Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 68/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 10290

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Schätzung der Einkünfte einer Prostituierten durch das FG


Leitsatz

NV: Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2

1. Ein von ihr geltend gemachter Verfahrensmangel, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Zulassung der Revision führen könnte, liegt nicht vor.

3

a) Die Klägerin rügt, das Finanzgericht ([X.]) hätte als Beweismittel ihre vollständigen Bankkontoauszüge der Streitjahre besorgen und zur Sachverhaltsermittlung heranziehen müssen, weil sie nur anhand dieser Kontoauszüge zu ihrer Entlastung hätte nachweisen können, wann sie welche Miete gezahlt habe und welche Zahlungen, insbesondere Ratenzahlungen sie geleistet habe. Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

4

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und hat dabei die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn es auf das Beweismittel zur Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (ständige Rechtsprechung des [X.] --[X.]---, vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. Februar 2004 [X.]/02, [X.], 964; vom 27. Oktober 2004 [X.], [X.] 2005, 564, und vom 24. März 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 1277).

5

Das [X.] durfte von der Beschaffung der vollständigen Kontoauszüge der Klägerin Abstand nehmen, weil diese als Beweismittel ungeeignet waren. Fehlende Einzahlungen oder Einzahlungen in bestimmter Höhe auf ein Girokonto erbringen keinen Beweis dafür, dass keine (weiteren) Einnahmen vorhanden sind. Zudem ist es, wie das [X.] zutreffend dargelegt hat, unüblich, Bareinnahmen aus erotischen Dienstleistungen auf ein Girokonto einzuzahlen.

6

b) Soweit die Klägerin darlegt, es müsse zu einer Umkehr der Beweislast kommen, da sie für den klagegegenständlichen Zeitraum Steuererklärungen abgegeben habe, die sie --sofern möglich-- mit ihren Kontoauszügen und ergänzenden Angaben belegt habe, kann dies die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Darin liegt nämlich nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 29. Oktober 1998 [X.], [X.] 1999, 510; vom 4. August 1999 [X.]/98, [X.] 2000, 70). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. [X.] vom 3. Februar 2000 [X.]/99, [X.] 2000, 874).

7

c) Aus diesem Grund kann auch der Einwand der Klägerin, sie sei --im Gegensatz zur Auffassung des [X.]-- nur im eingeschränkten Maße als Gelegenheitsprostituierte tätig gewesen, nicht zur Zulassung der Revision führen. Unstreitig hat die Klägerin erotische Dienstleistungen erbracht. In welchem Umfang dies der Fall war, ist gerade Gegenstand der dem [X.] obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung.

8

2. Einwände gegen die Richtigkeit von [X.] vermögen im Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision deren Zulassung regelmäßig nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2007 [X.], nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, und vom 18. August 2009 [X.]/09, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2009, R1144).

9

Nur ausnahmsweise kann eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich sein, wenn dem [X.] ein Rechtsanwendungsfehler von einigem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung unterlaufen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 3. März 2006 [X.], [X.] 2006, 1366, unter [X.], m.w.N., und vom 16. Juni 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 1678, unter II.3.). Dies kann auch bei einer Entscheidung des [X.] zur Rechtmäßigkeit einer Schätzung der Fall sein, wenn das [X.] schlechthin unvertretbar ist, weil es wirtschaftlich unmöglich ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (vgl. [X.] vom 13. Oktober 2003 [X.]/02, [X.]E 203, 404, [X.], 25; in [X.] 2006, 1366, und in ZSteu 2009, R1144).

Eine solche offensichtlich realitätsfremde Schätzung ist im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Die Schätzung des [X.] von jährlich 200 Arbeitstagen mit durchschnittlich drei Freiern pro Tag sowie einem durchschnittlichen Entgelt pro Dienstleistung von 50 € bewegt sich innerhalb des üblichen Schätzungsrahmens (vgl. zu den geschätzten Einnahmen von Prostituierten auch die Senatsbeschlüsse vom 2. November 2004 [X.]/03, n.v., juris, und vom 14. Oktober 2008 [X.], ZSteu 2008, [X.], die von gleichen beziehungsweise höheren Annahmen ausgehen).

Meta

X B 68/10

19.01.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 9. März 2010, Az: 4 K 3/07, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 FGO, § 162 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 68/10 (REWIS RS 2011, 10290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10290


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X S 8/11

Bundesfinanzhof, X S 8/11, 04.05.2011.


Az. X B 68/10

Bundesfinanzhof, X B 68/10, 19.01.2011.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X B 46/13 (Bundesfinanzhof)

Keine Revisionszulassung wegen Einwänden gegen die Richtigkeit der Schätzung von gewerblichen Einkünften einer Prostituierten - …


V B 132/09 (Bundesfinanzhof)

Abgrenzung Verfahrensfehler - materiellrechtlichter Fehler bei Schätzungen


X B 41/11 (Bundesfinanzhof)

(Nicht mit Gründen versehenes Urteil (§ 119 Nr. 6 FGO) - Rüge eines Verstoßes gegen …


V S 16/14 (PKH) (Bundesfinanzhof)

Übergehen eines Sachantrags - Urteilsergänzung - Urteilsberichtigung - Anforderungen an ein ärztliches Attest bei Antrag …


XI B 44/11 (Bundesfinanzhof)

Beweiskraft der Postzustellungsurkunde und Fristbeginn bei geheilten Zustellungsmängeln - Darlegung von Zulassungsgründen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.