Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.11.2010, Az. VII R 7/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 1798

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Gegenstand

Aussetzung autonomer Zollsätze für Lithium-Ionen-Akkumulatoren


Leitsatz

NV: Nach Sinn und Zweck der für bestimmte Lithium-Ionen-Akkumulatoren gewährten Zollaussetzung spricht nichts dafür, dass der festgelegte Mindestdurchmesser von 18,1 mm im Fall einer Zollbeschau mit Messinstrumenten zu prüfen ist, die im visuell nicht mehr wahrnehmbaren Bereich eines 1/100 mm oder gar eines 1/1000 mm zu messen imstande sind, und dass ein Akkumulator, dessen Maße im vorgenannten Bereich von der Vorgabe abweichen, nicht mehr dem Typ von Akkumulator entspricht, für den die Zollaussetzung vorgesehen ist .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin meldete im August 2007 Lithium-Ionen-Akkumulatoren unter dem [X.] 8507 80 30 30 zur Überführung in den freien Verkehr an und beantragte die Gewährung einer Zollaussetzung unter besonderer Verwendung. Seinerzeit beschrieb der [X.] 8507 80 30 30 Lithium-Ionen-Akkumulatoren, in zylindrischer Form, mit einer Länge von 64,6 mm oder mehr, einem Durchmesser von 18,1 mm oder mehr, mit einer Nennkapazität von 1 200 mA/Stunden oder mehr, zum Herstellen wieder aufladbarer Batterien. Für Waren dieser Art waren nach der Verordnung ([X.]) Nr. 1255/96 des Rates vom 27. Juni 1996 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des [X.] für bestimmte gewerbliche und landwirtschaftliche Waren ([X.]) in der Fassung der ([X.] ([X.]) Nr. 1897/2006 ([X.] 1897/2006) des Rates vom 19. Dezember 2006 ([X.]) die Zölle in der [X.] vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2008 ausgesetzt.

2

Das [X.] nahm die Zollanmeldung an und entnahm der Warensendung zwei Muster als Probe und zwei weitere Muster als Rückstellprobe. Die Untersuchung der Probe durch die [X.] Prüfungs- und Lehranstalt ([X.]) führte mit Einreihungsgutachten vom 11. Februar 2008 zur Einreihung beider Muster in den [X.] 8507 80 30 90, da Durchmesser der Akkumulatoren von weniger als 18,1 mm, nämlich 18,08 mm bzw. 18,06 mm gemessen worden waren. Das [X.] erhob daraufhin den für Waren dieses [X.]s nicht ausgesetzten Zoll nach. Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin wies das [X.] zurück, nachdem auch eine Vermessung der Rückstellprobe durch die [X.] Durchmesser von weniger als 18,1 mm ergeben hatte.

3

Nach Klageerhebung ergab eine nochmalige Vermessung der Proben für zwei Warenmuster Durchmesser von 18,1 mm oder mehr, für die beiden anderen Muster dagegen Durchmesser von weniger als 18,1 mm (nämlich 18,09 mm). Das [X.] reduzierte daraufhin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 23. Februar 2009 den nacherhobenen [X.] auf die Hälfte.

4

Die hinsichtlich des Änderungsbescheids aufrechterhaltene Klage wies das [X.] ([X.]) ab. Es urteilte, dass die Ergebnisse der [X.] für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren gälten, das [X.] somit zu Recht die Hälfte der eingeführten Akkumulatoren als Waren des [X.]s 8507 80 30 90 angesehen habe, für welche die Zölle nicht ausgesetzt gewesen seien. Das angewandte Messverfahren sei nicht zu beanstanden. Anders als die Klägerin meine, sei nicht der gemessene Maximalwert, sondern der aus den Ergebnissen einer Messreihe ermittelte arithmetische Mittelwert maßgeblich.

5

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass zum einen der jeweils gemessene Maximalwert maßgeblich sei und zum anderen die im Streitfall durchgeführten Messungen jedenfalls nicht verwertbar seien, weil sie bei einer falschen Umgebungstemperatur vorgenommen worden seien und es an einer exakten Beschreibung der Messmethode sowie der [X.] fehle.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des [X.] vom 23. Februar 2009 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Dieser Bescheid, der gemäß § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

7

Wie sich aus der vom [X.] sinngemäß in Bezug genommenen Anlage zum Einfuhrabgabenbescheid vom 23. Februar 2009 ergibt, hat das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der [X.] (vormals [X.]) die vier der [X.] entnommenen Proben hinsichtlich des für die Zollaussetzung vorgeschriebenen Mindestdurchmessers von 18,1 mm mit Hilfe eines Instruments vermessen, welches das ermittelte Maß mit noch zwei weiteren Dezimalstellen anzeigt, es also auf den 1/1000 mm genau angibt. Da anschließend dieser Wert zur nächst höheren Dezimalstelle gerundet wurde, hat das [X.] im Ergebnis für die Frage, ob die Proben der [X.] die Voraussetzungen der Zollaussetzung erfüllten oder nicht, Abweichungen ihres Durchmessers im Bereich von 1/1000 mm für entscheidend gehalten. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

8

Der Senat geht vielmehr [X.] wie der [X.] (Urteil vom 1. Juni 1995 [X.] --Analog Devices--, Slg. 1995, [X.], [X.] 1995, 549)-- davon aus, dass die nach den Zollvorschriften unter Umständen nicht eindeutig zu beantwortende Frage, inwieweit eine Ware mit den in einer Zollaussetzungsvorschrift beschriebenen Beschaffenheitsmerkmalen übereinstimmen muss, um in den Genuss der Zollaussetzung zu kommen, nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Aussetzungsvorschrift zu beantworten und deshalb zu prüfen ist, ob eine festgestellte Abweichung Einfluss auf die Funktion der Ware hat, die Gegenstand eines besonderen Schutzes im Hinblick auf die Gemeinschaftsproduktion sein soll.

9

Hinsichtlich der in der [X.] 1897/2006 mit (u.a.) bestimmten Mindestmaßen beschriebenen [X.] ex [X.]. 8507 80 30 der Kombinierten Nomenklatur, für welche mit dieser Verordnung der Zoll zeitweise ausgesetzt wurde, gibt es keine Vorschriften über das bei der Prüfung der Beschaffenheitsmerkmale anzuwendende Messverfahren, die Auskunft geben, mit welchem Grad der Genauigkeit die Einhaltung der vorgeschriebenen Abmessungen festzustellen ist.

Auch aus dem Sinn und Zweck der mit der [X.] 1897/2006 für bestimmte [X.] gewährten Zollaussetzung lässt sich nicht folgern, dass der festgelegte Mindestdurchmesser von 18,1 mm im Fall einer Zollbeschau mit Messinstrumenten zu prüfen ist, die im visuell nicht mehr wahrnehmbaren Bereich eines 1/100 mm oder gar eines 1/1000 mm zu messen imstande sind. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es für die in der [X.] mit Hilfe der Zollaussetzung zu schützende bzw. zu fördernde Herstellung wieder aufladbarer Batterien gerade darauf ankommt, dass die hierfür verwendeten [X.] nicht um 1/100 mm oder 1/1000 mm von dem in der Verordnung angegebenen Durchmesser abweichen.

In Anbetracht des Zustandekommens von Zollaussetzungen geht der Senat davon aus, dass die Wirtschaftsbeteiligten, die für [X.] eine entsprechende Eingabe an die zuständige Stelle ihres Mitgliedstaats gemacht haben, einen für die Herstellung wieder aufladbarer Batterien verwendeten bestimmten Typ von Akkumulator vermessen und diese Maße weitergegeben haben, ohne dass insoweit --wie bereits ausgeführt-- Anhaltspunkte erkennbar sind, dass bei Abweichungen von dem gemessenen Durchmesser, die im Bereich von 1/100 mm oder 1/1000 mm liegen, der betreffende Akkumulator dem für die Herstellung wieder aufladbarer Batterien verwendeten Typ nicht mehr entspricht.

Wäre es hingegen darauf angekommen, dass die zu begünstigenden Akkumulatoren auch und gerade in dem Bereich unterhalb eines 1/10 mm nicht von der Vorgabe abweichen dürfen, hätte es nahe gelegen, dies durch die Maßangabe 18,10 mm auszudrücken sowie Vorschriften über die anzuwendende Messmethode und die bei Anwendung dieser Methode zu gewährleistenden Messbedingungen zu erlassen. Denn im Bereich von 1/100 mm oder 1/1000 mm können die Messergebisse durch verschiedene Faktoren wie z.B. die bei der Vermessung herrschenden Laborbedingungen beeinflusst werden, was auch das [X.] einräumt und was im Streitfall die unterschiedlichen Ergebnisse der ersten Messung und der nach Klageerhebung vorgenommenen Nachvermessung erklären kann.

Meta

VII R 7/10

02.11.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 18. Dezember 2009, Az: 4 K 202/08, Urteil

EGV 1255/96, EGV 1897/2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.11.2010, Az. VII R 7/10 (REWIS RS 2010, 1798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1798

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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