Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2015, Az. VI ZR 416/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9716

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

16. Juni 2015

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 119 Abs. 1, [X.] § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a

a)
Nimmt ein behinderter Mensch an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen teil, wird durch die Aufnahme in die Werkstatt eine Rentenversicherungspflicht nach §
1 Satz
1 Nr.
2 Buchstabe
a SGB
VI begründet.

b)
Wenn der Rehabilitationsträger die Voraussetzungen für Leistungen im Ein-gangsverfahren und im Berufsbildungsbereich bejaht hat und der behinderte Mensch auf dieser Grundlage in die Werkstatt aufgenommen wurde, kann die [X.] anknüpfende -
und für die Legalzession nach §
119 Abs.
1 Satz
1 Halbsatz
1 SGB
X maßgebliche
-
Rentenversicherungspflicht nicht dadurch infrage gestellt werden, dass die der Aufnahme zugrunde liegende Prognose in Zweifel gezogen wird.

[X.], Urteil vom 16. Juni 2015 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
16. Juni
2015
durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Wellner
und
Stöhr
und [X.]innen
von Pentz
und Dr. Roloff

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das
Urteil des [X.] des [X.] vom 8. Oktober
2014 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der klagende
Rentenversicherungsträger
nimmt den Beklagten aus über-gegangenem
Recht des Geschädigten wegen ausgefallener Rentenversiche-rungsbeiträge
in Anspruch.
Der beklagte Kreis haftet dem Grunde nach als Krankenhausträger für den auf einem ärztlichen Versäumnis beruhenden Hirnschaden des Geschädig-ten, den dieser im Zusammenhang mit seiner Geburt am 1. Januar 1990 erlitt.
In den Jahren 2008 und 2009
nahm der Geschädigte zeitweise an einer Be-rufsbildungsmaßnahme in einer
Werkstatt
der Lebenshilfe
teil. Die
Maßnahme
wurde
am 15. September 2009 vorzeitig beendet, weil der Geschädigte nicht "werkstattfähig" war.
Mit der Behauptung, ohne den Hirnschaden hätte der Geschädigte
im [X.] aus einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ein Ein-kommen in Höhe von 29.821,50

die Klägerin vom Beklagten
1
2
3
-

3

-

Ersatz entgangener Rentenversicherungsbeiträge in
Höhe von 5.934,48

(29.821,50

verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr für die Zeit bis
zum 31. Dezember 2056 "im Rahmen der Übergangsfähigkeit nach §
116 [X.]"
die künftig an den Geschädigten zu erbringenden schadensbedingten Aufwendungen und gemäß §
119 [X.] die weiteren unfallbedingten Beitragsausfälle zu ersetzen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten nebst Zinsen herabgesetzt und die Feststellungen
auf den Zeitraum bis zum 31.
Dezember 2054 begrenzt. Die weitergehende Berufung hat es zurückge-wiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der dieser seinen Antrag auf Abweisung der Klage
weiter-verfolgt.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist
([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 -
7
[X.]/14),
hat ausgeführt, gemäß §
119 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 2 [X.] in der seit dem 1. Januar 2001 gelten-den Fassung, die nach §
120 Abs. 1 [X.] anwendbar sei,
seien Schadenser-satzansprüche
des Geschädigten auf Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen auf die Klägerin übergegangen. Der Geschädigte sei nach dem Schadenser-eignis nach §
1 Satz 1 Nr.
2 Buchstabe a [X.] versicherungspflichtig gewor-den, weil
er in einer Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des §
136 [X.] tätig gewesen sei. Tätig im Sinne des §
1 Satz 1 Nr.
2
Buchstabe
a [X.] in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen seien nicht nur die dem Arbeitsbereich (§
41 [X.]), sondern auch die dem [X.]
-

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-

ren und Berufsbildungsbereich (§
40 [X.]) zugeordneten
behinderten Men-schen.
Entgegen der Auffassung der Berufung sei §
119 [X.] auch
in Fällen, in denen eine Versicherungspflicht durch die Aufnahme eines nicht "werkstatt-fähigen"
Menschen begründet werde, nicht
entgegen seinem Wortlaut ein-schränkend auszulegen oder
teleologisch zu reduzieren. Der Beklagte könne dem Anspruchsübergang auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs ge-mäß
§
242 [X.] entgegenhalten. Jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, nicht auf den
ersten Blick davon ausgegangen werden könne, dass die Vorausset-zungen für die Aufnahme des Geschädigten in das Eingangsverfahren zweifels-frei nicht vorgelegen haben, liege
ein Rechtsmissbrauch nicht vor.
Hinsichtlich der Anspruchshöhe erscheine es angesichts der Ungewiss-heiten eines Arbeitslebens angemessen, von dem vom [X.] festgestell-ten fiktiven rentenversicherungspflichtigen Bruttogehalt einen Abschlag von 10
% vorzunehmen. Bei den
Feststellungsanträgen
sei von einem [X.] auszugehen (§
38 [X.]).

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung stand.
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
Klägerin
ge-gen den Beklagten aus übergegangenem Recht des Geschädigten nach §
119 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 2 [X.] in der seit dem 1. Januar 2001 gelten-den Fassung einen Anspruch auf Ersatz ausgefallener Beiträge zur [X.] des Geschädigten für das [X.] ([X.]) und die Folgejahre
(Feststellungsantrag)
hat.
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5

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1. a)
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats gehören Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Verliert ein solcher Arbeitnehmer auf Grund
einer verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Beschäftigung und entfällt deshalb die Beitragspflicht, muss der eintrittspflichtige Schädiger gemäß den §§
842, 843 [X.] die Nachteile ersetzen, die dem Geschädigten durch diese
Störung seines
Versicherungsverhältnisses entstehen.
Ist eine verletzungsbe-dingte Verkürzung späterer Versicherungsleistungen zumindest möglich, muss der Schädiger grundsätzlich schon bei Entstehung der Beitragslücken dafür sorgen, dass die [X.] Vorsorge fortgesetzt wird und eine Verkürzung
nicht eintritt. Zu diesem Zweck muss er, sofern das Rentenversicherungsrecht einen Weg zur Fortentrichtung von Beiträgen eröffnet,
die ausfallenden
Beiträge
er-setzen
(vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 1977 -
VI
ZR 21/76, [X.]Z 69, 347, 348
ff.; vom 15. April 1986 -
VI
ZR 146/85, [X.]Z 97, 330, 331 f.; vom 10. [X.] 1991 -
VI
ZR 29/91, [X.]Z 116, 260, 263; vom 10. Juli 2007 -
VI
ZR 192/06, [X.]Z 173, 169 Rn. 12; vom 18. Dezember 2007 -
VI
ZR 278/06, [X.], 513 Rn.
8
mwN).
Hingegen kann er den Geschädigten nicht darauf ver-weisen, diesem
bei Erreichen des [X.] selbst eine Altersversorgung zu gewähren. Denn ein
derartiger
schuldrechtlicher
Anspruch wäre einer Renten-anwartschaft in der Sozialversicherung wirtschaftlich nicht gleichwertig (vgl. Se-natsurteile
vom 10. April 1954 -
VI
ZR 61/53, [X.], 277, 278; vom 17.
Januar 1967 -
VI
ZR 91/65, [X.]Z 46, 332, 334 f.; vom 19. Oktober 1993
-
VI
ZR 56/93, [X.], 186, 187).
Diese Pflicht des Schädigers zur Erstat-tung von Rentenversicherungsbeiträgen
besteht
nicht nur, wenn der [X.] zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits Mitglied der Sozial-versicherung war, sondern auch dann, wenn
er, wäre es nicht zu dem [X.] Ereignis gekommen, eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenom-men hätte (vgl. Senatsurteile
vom 19. Oktober 1993 -
VI
ZR 56/93, VersR
1994, 9
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186;
vom 10. Juli 2007 -
VI
ZR 192/06, [X.]O Rn. 20; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung
2007, §
842 Rn.
65).
b) Besteht danach ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz von [X.] zur Rentenversicherung, so geht dieser
bei Vorliegen der Voraussetzungen des
§
119 Abs.
1 [X.] auf den Versicherungsträger über. Die Legalzession dient dazu
sicherzustellen, dass der Schaden
des Verletzten
durch Naturalresti-tution ausgeglichen wird, ohne dass es des [X.] über eine Geltendma-chung und anschließende Abführung durch den Versicherten
selbst bedarf (Se-natsurteile vom 25. Januar 2000 -
VI
ZR 64/99, [X.]Z 143, 344, 350 und
vom 18. Dezember 2007 -
VI
ZR 278/06, [X.]O
Rn.
9). Nach der seit dem 1. Januar 2001
geltenden Neufassung des §
119 [X.] durch das 4. [X.] vom 21. Dezember 2000 ([X.]l. I S. 1983)
geht der Anspruch nach Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 der Vorschrift anders als nach früherem Recht nicht mehr nur dann auf den Versicherungsträger
über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten in der [X.] nachweist
(Fall 1), sondern auch dann, wenn er nach dem Schadensereignis pflichtversichert wird (Fall 2; vgl.
dazu
BT-Drucks. 14/4375 S. 61; Kater in [X.] Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, §
119 [X.] Rn.
14 [Stand: Dezember 2014]). Liegen die Voraussetzungen des §
119 Abs.
1 [X.] vor, ist zugleich die Anspruchsvoraussetzung, dass das Rentenversicherungsrecht einen
Weg zur Fortentrichtung von Beiträgen eröffnen muss, erfüllt, weil die beim Versicherungsträger eingegangenen [X.] oder [X.] nach §
119 Abs.
3 Satz 1 [X.] in der Rentenversi-cherung als Pflichtbeiträge gelten.
2.
Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die Vorausset-zungen für den streitgegenständlichen Anspruch und seinen Übergang auf die Klägerin zu Recht bejaht.
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a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen ist der Geschädigte auf Grund des vom Beklagten zu vertretenden Hirnschadens
erwerbsunfähig, [X.] er ohne den Hirnschaden im
[X.] und in den Folgejahren einer ren-tenversicherungspflichtigen Beschäftigung (§
1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) nachge-gangen
wäre.
Es
ist zu erwarten, dass auf Grund des
verletzungsbedingten
Ausfalls der Beiträge Ansprüche des Geschädigten auf Leistungen der [X.] gemindert oder ganz entfallen werden.
Um solche Einbußen abzuwenden, muss der eintrittspflichtige Beklagte die ausgefallenen Beiträge ersetzen. Die für den [X.] maßgebliche Höhe der fiktiven Beiträge für das [X.] steht im Revisionsverfahren nicht mehr im Streit.
b) Der dem Geschädigten erwachsene Anspruch ist nach §
119 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 2 [X.] in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden
Fas-sung auf die
Klägerin
als Trägerin
der gesetzlichen Rentenversicherung über-gegangen. Diese Fassung der Vorschrift ist nach §
120 Abs.
1 [X.] anwend-bar, da das Schadensereignis nach dem 30. Juni 1983 eingetreten ist und am 1. Januar 2001 über den Sachverhalt noch nicht abschließend entschieden war. Danach liegen die Voraussetzungen für einen Anspruchsübergang vor. Denn der Geschädigte ist nach dem Schadensereignis in der gesetzlichen Renten-versicherung pflichtversichert geworden. Seine Aufnahme in die Werkstatt der Lebenshilfe hat eine Versicherungspflicht
nach §
1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe
a [X.]
begründet.
[X.])
Nach dieser Vorschrift sind behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen tätig sind, versicherungspflichtig.
[X.] sind
Werkstätten im Sinne des §
136 Abs.
1 [X.], die nach §
142 [X.] anerkannt sind
(vgl. Boecken in GK-[X.], §
1 Rn.
127 f. [Stand: Januar 2003]; [X.] in [X.] Kommentar, §
1 [X.] Rn.
18 [Stand: April
2015]; [X.], [X.], 131). Diese
sind gemäß
§
136 Abs. 1 Satz 1 [X.] Ein-12
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8

-

richtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben
und zur Ein-gliederung in das Arbeitsleben. Sie erbringen
Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich (§
40 [X.]) sowie
im Arbeitsbereich (§
41 [X.]). Die
Leistungen im Eingangsverfahren
erfolgen zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe am Arbeitsleben ist (§
40 Abs.
1 Nr.
1 [X.]).
Leistungen im Berufsbildungsbereich erhalten behinderte Menschen, wenn die Leistungen erforderlich sind, um sie
in die Lage zu verset-zen, wenigstens ein Mindestmaß
an
wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des §
136
[X.] zu erbringen

40 Abs.
1 Nr.
2 [X.]).
Die Einbeziehung behinderter Menschen in die [X.] gemäß §
1 Satz 1 Nr.
2 Buchstabe a [X.] knüpft -
ebenso wie die frühere Vorschrift des §
1 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinder-ter vom 7. Mai 1975 ([X.]l. I S. 1061, [X.]) und entsprechend den
Parallelvorschriften in
§
5 Abs.
1 Nr. 7 SGB V
und
§ 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]I
-
unabhängig von der Leistungsfähigkeit, vom Maß der erbrachten Leistung und von der Erzielung eines Entgelts
allein an die Tatsache der
Tätigkeit
in einer anerkannten Werkstatt an
(vgl. [X.], 187, 193; zu §
1 [X.]
vgl. [X.], 149, 151 ff.; BSG, [X.] 5085 § 1 Nr. 2 S. 3 ff.; [X.] 4100 § 58 Nr.
14 S. 23).
Unter
dieser Voraussetzung gelten
behinderte Menschen als Be-schäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung
(§ 1 Satz 4 [X.]), ohne dass es auf die Kriterien ankäme, die üblicherweise für ein sozialversiche-rungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis kennzeichnend sind (vgl. [X.], 138, 140
zu § 1 [X.]; BSG, [X.] 3-2500
§ 5 Nr. 19 S.
73
zu § 5 Abs.
1 Nr. 7 SGB V).
Zu den die [X.] Tätigkeiten gehört -
wie in den Materialien zum [X.] wurde
-
nicht nur der Einsatz im Arbeitsbereich, sondern auch die Teil-nahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und
im Berufsbildungsbereich (vgl. BT-Drucks. 11/4124 S. 148;
[X.], Urteil vom 25. Februar 15
-

9

-

2010 -
L 10 [X.]/[X.], juris Rn. 22; Boecken in GK-[X.], § 1 Rn. 130 [Stand: Januar 2003]; Fichte in [X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 76 [Stand: Juni 2009];
vgl. auch [X.], 197 Rn. 22 zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]I; BSG, [X.] 3-2500 § 44 Nr. 8 S. 16 ff. zu § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V;
[X.] 5085 § 1 Nr.
2 S. 3 ff. zu § 1 [X.]).
bb) Gemessen an
diesen Grundsätzen hat
das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass der Geschädigte
rentenversicherungspflichtig ge-worden ist. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde
er auf Grund einer Leistungsbewilligung der [X.] in die Werkstatt aufgenommen und hat dort an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich teilgenommen. Nach dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Rentenversicherungsverlauf wurden
für diesen Zeit-raum auch Rentenversicherungsbeiträge an die Klägerin abgeführt.
3.
Ohne Erfolg verweist die Revision auf den Vortrag des Beklagten, der Geschädigte
sei
von Anfang an und dauerhaft nicht "werkstattfähig"
gewesen. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht für unerheblich gehalten.
a) Allerdings stehen die Werkstätten behinderten Menschen nach §
136 Abs.
2 Satz 1 [X.] nur offen, sofern erwartet werden kann, dass diese
spä-testens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Insoweit ist
bereits vor der Aufnahme in das Eingangsverfahren eine [X.] zu fällen, ob diese Erwartungshaltung besteht
(vgl. BSG, [X.] 3-2500
§
5 Nr. 19
S. 74; [X.] in LPK-[X.], 4. Aufl., § 136 Rn.
14; Schramm
in jurisPK-[X.], 2.
Aufl., §
136 Rn.
27; [X.] in [X.]/
[X.], [X.], §
136 Rn.
33; [X.] in GK-[X.], §
40 Rn.
16 [Stand: Okto-16
17
18
-

10

-

ber 2011]). Wenn nämlich von vornherein feststeht, dass der behinderte Mensch die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Arbeitsbereich auch nach Teilnahme am Eingangsverfahren und nach dem Durchlaufen des [X.] nicht erfüllen wird,
hat er keinen Anspruch auf Förderung nach dem Sozialgesetzbuch
III und Aufnahme in das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich (vgl.
BSG, [X.] 3-4100 §
58 Nr.
6 S.
25; [X.], Urteil vom 23. Mai 2012 -
L 10 AL 8/11, juris Rn.
15,
21; LSG Niedersach-sen-Bremen, Urteil vom 23. September 2014 -
L 7 AL 56/12, juris Rn.
24; [X.], [X.], § 40 Rn.
16
[Stand: Mai 2013]; a.[X.], Werkstätten für behin-derte Menschen, 5.
Aufl., § 3 [X.] Rn. 15; vgl.
auch BSG, [X.] 3-2200 §
1237a Nr. 2 S. 6 zu
§ 1237a RVO).
b) Die Entscheidung, ob ein behinderter Mensch die Voraussetzungen für Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich erfüllt, ob-liegt aber dem für die Leistungsbewilligung zuständigen Rehabilitationsträger
(vgl. § 42 Abs. 1 [X.]), dem gegenüber der bei jeder Werkstatt zu bildende Fachausschuss eine Stellungnahme abgeben muss
(§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]). Wenn -
wie im Streitfall
-
der Rehabilitationsträger die Voraussetzungen bejaht
und der behinderte Mensch auf dieser Grundlage in das Eingangsverfah-ren aufgenommen wird (vgl.
§ 137 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]), kann die daran anknüpfende Versicherungspflicht
nicht dadurch infrage gestellt werden, dass die der Aufnahme zugrunde liegende Prognose in Zweifel gezogen wird.
Der Gesetzgeber wollte
bei der Einbeziehung der in Werkstätten [X.] behinderten Menschen
hinsichtlich der Versicherungspflicht
keine Unterschiede unter den Belegschaften machen (vgl. BT-Drucks. 7/1992 S. 13). Demgemäß stellen beide Tatbestände, welche die Versicherungspflicht von behinderten Menschen regeln (§ 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben
a und b [X.]),
für die Versicherungspflicht grundsätzlich auf eine institutionelle Abgrenzung in 19
20
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dem Sinne ab, dass die behinderten Menschen in gesetzlich näher bestimmten Einrichtungen tätig sein müssen
(vgl. Boecken in GK-[X.], § 1 Rn.
122 [Stand: Januar 2003]; Fichte in [X.]/[X.], [X.], §
1 Rn. 76 [Stand: Juni 2009]; vgl. auch BSG, [X.] 5085 § 1 Nr. 2 S. 3
zu § 1 [X.]). [X.] ist die Versicherungspflicht in anerkannten Werkstätten
für behinder-te Menschen oder in [X.] gemäß § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a [X.] an nichts weiter geknüpft als an die Tatsache, dass der Versicherte in einer der genannten Werkstätten tätig ist ([X.]/[X.]Buschmann/[X.], Handbuch der [X.], § 1 [X.] Rn.
79
[Stand: September 2011]).
Dieser
Absicht widerspräche es, wenn ein-zelne Teilnehmer an Maßnahmen von der Versicherungspflicht ausgenommen würden, weil ihre zukünftige Leistungsfähigkeit nachträglich in einem Haft-pflichtprozess
anders eingeschätzt würde
als vom Rehabilitationsträger
und dem die Empfehlung abgebenden Fachausschuss der Werkstatt. Zudem
kommt im Bereich der Versicherungspflicht der möglichst schnellen Feststellbarkeit und Klarheit der Verhältnisse eine besondere Bedeutung zu (BSG, [X.] 5085 § 1 Nr. 2 S. 5). Auch damit stünde es
nicht in Einklang, wenn sie entgegen dem Wortlaut des Gesetzes
nicht nur von der leicht feststellbaren Aufnahme eines behinderten Menschen in die Werkstatt,
sondern darüber hinaus von einer ei-genständigen
nachträglichen
Prognose seiner zu erwartenden
Arbeitsleistung abhängen könnte.
c) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Revision, die Beitragspflicht werde nicht bereits bei Aufnahme in das Eingangsverfahren "irreversibel"
[X.], sondern entfalle jedenfalls dann, wenn sich alsbald die Werkstattun-tauglichkeit des Betroffenen erweise. Richtig ist zwar, dass die [X.] endet, wenn eine ihrer
Voraussetzungen -
auch vorzeitig
-
wegfällt
([X.]/[X.]Buschmann/[X.], [X.]O
Rn. 90 [Stand: September 2011]), [X.] weil sich die fehlende "[X.]"
des behinderten Menschen [X.]
-

12

-

rausstellt
und er die Werkstatt verlässt. Jedoch kommt es für den Anspruchs-übergang nach § 119 Abs. 1 [X.] nicht auf eine bei Eintritt des Beitragsscha-dens fortdauernde Beitragspflicht an. Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1 [X.] reicht vielmehr sogar eine vor dem Schadensereignis beendete [X.] aus.
4. Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es auf die weitere [X.] nicht an.
Das Berufungsurteil ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Galke

Wellner

Stöhr

von Pentz

Roloff
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.04.2014 -
3 O 21/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.10.2014 -
7 [X.]/14 -

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Meta

VI ZR 416/14

16.06.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2015, Az. VI ZR 416/14 (REWIS RS 2015, 9716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9716

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