Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2019, Az. V ZR 210/18

V. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3106

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[X.]:[X.]:BGH:2019:270919UVZR210.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
210/18

Verkündet am:

27. September 2019

Weschenfelder

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 2. September 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
Kazele, die Richterin [X.] und [X.]
Hamdorf

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 10. August 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende eingetragene Verein ist Eigentümer einer [X.], die 2008 zu [X.] ausgebaut wurde und an der weit über 100 Grund-stücke einer Wohnsiedlung anliegen. Das Grundstück der Beklagten ist [X.] seit 2012 über die [X.] erschlossen. Das [X.]ngrundstück wurde mit einer Vielzahl von Grunddienstbarkeiten (Geh-, Fahr-
und Leitungsrechte) zu-gunsten der jeweiligen Eigentümer der [X.] belastet. Die Be-stellung und Eintragung einer
Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beklagten erfolgte im Oktober 2017.
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Ende 2011 schloss der Kläger mit einer [X.] einen Vertrag über die Verwaltung des Vereinsgeländes nebst der [X.]. Die Vereinbarung wurde rückwirkend zum 1. Januar 2015 durch ei-nen Vertrag über die Verwaltung der [X.] und der Mitgliederbeiträge ersetzt.

Der Kläger hat von der Beklagten auf der Grundlage von Abrechnungen die Zahlung anteiliger Kosten für die Jahre 2012 bis 2015 in Höhe
von insge-Ferner hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erreichen wollen, sich ab dem [X.] an den notwendigen Kosten für die Unterhaltung und Verwaltung der [X.] zu beteiligen. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur [X.] von 744,95

Kosten der Wartung und Reinigung sowie des Stromverbrauchs einer Hebean-lage, der Schnee-
und Eisbeseitigung sowie des Stromverbrauchs der [X.]n-beleuchtung entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beru-fung des [X.], mit der er die abgewiesenen anteiligen Verwaltungs-
und Kontoführungskosten sowie die Kosten für die Haftpflichtversicherung in Höhe von [X.] hat, ist ebenso wie die Anschlussberufung der Beklagten erfolglos geblie-ben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückwei-sung die Beklagte beantragt, will der Kläger die Stattgabe seiner Klageanträge hinsichtlich dieser drei Kostenpositionen erreichen.
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Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, ein Zahlungsanspruch komme, da die For-derungen
den [X.]raum vor Eintragung der Grunddienstbarkeit beträfen,
nur auf der Grundlage von § 670, § 683 Satz 1 [X.] in Verbindung mit §
917 [X.] in Betracht. Das Grundstück der Beklagten könne nur über die im Eigentum des [X.] stehende [X.] erreicht werden. Es habe auch keine eigene Verbin-dung zu einem öffentlichen Wasserkanal. Da das Grundstück zu Wohnzwecken genutzt werde, seien
ein entsprechender Zugang und eine entsprechende [X.] zu einer Abwasserentsorgung erforderlich. Dies rechtfertige die (ent-sprechende) Anwendung des [X.]erechts. Daher könne der Kläger nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag den Ersatz seiner Auf-wendungen verlangen, solange die Geschäftsführung dem mutmaßlichen Wil-len der Beklagten entsprochen habe. Dies betreffe nur die Kosten, die der ei-gentlichen Unterhaltung der [X.] einschließlich der Abwasserhebeanlage dienten. Hierunter fielen hingegen nicht die Kosten für die Verwaltung, die Haft-pflichtversicherung und die Kontoführung. Die Haftpflichtversicherung diene nicht der Unterhaltung der Anlagen oder der Erfüllung von [X.], sondern allein dem Interesse des [X.] als Eigentümer der [X.] im Fall einer möglichen Haftung gegenüber Dritten und damit seiner finanziellen Absicherung im Schadensfall. Auch seien weder die Verwaltungskosten noch die Kontoführungsgebühren Kosten, die der Unterhaltung der Anlage dienten. Dies ergebe sich, soweit die [X.] bis einschließlich 2014 betroffen sei, aus dem Leistungskatalog in § 3 Abs. 1 des zunächst abgeschlossenen [X.]. Dessen Gegenstand betreffe in weiten Teilen vereinsinterne [X.] und Aufgaben. Er diene daher allein der Wahrnehmung von [X.]
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sen des [X.]. Selbst wenn die Übertragung von Verwaltungsaufgaben als Wahrnehmung der der Beklagten als [X.]eberechtigten obliegenden Pflich-ten verstanden würde, entspreche doch die Einschaltung eines Verwalters nicht deren Willen. Sie habe mit ihren Widersprüchen gegen die Abrechnungen zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Abschluss des [X.] nicht einverstanden sei. Zwar sei ein entgegenstehender Wille des Geschäfts-herrn in den Fällen des § 679 [X.] unbeachtlich. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung lägen hier aber nicht vor.

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt sich hinsichtlich der streitgegenständlichen drei Kostenpo-sition dem Grunde nach aus einer entsprechenden Anwendung von § 745 Abs.
2, §§ 748, 742 [X.].

1. Der [X.] hat für den Fall, dass die Berechtigten einer Grunddienst-barkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt sind, entschieden, dass sie voneinander in entsprechender Anwendung von § 745 Abs. 2 [X.] eine Regelung verlangen können, wonach die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird, wenn anders eine geord-nete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die
Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in ei-nem solchen Fall entsprechend §§ 748, 742 [X.] anteilig die [X.] und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V [X.], NJW 2019, 2615 Rn.
10
f., 14 f.).
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2. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und dem [X.]-
bzw. Notleitungsberechtigten.

a) Der Nachbar ist nach Wortlaut und Zweck des § 917 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks zur Herstellung der Verbindung mit einem öffentlichen Weg verpflichtet, nicht aber zur [X.]. Es ist daher Sache des [X.]berechtigten, den [X.] auf seine
Kosten herzustellen und zu unterhalten (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Dezember
2008

[X.]/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 25; Urteil vom 6.
April 1995

III
ZR
27/94, NJW-RR 1995, 911, 913 f.). Daher trifft ihn auch die Verkehrssicherungspflicht ([X.], Urteil vom 22.
April 2016 -
V [X.], [X.], 640 Rn. 26; [X.]/[X.], [X.], 15.
Aufl., § 917 [X.], Rn. 7; [X.]/[X.],
[X.] [2016], §
917 Rn.
36). Auch im Falle eines Notleitungsrechts, das sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 917, 918 [X.] ergibt (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 2018 -
V [X.], NJW-RR 2019, 78 Rn. 8 mwN), trifft den Berechtigten die Pflicht zur Herstellung und Unterhaltung der Leitun-gen und Anlagen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 2008 -
V
ZR 172/07, [X.], 165 Rn. 24).

b) Bei einer Mitbenutzung des Wegs, der Leitungen und sonstiger Anla-gen durch den duldungspflichtigen Grundstückseigentümer ist anerkannt, dass die Unterhaltungskosten anteilig von
ihm
und den [X.]-
bzw. [X.] zu tragen
sind. Insoweit liegt -
nicht anders als bei der Mitbenutzung von Anlagen des Grundstückseigentümers durch einen Dienstbarkeitsberechtig-ten ([X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V [X.], NJW 2019, 2615 Rn. 14 f.; Urteil vom 12. November 2004 -
V [X.], [X.], 115, 122 f.) -
ein ge-meinschaftsähnliches Rechtsverhältnis vor ([X.], Urteil vom 22. April 2016

V
[X.], [X.], 640 Rn. 27; Urteil vom 12. Dezember 2008 7
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V
ZR
106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 25), das
die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts rechtfertigt. Sind die [X.]-
bzw. Notleitungsberechtigten, die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Ei-gentümer des mit diesen Rechten belasteten Grundstücks zu der [X.] Mitbenutzung von Anlagen auf diesem Grundstück befugt, können sie voneinander in entsprechender Anwendung von § 745 Abs. 2 [X.] eine Rege-lung über die Erfüllung der Unterhaltungspflichten verlangen, wobei entspre-chend §§
748, 742 [X.] eine anteilige Kostentragungspflicht zum Tragen kommt.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte gegenüber dem Kläger ent-sprechend §§ 748, 742 [X.] zur anteiligen Tragung der Kosten verpflichtet, weil die Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten für die
Anlagen durch ihn ent-sprechend § 745 Abs. 2 [X.] billigem Ermessen entspricht.

a) Dass die Beklagte als [X.]-
und Notleitungsberechtigte zur Unter-haltung der von ihr zusammen mit dem Kläger und den Dienstbarkeitsberechtig-ten genutzten Anlagen verpflichtet ist, greift sie im Rahmen des [X.] nicht an. Die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten durch eine Person entspricht im vorliegenden Fall billigem Ermessen. Die
[X.] und die in ihr verlegten Leitungen dienen der Erschließung einer Wohn-siedlung und weisen eine erhebliche räumliche Ausdehnung aus. Ihnen kommt zudem eine wesentliche funktionale Bedeutung für die Erschließung der Wohn-siedlung zu. Da neben der Beklagten als [X.]-
und Notleitungsberechtigte weit über 100 Dienstbarkeitsberechtigte vorhanden sind, bedarf daher die Erfül-lung der Unterhaltungspflicht einer einheitlichen Regelung. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass die Unterhaltungspflichten durch ein koordiniertes Vorgehen ordnungsgemäß und effektiv erfüllt werden.
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b) Auch kann der klagende Verein auf der Grundlage seines revisions-rechtlich zu unterstellenden Vortrages verlangen, dass die [X.] allein durch ihn erbracht werden. Danach hat der Kläger die [X.] für die Anlagen, zu deren Nutzung die [X.] be-fugt sind, seit ihrer Erstellung wahrgenommen. Nach der Bestellung der Grund-dienstbarkeiten ist diese Praxis fortgesetzt worden. Das Zustandekommen
einer Vereinbarung scheiterte nicht daran, dass der Kläger die Unterhaltungspflichten wahrnimmt, sondern an Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Umfangs und der Höhe der umgelegten Kosten. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Erfüllung der Unterhaltungspflichten durch den Kläger nicht sachge-recht ist oder nicht ordnungsgemäß erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass es auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten und der [X.] jedenfalls bislang billigem Ermessen entspricht, dass der klagende Verein die Unterhaltungspflichten wahrnimmt.

c) Der Kläger kann von der Beklagten dem Grunde nach die anteilige Tragung der Vergütung der beauftragten [X.], der Kosten des Girokontos und der Haftpflichtversicherung verlangen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V
[X.], NJW 2019, 2615 Rn. 21 f.).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entschei-den, weil noch Feststellungen zur Höhe der Kostentragungspflicht zu treffen 12
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sind. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] weist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hin:

1. In Bezug auf die Kosten der von dem Kläger beauftragten [X.] können nur Kosten für Tätigkeiten umgelegt werden, die im Zusammenhang mit den Unterhaltungspflichten erforderlich sind. Die Verwaltung von Grundstücken, die nicht mit Grunddienstbarkeiten belastet sind oder auf denen kein [X.] besteht, sowie von Vermögenswerten, die nicht im Zusammenhang mit der Unterhaltungspflicht stehen, fällt nicht hierunter. Dies gilt auch für Mitgliedsbeiträge,
es sei denn, diese werden für die Unterhaltung der [X.] verwandt.

2. Die Kosten für die Führung des Girokontos sind anteilig nur erstat-tungsfähig, wenn dieses ausschließlich für die Abwicklung von Zahlungen ge-nutzt wird, die mit den Unterhaltungspflichten in Zusammenhang stehen.
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3. Die Kosten der Haftpflichtversicherung sind nur dann anteilig von der Beklagten zu tragen, wenn sie das Risiko der Verletzung von Unterhaltungs-
und Verkehrssicherungspflichten durch den klagenden Verein abdeckt und [X.] im Ergebnis auch die Beklagte als Unterhaltungs-
und damit Verkehrssiche-rungspflichtige
schützt. Hingegen besteht keine anteilige Kostentragungspflicht, soweit die Haftpflichtversicherung Risiken erfasst, die mit den [X.] der Beklagten nicht in Zusammenhang stehen.
[X.] Schmidt-Räntsch Kazele

[X.] Hamdorf

Vorinstanzen:

[X.][X.], Entscheidung vom 07.11.2016 -
4 [X.]/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 10.08.2018 -
55 [X.]/16 -

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Meta

V ZR 210/18

27.09.2019

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2019, Az. V ZR 210/18 (REWIS RS 2019, 3106)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3106

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 343/17

V ZR 189/15

V ZR 308/17

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