Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. VII B 119/15

7. Senat | REWIS RS 2016, 17066

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Gegenstand

Keine Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten - Regelungsanordnung


Leitsatz

1. NV: Gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des Finanzamts, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, ist der Finanzrechtsweg gegeben .

2. NV: Eine rechtsmissbräuchliche Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland nur zum Schein kann einen Verstoß gegen den ordre public darstellen und einer Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens entgegenstehen. Ferner kann sich der Antragsteller nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, wenn er im Rahmen des bankruptcy-Verfahrens teilweise falsche Angaben gemacht hat .

Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 28. August 2015  3 V 65/15 wird aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der [X.]ntragsteller und [X.]eschwerdegegner ([X.]ntragsteller) ist seit 1991 als Steuerberater in [X.] tätig. Er hat aus den Jahren 1991 bis 2000 Steuerschulden gegenüber dem [X.]ntragsgegner und [X.]eschwerdeführer (Finanzamt [X.] --[X.]--). Diese belaufen sich laut [X.] vom 13. [X.]pril 2015 auf 1.172.972,25 €. Über den Einspruch des [X.]ntragstellers gegen den [X.] und den gleichzeitig gestellten [X.]ntrag auf [X.]ussetzung der Vollziehung dieses [X.]s hat das [X.] nach [X.]ktenlage noch nicht entschieden. Die Vollstreckung gegenüber dem [X.]ntragsteller verlief bislang erfolglos.

2

[X.]m 8. Juli 2009 richtete das [X.] einen [X.]ntrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das [X.], den dieses mit [X.]eschluss vom 12. [X.]ugust 2009 als unzulässig zurückwies.

3

[X.]m 10. September 2009 stellte das [X.] einen [X.]ntrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.]ntragstellers beim [X.]mtsgericht ([X.]G) [X.]. Dagegen erhob der [X.]ntragsteller Klage beim Finanzgericht ([X.]) und beantragte den Erlass einer einstweiligen [X.]nordnung.

4

[X.] bevor das [X.] den Insolvenzantrag zunächst in [X.] und sodann in [X.] gestellt hatte, wurde ihm bekannt, dass auf [X.]ntrag des [X.]ntragstellers bereits am 11. [X.]ugust 2008 vor dem High Court of Justice in [X.] ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes [X.]ankruptcy-Verfahren) nach [X.]rt. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ([X.]mtsblatt der Europäischen Union --[X.][X.]l[X.]-- Nr. L 160/1) i.d.F. nach der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 663/2014 des Rates vom 5. Juni 2014 ([X.][X.]l[X.] Nr. L 179/4) eröffnet worden war, in dem dem [X.]ntragsteller am 11. [X.]ugust 2009 die Restschuldbefreiung (discharge) erteilt worden war. Das [X.] war im Rahmen dieses Insolvenzhauptverfahrens nicht angehört worden.

5

[X.]m 8. Juli 2010 beantragte das [X.] beim High Court of Justice den Widerruf der Restschuldbefreiung. Nach dem Vortrag des [X.] im Verfahren vor dem [X.] kam es aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens.

6

[X.]m 30. September 2014 beantragte das [X.] beim High Court of Justice in [X.] erneut die [X.]ufhebung der Insolvenzeröffnung vom 11. [X.]ugust 2008 (bankruptcy order) mit der [X.]egründung, der [X.]ntragsteller habe nie wirklich in [X.] gelebt. Sein center of main interests ([X.]) habe sich niemals in [X.] befunden. Nach dem Vorbringen des [X.] wurde diesbezüglich für den 1. und 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice anberaumt.

7

Mit [X.]eschluss vom 28. [X.]ugust 2015 kam das [X.] zu dem Ergebnis, der [X.]ntrag auf Erlass einer einstweiligen [X.]nordnung sei zulässig und begründet. Der [X.]ntragsteller habe [X.]nspruch auf Rücknahme des auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichteten [X.]ntrags vom 10. September 2009 an das [X.]G [X.], da das Hauptinsolvenzverfahren durch die am 11. [X.]ugust 2009 erteilte Restschuldbefreiung in [X.] bereits beendet gewesen sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Hauptinsolvenzverfahren noch ein [X.]ntrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden könne, da das Sekundärinsolvenzverfahren in seiner Wirkung vom Hauptinsolvenzverfahren abhängig sei. Die Restschuldbefreiung sei bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne weitere Förmlichkeiten anzuerkennen, sofern kein [X.] vorliege. Es sei zwar aufgrund der Feststellungen des [X.] davon überzeugt, dass sich der [X.]ntragsteller rechtsmissbräuchlich die Zuständigkeit des High Court of Justice für die Eröffnung des Insolvenzhauptverfahrens erschlichen habe. Es sei jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung ein Verstoß gegen den ordre public sei und somit die in [X.] erteilte Restschuldbefreiung in der [X.]undesrepublik [X.] ([X.]) nicht anzuerkennen sei. In einem Missbrauchsfall sei zwar tatsächlich die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts nicht gegeben. Werde diese aber dennoch von dem entscheidenden Gericht im [X.]usland angenommen, könne eine [X.]nerkennung der Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts nicht versagt werden. Gegebenenfalls sei die [X.]nnahme der Eröffnungszuständigkeit durch das ausländische Gericht mit Rechtsmitteln anzugreifen.

8

Seine [X.]eschwerde begründet das [X.] im Wesentlichen folgendermaßen: Es müsse sich die in [X.] am 11. [X.]ugust 2009 vom High Court of Justice erwirkte Restschuldbefreiung des [X.]ntragstellers nicht entgegenhalten lassen. Die [X.]nerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat setze voraus, dass der Insolvenzschuldner in einem anderen Mitgliedstaat den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr habe sich der [X.]ntragsteller die Zuständigkeit des [X.] Gerichts erschlichen. Insoweit könne der [X.]ntrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch als [X.]ntrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrachtet werden. [X.]ußerdem sei es (das [X.]) im Insolvenzverfahren nicht gehört worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der [X.]ntragsteller sich seit Jahren seiner Zuständigkeit zu entziehen versuche und konsequent seinen Wohnsitz verschleiere.

9

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters führe ferner nicht unmittelbar zum Widerruf der [X.]estellung. Vielmehr müsse die zuständige Steuerberaterkammer ein Verfahren zur Prüfung des Widerrufs der [X.]estellung einleiten. Im Übrigen habe das in [X.] durchgeführte Insolvenzverfahren bis heute nicht zu einem Widerruf der [X.]estellung geführt.

Das [X.] beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der [X.]eschwerde für die Dauer des [X.]eschwerdeverfahrens anzuordnen sowie die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]ntrag auf Erlass einer einstweiligen [X.]nordnung auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim [X.]G [X.] unter [X.]ufhebung der Vorentscheidung abzulehnen.

Der [X.]ntragsteller beantragt, die [X.]nträge abzulehnen.

Es werde nicht dargelegt, warum eine gegebenenfalls fehlerhafte [X.]nnahme der eigenen Zuständigkeit durch das [X.] Gericht in [X.] ein Ergebnis schaffe, das offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung unvereinbar wäre. Vielmehr sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das [X.] Gericht anzuerkennen, unabhängig davon, ob die eigene internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen worden sei oder nicht. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das [X.] Gericht gehe ins Leere, zumal eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss auch in einer geeigneten Zeitung und der [X.] Gazette erscheine. Das [X.] habe auch nicht dargelegt, woraus sich im Jahr 2008 eine Zuständigkeit zu seinen Gunsten ergebe, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hauptsitz seiner (des [X.]ntragstellers) Kanzlei in [X.] befunden habe, während er in [X.] lediglich in einer [X.]eratungsstelle als Nebensitz aktiv gewesen sei. Erst nach [X.]ntragstellung in [X.] hätten sich das [X.] und das Finanzamt [X.] auf eine Zuständigkeit des [X.] verständigt. Weiterhin habe er im Zeitpunkt der [X.]ntragstellung vor dem High Court of Justice schon von seiner Ehefrau getrennt gelebt. Das [X.] habe nicht einlassungsfähig dargetan, dass er zum Zeitpunkt des [X.]ntrags in [X.] Vermögenswerte besessen habe, die er in der Folgezeit auf seine Ehefrau übertragen habe. Das [X.] habe seit [X.] am "11. September 2009" keine Unterbrechungshandlungen i.S. des § 231 [X.]bs. 1 Satz 1 der [X.]bgabenordnung getätigt. Der [X.]ntrag des [X.] vom 30. September 2014 an den High Court of Justice in [X.] enthalte keine an den [X.]bgabenpflichtigen gerichtete Zahlungsaufforderung.

Es bestehe auch ein [X.]nordnungsgrund, weil der Insolvenzantrag des [X.] unzulässig sei und ein Widerruf seiner --des [X.]ntragstellers-- Zulassung für ihn fatale Folgen hätte. [X.]ndererseits stehe es dem [X.] frei, jederzeit erneut einen Insolvenzantrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

II. [X.] [X.] ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur [X.]blehnung des [X.]ntrags auf [X.]rlass einer einstweiligen [X.]nordnung.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist gegen den beim [X.]G gestellten [X.]ntrag des [X.], das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der [X.] gegeben (vgl. schon zur Konkursordnung [X.]sbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII [X.] 94/90, [X.] 1991, 787, m.w.N.; zur Insolvenzordnung --[X.]-- [X.]sbeschluss vom 25. Februar 2011 VII [X.] 226/10, [X.] 2011, 1017).

[X.]uch das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche [X.]ntscheidung ist zu bejahen. Der [X.]ntrag ist [X.] wie die Rücknahme des [X.]ntrags als actus contrarius-- zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches [X.]andeln der Vollstreckungsbehörde. [X.]r erfordert eine fehlerfreie [X.]rmessensentscheidung unter [X.]erücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses, und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (vgl. [X.]surteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, [X.] 1990, 710, und [X.]sbeschluss vom 25. Februar 2011 VII [X.] 226/10, [X.] 2011, 1017). Für die [X.]ejahung des Rechtsschutzinteresses ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften [X.]rmessensausübung durch das [X.] ausreichend.

2. Der [X.]ntrag auf [X.]rlass einer einstweiligen [X.]nordnung ist schon unbegründet, weil der [X.] nicht vom Vorliegen eines [X.]nordnungsanspruchs gemäß § 114 [X.]bs. 1 Satz 2, [X.]bs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 920 [X.]bs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung ausgeht.

Das [X.] hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den [X.]ntrag auf [X.]röffnung des Insolvenzverfahrens nicht ermessensfehlerhaft gestellt (vgl. § 102 FGO). Insoweit ist der [X.] abweichend von § 118 [X.]bs. 2 FGO nicht an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden, sondern prüft den Fall summarisch anhand des präsenten [X.] in tatsächlicher und rechtlicher [X.]insicht (vgl. z.[X.]. [X.]eschluss des [X.] --[X.]F[X.]-- vom 6. November 2008 IV [X.] 127/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.], m.w.N.; [X.] in [X.]eermann/[X.], FGO § 69 Rz 122).

a) Gemäß [X.]rt. 3 VO Nr. 1346/2000 ist am 11. [X.]ugust 2008 vor dem [X.]igh [X.]ourt of Justice in [X.] ein Insolvenzhauptverfahren (so genanntes [X.]ankruptcy-Verfahren) gegen den [X.]ntragsteller eröffnet worden, bei dem es sich um ein Insolvenzverfahren i.S. des [X.]rt. 2 [X.]uchst. a i.V.m. [X.]nhang [X.] Nr. 1346/2000 handelt. Die [X.]röffnung eines Insolvenzverfahrens im [X.] ist gemäß [X.]rt. 16 [X.]bs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 grundsätzlich in [X.] anzuerkennen (vgl. auch [X.]rt. 17 [X.]bs. 1 VO Nr. 1346/2000). Dasselbe gilt gemäß [X.]rt. 25 [X.]bs. 1 Satz 1 VO Nr. 1346/2000 für die dem [X.]ntragsteller am 11. [X.]ugust 2009 erteilte Restschuldbefreiung ([X.]). Unabhängig davon, inwieweit die so genannte [X.] from bankruptcy der Restschuldbefreiung i.S. des § 286 [X.] vergleichbar ist, führt sie gemäß Insolvency [X.]ct 1986, Section 278 (b) zur [X.]eendigung des [X.].

[X.]iner [X.]nerkennung der Restschuldbefreiung im Sinne des [X.] Rechts steht nicht schon entgegen, dass der [X.]ntragsteller seinen [X.] möglicherweise nur kurzfristig nach [X.] verlegt hat. Denn [X.]rt. 16 [X.]bs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des [X.]röffnungsstaats überprüfen können (Urteile des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.]urofood IFS[X.] vom 2. Mai 2006 [X.]/04, [X.]:[X.]:2006:281, Rz 42; [X.] vom 21. Januar 2010 [X.]/07, [X.]:[X.], Rz 29; [X.] vom 22. November 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 41; vgl. zu [X.]rt. 102 [X.]bs. 1 Nr. 1 des [X.]inführungsgesetzes zur Insolvenzordnung [X.]eschluss des [X.] --[X.]G[X.]-- vom 18. September 2001 IX Z[X.] 51/00, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 960; [X.] vom 10. September 2015 IX ZR 304/13, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2015, 2331). Gegebenenfalls müssen Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit im Rahmen von im [X.]röffnungsmitgliedstaat gegebenen Rechtsbehelfen gegen die [X.]röffnungsentscheidung geklärt werden (vgl. [X.]-Urteil [X.]urofood IFS[X.], [X.]:[X.]:2006:281, Rz 43).

b) Nach summarischer Prüfung sprechen die Umstände des vorliegenden Falles überwiegend dafür, dass sich der [X.]ntragsteller auf die vom [X.]igh [X.]ourt of Justice erteilte Restschuldbefreiung in [X.] nicht berufen kann, weil dies dem [X.] gemäß [X.]rt. 26 VO Nr. 1346/2000 oder jedenfalls dem Grundsatz von [X.] und Glauben widerspräche, der im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. [X.]F[X.]-Urteil vom 8. Februar 1996 V R 54/94, [X.] 1996, 733).

Nach [X.]rt. 26 VO Nr. 1346/2000 kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen, soweit diese [X.]nerkennung zu einem [X.]rgebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des [X.]inzelnen, unvereinbar ist. Dabei handelt es sich um eine [X.]usnahmevorschrift, die nach der Rechtsprechung des [X.] nur dann anzuwenden ist, wenn die [X.]nerkennung der in einem Mitgliedstaat erlassenen [X.]ntscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstößt und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des zur [X.]nerkennung verpflichteten Mitgliedstaats steht. [X.]ei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des zur [X.]nerkennung verpflichteten Mitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln ([X.]-Urteil [X.]urofood IFS[X.], [X.]:[X.]:2006:281, Rz 62 ff.; vgl. auch [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 33 f.; [X.]-Urteil [X.] vom 23. Oktober 2014 [X.], [X.]:[X.]:2014:2319, Rz 49; [X.] in NJW 2002, 960; [X.] in [X.], 2331). Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hat der [X.]nspruch der Gläubiger oder ihrer Vertreter auf Teilnahme am Verfahren unter [X.]eachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit eine besondere [X.]edeutung.

[X.]llein die Möglichkeit, in [X.] schneller eine Restschuldbefreiung zu erreichen, genügt nicht, um die Voraussetzungen des [X.]rt. 26 VO Nr. 1346/2000 zu bejahen. [X.]in Verstoß gegen die [X.] öffentliche Ordnung ("ordre public") im Sinne eines Rechtsmissbrauchs kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (bzw. eine nur vorübergehende Verlegung des [X.] der hauptsächlichen Interessen) in einen anderen Staat erfolgt, um unter dort erleichterten [X.]edingungen eine Restschuldbefreiung zu erwirken (vgl. [X.] in NJW 2002, 960). Im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes ins [X.]usland nur zum Schein kann unter diesen Umständen das [X.]rgebnis der [X.]nwendung des ausländischen Rechts unter [X.]eachtung inländischer Rechtsvorstellungen untragbar erscheinen (vgl. [X.] in NJW 2002, 960).

Das [X.] hat substantiiert dargelegt, dass der [X.]ntragsteller seinen [X.] nur zum Schein nach [X.] verlegt hat, um die Vorteile des [X.] Insolvenzverfahrens in Form einer schnelleren Restschuldbefreiung erlangen zu können.

Gegen eine tatsächliche Verlegung des [X.] nach [X.] mindestens sechs Monate vor der [X.]ntragstellung am 11. [X.]ugust 2008 spricht, dass der [X.]ntragsteller im [X.]pril 2008 noch die Partnergesellschaft "…" (eingetragen im Partnerschaftsregister des [X.] unter PR …) mit einer Repräsentanz in [X.] gegründet hat und für diese tätig gewesen ist. Seine Tätigkeit als Steuerberater, teilweise auch in [X.], hat die [X.]invernahme der Zeugin [X.] durch die [X.] des Finanzamts [X.] bestätigt (vgl. Niederschrift vom 8. [X.]pril 2014), wonach er in seinem [X.]üro in [X.] beispielsweise Schreiben unterzeichnet habe. Nach den [X.]ngaben des [X.] war der [X.]ntragsteller im fraglichen Zeitraum in der Regel ein bis zwei Tage im [X.]üro anwesend bzw. nicht länger als ein oder zwei Wochen abwesend (vgl. Vernehmungsniederschrift der [X.] des Finanzamts [X.] vom 8. [X.]pril 2014). [X.]r sei u.a. als Steuerberater in [X.] tätig gewesen. [X.]ußerdem habe es Rücksprachen gegeben und seien Mandate betreut worden. Ferner habe der [X.]ntragsteller auch Mandanten in anderen Ländern als [X.] betreut. [X.]ußerdem sind von beiden Zeugen [X.]eteiligungen an verschiedenen Unternehmen, z.[X.]. die [X.], angesprochen worden. [X.]uch die Zeugin F hat gegenüber dem Finanzamt [X.] am 8. [X.]pril 2014 ausgesagt, der [X.]ntragsteller sei in den Jahren 2008 und 2009 als Geschäftsführer einer Gmb[X.] und als Steuerberater in [X.] tätig und ein paar Tage die Woche in [X.] gewesen.

Weiterhin hat der [X.]ntragsteller vor dem [X.]igh [X.]ourt of Justice seinen Familienstand unzutreffenderweise mit "single" angegeben, während sich aus dem Zwischenbericht des Rechtsanwalts G an das – Insolvenzgericht vom 4. September 2014 ergibt, der [X.]ntragsteller sei zum damaligen Zeitpunkt verheiratet gewesen.

Gegen eine tatsächliche Verlegung des [X.] nach [X.] spricht schließlich, dass der [X.]ntragsteller in den Monaten vor der [X.]ntragstellung beim [X.]igh [X.]ourt of Justice nach summarischer Prüfung zahlreiche Termine in [X.] wahrgenommen hat (vgl. an den [X.]igh [X.]ourt of Justice gerichtete Zeugenaussage von Frau [X.] vom 12. September 2014 im Zusammenhang mit dem [X.]ntrag des [X.] auf [X.]ufhebung bzw. Ungültigkeitserklärung des am 11. [X.]ugust 2008 erlassenen [X.], insbesondere ab Ziffer 46).

c) Der [X.]ntragsteller kann sich auch nicht auf die Restschuldbefreiung berufen, weil er im Rahmen des [X.] teilweise falsche [X.]ngaben gemacht hat und daher viel dafür spricht, dass ihm die so genannte [X.] zu Unrecht erteilt worden ist.

[X.]. hat er die Gründung der Partnergesellschaft "…" im [X.]pril 2008 nicht in der Vermögensauskunft für den [X.]igh [X.]ourt of Justice angegeben.

[X.]uch verschiedene Tätigkeiten als Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren vor der [X.]ntragstellung hat er nicht offengelegt. Dies betrifft drei in [X.] ansässige Gesellschaften, nämlich das Institut I-Gmb[X.], das [X.] und die K-[X.]G, aus denen er im [X.] ausgeschieden war (vgl. die in den [X.]kten enthaltenen [X.]andelsregisterauszüge). [X.]ußerdem hat der [X.]ntragsteller in dem beim [X.]igh [X.]ourt of Justice abgegebenen Vermögensverzeichnis seine Tätigkeit als Mitgeschäftsführer bei der Steuerberatungsgesellschaft L-Gmb[X.] mit Sitz in [X.] und seine [X.]nteile an der M-Gmb[X.] nicht angegeben.

Die [X.]ngaben des [X.]ntragstellers zu seinem Vermögen waren ferner insofern unvollständig, als er im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung beim [X.]igh [X.]ourt of Justice [X.]igentümer eines [X.]ppartements in ([X.]usland) gewesen ist. Für das [X.]igentum an dieser Wohnung sprechen die [X.]ntrichtung der Grundsteuer und die [X.]ngabe dieser Wohnung in einer Selbstauskunft vom 13. Mai 2008.

d) Schließlich bestehen auch [X.]edenken gegen eine [X.]nerkennung der Restschuldbefreiung, weil der [X.]ntragsteller das [X.] gegenüber dem [X.]igh [X.]ourt of Justice als Gläubiger verschwiegen hat und dieses somit im Rahmen des [X.] Insolvenzverfahrens nicht entsprechend dem Verfahren nach [X.]rt. 40 VO Nr. 1346/2000 angehört worden ist, obwohl viel dafür spricht, dass es hätte beteiligt werden müssen.

Der [X.]inweis des [X.]ntragstellers auf eine Mitteilung über den Insolvenzbeschluss in der Presse ist nicht geeignet, die Gehörsverletzung auszugleichen, weil dies eine förmliche Mitteilung des [X.] Gerichts gemäß [X.]rt. 40 VO Nr. 1346/2000 nicht ersetzt.

Die Zuständigkeit des [X.] oder eines anderen Finanzamts, insbesondere des Finanzamts [X.], das er gegenüber dem [X.]igh [X.]ourt of Justice als einzigen Gläubiger angegeben hat, ist noch nicht geklärt. Der bisherige Vortrag des [X.]ntragstellers ist nicht substantiiert genug, um die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts nachvollziehen zu können.

e) Im Rahmen des [X.]auptsacheverfahrens dürfte auch zu klären sein, warum es infolge des am 8. Juli 2010 beim [X.]igh [X.]ourt of Justice beantragten Widerrufs der Restschuldbefreiung nicht zu einer Durchführung dieses Verfahrens gekommen ist und ob sich das [X.] insofern Versäumnisse entgegenhalten lassen muss und deshalb Verjährung eingetreten ist.

Insgesamt sprechen zum derzeitigen Verfahrensstand die überwiegenden Umstände gegen das Vorliegen eines [X.]nordnungsanspruchs.

3. Die [X.]ufrechterhaltung der erstinstanzlich zugesprochenen einstweiligen [X.]nordnung kommt jedenfalls mangels eines [X.]nordnungsgrundes nicht in [X.]etracht.

Gemäß § 114 [X.]bs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf [X.]ntrag eine einstweilige [X.]nordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in [X.]ezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur [X.]bwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte [X.]). [X.]in [X.]nordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche [X.]xistenz des [X.]etroffenen durch die [X.]blehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den [X.]rlass einer [X.]nordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten. Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige [X.]nordnung unabweisbar machen ([X.]sbeschlüsse vom 7. Januar 1999 VII [X.] 170/98, [X.] 1999, 818, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 VII [X.] 214/98, [X.]F[X.][X.] 187, 170, [X.]St[X.]l II 1999, 141).

Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern --wie vom [X.]ntragsteller-- die Vorwegnahme der [X.]auptsache. [X.]in solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. [X.]ine [X.] darf nach ständiger Rechtsprechung nur eine einstweilige Regelung enthalten und das [X.]rgebnis des [X.]auptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (vgl. [X.]eschluss des [X.]s vom 22. [X.]ugust 1995 VII [X.] 153, 154, 167, 172/95, [X.]F[X.][X.] 178, 15, [X.]St[X.]l II 1995, 645, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). [X.]twas anderes gilt im [X.]inblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes ([X.]rt. 19 [X.]bs. 4 des Grundgesetzes) nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher [X.]eseitigung die [X.]ntscheidung der [X.]auptsache nicht mehr in der Lage wäre ([X.]eschlüsse des [X.]undesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977  2 [X.]vR 42/76, [X.]VerfG[X.] 46, 166, und vom 25. Oktober 1988  2 [X.]vR 745/88, [X.]VerfG[X.] 79, 69).

Der [X.]ntragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Wie sich aus § 46 [X.]bs. 2 Nr. 4 des [X.] ergibt, ist die [X.]estellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der [X.]uftraggeber nicht gefährdet sind. [X.]in Vermögensverfall wird erst dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 [X.]bs. 2 [X.]) eingetragen ist.

Ob tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist im Streitfall noch nicht entschieden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und ob eine eventuelle [X.]berkennung der Restschuldbefreiung nach dem Termin im Februar 2016 vor dem [X.]igh [X.]ourt of Justice gemäß Section 375 [X.]bs. 1 Insolvency [X.]ct 1986 dem entgegensteht. In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, ob das im [X.] durchgeführte bankruptcy-Verfahren weiterhin bindend ist.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das [X.] bereits vor über sechs Jahren den hier angegriffenen [X.]ntrag auf [X.]röffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. [X.]s ist nicht nachvollziehbar, woraus sich nunmehr eine unmittelbare [X.]edrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen [X.]xistenz des [X.]etroffenen ergeben soll.

4. Der [X.]ntrag auf [X.]nordnung der aufschiebenden Wirkung der [X.]eschwerde für die Dauer des [X.]eschwerdeverfahrens bedarf aufgrund der [X.]ntscheidung über die [X.]eschwerde selbst keiner [X.]ntscheidung mehr.

5. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 1 FGO.

Meta

VII B 119/15

27.01.2016

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 28. August 2015, Az: 3 V 65/15, Beschluss

Art 3 EGV 1346/2000, Art 16 Abs 1 EGV 1346/2000, Art 26 EGV 1346/2000, Art 40 EGV 1346/2000, § 114 Abs 1 S 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2016, Az. VII B 119/15 (REWIS RS 2016, 17066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17066

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