Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2014, Az. 4 StR 163/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3480

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
163/14

vom
14. August 2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen versuchten Totschlags u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.]in am [X.]

als Vertreterin
des
[X.]s,

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten A.

G.

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger der Angeklagten B.

G.

,
Rechtsanwalt

als Vertreter des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom 17.
De-zember 2013
mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zu-rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von sechs [X.] und sechs Monaten (A.

G.

) und vier Jahren (B.

G.

)
verurteilt.

Außerdem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die
Verletzung materiellen Rechts
und wenden sich ins-besondere gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes. Die [X.] beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und der Sachrüge begründeten Revisionen
vor allem,
dass diese nicht auch wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurden und ihnen verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt wurde. Soweit die Staatsanwaltschaft eine [X.] der Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung anstrebt, wird ihr Rechtsmittel vom [X.] nicht vertreten.
Die Revisionen haben Erfolg.
1
-
4
-
I.
Das
[X.] hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getrof-fen:
1.
Im Sommer 2011 ging die älteste Tochter der Angeklagten, die Zeugin M.

G.

, eine freundschaftliche Beziehung zu
dem drei Jahre älteren
Nebenkläger und späteren Tatopfer

[X.]

ein, aus der sich ein intimes
Verhältnis entwickelte. Als die Angeklagten spätestens im Januar 2013 hiervon erfuhren, drängten sie auf ein Ende der Verbindung und erwirkten im März
2013 in Vertretung ihrer noch minderjährigen Tochter gegen

[X.]

eine
einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Als

[X.]

Ende
April 2013 davon Kenntnis erlangte, dass gegen ihn nun auch ein Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen eines Verstoßes gegen die Gewalt-schutzanordnung gestellt worden war, gab er die zunächst fortgesetzte Bezie-hung zu M.

G.

auf und mied weiteren Kontakt.
Anfang Juni 2013
wurden
im [X.] intime und teilweise pornographi-sche
Fotos
von M.

G.

veröffentlicht. Die Angeklagten waren deswe-
gen zutiefst beschämt und sahen darin eine Bloßstellung ihrer gesamten [X.]. Sie schliefen wenig, nahmen kaum Nahrung zu sich und zogen sich von ihren Mitmenschen zurück. Sie wollten den Urheber der Bilder zur [X.] ziehen und hatten dabei -
zu Unrecht
-

[X.]

in Verdacht. Als die
Angeklagten das Gerücht erreichte, dass auch noch die Veröffentlichung eines Sex-Videos bevorstünde, begannen sie intensiv nach Indizien zu suchen, die ihren Verdacht zu stützen vermochten. Am 13.
Juni 2013 berichtete die Zeugin J.

Br.

der Angeklagten B.

G.

, sie habe gehört,

[X.]

habe die Bilder aus Enttäuschung in Umlauf gebracht. Für die Angeklagten 2
3
4
-
5
-
stand danach außer Zweifel, dass

[X.]

für die [X.]
verantwortlich war.
Am 14.
Juni 2013 bat der Angeklagte A.

G.

den Zeugen A.

Br.

ein vermeintlich zufälliges Treffen mit

[X.]

herbeizuführen.
A.

Br.

veranlasste daraufhin den gutgläubigen

[X.]

dazu,
um
15.45
Uhr zum Taxistand vor dem Bahnhof von H.

zu kommen
und setzte den Angeklagten A.

G.

hiervon in Kenntnis. Die Angeklagten
hatten die Absicht,

[X.]

als vermeintlichen Urheber der Bilder zur Re-
de zu stellen. Dabei waren sie auch zur Anwendung von Gewalt bereit. Einen gemeinschaftlichen Plan ihn zu töten gab es jedoch nicht.
Am vereinbarten Treffpunkt kam es zunächst zu einem Gespräch zwi-schen

[X.]

und A.

Br.

. Währenddessen näherten sich die An-
geklagten von der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Angeklagte B.

G.

verlor beim Anblick von

[X.]

rannte über die Straße auf

[X.]

zu und begann ihn laut schreiend mit
ihren Fäusten zu misshandeln.

[X.]

schlug daraufhin zu seiner Ver-
teidigung mit einer Glasflasche um sich, wobei er B.

G.

wenigstens
einmal mit der bloßen Hand oder der
Flasche im Gesicht traf. Als der noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurückgebliebene A.

G.

sah, dass
sich

[X.]

-
ner Ehefrau hinterher und zog ein schweres Taschenmesser mit [X.] aus seiner Hosentasche. Als er den Nebenkläger und die Mitangeklagte [X.], begann er sofort auf

[X.]

einzustechen und ihn mit schnei-
denden Bewegungen zu verletzen, wobei er in seinem Wunsch nach Vergel-

.

G.

das Messer
gegen den Oberkörper, den Hals und den Kopf des [X.], wobei
er ihm
5
6
-
6
-
mehrere tiefe Schnittverletzungen beibrachte. Als B.

G.

sah, wie A.

G.

mit dem Messer auf

[X.]

r-kannte, dass die tiefen und kraftvollen Schnitte ernsthafte Verletzungen verur-sachten. Dabei fand auch sie sich mit einem möglichen Tod von

[X.]

ab und schlug weiter mit den Händen auf ihn ein. Einen Versuch des Zeugen A.

Br.

, A.

G.

am Arm zu packen, kommentierte B.

G.

mit
dem Hinweis, er solle sich nicht einmischen, damit ihm nicht dasselbe passiere.
Als der Angeklagte A.

G.

realisierte, dass er in seiner Wut viel zu
weit gegangen war und er

[X.]

möglicherweise tödlich verwundet hat-
te, ließ er von dem Geschädigten ab.
Die Angeklagte B.

G.

unternahm
noch kurzzeitig den Versuch, dem sich in Richtung eines Supermarkts davon schleppenden

[X.]

Kampf nun augenscheinlich

[X.]

durch die Schnitte mit dem Messer möglicherweise bereits töd-
lich verletzt war. Der Zeuge A.

Br.

setzte sich in sein Fahrzeug und fuhr
hinter

[X.]

her. Nachdem beide den Ort des Geschehens verlassen
hatten, rief der Angeklagte A.

G.

mit
seinem
Mobiltelefon die Leitstelle der

a-be und dieser sterben werde.
Die Polizei solle kommen und ihn festnehmen.
Wo das Opfer sei, wisse er nicht. Auch solle man einen Krankenwagen vorbei-schicken, weil auch
er sich verletzt habe.
Als

[X.]

den mehrere Hundert Meter vom Tatort entfernten
Supermarkt erreichte, brach er zusammen und verlor aufgrund des hohen [X.] kurze Zeit später das Bewusstsein. Nachdem auch von dritter Seite mehrere Notrufe abgesetzt worden waren, trafen schon wenig später Rettungs-7
8
-
7
-
kräfte ein, die die Notfallversorgung des [X.] einleiteten.

[X.]

überlebte, weil A.

G.

seine Hauptschlagader nur knapp verfehlt hat-
te. Er erlitt unter anderem eine 12
cm lange horizontal über die linke [X.] bis auf die Ohrmuschel verlaufende Schnittverletzung, die eine deutlich sichtbare wenige Millimeter breite Narbe hinterlassen hat. Inwieweit eine kosmetisch-chirurgische Behandlung möglich ist, konnte nicht geklärt werden.
2.
Das [X.] hat den Sachverhalt bei beiden Angeklagten als ver-suchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in den [X.] des §
224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5 StGB bewertet.
Es ist der Auffassung, dass der Angeklagte A.

G.

nicht nach §
24
Abs.
2 StGB strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten sei, weil er mit dem Tod von

[X.]

gerechnet habe und sein Notruf nicht als
ernsthaftes Bemühen um eine Verhinderung der Tatvollendung anerkannt wer-den könne.
Eine schwere Körperverletzung im Sinne von §
226 Abs.
1 Nr.
3 StGB liege nicht vor, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Entstellung nicht gegeben seien. Die Narbe auf der linken [X.] sei zwar deutlich sichtbar
und springe sofort ins Auge, doch fehle es an einer Beein-trächtigung des Gesamterscheinungsbildes. Auch habe die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung nicht abschließend geklärt werden können.
Im [X.] an den Sachverständigen Dr.
S.

ist das [X.]
hinsichtlich des Angeklagten A.

G.

davon ausgegangen, dass bei ihm im
Zeitpunkt der Tatbegehung eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form n könne
und deshalb zu seinen 9
10
11
12
-
8
-
Gunsten von einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von §
21 StGB aus-zugehen sei. Bei der Angeklagten B.

G.

sei das Vorliegen der Voraus-
setzungen des §
21 StGB ebenfalls nicht auszuschließen, da auch sie im [X.] an einer hinreichend schweren Anpassungsstörung

gelitten habe.
II.
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg.
1.
Die Erwägungen, mit denen das [X.] bei beiden Angeklagten einen (bedingten) Tötungsvorsatz begründet hat, weisen durchgreifende Erörte-rungsmängel auf. Ihre Verurteilung wegen versuchten Totschlags hat daher keinen Bestand.
a)
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögli-che, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrach-tung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juni 2014 -
4
StR
439/13, Rn.
7; Urteil vom 23.
Februar 2012 -
4
StR
608/11, [X.], 443, 444; Urteil vom 27.
Januar 2011 -
4
StR
502/10, [X.], 699,
701
Rn.
34
f. [X.]). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Ge-fährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des [X.] auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage ein-zubeziehen ([X.], Urteil vom 5.
Juni 2014
-
4
StR
439/13, Rn.
7; Urteil vom 16.
Mai 2013 -
3
StR
45/13, [X.], 581, 582
[X.]).
13
14
15
-
9
-
b)
Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Darlegungen des [X.] zur inneren Tatseite bei beiden Angeklagten nicht gerecht.
aa)
Das [X.] hat seine Annahme, der Angeklagte A.

G.

habe
um die objektive Lebensgefährlichkeit seines
Tuns auch schon bei der [X.] gewusst, aus den gezielt gegen Kopf, Hals und Nacken des Nebenklä-gers geführten Messerangriffen und seinen im Rahmen des Notrufes gemach-ten Äußerungen hergeleitet (UA
18). Damit ist jedoch nur das Wissenselement belegt.
Dass bei ihm auch das voluntative Vorsatzelement gegeben ist, hat die [X.] dagegen nicht in
ausreichender Weise begründet.
(1)
Wird eine lebensgefährliche Gewalttat -
wie hier
-
spontan, unüber-
legt und in affektiver Erregung ausgeführt, kann aus dem Wissen um den
möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des [X.] ergebenden Besonderheiten auf eine billi-gende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden ([X.], Urteil vom 17.
Juli
2013 -
2
StR
139/13, [X.], 343; Urteil vom 16.
August 2012
-
3
StR
237/12, NStZ-RR
2012, 369, 370; Urteil vom 25.
November 2010
-
3
StR
364/10, [X.], 338
f.; weitere Nachweise bei [X.], StGB,
61.
Aufl.,
§
212 Rn.
11).
(2)
Danach hätte das [X.] erkennbar in seine Erwägungen einbe-ziehen müssen, dass der Angeklagte von weiteren Tathandlungen absah, als er ä-ger möglicherwei

11). Auch wäre an dieser Stel-le der alsbald danach abgesetzte Notruf zu erörtern gewesen (zur Indizwirkung von [X.] bei der Vorsatzfrage vgl. [X.], Urteil vom 23.
Fe-bruar
2012 -
4
StR
608/11, [X.], 443, 444; Urteil vom 18.
Januar 2007
16
17
18
19
-
10
-
-
4
StR
489/06, [X.], 331
f. [X.]). Schließlich durfte das [X.] in s--
unabhängig von deren Bewertung unter dem Gesichtspunkt des §
21 StGB
-
und seine affektive Erregung nicht unerwähnt lassen. Psychische Aus-nahmesituationen oder Störungen können neben einer -
hier fernliegenden
-
Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt (zu den möglichen Schlüssen vgl. [X.], Urteil vom 17.
Juli 2013 -
2
StR
139/13, [X.], 343 [X.]). Dies ist in den schriftlichen Urteilsgründen zu [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2005 -
3 StR
324/05, [X.], 169; Beschluss vom 6.
März 2002 -
4
StR
30/02, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
54; Beschluss vom 15.
Januar 1987 -
1
StR
704/86, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
7).
bb)
Bei der Angeklagten B.

G.

hat das [X.] die Annahme
eines bedingten Tötungsvorsatzes allein mit der Erwägung begründet, dass sie das Vorgehen ihres Mannes gegen den Nebenkläger sah und durch ihre wei-tere Unterstützung

billigte (UA
11 und

s-ifen ihres Ehemannes unter einer verlor, hat es nicht berücksichtigt. Beides hätte aus den bereits dargelegten Gründen auch bei ihr ausdrücklicher Erörterung bedurft.
2.
Die Sache bedarf daher bei beiden Angeklagten neuer Verhandlung und Entscheidung. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Ur-teils insgesamt, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung beider Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2, 4 und 5 StGB 20
21
-
11
-
an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 2011
-
4
StR
465/11, [X.], 51, 52 [X.]).
III.
Auch die zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsan-waltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§
301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revisionen der Angeklagten nicht mehr an ([X.], Urteil vom 28.
September 2011 -
2
StR
93/11, Rn.
29; Urteil vom 15.
Juli
2008
-
1
StR
144/08, Rn.
3).
1.
Das Urteil hat bei beiden Angeklagten keinen
Bestand, weil
anhand der Urteilsgründe nicht überprüft werden kann, ob die Qualifikation des §
226 Abs.
1 Nr.
3 StGB vom [X.] zu Recht abgelehnt worden ist.
a)
Ein Verletzter ist im Sinne des §
226 Abs.
1 Nr.
3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn es durch die Tat zu einer Verunstaltung seiner Gesamterscheinung gekommen ist, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des §
226 Abs.
1 Nr.
1 und Nr.
2 StGB gleichkommt ([X.], Ur-teil vom 17.
Juli 2013 -
2
StR
139/13, [X.], 343; Urteil vom 20.
April 2011 -
2
StR
29/11, [X.]R StGB §
226 Abs.
1 Entstellung
3; Urteil vom 28.
Juni 2007 -
3
StR
185/07, [X.]R StGB §
226 Abs.
1 Entstellung
2 [X.]). Dies kann grundsätzlich auch bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Juni 2007 -
3
StR
185/07, [X.]R StGB §
226 Abs.
1 Entstellung
2), ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben [X.] sein.
Allein der Umstand, dass eine Narbe deutlich sichtbar ist, reicht dabei aber für die Annahme einer erheblichen Entstellung noch nicht aus. 22
23
24
-
12
-
Erst wenn im Einzelfall -
etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts
-
ein Grad an Verunstaltung erreicht ist, der in einer Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des §
226 Abs.
1 StGB steht, kommt die Annahme einer erheblichen Entstellung in Betracht ([X.], Urteil vom 28.
Juni 2007 -
3
StR
185/07, [X.]R StGB §
226 Abs.
1 Entstellung
2; [X.] vom 2.
Mai 2007 -
3
StR
126/07, [X.]R StGB §
226 Abs.
1 Entstel-lung
1).
b)
Ob das äußere Erscheinungsbild des [X.] durch die verblie-benen Narben eine Verunstaltung erfahren hat, die diesen Vorgaben entspricht, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das [X.] teilt zwar ausführlich mit, welche Schnittverletzungen der [X.] erlitten hat. Eine revisionsgerichtlicher
Überprüfung zugängliche [X.] des verbliebenen [X.] und seiner Auswirkungen auf die äußere Erscheinung des [X.] fehlt jedoch. Den Urteilsgründen kann dazu lediglich entnommen werden, dass die Narbe auf der linken [X.] lang

25). Zu den anderen Narben und dem durch sie hervorgerufenen optischen Gesamteindruck verhält sich die [X.] dagegen nicht. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich ein Tatrichter die mitunter nicht einfache textliche Schilderung einer solchen verunstaltenden Wirkung durch eine nach §
267 Abs.
1 Satz
3 StPO zulässige Bezugnahme auf Lichtbilder erleichtern kann.
2.
Darüber hinaus begegnet auch die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß §
21 StGB bei beiden Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass bei ihnen zur [X.] eine schwere andere seelische Abartigkeit vorgelegen hat. Auch fehlt es an 25
26
-
13
-
der erforderlichen tatbezogenen Beurteilung der Verminderung der Schuld-fähigkeit.
a)
Bei einer nicht pathologisch bedingten
Persönlichkeitsstörung
liegt
eine andere schwere seelische Abartigkeit nur dann vor, wenn sie in ihrem
Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des [X.] vergleichbar schwer
und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 2007 -
4
StR
7/07, [X.], 274; Beschluss vom 21.
September 2004 -
3
StR
333/04, [X.], 326, 327 [X.]). Auch müs-
sen sich die defekten Muster im Denken, Fühlen oder Verhalten des Be-troffenen als zeitstabil erwiesen haben ([X.], Beschluss vom 19.
Dezember
2012 -
4
StR
494/12, [X.], 309, 310; Urteil vom 21.
Januar 2004
-
1
StR
346/03, [X.]St 49, 45, 52
f.).
Dass die von dem Sachverständigen bei beiden Angeklagten diagnosti-zierte Anpassungsstörung nach diesen Maßstäben zu einer schweren anderen seelischen Abartigkeit geführt hat, hat das [X.] nicht dargetan. Bei den sog. Anpassungsstörungen (vgl. ICD-10 F
43.2) handelt es sich um eine Misch-
bzw. [X.] mit einer vielgestaltigen und unspezifischen Symptoma-tik, die zumeist nicht mit stärkeren psychopathologischen Auffälligkeiten einher-gehen ([X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Leygraf/[X.], Handbuch der forensischen Psychiatrie,
Bd.
2, S.
510). Ein die Annahme einer schweren anderen seeli-schen Abartigkeit rechtfertigender Beeinträchtigungsgrad wird dabei nur in [X.] erreicht (vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 2007 -
4
StR
7/07, [X.], 274; Beschluss vom 4.
November 2003 -
1
StR
384/03, NStZ-RR
2004, 70, 71). Dass die für beide Angeklagten beschriebenen -
offenkundig passage-ren
-
Auffälligkeiten (gedankliche Einengung auf die Bilder im [X.], Schlaf-27
28
-
14
-
losigkeit, eingeschränkte Nahrungsaufnahme, [X.] Rückzug) ihr Leben ähn-lich schwer belastet haben, wie die Folgen von anerkannten krankhaften seeli-schen Störungen,
lässt sich den Gründen des angefochtenen Urteils nicht ent-nehmen
und liegt eher fern. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte [X.], wonach die Angeklagten ihren Alltbewältigen konnten (UA
7), ist ohne Aussagekraft und kann die an dieser Stelle erforderliche umfassende wertende Betrachtung des Schweregrades der Stö-rung und ihrer Tatrelevanz nicht ersetzen. Stattdessen ist zu besorgen, dass das [X.] in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§
20, 21 StGB.
Ob eine Stö-rung den erforderlichen Schweregrad aufweist, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Mai 2014
-
5
StR
168/14, [X.], 244, 245; Beschluss vom 19.
Dezember 2012
-
4
StR
494/12, [X.], 309, 310).
b)
Auch die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei der Tat infolge einer festgestellten schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des §
21 StGB erheblich vermindert war, hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an [X.] stellt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Dezember 2012
-
4
StR
494/12, [X.], 309, 310; Beschluss vom 28.
Oktober 2009
-
2
StR
383/09, [X.], 73, 74; weitere Nachweise bei [X.], StGB, 61.
Aufl., §
21 Rn.
7b). Angesichts des zielgerichteten Handelns der Angeklag-ten bei der Herbeiführung des Zusammentreffens mit

[X.]

hätte das
[X.] im Einzelnen darlegen müssen, in welcher Weise und in welchem Umfang das als Anpassungsstörung bezeichnete Zustandsbild die [X.]
-
15
-
fähigkeit der Angeklagten in dem von §
21 StGB vorausgesetzten erheblichen Maß beeinträchtigt haben kann. Das angefochtene Urteil enthält hierzu
keinerlei Ausführungen.
3.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen (§
267 Abs.
1 Satz
1 StPO) in sachlicher Form und mit möglichst eindeutigen Formulierungen dargestellt werden sollten.

-
sofern nicht als Zitate unerlässlich
-
grundsätzlich zu vermeiden. Ihre Verwen-dung kann den Bestand des Urteils gefährden, wenn sie mehrdeutig sind oder Wertungen enthalten, die nicht durch Tatsachen belegt sind.
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]

Mutzbauer
Quentin
30

Meta

4 StR 163/14

14.08.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2014, Az. 4 StR 163/14 (REWIS RS 2014, 3480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3480

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 163/14 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung zwischen Körperverletzung und Tötungsversuch: Urteilsfeststellungen zum voluntativen Merkmal bei Handeln in affektiver Erregung; Narbe …


2 StR 139/13 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung zwischen Tötungsversuch und schwerer Körperverletzung: Anforderungen an Urteilsfeststellungen zum bedingten Tötungsvorsatz bei Handeln in …


2 StR 139/13 (Bundesgerichtshof)


3 StR 180/19 (Bundesgerichtshof)

Schwere Körperverletzung: Voraussetzungen für den Qualifikationstatbestand der dauernden erheblichen Entstellung bei Narben


4 StR 340/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 387/15

4 StR 124/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.