Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2017, Az. B 3 P 5/16 R

3. Senat | REWIS RS 2017, 1467

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Gegenstand

(Soziale Pflegeversicherung - Vorversicherungszeit für Leistungsgewährung - langjähriger Versicherungsnehmer der privaten Pflegeversicherung - Kündigung zwecks Herbeiführung der Familienversicherung - Auslegung des § 33 Abs 3 SGB 11 - Verfassungsmäßigkeit)


Leitsatz

Die Vorversicherungszeit für die Leistungsgewährung in der sozialen Pflegeversicherung ist nicht erfüllt, wenn ein langjähriger Versicherungsnehmer seine private Pflegeversicherung zwecks Herbeiführung der Familienversicherung verlässt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11. November 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erfüllung der Vorversicherungszeit für die Gewährung von Leistungen der [X.] Pflegeversicherung ([X.]).

2

Die Klägerin ist die Witwe des 1962 geborenen, während des Berufungsverfahrens verstorbenen Versicherten [X.], mit dem sie zur [X.] in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Der Versicherte, der an amyotropher Lateralsklerose litt, war vom 1.1.2001 bis 30.4.2013 ununterbrochen bei der [X.]) privat kranken- und pflegeversichert. Er kündigte diese Versicherung mit Schreiben vom [X.] "aus finanziellen Gründen" unter Hinweis darauf, dass seit 1.1.2013 bei der beklagten [X.] eine Familienversicherung bestehe. Nachdem die [X.] das Ende des Vertragsverhältnisses wegen der einzuhaltenden Kündigungsfrist zum 30.4.2013 bestätigt hatte, führte ab [X.] die Beklagte die [X.] durch und gewährte dem Versicherten - schließlich - Leistungen nach der [X.] von Mai 2015 bis zu seinem Tod am 28.2.2016.

3

Bereits mit Antrag vom 17.5.2013 hatte der Versicherte bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen aus der [X.] [X.] beantragt. Zu diesem Antrag führte die Beklagte nach Ermittlungen zum Pflegebedarf mit Schreiben vom [X.] aus, dass er nicht über die nötige Vorversicherungszeit von zwei Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre verfüge; da er erst "ab 1.1.2013" bei ihr versichert sei, könne er frühestens ab 1.1.2015 Leistungen aus der [X.] [X.] erhalten.

4

Mit seinem Widerspruch machte der Versicherte geltend, dass seine ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit bei der [X.] auf die Vorversicherungszeit in der [X.] [X.] gemäß § 33 Abs 3 [X.] angerechnet werden müsse; er gehöre zu den Personen, die wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der [X.] [X.] aus der privaten [X.] ausgeschieden seien.

5

Mit Bescheid vom 29.9.2014 sowie Schreiben vom selben Tag äußerte die Beklagte gegenüber dem Versicherten, dass seine Familienversicherung am [X.] beginne und die Vorversicherungszeit daher frühestens ab 1.5.2015 erfüllt sei. Seinen Widerspruch gegen die Ablehnung der Leistungsgewährung wies die Beklagte zurück, weil die Vorversicherungszeit aus einer privaten [X.] nur bei Eintritt von "Versicherungspflicht" anzurechnen sei, nicht aber bei Eintreten einer bei der [X.] durchzuführenden Familienversicherung (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014).

6

Das [X.] hat der auf "Leistungen der [X.] ab [X.]" gerichteten Klage stattgegeben, indem es die "Bescheide vom [X.] und 29.9.2014" in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, dem Versicherten Leistungen der [X.] nach Pflegestufe I vom [X.] bis [X.] zu gewähren. Dass bei der Ermittlung der Vorversicherungszeit die private [X.] bei der [X.] mit zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus § 33 Abs 3 [X.] in Zusammenschau mit § 27 [X.]. Dadurch sollten Nachteile im Hinblick auf die Vorversicherungszeit für diejenigen vermieden werden, die von ihrem Kündigungsrecht in der privaten [X.] Gebrauch machten. Das gelte auch für Versicherte, bei denen eine Familienversicherung eintrete, weil sie gleichermaßen ein außerordentliches Kündigungsrecht hätten. Das Ergebnis folge auch aus der Systematik des [X.] und der Gesetzesbegründung zu § 33 Abs 3 [X.]. Nach Ausübung des Kündigungsrechts bestehe Versicherungspflicht in der [X.] [X.] auch bei anschließendem Eintritt einer Familienversicherung, die selbst "eine Versicherungspflicht" darstelle bzw dieser gleichgestellt sei (Gerichtsbescheid vom 10.2.2016).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen: Das [X.] habe den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, der alleiniger Verfahrensgegenstand sei, nicht aufheben dürfen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs 3 [X.] - mit der Folge der Anrechnung der ununterbrochen in der privaten [X.] zurückgelegten Versicherungszeit auf die Vorversicherungszeit in der [X.] [X.] (§ 33 Abs 2 S 1 Nr 6 [X.]) - hätten bei dem Versicherten nicht vorgelegen. Er sei aus der privaten [X.] nicht "wegen des Eintritts von Versicherungspflicht" in der [X.] [X.] ausgeschieden, sondern habe seine Mitgliedschaft in der privaten [X.] selbst gekündigt und dadurch den Eintritt der Familienversicherung herbeigeführt. § 33 Abs 3 [X.] müsse mit Blick auf den vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Solidargemeinschaft in der [X.] [X.] restriktiv ausgelegt werden. Selbst wenn nach § 27 [X.] ein privater Pflegeversicherungsvertrag auch von Familienangehörigen oder Lebenspartnern gekündigt werden könne, für die eine Familienversicherung eintrete, handele sich dabei nicht um eine auf Versicherungspflicht beruhende Versicherung. § 27 und § 33 Abs 2 S 1 [X.] sowie § 205 Abs 2 [X.] ([X.]) unterschieden ausdrücklich zwischen einer Versicherung als Mitglied und einer Familienversicherung. Die Auslegung werde auch durch den Zweck des § 33 Abs 3 [X.] bestätigt, (nur) "Nachteile des einzelnen im Hinblick auf die in der [X.] [X.] vorgesehene Vorversicherungszeit ... (zu) vermeiden“. An der Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs fehle es, wenn lediglich die Voraussetzungen für eine Familienversicherung einträten (Urteil vom 11.11.2016).

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 33 Abs 3 [X.]. Sie macht geltend, der bei Eintritt in die [X.] [X.] bereits schwer pflegebedürftige Versicherte habe kein Einkommen mehr erzielen und daher (unfreiwillig) den Versicherungsschutz in der privaten [X.] nicht mehr aufrechterhalten können. Eine Familienversicherung stehe nach den gesetzlichen Regelungen dem Eintritt von Versicherungspflicht gleich. Derjenige, der in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) versichert sei, solle auch pflichtversichert in der [X.] [X.] sein; Gleiches folge aus § 20 Abs 1 S 1 iVm Abs 3 und § 27 Abs 1 S 1 [X.]. Nach der Entstehungsgeschichte des § 33 Abs 3 [X.] sollten zudem alle bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits Pflegebedürftigen grundsätzlich sofort in den Versicherungsschutz einbezogen werden; nur für Zuwanderer und Auslandsrückkehrer sei später zur Vermeidung einer Überforderung der Solidargemeinschaft eine Vorversicherungszeit geschaffen worden.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 10. Februar 2016 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Sie rügt eine fehlende hinreichende Auseinandersetzung der Revisionsbegründung mit den Entscheidungsgründen des L[X.]-Urteils. Von Pflegebedürftigkeit des Versicherten schon bei Eintritt in die [X.] [X.] könne nicht ausgegangen werden, weil er erst am 17.5.2013 Pflegeleistungen beantragt habe. Im Übrigen sei die Auslegung des § 33 Abs 3 [X.] durch das L[X.] zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten iS von § 56 Abs 1 S 1 [X.] zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigten und aktivlegitimierten Klägerin bleibt ohne Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht der beklagten Pflegekasse ist die Revision zulässig. Die in der Revisionsbegründung zweifelsfrei gerügte Verletzung des § 33 Abs 3 [X.] durch das [X.] genügt den Darlegungserfordernissen des § 164 Abs 2 [X.] [X.][X.] Die Bewertung der Überzeugungskraft der von der Klägerin gegen die ausführlich dargestellten Entscheidungsgründe des [X.] vorgebrachten Argumente ist nicht schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision vorzunehmen, sondern bei der Begründetheit.

2. Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet.

Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] zu Recht den Gerichtsbescheid des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Gewährung von Pflegeleistungen aus der [X.] [X.] vor dem [X.] nicht erfüllte. Die von dem Versicherten in der privaten [X.] zurückgelegte Versicherungszeit war nicht auf die Vorversicherungszeit in der [X.] [X.] anzurechnen.

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der [X.] vom [X.] in der Gestalt des Wi[X.]pruchsbescheides vom 10.12.2014, und zwar unbeschadet des rechtlich unerheblichen Umstandes, dass das Schreiben weder ausdrücklich als "Bescheid" bezeichnet wird noch eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Diesem Schreiben ist für einen verständigen Adressaten zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Beklagte dem Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen aus der [X.] [X.] nicht entsprach und damit eine ihm nachteilige Regelung traf; der Versicherte focht dieses Schreiben auch ausdrücklich mit einem Wi[X.]pruch an.

Dem Schreiben vom 29.9.2014, das das [X.] als weiteren angefochtenen Bescheid seinem Gerichtsbescheid zugrunde gelegt hat, ist für den hier streitigen Sachverhalt (= Leistungsgewährung aus der [X.] [X.]) keine Regelung zu entnehmen. Dieses Schreiben führt - ebenso wie ein weiteres Schreiben vom selben Tag - aus, dass die Familienversicherung des Versicherten erst am [X.] beginne. Es betrifft allein den versicherungsrechtlichen Status und enthält zur Frage der (abgelehnten) Leistungsgewährung keine neue Regelung.

b) Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide der [X.] zutreffend als rechtmäßig angesehen und den entgegenstehenden Gerichtsbescheid des [X.] aufgehoben. Der Versicherte hatte gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Pflegegeld (auch) für die streitige [X.] vom [X.] bis 30.4.2015, der auf die Klägerin als im Haushalt des Versicherten lebende Ehefrau und Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs 1 S 1 [X.] hätte übergehen können.

aa) Nach § 33 [X.] Nr 6 [X.] (hier anzuwenden in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung des [X.], [X.] ; soweit sonst nicht an[X.] gekennzeichnet, im Folgenden: [X.] jeweils in der grundsätzlich ab 1.1.1995 geltenden Ursprungsfassung des Gesetzes vom [X.], [X.] 1014) setzt ein Anspruch auf Leistungen der [X.] [X.] nach dem [X.] in der [X.] ab [X.] ua voraus, dass "der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre als Mitglied versichert oder nach § 25 [X.] familienversichert war" (Erfüllung der sog Vorversicherungszeit). Diese Voraussetzungen lagen bei dem Versicherten nicht vor.

Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 [X.]G) war der Versicherte noch bis 30.4.2013 bei der [X.] privat pflegeversichert und wurde erst vom [X.] an bei der [X.] in der [X.] [X.] im Wege der Familienversicherung (§ 25 [X.]) pflegeversichert. Er war auch sonst nicht zuvor als Mitglied in der [X.] [X.] versichert. Daher kamen Ansprüche gegen die Beklagte erst nach der erfüllten Wartezeit von zwei Jahren, also erst ab [X.] in Betracht. Von diesem [X.]punkt an wurden seitens der [X.] auch - wie außer [X.] ist - tatsächlich Leistungen bis zum Tode des Versicherten am 28.2.2016 gewährt.

bb) Zu Gunsten des Versicherten und der Klägerin greift die Gleichstellungsregelung des § 33 Abs 3 [X.] nicht ein. Nach dieser Regelung ist "Personen, die wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der [X.] [X.] aus der privaten [X.] ausscheiden", die in der privaten [X.] ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Vorversicherungszeit nach § 33 Abs 2 [X.] anzurechnen.

Auch diese Voraussetzungen liegen bei dem Versicherten nicht vor, denn er schied nicht "wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der [X.] [X.]" aus der privaten [X.] aus, sondern er kündigte seine Mitgliedschaft in der privaten [X.], um zu erreichen bzw mit der Folge, dass er über die Klägerin als seine Ehegattin nach § 25 Abs 1 [X.] (beitragsfrei) familienversichert wurde. Das Vorliegen der sonstigen tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Familienversicherung hat das [X.] festgestellt und haben die Beteiligten - insbesondere die Beklagte - nicht in Zweifel gezogen.

cc) Abweichend von der Ansicht der Klägerin und des [X.] findet bei dem Eingreifen einer Familienversicherung in der [X.] [X.] nach dem Ausscheiden aus einem zuvor in der privaten [X.] begründeten und bestehenden Versicherungsschutz weder unmittelbar noch sinngemäß ein "Eintritt von Versicherungspflicht" statt (im Ergebnis ebenso wohl [X.], in: [X.], [X.], 4. Aufl. 2015, § 33 RdNr 9; [X.] in [X.]/[X.], LPK-[X.], 5. Aufl 2018, § 33 RdNr 9; [X.] in [X.] Komm, § 33 [X.] RdNr 26 ; Baumeister in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Sozialrecht, § 33 [X.] Rd[X.]7b ; für den abschließenden Charakter der Regelung auch: Thüringer [X.] Beschluss vom [X.] [X.] - Juris RdNr 21; [X.] Baden-Württemberg Beschluss vom 26.2.1999 - L 4 P 2616/98 - Juris Rd[X.]6).

Dieses Ergebnis folgt aus einer Auslegung des § 33 Abs 3 [X.] nach seinem Wortlaut (dazu im Folgenden <1>), dem systematischen Zusammenhang der Regelung (dazu <2>) sowie ihrem Sinn und Zweck (dazu <3>); die Entstehungsgeschichte der Regelung lässt keinen Schluss auf gegenteilige Motive des Gesetzgebers zu (dazu <4>).

(1) Bei dem oben zitierten Wortlaut des § 33 Abs 3 [X.] fällt bereits auf, dass dort allein von einem "Eintritt von Versicherungspflicht in der [X.] [X.]" die Rede ist, nicht aber auch von einem Eingreifen der "Familienversicherung". Bei den in § 20 Abs 1 [X.] bis 12 [X.] (Überschrift: "Versicherungspflicht in der [X.] [X.] für Mitglieder der [X.]") und § 21 [X.] (Überschrift: "Versicherungspflicht in der [X.] [X.] für sonstige Personen") sowie § 24 [X.] (Überschrift: "Versicherungspflicht der Abgeordneten") genannten zahlreichen Tatbeständen über die "Versicherungspflicht in der [X.] [X.]" werden demgegenüber Familienversicherte nicht erwähnt; für den Bereich der Familienversicherung enthält das Gesetz in § 25 [X.] vielmehr eine gesonderte, detailliert ausgestaltete Regelung ohne eine Gleichstellung der Familienversicherung mit Fällen der Versicherungspflicht.

(2) Das Ergebnis der Auslegung nach dem Wortlaut wird bestätigt durch die Systematik der [X.] und der Sachverhalte über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht in §§ 20 ff [X.]. Insbesondere kann danach von einem bloßen Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesichts der stets die Versicherungspflicht und die Familienversicherung gesondert in den Blick nehmenden Gesamtsystematik der versicherungsrechtlichen Regelungen des [X.] nicht ausgegangen werden.

Dass es in der Überschrift des [X.]s des [X.] (= §§ 20 bis 27 [X.]) heißt "Versicherungspflichtiger Personenkreis" und in diesem Kapitel in § 25 [X.] auch die Familienversicherung geregelt ist, kann nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass die Familienversicherung lediglich einen Unterfall der Versicherungspflicht in der [X.] [X.] darstellt. Im [X.] ist nämlich sowohl die Versicherungspflicht in der [X.] [X.] geregelt als auch die Versicherungspflicht in der privaten [X.] (in § 23 [X.]) sowie ferner die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht (in § 22 [X.]) und Sonderformen der Versicherung außerhalb der Versicherungspflicht (= freiwillige Weiterversicherung nach § 26 [X.]; [X.] nach § 26a [X.]; Recht zur Kündigung eines privaten Pflegevertrags nach § 27 [X.]).

Diese fehlende Zuordnung der Familienversicherung zur Versicherungspflicht kommt auch in § 27 [X.] zum Ausdruck, der das Kündigungsrecht von Versicherungsnehmern der privaten [X.] regelt. Er unterscheidet ausdrücklich zwischen den in Satz 1 erfassten versicherungspflichtigen Personen nach § 20 oder § 21 [X.] einerseits und den in § 27 S 2 [X.] (idF durch das Gesetz vom [X.], [X.] 266) gesondert angesprochenen familienversicherten Personen andererseits ("auch für Familienangehörige ..., wenn für sie eine Familienversicherung nach § 25 eintritt"). Letztere werden den versicherungspflichtigen Personen insofern nur für einen Teilbereich - nämlich das Kündigungsrecht - ausdrücklich gleichstellt. Einer solchen Differenzierung hätte es nicht bedurft, wenn Familienversicherte ohnehin allgemein zum Kreis der Pflichtversicherten gehören würden. § 33 Abs 3 [X.] enthält eine solche Differenzierung demgegenüber nicht, sondern ist allein auf den "Eintritt von Versicherungspflicht" bezogen.

Gleiches kommt - worauf schon das [X.] hingewiesen hat - in einer Zusammenschau von § 33 [X.] [X.] und § 33 Abs 3 [X.] zum Ausdruck: Während die dem § 33 Abs 3 [X.] unmittelbar vorangehende Regelung in [X.] begrifflich ausdrücklich danach unterscheidet, ob der Versicherte "als Mitglied versichert" oder "nach § 25 familienversichert" war, um dann beides insofern gleich zu behandeln, findet sich eine solche zusätzliche Erwähnung der Familienversicherung in § 33 Abs 3 [X.] nicht.

Die gleiche Differenzierung liegt im Übrigen auch § 205 Abs 2 [X.] (idF des Gesetzes vom 23.11.2007, [X.] 2631; ab [X.] idF des [X.], [X.] 932) zugrunde, der die Kündigung des Versicherungsnehmers in der privaten [X.] regelt. § 205 [X.] [X.] sieht ein solches Kündigungsrecht für diejenigen Personen vor, die "kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig" geworden sind. Abs 2 [X.] bestimmt sodann kraft ausdrücklicher Regelung, dass der Versicherungspflicht (in der [X.] [X.]) ua der "gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung" gleichsteht. An einer entsprechenden Gleichstellungsregelung fehlt es indessen in § 33 Abs 3 [X.].

Im Übrigen werden die Familienversicherten auch gesondert hervorgehoben, soweit es den umgekehrten Fall des Übertritts eines Versicherten von der [X.] Pflegeversicherung als Versicherungsnehmer in die private Pflegeversicherung betrifft. Nach § 23 Abs 6 Nr 2 [X.] sind nämlich - wiederum kraft einer ausdrücklichen Regelung - die in der [X.] [X.] zurückgelegten Versicherungszeiten des Mitglieds und seiner nach § 25 "familienversicherten" Angehörigen auf die Wartezeit in der privaten Pflegeversicherung anzurechnen (vgl zu diesem Fall B[X.] [X.] 4-3300 § 33 [X.]).

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht kann vor allem nicht von einem allgemeinen, dem Recht der [X.] innewohnenden Grundsatz ausgegangen werden, dass derjenige, der vom Versicherungsschutz in der [X.] erfasst wird, ebenfalls - quasi "automatisch" - versicherungspflichtig in der [X.] [X.] ist. Zwar gilt grundsätzlich, dass das Versicherungsrecht der [X.] demjenigen der [X.] folgt, dies jedoch nicht ausnahmslos. Eine solche allgemeine Folgeregelung enthält vielmehr nur § 20 Abs 3 [X.], wonach freiwillige Mitglieder der [X.] in der [X.] [X.] versicherungspflichtig sind. Indessen fehlt es insoweit an einer vergleichbaren Regelung über die Auswirkungen der Familienversicherung in der [X.] auf die Pflichtversicherung in der [X.] [X.].

Abgesehen davon stellt indessen auch die Familienversicherung in der [X.] nach § 3 [X.], § 10 [X.]B V nicht etwa nur einen Unterfall der Versicherungspflicht dar. Es handelt sich dabei vielmehr auch dort um eine besondere, in der Regel gegenüber Versicherungspflichttatbeständen nachrangige - beitragsfreie - Form des Versicherungsschutzes, insbesondere für Ehepartner und Kinder, die für die Begünstigten zwar zu eigenständigen Leistungsansprüchen führt, nicht aber etwa auch zu einer Pflichtmitgliedschaft bei einer Krankenkasse (vgl [X.] in JurisPK-[X.]B V, 3. Aufl 2016, § 10 RdNr 5, 7, 9; [X.] in [X.] Komm, § 10 [X.]B V RdNr 3, 4, ). Der Kreis der Familienversicherten bildet insoweit neben den Pflichtversicherten und den freiwillig Versicherten eine eigenständige - dritte - Versichertengruppe (so [X.], aaO, § 5 RdNr 2).

(3) Das bisherige Auslegungsergebnis folgt auch aus Sinn und Zweck des § 33 Abs 3 [X.].

Die in der [X.] [X.] erforderliche Vorversicherungszeit ist vergleichbar dem Charakter einer - etwa auch in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung vorgesehenen - vor der Leistungsgewährung zu erfüllenden Warte- bzw Anwartschaftszeit (vgl zB [X.] in: [X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl 2017, § 33 [X.] RdNr 69 ff). Eine derartige Anspruchsvoraussetzung ist in der Sozialversicherung regelmäßig verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl [X.] 122, 151, 190 = [X.] 4-2600 § 237 [X.]6 RdNr 66 ff). Der Regelung speziell des § 33 Abs 3 [X.] lag allgemein der Gedanke zugrunde, dass die Anrechnung von Vorversicherungszeiten aus der privaten [X.] Nachteile des Einzelnen vermeiden sollte, die sich im Hinblick auf die in der [X.] [X.] vorgesehene Vorversicherungszeit ergaben (so - allgemein - Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.]/[X.] und [X.], zum Entwurf eines Gesetzes zur [X.] Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit , BT-Drucks 12/5262, [X.] Zu § 29 Zu Absatz 3). Diese Erwägungen haben dann allerdings gleichwohl nicht zu einer umfassenden Gleichstellung der Vorversicherungszeit aus der [X.] und der privaten [X.] geführt, sondern zu der oben dargestellten differenzierenden Gesetzesfassung: Das Gesetz erkannte die Vorversicherungszeit aus der privaten [X.] nicht uneingeschränkt und voraussetzungslos an, sondern (nur) unter zeitlichen Einschränkungen und mit der Maßgabe, dass der Betroffene wegen des Eintritts von "Versicherungspflicht in der [X.] [X.]" aus der privaten [X.] ausscheidet und dass die Versicherung in der privaten [X.] zuvor "ununterbrochen" bestand.

Daraus, dass in den Jahren 2007/2008 bei der Schaffung des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der [X.] ([X.]) in den Gesetzesmaterialen zu § 33 Abs 3 [X.] ausgeführt wird, auf eine Vorversicherungszeit in der [X.] [X.] könne nicht ganz verzichtet werden, "um die Belastungen für die Solidargemeinschaft in Grenzen zu halten" (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum genannten Gesetz, BT-Drucks 16/7439, [X.]4 Zu [X.]5 <§ 33> Zu Buchstabe b, folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - nichts Gegenteiliges. Diese Begründung hebt sogar gerade hervor, dass nur der "Krankenversicherungsschutz" aufgrund der Neuregelungen des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes "ab Versicherungsbeginn ohne Vorversicherungszeiten wirksam" werde, dass dies aber auf die [X.] nicht übertragen werden solle. Wenn sodann in der Begründung in Bezug auf die Geltung der Vorversicherungszeit in der [X.] Zuwanderer und Auslandsrückkehrer explizit genannt werden, bedeutet dies schon deshalb nicht, dass einzig dieser Personenkreis erfasst sein sollte, weil es dort nur (beispielhaft) heißt, "insbesondere" im Hinblick auf den genannten Personenkreis sei an einer Vorversicherungszeit weiter festzuhalten.

Die Beschränkung der Anrechnung von Versicherungszeiten aus der privaten [X.] auf Fälle des Eintritts von "Versicherungspflicht in der [X.] [X.]", wird im Übrigen daraus erklärbar, dass es eines zwingenden Nachteilsausgleichs aus mehreren Gründen nicht bedarf, wenn durch die Ausübung des Kündigungsrechts lediglich die Voraussetzungen für eine Familienversicherung in der [X.] [X.] eintreten: Während der Eintritt von Versicherungspflicht in der [X.] [X.] kraft Gesetzes - also unabhängig vom Willen des Betroffenen - eintritt und typischerweise Beitragspflichten nach sich zieht, bestehen im Falle der Kündigung der zunächst begründeten privaten [X.] Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten des Versicherten: Er kann zum einen - was den "Normalfall" und die Konsequenz der ursprünglich vorgenommenen Systemzuordnung entweder zur [X.] oder zur privaten [X.] darstellt - ohne einen Systemwechsel die Versicherung in der jahrelang bei seinem Versicherungsunternehmen durchgeführten privaten [X.] fortführen; sodann kann er bei Eintritt des Versicherungsfalls der Pflegebedürftigkeit die gesetzlich bzw versicherungsvertraglich vorgesehenen Leistungen dort beantragen und in Anspruch nehmen, ohne dass einer zeitnahen Leistungsgewährung das Erfordernis der Erfüllung einer (weiteren) Wartezeit entgegenstünde. Entsprechend hätte auch der Versicherte die nun von der [X.] begehrten Pflegeleistungen bei der [X.] bei Eintritt seiner Pflegebedürftigkeit beantragen und nach Feststellung der gesundheitlichen Anspruchsvoraussetzungen zeitnah von dieser erhalten können. Das aber ist nicht geschehen.

Will ein Betroffener - wie der Versicherte hier - demgegenüber seinen Wunsch nach künftiger Inanspruchnahme der beitragsfreien Familienversicherung in der [X.] [X.] (§ 56 Abs 1 [X.]) durchsetzen, muss er (quasi als Kompensation für die damit verbundene Beitragsfreiheit) vor der [X.] in der [X.] [X.] dort zunächst eine neue zweijährige Wartezeit nach § 33 Abs 2 [X.] zurücklegen, bevor er Anspruch auf Leistungen aus der [X.] [X.] hat.

Eine vormals in der privaten [X.] versicherte und dann in der [X.] [X.] (kraft Gesetzes) versicherungspflichtig werdende Person ist demgegenüber nicht in einer vergleichbaren Situation. Eine in der [X.] [X.] versicherungspflichtig werdende Person (zB wegen Aufnahme einer Beschäftigung) hat kein Wahlrecht, das demjenigen eines Versicherten mit Ansprüchen aus der Familienversicherung vergleichbar ist, und muss nach dem Wechsel in die [X.] [X.] dort - an[X.] als ein Familienversicherter - kraft der Versicherungspflicht sogleich auch Beitragsleistungen aufwenden (vgl §§ 54, 58 [X.]). Schon diese Unterschiede rechtfertigen angesichts des weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sachlich die durch § 33 Abs 3 [X.] herbeigeführte ungleiche Behandlung von ursprünglich privat versicherten Personen, die in der [X.] [X.] versicherungspflichtig werden (einerseits), und den ursprünglich privat versicherten Personen, die anschließend in der [X.] [X.] die beitragsfreie Familienversicherung in Anspruch nehmen (andererseits).

(4) Die Gesetzgebungsgeschichte zu § 33 Abs 3 [X.] steht der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Die Materialien sprechen begünstigend nur den Eintritt von "Versicherungspflicht" in der [X.] [X.] an und erwähnen die Familienversicherung dabei nicht. Für die Auslegung im Kontext des vorliegenden Revisionsverfahrens (= Gleichstellung von Familienversicherung und Pflichtversicherung in Bezug auf die Anrechnung der Vorversicherungszeit aus der privaten [X.]) sind die Gesetzesmaterialien daher unergiebig. In der Begründung zu § 29 Abs 3 des Entwurfs (aaO, BT-Drucks 12/5262, [X.] Zu § 29 Zu Absatz 3), dem § 33 Abs 3 [X.] entspricht, wird insoweit als ein typischer Beispielsfall gerade auch nur die Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit und Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hervorgehoben.

Aus dem von der Klägerseite in Bezug genommenen Umstand schließlich, dass auch alle bei Inkrafttreten des [X.] in den Jahren 1995/1996 bereits pflegebedürftigen Personen grundsätzlich sofort in den Versicherungsschutz gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit einbezogen sein sollten, lässt sich nichts für die Beantwortung der vorliegend streitigen Frage herleiten, wie es sich nach dem im Jahr 2013 geltenden Versicherungs- und Leistungsrecht der [X.] [X.] verhält, wenn ein jahrzehntelang der privaten [X.] unterliegender Versicherungsnehmer in die Familienversicherung der [X.] [X.] wechseln möchte.

4. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 3 P 5/16 R

30.11.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Heilbronn, 10. Februar 2016, Az: S 8 P 101/15, Gerichtsbescheid

§ 33 Abs 3 SGB 11, § 33 Abs 2 S 1 Nr 6 SGB 11 vom 28.05.2008, § 27 S 2 SGB 11 vom 16.02.2001, § 25 Abs 1 SGB 11, § 23 Abs 6 Nr 2 SGB 11, PflegeWEG, § 205 Abs 2 S 1 VVG 2008 vom 23.11.2007, § 205 Abs 2 S 5 VVG 2008 vom 23.11.2007, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2017, Az. B 3 P 5/16 R (REWIS RS 2017, 1467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1467

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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