Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2012, Az. NotSt (Brfg) 6/11

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2012, 4387

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BUNDESGE[X.]ICHTSHOF

BESCHLUSS
NotSt([X.]) 6/11

vom

23. Juli
2012

in dem Disziplinarverfahren

-
2
-

Der [X.], [X.], hat durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]ichterinnen [X.] und von [X.], die Notarin Dr.
Doyé sowie den Notar Müller-Eising

am 23. Juli 2012

beschlossen:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Se-nats für Notarsachen des [X.] vom 29.
November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ein Zulas-sungsgrund ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die [X.]echtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch bestehen ernstliche Zwei-fel an der [X.]ichtigkeit des angefochtenen Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1, 3 VwGO, §
64 Abs.
2 Satz 2 [X.], §
105
[X.]).
1. [X.] ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
a) Eine [X.]echtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine ent-scheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige [X.]echtsfrage [X.], die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und des-1
2
3
-
3
-

wegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwick-lung und Handhabung des [X.]echts berührt
(vgl. Senatsbeschluss vom 18.
Juli 2011 -
NotZ([X.]) 10/10, [X.] 2012, 53 [X.]n.
21; [X.]/[X.], VwGO, 18.
Aufl., §
124 [X.]n.
10; Meyer-Ladewig/[X.]udisile in [X.]/[X.]/[X.], VwGO, 22. Ergänzungslieferung 2012, §
124 [X.]n.
30
ff.; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 4.
Juli 2002 -
V
ZB 16/02, [X.]Z 151, 221, 223
f.; vom 8.
Februar 2010 -
II
Z[X.] 156/09, NJW-[X.][X.] 2010, 978). [X.] ist eine [X.]echtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeu-tung einer [X.]echtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten be-stehen u.a. dann, wenn in der [X.]echtsprechung oder
Literatur unterschiedliche Meinungen zu ihrer [X.]eichweite vertreten werden (vgl. Meyer-Ladewig/[X.]udisile, [X.]O [X.]n.
32; vgl. auch [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2010 -
II
Z[X.] 156/09, NJW-[X.][X.] 2010, 978; [X.], NJW-[X.][X.] 2009, 1026 [X.]n. 12; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
543 [X.]n.
7, jeweils mwN).
Dies gilt aber nicht, wenn ab-weichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2010 -
II
Z[X.] 156/09, NJW-[X.][X.] 2010, 978; [X.], NJW-[X.][X.] 2009, 1026 [X.]n.
14). Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage, deren Beantwortung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2012 -
NotZ([X.]) 8/11, juris [X.]n. 3; [X.],
NJW 1986, 2205).
b) Danach hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob die an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten aufgrund der in §
64a [X.] i.V.m. §
26 Abs.
2 [X.] getroffenen
[X.]egelung eine erzwingbare Mitwirkungs-verpflichtung trifft, ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich unmittelbar aufgrund des Gesetzes beantworten und ist in [X.]echtsprechung und Literatur nicht um-stritten.
Nach dem Wortlaut des §
26 Abs.
2 [X.] "sollen"
die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Diese Formulierung macht deutlich, dass den Beteiligten keine rechtlich durchsetzbare Mitwirkungsverpflichtung 4
-
4
-

auferlegt
werden sollte, deren Erfüllung im Wege der Vollstreckung erzwungen oder deren Nichterfüllung disziplinarrechtlich geahndet werden könnte (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Kallerhoff, [X.], 7.
Aufl., §
26 [X.]n.
46
f.; [X.]/[X.], [X.], 10.
Aufl., §
26 [X.]n.
40; Eylmann/V[X.]sen/Starke, [X.], [X.], 3.
Aufl., §
64a [X.]n.
5; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
64a [X.]n.
3; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9.
Aufl., §
64a [X.]n.
4; vgl. auch [X.], Beschluss vom 22.
Mai 2000 -
1
DB 8/00, [X.] 235 §
92 BDO-Nr.
4).
§
26 Abs.
2 [X.] ist im bewussten Gegensatz zu §
93 Ab-gabenordnung 1977 als an den
Bürger gerichtete "Soll"-Vorschrift gestaltet worden. Durch sie ist
lediglich eine
Mitwirkungslast begründet worden, deren Nichterfüllung nur
mittelbar nachteilige [X.]echtsfolgen hat (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Kallerhoff, [X.]O [X.]n.
47
mwN). So dürfen allein aus der feh-lenden Mitwirkung des Betroffenen noch keine für ihn unmittelbar nachteiligen
Schlussfolgerungen gezogen werden (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]O; Eylmann/V[X.]sen/Starke, [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O [X.]n.
43). Die Behörde kann eine unterlassene Mitwirkung des Beteiligten aber im [X.]ahmen der Be-weiswürdigung berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Mai 2000 -
1
DB 8/00, [X.] 235 §
92 BDO-Nr.
4; [X.]/[X.]/[X.]/Kallerhoff, [X.]O [X.]n.
52). Insbesondere können ihm [X.], deren Gewährung
er beantragt hat,
versagt werden, wenn sich der Sachverhalt infolge einer [X.] Mitwirkung nicht hinreichend klären lässt (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.]O; Eylmann/V[X.]sen/Starke, [X.]O; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]O).
2. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der [X.]ichtigkeit des an-gefochtenen Urteils (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO i.V.m. §
105 VwGO).
a) Das [X.] hat zu [X.]echt angenommen, dass
bereits der objektive Tatbestand des dem Kläger zur Last gelegten Dienstvergehens nicht 5
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-
5
-

erfüllt
ist. Der Kläger hat nicht dadurch gegen ihm obliegende Amtspflichten verstoßen, dass er entgegen §
64a Abs.
1 [X.] i.V.m. §
26 Abs.
2 [X.] an der Aufklärung des Sachverhalts nicht ausreichend mitgewirkt hätte. Wie unter Ziff. 1 ausgeführt wird dem an einem Verwaltungsverfahren beteiligten Notar durch die genannten Bestimmungen keine Amtspflicht zur Mitwirkung auferlegt, deren Nichterfüllung disziplinarrechtlich geahndet werden könnte.
Ein anderes Verständnis dieser Normen ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht in Hinblick auf die Bestimmung in §
93 Abs.
4 Satz
1 [X.] geboten.
Denn anders als die als Sollvorschrift gestaltete [X.]egelung des §
64a Abs.
1 [X.]
i.V.m.
§
26 Abs.
2 [X.]
ordnet §
93 Abs.
4 [X.]
ausdrücklich eine Verpflichtung des Notars an, den Aufsichtsbehörden bei der Prüfung und Über-wachung der Amtsführung Amtshilfe zu leisten und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.
Juli 1986 -
NotZ 7/86, [X.] 1987, 438; vom 14.
Dezember 1992 -
NotZ 3/91, [X.] 1993, 465). [X.] als [X.]echtspflichten müssen vor dem Hintergrund des [X.] durch Gesetz begründet werden (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/Kallerhoff, [X.]O [X.]n.
46).
b) Entgegen der Auffassung des Beklagten wird die mit
der Klage ange-griffene Disziplinarverfügung vom 12.
Mai 2011 auch nicht von der weiteren Begründung getragen, der Kläger habe wissentlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht.
[X.]) Zwar ist der
Notar verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zu ma-chen, wenn er sich äußert. Er darf die Aufsichtsbehörde nicht belügen. Diese Wahrheitspflicht folgt aus seiner Stellung als Organ der [X.]echtspflege sowie aus §
14 Abs.
3 Satz
1 [X.], wonach sich der Notar
durch sein Verhalten inner-halb und außerhalb seines Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem [X.] entgegengebracht werden, würdig zu zeigen
hat. Auch wenn der 7
8
-
6
-

Notar rechtlich nicht verpflichtet ist, sich zu äußern, müssen
seine Angaben, wenn er sie denn macht, richtig
sein; sie dürfen auch nicht den irrigen Eindruck erwecken, als seien sie vollständig (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 13.
Dezember 1971 -
NotSt ([X.]) 3/70, [X.] 1973, 174, 176; vom 29.
Oktober 1973 -
NotSt ([X.]) 2/73, [X.] 1975, 53, 54; vom 5.
März 2012 -
NotZ([X.]) 13/11, NJW-[X.][X.] 2012, 632
[X.]n.
11
f.; vom 10.
März 1997 -
NotZ 22/96, [X.] 1997, 894 [X.]n.
14; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O, §
95 [X.]n.
18; vgl. auch [X.], Urteil vom 27.
Februar 1978 -
AnwSt([X.]) 13/77, [X.]St 27, 374 [X.]n.
28; [X.]/[X.], Ge-samtkommentar öffentliches Dienstrecht, 14. Ergänzungslieferung III.
81, J
970).
bb) Es kann offen bleiben, ob der Beklagte -
der dem Kläger die Verlet-zung der Wahrheitspflicht erstmals in der angegriffenen Disziplinarverfügung vorgeworfen hat
-
das Disziplinarverfahren vor Erlass der Disziplinarverfügung gemäß §
96 Abs.
1 Satz 1 [X.], §
19 Abs.
1 [X.] auf diesen Vorwurf hätte ausdehnen, die Ausdehnung aktenkundig machen und anschließend gemäß den §§
20
ff. [X.] hätte verfahren müssen (vgl. dazu Urban/[X.], [X.], §
19 [X.]n.
2, 5).
cc) Denn
wie das
[X.] zutreffend angenommen
hat, kann
ein Verstoß des [X.] gegen die ihm obliegende Wahrheitspflicht nicht bejaht werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten rechtfertigt das Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen nicht die Annahme, der Kläger habe ihm gegen-über wissentlich falsche oder den irrigen Eindruck der Vollständigkeit erwe-ckende Angaben gemacht.
(1) Der Kläger hatte mit Schreiben vom 10.
März 2010 beantragt, die verhängte Geldbuße ratenweise bei der Gerichtskasse einzahlen zu dürfen, und zur Begründung ausgeführt, dass seine Einkommensverhältnisse es ihm er-laubten, monatliche [X.]aten in Höhe von 500

9
10
11
-
7
-

2.
Juni 2010 hatte
er ausgeführt, dass es ihm aufgrund seiner "derzeitigen wirt-schaftlichen Situation"
nicht möglich gewesen sei, die offenen [X.]aten für die Monate April und Mai 2010 zu bezahlen. Nach dem Ergebnis der vom [X.] durchgeführten Ermittlungen steht nicht fest, dass diese Angaben des [X.] unzutreffend waren. Ebensowenig steht fest,
dass die von ihm durch Vor-lage von Einnahme-
und Überschussrechnungen für die [X.] von
Januar 2009 bis Mai 2010, des Jahresabschlusses für 2009 sowie durch Auflistung seiner geschäftlichen und privaten Verbindlichkeiten gemachten Angaben zu seinen Einkommens-
und Vermögensverhältnissen unzutreffend oder unvollständig
waren.
(2)
Entgegen der Auffassung des Beklagten erlaubt
das Ergebnis der Ermittlungen
auch
nicht die Schlussfolgerung, dass entweder die Angaben des [X.] in seinen Schreiben vom 10.
März und 2.
Juni 2010 falsch oder die nachfolgende Darstellung seiner Einkommens-
und Vermögensverhältnisse unvollständig und unrichtig gewesen sein müsse. Denn die Erklärungen des [X.] stehen nicht notwendigerweise im Widerspruch zueinander. [X.] des von [X.]LG Dr.
L.

erstellten Vermerks über das Gespräch mit dem Kläger vom 15.
Juni 2010 hatte dieser seine Angaben, es sei ihm aufgrund [X.] wirtschaftlichen Situation nicht möglich gewesen, die offenen [X.]aten für April und Mai 2010 zu zahlen, damit begründet, dass sein Dispositionsrahmen durch anderweitige Ausgaben ausgeschöpft gewesen sei. Es erscheint durchaus möglich, dass der Kläger in den Monaten März bis Mai 2010 einen vorüberge-henden Liquiditätsengpass hatte, weil er erhebliche
Ausgaben -
beispielsweise zu privaten Zwecken
-
getätigt hatte, denen keine Leistungsverpflichtung zu-grunde lag.
Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger -
wie ihm in der Disziplinarverfügung zur Last gelegt wird
-
vorsätzlich
falsche oder den irri-12
13
-
8
-

gen Eindruck der Vollständigkeit erweckende Angaben gemacht hat.
Auf die Möglichkeit den Kreditrahmen ausschöpfender anderweitiger Angaben hatte er hingewiesen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
105 [X.], §
77 Abs.
1 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO.

Galke
[X.]
von [X.]

Doyé
Müller-Eising

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 29.11.2011 -
2 X
(Not) 11/11
-

14

Meta

NotSt (Brfg) 6/11

23.07.2012

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2012, Az. NotSt (Brfg) 6/11 (REWIS RS 2012, 4387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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