Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2015, Az. XII ZB 407/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2548

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 407/12

vom

11. November 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 514 Abs. 2 Satz 1, 233 Fd
Ein Rechtsanwalt darf die Eintragung von Fristen und Terminen grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen (im [X.] an [X.] Beschluss vom 22.
April 2009 -
IV
ZB 22/08 -
RuS 2009, 393).
[X.], Beschluss vom 11. November 2015 -
XII ZB 407/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 11.
November 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer
16 des [X.] vom 4.
Juni 2012 wird
auf Kosten der Kläger verworfen.
[X.]: 7.000

Gründe:
I.
Die Kläger begehren in Rückabwicklung eines mit der Beklagten ge-schlossenen Vertrags, der als Mietvertrag für Kontore, gewerbliche Räume und Grundstücke
bezeichnet ist,
Zahlung von 7.000

Im Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 25.
Oktober 2011 ist für die Kläger niemand
erschienen, weshalb auf Antrag des Beklagtenvertreters ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil ergangen ist. Gegen das Versäumnisurteil haben die Kläger Einspruch eingelegt. In dem zunächst auf den 31.
Januar 2012 und später auf den 24.
Februar 2012 verlegten Termin zur Verhandlung über den Einspruch und über die Hauptsache ist für die Kläger abermals nie-mand
erschienen.
Daraufhin ist der Einspruch durch zweites [X.]
verworfen und durch [X.] über die von der
Beklagten inzwischen erhobene Widerklage entschieden worden.
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3
-
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung haben die Kläger vorgetragen: Der Verhandlungstermin sei unverschuldet versäumt worden. Die Umladung zum Termin sei am 27.
Januar 2012 bei ihrem Prozessbevollmächtigten [X.]. Entsprechend der von diesem durchgängig praktizierten und stichpro-benartig kontrollierten Übung hätte der Termin im Terminkalender notiert und dies auf der Ladung mit dem Namen der notierenden Person vermerkt werden müssen. Danach wäre die Akte dem Prozessbevollmächtigten vorzulegen ge-wesen. Im vorliegenden Fall sei die Notierung auf der Ladung durch die Auszu-bildende
K. erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte habe das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und anhand des Vermerks auf der Ladung kontrolliert, dass der Termin eingetragen sei. Dies sei aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Auszubilden-de sei zwar in ihren allgemeinen Leistungen nicht gut gewesen.
Hinsichtlich der Notierung von Terminen und anderen einfachen Formalitäten habe sie aber seit zwei Jahren durchgängig fehlerlos gearbeitet. Deshalb habe der [X.] sicher davon ausgehen können, dass die Notierung auch erfolgt sei. Eine Kontrolle anhand des Terminkalenders sei aus diesem Grund nicht erfolgt. Mangels Eintragung im Kalender sei die Akte nicht zum Termin vorge-legt worden.
Das [X.] hat die Berufung verworfen und
soweit im [X.] noch von Bedeutung
zur Begründung ausgeführt: Die Klä-ger hätten keine Umstände vorgetragen, die eine unverschuldete Verhinderung im Einspruchstermin begründeten. Vielmehr sei nach ihren Ausführungen von einem Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten auszugehen, weil dieser die Notierung des Termins einer Auszubildenden überlassen habe. Dem Vorbringen sei auch nicht zu entnehmen, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst eine Überprüfung der von der betreffenden Auszubildenden notierten Fristen und Termine vor-nehme.
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4
-
4
-
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, soweit der [X.] Beschluss die Berufung gegen das zweite [X.] [X.].

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt sind und die Kläger nicht aufzuzeigen vermögen, dass eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§
574 Abs.
2 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig [X.]. Nach §
514 Abs.
2 Satz
1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§
345 ZPO), der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäu-mung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei ([X.]
Beschluss vom 6.
Oktober 2011 -
IX
ZB 148/11
-
NJW-RR 2011, 1692 Rn.
5 mwN). Die [X.] ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ([X.] Urteil vom 22.
März 2007 -
IX
ZR 100/06
-
NJW
2007, 2047 Rn.
6 mwN).
Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzu-lässig zu verwerfen
([X.] Beschluss vom 6.
Oktober 2011 -
IX
ZB 148/11
-
NJW-RR 2011, 1692 Rn.
5).

5
6
7
-
5
-
2. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der anwaltlichen
Organisation in Bezug auf die Eintragung von Terminen nicht überspannt und ausgehend von dem Vortrag der Kläger zutref-fend ein diesen nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes
Organisationsverschul-den ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein
voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von [X.] betrauen (Senatsbeschluss vom 9.
Juli 2014
XII
ZB
709/13
FamRZ 2014, 1624 Rn.
12 mwN). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnah-men sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das [X.], die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenar-tige Kontrolle des Personals ([X.] Beschluss vom 22.
April 2009

IV
ZB
22/08

RuS 2009, 393 Rn.
8
mwN).
b) Die Fristeintragung und -überwachung darf allerdings grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen werden, denen die notwendige Erfahrung fehlt ([X.] Beschluss vom 22.
April 2009
IV
ZB 22/08
RuS 2009, 393
Rn.
8; Senatsbeschlüsse vom 11.
September 2007
XII
ZB
109/04

FamRZ
2007, 2059 Rn.
16 und vom 15.
November 2000
XII
ZB
53/00

FuR 2001, 273, 274 mwN). Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen
anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen 8
9
10
-
6
-
in den [X.] reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Eintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im [X.] mit der [X.] erforderlich ([X.] Beschluss vom 22.
April 2009
IV
ZB
22/08
RuS 2009, 393 Rn.
8; Senatsbeschlüsse vom 11.
September 2007
XII
ZB
109/04

FamRZ 2007, 2059 Rn.
16
und vom 15.
November 2000
XII
ZB
53/00
FuR 2001, 273, 274 mwN).
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gelten insofern für die Eintragung von Terminen durch Auszubildende nach der Rechtsprechung des [X.] keine geringeren Anforderungen. Ein Auszubildender darf auch nicht damit betraut werden, bereits vom Rechtsanwalt vorgegebene Fristen in den Kalender einzutragen, ohne dass die ordnungsgemäße Erledi-gung jeweils anhand der Akten überprüft wird ([X.] Beschluss vom 22.
April 2009

IV
ZB
22/08
uS 2009, 393
Rn.
2, 8
f.). Zwischen der kalendermäßigen Eintragung von konkret vorgegebenen
Fristen
einerseits und Terminen ande-rerseits besteht hinsichtlich der hieran zu stellenden Anforderungen kein [X.], der es rechtfertigen würde, bezüglich des Umfangs der erforderlichen [X.] zu differenzieren. In dem einen wie dem anderen Fall gilt vielmehr, dass in jedem Einzelfall eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit eines Auszubildenden gewährleistet sein muss, sei es durch den Anwalt selbst oder durch hierzu geeignete Angestellte.
d) Diesem Erfordernis genügt der von den Klägern dargelegte Organisa-tionsablauf in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten nicht. Es ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass der
Auszubildenden
K. die Eintragung des Termins wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund
übertra-gen wurde. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger, dass 11
12
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7
-
die Erledigung der Aufgabe nicht anhand von [X.] und [X.] wurde.
Dose [X.] Klinkhammer

Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2012 -
48 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 04.06.2012 -
316 [X.]/12 -

Meta

XII ZB 407/12

11.11.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2015, Az. XII ZB 407/12 (REWIS RS 2015, 2548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2548

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XII ZB 171/23

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XII ZB 407/12

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