Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.03.2013, Az. VII B 49/12

7. Senat | REWIS RS 2013, 7350

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Gegenstand

Klage ohne Wiederaufnahme des durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Einspruchsverfahrens unzulässig


Leitsatz

1. NV: Aufgrund ihrer Vollstreckbarkeit sind Steuerbescheide als vollstreckbare Schuldtitel i.S. der §§ 179 Abs. 2 und 184 Abs. 2 InsO anzusehen .

2. NV: Ist das Einspruchsverfahren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochen worden, und hat der Schuldner im Prüfungstermin der vom Finanzamt geltend gemachten Forderung widersprochen, obliegt es nach § 184 Abs. 2 InsO dem Schuldner, den Widerspruch durch Aufnahme des unterbrochenen Einspruchsverfahrens zu verfolgen .

3. NV: Erhebt der Schuldner in dieser Situation Klage, ohne das unterbrochene Einspruchsverfahren wieder aufzunehmen, ist die Klage wegen des fehlenden Vorverfahrens unzulässig .

Tatbestand

1

I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Während der Insolvenzverwalter die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) angemeldeten Beträge in voller Höhe zur Insolvenztabelle feststellte, widersprach die Klägerin im Berichts- und Prüfungstermin dem [X.] und der [X.]. Die von ihr daraufhin erhobene Klage "wegen Feststellung zur Insolvenztabelle" hat das Finanzgericht ([X.]) als Klage gemäß § 184 Abs. 2 der Insolvenzordnung ([X.]) ausgelegt und aufgrund des fehlenden Vorverfahrens als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, die Klägerin hätte anstatt Klage zu erheben das Einspruchsverfahren wieder aufnehmen und eine Entscheidung des [X.] herbeiführen müssen.

2

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Es liege noch keine Entscheidung des [X.] zu der Frage vor, ob entgegen dem Wortlaut des § 184 Abs. 2 [X.] vor Klageerhebung ein Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen sei. Dem [X.] sei ein schwerwiegender Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts unterlaufen. Dies führe zur Verweigerung des Rechtsschutzes. Die amtliche Überschrift "Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners" gelte auch für § 184 Abs. 2 [X.]. Die Behauptung des [X.], das Rechtsbehelfsverfahren sei wieder aufzunehmen, finde keine Stütze im Gesetz. Darüber hinaus liege der [X.] der Fortbildung des Rechts vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O), weil das [X.] einen neuen [X.] unter dem Begriff "was schert [X.] der Gesetzgeber" postuliert habe.

3

Das [X.] ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unzulässig, denn die Klägerin hat die von ihr angeführten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

5

Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer auch mit dem Schrifttum und der Rechtsprechung auseinandersetzen.

6

a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Soweit dem Vorbringen die Frage entnommen werden könnte, ob § 184 Abs. 2 [X.] im Falle eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen [X.] die Fortsetzung desselben verlangt, oder der Schuldner unmittelbar Klage erheben kann, legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, aus welchen Gründen diese Frage in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 184 Abs. 2 [X.] --und der wortgleichen Regelung in § 179 Abs. 2 [X.]-- einer Klärung bedarf. Mit der Behauptung, nach § 184 Abs. 2 [X.] müsse der Schuldner binnen einer Frist von einem Monat seinen Widerspruch zur Forderungsanmeldung mittels einer Klage verfolgen, unterstellt die Klägerin der Vorschrift einen Wortlaut, der ihr nicht entnommen werden kann. Vielmehr ist § 184 Abs. 2 [X.] lediglich zu entnehmen, dass es dem Schuldner obliegt, binnen einer Frist von einem Monat den Widerspruch zu verfolgen. Von der Erhebung einer Klage ist indes keine Rede.

7

b) Vorbild für diese Regelung war § 179 Abs. 2 [X.], nach dem es bei streitigen Forderungen dem [X.] obliegt, den Widerspruch zu verfolgen ([X.] in Jaeger, Insolvenzordnung, § 184 Rz 21; BTDrucks 16/3227, S. 21). Sowohl § 184 Abs. 2 [X.] als auch § 179 Abs. 2 [X.] verlangen die Verfolgung des Widerspruchs. Es entspricht der herrschenden Meinung im Schrifttum, dass der Rechtsstreit nach § 179 Abs. 2 [X.] in dem Stadium und auf die Weise fortzusetzen ist, wie ihn der Schuldner fortsetzen könnte, und zwar mit den in den jeweiligen Verfahrensordnungen vorgesehenen Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln. Im Falle von Steuerbescheiden, die aufgrund ihrer Vollstreckbarkeit als vollstreckbare Schuldtitel i.S. des § 179 Abs. 2 und des § 184 Abs. 2 [X.] anzusehen sind (Senatsentscheidungen vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, [X.], 134, [X.], 562 zu § 179 Abs. 2 [X.], und vom 10. August 1993 VII B 46/91, [X.] 1994, 293 zu § 146 der Konkursordnung), ist der Widerspruch durch Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Vorverfahrens zu verfolgen, das nach § 44 Abs. 1 FGO Voraussetzung für eine gerichtliche Geltendmachung ist ([X.] in Jaeger, a.a.[X.], § 179 Rz 83, § 184 Rz 21; [X.] in [X.] Kommentar Insolvenzordnung, § 179 Rz 35). Mit der im Vergleich zu § 184 Abs. 2 [X.] wortgleichen Regelung in § 179 Abs. 2 [X.] und mit den hierzu im Schrifttum vertretenen Meinungen setzt sich die Beschwerde nicht einmal ansatzweise auseinander. Deshalb vermag sie auch nicht schlüssig zu erklären, warum der Gesetzgeber --im Gegensatz zu der in § 179 Abs. 2 [X.] getroffenen [X.] unter der Verfolgung des Widerspruchs in § 184 Abs. 2 FGO ausschließlich die Erhebung einer Klage --nämlich einer Klage auf Feststellung der Begründetheit des [X.] verstanden haben sollte.

Meta

VII B 49/12

15.03.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 13. Februar 2012, Az: 6 K 3803/10, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 44 Abs 1 FGO, § 179 Abs 2 InsO, § 184 Abs 2 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.03.2013, Az. VII B 49/12 (REWIS RS 2013, 7350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7350

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