, betrug 7.515,45 €. In der Folgezeit zahlte die [X.] den Klägern bis März 2012 insgesamt 29 Monatsraten à 90,19 €, zusammen 2.615,51 €.

8

Im August 2012 untersagte die [X.] Bankenaufsicht der [X.] den Vertrieb ihrer Produkte wegen Verstoßes gegen das [X.] Bankengesetz, löste die [X.] auf und leitete ein Liquidationsverfahren ein. Im Februar 2013 wurde der Konkurs über das Vermögen der [X.] eröffnet.

9

Die Kläger nahmen den Versicherungsnehmer gerichtlich auf Schadensersatz in Höhe von 4.899,94 € in Anspruch. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, nach welchem der Versicherungsnehmer seine Freistellungs- und Zahlungsansprüche gegen die Beklagte an die Kläger abtrat.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Die schadenursächliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers sei nicht als versicherte anwaltliche Tätigkeit einzustufen. Zudem habe er wissentlich Pflichten verletzt.

Die Kläger sind der Auffassung, mit dem Versicherungsnehmer einen Anwaltsvertrag geschlossen zu haben. Daraus erwachsende Pflichten habe der Versicherungsnehmer fahrlässig verletzt, weshalb insoweit Versicherungsschutz aus der [X.] bestehe. Der Versicherungsnehmer habe die Wirksamkeit des Kaufvertrags mit der [X.] bei Vertragsschluss nicht geprüft. In Wahrheit sei dieser Vertrag nach § 134 BGB nichtig, da die Kläger mit der [X.] faktisch einen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erlaubnispflichtigen Darlehensvertrag geschlossen hätten und die [X.] dafür keine Bankerlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 KWG besessen habe. Der Versicherungsnehmer wäre verpflichtet gewesen, sie, die Kläger, jedenfalls über das Risiko einer möglichen Unwirksamkeit des Vertrags zu informieren. Zudem habe er die Plausibilität des Anlageprodukts der [X.] nicht überprüft und die Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass das Geschäftsmodell der [X.], ein "Schneeball-System", wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen sei.

Das Amtsgericht hat die Klage ab-, das [X.] die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

I[X.] Das Berufungsgericht hat die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als nicht versichert angesehen. Dies müssten sich die Kläger, die aus dem abgetretenen Recht des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagte vorgingen, auch entgegenhalten lassen.

Ob im Einzelfall eine versicherte "Tätigkeit als Rechtsanwalt" im Sinne von [X.] [X.] vorliege, sei durch Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen anhand der vom Senat im Beschluss von 23. September 2009 ([X.], [X.], 388) aufgestellten Maßstäbe zu beurteilen.

Das zunächst in § 1 [X.] weit gefasste Leistungsversprechen werde durch die Regelungen in der Risikobeschreibung ergänzt, konkretisiert und begrenzt. Dabei handele es sich bei dem in Ziffer I der Risikobeschreibung verwendeten Begriff der "freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt" nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit, wie aus der nachfolgenden abschließenden Aufzählung mitversicherter Tätigkeiten erkennbar werde. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne aus dieser Regelungssystematik erkennen, dass allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte klassische Kerntätigkeit des Rechtsanwalts versichert sei, wie sie auch in § 3 [X.] beschrieben werde.

Eine solche Tätigkeit liege hier nicht vor, der Versicherungsnehmer sei für die Kläger nicht "als Rechtsanwalt" tätig gewesen. Seine im Rahmen des [X.] erbrachten Leistungen zählten nicht zum Kernbereich anwaltlicher Tätigkeiten, sondern seien allein auf die treuhänderische Abwicklung des [X.] nach dem vorgegebenen Anlagesystem der [X.] gerichtet gewesen. Zwar könne auch ein Anwaltsvertrag zugleich typischerweise berufsfremde Tätigkeiten umfassen, falls sie in einem engen inneren Zusammenhang mit rechtsberatender Tätigkeit stünden und jedenfalls allgemein auch Rechtsfragen aufwerfen könnten. Das könne auch bei Anlageberatung der Fall sein, wenn dabei Rechtsfragen aufgeworfen würden und insofern eine entsprechende Beratung erforderlich sei. Ähnlich könne ein Anwaltsvertrag bei [X.] als Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft vorliegen, wenn der Rechtsanwalt - auch mittels Rechtsberatung - Belange der Anleger wahrnehme. Eine derartige Anlageberatung oder Treuhänderstellung sei zwischen dem Versicherungsnehmer und den Klägern hier aber nicht vereinbart gewesen. Seine Aufgabe habe sich auf die Vertragskündigung, den Abschluss des Kaufvertrages mit der [X.] und die Auskehrung des entgegengenommenen Geldes an Letztere beschränkt. Er habe weder rechtliche Fragen im [X.] geprüft noch die Kläger rechtlich beraten, was in § 1 des [X.] auch ausdrücklich ausgeschlossen worden sei.

Die bloße Abwicklung eines vorgegebenen Systems ohne eigene Entscheidungs- oder [X.] habe keinerlei rechtliche Qualifikation erfordert und gehöre nicht zur Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne der Risikobeschreibung. Aus Entscheidungen des [X.] (Urteil vom 9. November 1992 - [X.], [X.], 157) oder des [X.] ergebe sich nichts anderes.

Die Tätigkeit des Versicherungsnehmers sei auch nicht mitversichert, wie sich aus dem in [X.] [X.] enthaltenen abschließenden Katalog der mitversicherten Tätigkeiten ergebe.

Ob eine wissentliche Pflichtverletzung gemäß § 4 Ziff. V der Bedingungen begangen sei, könne nach allem dahinstehen.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

II[X.] Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen indes nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert hier nicht mehr die Zulassung der Revision, weil die Frage, wie bei der hier maßgeblichen Bedingungslage versicherte anwaltliche Tätigkeiten von nicht versicherten sonstigen Tätigkeiten eines Rechtsanwalts abzugrenzen sind, inzwischen durch die Senatsrechtsprechung hinreichend geklärt ist. Insoweit hat sich der Hinweis des Berufungsgerichts auf weitere beim Senat bereits anhängige Parallelverfahren erledigt.

a) Wie der Senat bereits in seinen Hinweisbeschlüssen vom 23. September 2015 ([X.], [X.], 388 Rn. 16) und vom 18. März 2020 ([X.], [X.], 397 und [X.], [X.], 1037, jeweils Rn. 29, 33 ff.) zur selben Bedingungslage dargelegt hat, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung einerseits der im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und andererseits der konkret vom Rechtsanwalt übernommenen Aufgaben beurteilt werden, ob eine versicherte berufliche Tätigkeit im Sinne des § 1 [X.] i.V.m. der [X.] vorliegt. Einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung ist diese Frage nicht zugänglich.

b) Die Revisionszulassung ist auch nicht aufgrund einer Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu drei Urteilen des [X.] vom 15. Dezember 2015 (12 U 100/15) und 17. Januar 2017 (12 U 160/15 und 12 [X.]) geboten, in denen der Versicherungsnehmer auf Klagen von Kunden jeweils zu Schadensersatz verurteilt worden ist. Denn das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen in [X.] ergangen sind und darin die Frage, ob der Versicherungsnehmer nach den Vorgaben seines Versicherungsvertrages anwaltlich tätig war, nicht anhand der hierfür maßgeblichen Versicherungsbedingungen geprüft worden ist.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg, weil das Berufungsgericht die Fallumstände ohne Rechtsfehler dahingehend bewertet hat, dass die [X.] des Versicherungsnehmers keine nach [X.] [X.] versicherte Tätigkeit darstellte.

a) Ob die vom Versicherungsnehmer aufgrund des [X.] übernommene Tätigkeit vom Versicherungsschutz erfasst wird, ist in erster Linie durch Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu ermitteln.

aa) Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers in dem betreffenden Versicherungszweig - hier eines Rechtsanwalts - ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.], 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom [X.] auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - [X.], [X.], 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).

bb) Ein Rechtsanwalt oder Notar als Versicherungsnehmer einer [X.] für Rechtsanwälte (und Notare) erkennt zunächst, dass einerseits der Begriff der versicherten beruflichen Tätigkeit in § 1 [X.] weit gefasst ist. Allerdings kann andererseits der Revision nicht darin gefolgt werden, dass damit auch jede anwaltliche Tätigkeit erfasst sei, selbst wenn sie nur untergeordnet neben einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt werde. Dem steht entgegen, dass - für einen Rechtsanwalt oder Notar als Versicherungsnehmer erkennbar - das zunächst weit gefasste Leistungsversprechen des § 1 [X.] durch die Regelungen in [X.] Nummern 1 bis 6 der [X.] eine Ergänzung erfährt, die den weiten Begriff der beruflichen Tätigkeit ausfüllt und damit zugleich das Leistungsversprechen konkretisiert und eingrenzt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer [X.] für Rechtsanwälte und Notare kann daher erst der Aufzählung in [X.] Nummern 1 bis 6 [X.] entnehmen, welche seiner beruflichen Tätigkeiten dem versprochenen Versicherungsschutz konkret unterfallen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 388 Rn. 20).

Dabei handelt es sich bei dem in [X.] [X.] verwendeten Begriff der "freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt" für den Versicherungsnehmer erkennbar nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit, weil unter den nachfolgenden Nummern 1 bis 6 als mitversichert eine Reihe von Tätigkeiten katalogartig aufgezählt wird, die häufig mit anwaltlicher Tätigkeit einhergehen und deshalb bei einem weiten Verständnis des Begriffes "Tätigkeit als Rechtsanwalt" keiner gesonderten Erwähnung bedürften (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 388 Rn. 21). Dieser Systematik kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer indes entnehmen, dass die gemäß [X.] [X.] versicherte freiberufliche "Tätigkeit als Rechtsanwalt" allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte "klassische" Tätigkeit des Rechtsanwaltes meint, wie sie auch in § 3 [X.] beschrieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 388 Rn. 21). Darin bestärkt den Versicherungsnehmer auch die Formulierung der "Tätigkeit als Rechtsanwalt" (anstelle von "Tätigkeit des Rechtsanwalts"), womit die [X.] im Kontext mit der Gegenüberstellung des - abgeschlossenen (vgl. [X.] a.E.) - Kataloges anderweitiger, mitversicherter Tätigkeiten ebenfalls zum Ausdruck bringt, dass [X.] [X.] nur die Kerntätigkeit des [X.] meint (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 388 Rn. 21).

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht unter Würdigung der Fallumstände, insbesondere der im Geschäftsbesorgungsvertrag beschriebenen Aufgaben des Versicherungsnehmers, angenommen, er habe hier weder eine solche Tätigkeit "als Rechtsanwalt" noch eine der in der [X.] gesondert genannten mitversicherten Tätigkeiten ausgeübt.

aa) Ohne Erfolgsaussicht beanstandet die Revision, die Frage, ob eine versicherte Tätigkeit im Sinne der [X.] vorliege, sei entgegen dem Berufungsgericht nicht nach dem Schwerpunkt des erteilten Auftrags, sondern allein danach zu beantworten, ob der schadenstiftende Pflichtenverstoß der klassischen Tätigkeit als Rechtsanwalt zuzuordnen sei.

Der Regelungstechnik der [X.] kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehmen, dass für die Entscheidung, ob eine Tätigkeit versichert ist, die gesamte Tätigkeit in den Blick genommen und als Ganzes bewertet werden muss. Das ergibt sich daraus, dass die in [X.] Nummern 1 bis 6 [X.] aufgezählten mitversicherten Tätigkeiten mittels berufsähnlicher Titulierungen gekennzeichnet sind, die jeweils eine Gesamtheit von Pflichten und Handlungen beschreiben sollen. Der abgeschlossene Katalog so bezeichneter mitversicherter Tätigkeiten wäre überflüssig, käme es stattdessen - wie die Revision meint - bei jeglicher Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Frage des Versicherungsschutzes allein darauf an, ob die jeweils konkret schadenstiftende Pflichtverletzung - gleichviel in welchen Rahmen sie (auch untergeordnet) eingebettet ist - als anwaltliche Handlung einzustufen ist. [X.] die Auslegung der Revision zu, hätte es für den [X.] nahegelegen, Versicherungsschutz generell zu gewähren, soweit der schadenstiftende Pflichtverstoß bei einer Rechtsberatung oder Prozessvertretung geschieht.

bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht entgegen dem Vorwurf der Revision hier auch nicht das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt. Es hat vielmehr den Inhalt des [X.] und die danach vom Versicherungsnehmer übernommenen Aufgaben, insbesondere die Verpflichtung zur Herbeiführung eines Kaufvertrages zwischen den Klägern und der [X.] durchaus zur Kenntnis genommen, diese Aufgaben im Hinblick auf die Bedingungslage des Versicherungsvertrages allerdings anders gewichtet als die Revision. Darin liegt kein Gehörsverstoß. Vielmehr erschöpft sich die Revision hier in dem unbehelflichen Versuch, der tatrichterlichen Würdigung der Fallumstände ihre eigene, vermeintlich bessere Würdigung entgegenzusetzen.

cc) Einen allgemeinen Rechtssatz, dass eine Rechtsdienstleistung bei der Verpflichtung zum massenhaften Abschluss vorgegebener Musterverträge niemals vorliege, hat das Berufungsgericht nicht aufgestellt, sondern lediglich die im Streitfall festgestellten konkreten Umstände für eine bedingungsgemäße Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht ausreichen lassen.

c) Ergänzend verweist der Senat auf seine Hinweisbeschlüsse vom 23. September 2015 ([X.], [X.], 388) und vom 18. März 2020 ([X.], [X.], 397 und [X.] Rn. 33 ff., [X.], 1037).

[X.]     

        

Felsch     

        

Harsdorf-Gebhardt

        

Dr. Götz     

        

Dr. Bommel     

        

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

IV ZR 349/19

27.01.2021

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG München I, 25. November 2019, Az: 26 S 8341/19

§ 3 BRAO, § 1 AVB/RA

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.01.2021, Az. IV ZR 349/19 (REWIS RS 2021, 9164)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9164

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 52/19 (Bundesgerichtshof)

Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: Abgrenzung der versicherten anwaltlichen Tätigkeiten von nicht versicherten sonstigen Tätigkeiten eines Rechtsanwalts


IV ZR 43/19 (Bundesgerichtshof)

Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwalts: Umfang der versicherten „freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt“


9 U 232/20 (Oberlandesgericht Köln)


25 U 623/18 (OLG München)

Ansprüche aus einer Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte


12 O 3989/17 (LG München I)

Keine Deckung in der Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte für Treuhandtätigkeit ohne eigene Prüfungsbefugnis


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.