Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. IX ZB 150/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9353

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 150/11

vom

9. Februar 2012

in dem Insolvenzverfahren

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die
Richter Prof. Dr. Gehrlein und [X.], die Richterin Lohmann
und den
Richter Dr.
Fischer

am 9. Februar 2012
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde
der Schuldnerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 29.
April
2011
aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die
Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 32.725,24

.

Gründe:

I.

Auf Eigenantrag der Schuldnerin, einer GmbH & Co.
KG, eröffnete das Amtsgericht am 29.
Oktober 2007 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter.

1
-

3

-

Die Schuldnerin beantragte am 16.
März 2009 mit Zustimmung der zwi-schenzeitlich befriedigten Gläubiger,
das Verfahren
nach §
213 [X.] einzustel-len.

Der Verwalter beantragte unter Zugrundelegung einer Berechnungs-grundlage von 305.974,42

nebst Auslagen von 6.735,14

34.611,86

Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 22.192,46

und Umsatzsteuer festgesetzt, zusammen 34.367,44

hat eine Berech-nungsgrundlage von 298.450,64

berücksichtigt. Die hiergegen erhobene [X.] Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde ver-folgt die Schuldnerin ihr Anliegen weiter, dass
lediglich die Mindestvergütung festgesetzt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde
ist statthaft (§§
6, 7, 64 Abs.
3 [X.], Art.
103f EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO) und zulässig (§
574 Abs.
2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO, §
4
[X.]).

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, bei der Berechnungsgrundla-ge seien
nicht nur die realisierte Insolvenzmasse in Höhe von 450,64

be-rücksichtigen, sondern auch die Forderungen
auf Zahlung der ausstehenden [X.] in Höhe von insgesamt 2.000

en. 2
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4

-
Zu berücksichtigen sei auch die Forderung
in Höhe von 290.000

gegen die Liquidatorin (als Erbin) gemäß §§
130a, 161 HGB geltend gemacht werden könne, aber auch gegen die R.

GmbH nach §§
30, 31 GmbHG analog, §
172 HGB sowie nach §
133 Abs.
1 [X.]. Die Darlehensforderung gegen U.

S.

sei in Höhe von 6.000

h-tigen.

Die Rechtsbeschwerde
meint demgegenüber, die Einlageforderung ge-genüber den Kommanditisten, der Anspruch gegen die Liquidatorin (als Erbin) gemäß §§
130a, 161 HGB und der
Anspruch gegen die R.

G.

mbH analog §§
30, 31 GmbHG, §
172 HGB seien
je-weils mit Null Euro zu bewerten, weil die Zahlungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung infolge der Befriedigung aller Insolvenzgläubiger nicht mehr benötigt würden. Der Anspruch aus §
133 Abs.
1 [X.] scheitere an der fehlenden Gläubigerbenachteiligung. Die Darlehensforderung gegen U.

S.

habe der Verwalter in seinem Eröffnungsgutachten mit 1
Euro bewertet, wes-halb ohne neue Erkenntnisse nunmehr der Nominalbetrag von 12.473,78

r-langt und der Wert von den [X.] nicht auf 6.000

geschätzt werden könne.

2. Die Auffassung des [X.] hält rechtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand.

a) Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach §
213 [X.] bemisst sich die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, §
1 Abs.
1 Satz
2 InsVV.
Forderungen, die in die Masse fallen und dort noch vorhanden sind, sind mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 7
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-

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-
9.
Juni 2005 -
IX
ZB 230/03, [X.], 1324, 1325), unabhängig davon, ob sich der Verwalter mit ihnen
befasst hat; ob die Forderung auch noch zu einem spä-teren Zeitpunkt eingezogen werden könnte oder verjährt, ist unerheblich ([X.], Beschluss vom 17.
März 2011 -
IX
ZB 145/10, Z[X.] 2011, 839 Rn.
12
mwN; st.
Rspr.)

b) Voraussetzung der Berücksichtigung der Forderung ist allerdings, dass diese vom Verwalter überhaupt hätte realisiert werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juni 2005, aaO S.
1325 unter 2
a).

Eine Forderung
der Masse, der eine aufrechenbare Forderung entge-gensteht, ist nach §
1 Abs.
2 Nr.
3 InsVV nur mit dem Überschuss zu [X.]. Es kommt darauf an, ob die sich gegenüberstehenden Forderungen aufrechenbar oder verrechenbar sind,
weil nur dann ein Überschuss zur Masse gezogen werden kann ([X.], Beschluss vom 21.
Januar 2010
-
IX
ZB 197/06, [X.], 436 Rn.
8).

Für eine Forderung, deren Erfüllung aus anderen Gründen verweigert werden kann, gilt dies entsprechend. Sie zählt zur Berechnungsgrundlage nur,
soweit sie tatsächlich durchsetzbar ist. Ein höherer
Verkehrswert kommt ihr dann nicht zu. Soweit die Realisierung des Anspruchs nicht erforderlich gewe-sen wäre, um alle Insolvenzgläubiger und [X.] zu befriedigen, ist der Wert vergütungsrechtlich nicht zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 29.
März 2007 -
IX
ZB 153/06, [X.], 1070 Rn.
20 aE).

c) Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitelerhaltung können in der Liquidation der Gesellschaft
nur realisiert werden, soweit sie zur Liquidation der Gesellschaft erforderlich sind, also etwa zum Zwecke der Beendigung der lau-10
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fenden Geschäfte oder zur Befriedigung der Gläubiger. Ein darüber hinausge-hender Forderungseinzug wäre sinnlos, weil der eingezogene Betrag anschlie-ßend den einzahlenden Gesellschaftern wieder zur Verfügung gestellt werden müsste. Der Anspruch
kann deshalb insoweit nicht durchgesetzt werden ([X.], Urteil vom 18.
November 1969 -
II
ZR 83/68, NJW 1970, 469, 470, insoweit in [X.]Z 53, 71 nicht abgedruckt; [X.], [X.] 2003, 1939; [X.]/Nerlich, GmbHG §
69 Rn.
25; MünchKomm-GmbHG/[X.], §
69 Rn.
15; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 18.
Aufl. §
69 Rn.
4; K.
Schmidt in [X.], GmbHG, 10.
Aufl., §
69 Rn.
23; [X.] in [X.]/[X.]/Winter, GmbHG, §
69 Rn.
23).
Fragen des [X.] stellen sich hier nicht.

Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, gilt dies entsprechend. Zu befriedigen sind hier allerdings nicht nur alle Insolvenzgläubiger, sondern auch die [X.]. Einzuziehen sind des-halb auch die Beträge, die zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens erforderlich sind, §
53 [X.]. Dazu gehört die Vergütung des Verwalters, §
54 Nr.
2 [X.].
Die genannten Ansprüche sind deshalb in der Höhe einziehbar, in welcher der Erlös für die Begleichung aller Massekosten und [X.] erforderlich ist
(vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2012 -
IX
ZB 230/10, zVb).

Für die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung in der Kommandit-gesellschaft, hier bezüglich der zwischen den Beteiligten dem Grunde nach un-streitigen Ansprüche auf Einzahlung der ausstehenden [X.] in Höhe von 2.000

171 Abs.
2 HGB einerseits und auf Rückzahlung von 290.000

.

G.

mbH gemäß §§
30, 31 GmbH analog, §
172 HGB
andererseits
gelten diese Grundsätze ent-sprechend.
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-

Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sind zwar für die Vergütung des Verwalters auch insoweit zu berücksichtigen, als ihre Einziehung erforderlich ist, um nachrangige Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Nicht zu be-rücksichtigen sind dabei aber nachrangige Insolvenzforderungen, die allein dadurch entstehen, dass ein Anspruch auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhal-tung vom Insolvenzverwalter durchgesetzt wird. Ein derartiges Hin-
und Herzah-len in der Insolvenz hätte ausschließlich den Zweck, [X.] zu ge-nerieren. Die Geltendmachung von Ansprüchen auf Kapitalaufbringung oder
Kapitalerhaltung
allein mit dem Ziel, dem in Anspruch genommenen anschlie-ßend seine hierdurch entstehende nachrangige Insolvenzforderung zu erfüllen, unter Abzug der damit verdienten Vergütung des Verwalters, wäre rechtsmiss-bräuchlich und kann deshalb nicht berücksichtigt werden.

Der Anspruch aus Insolvenzanfechtung nach §
133 Abs.
1 [X.] gegen die R.

G.

mbH könnte ebenfalls nur in der Höhe geltend gemacht werden, in der die [X.] benötigt wird, um andere Masse-
und Insolvenzgläubiger zu befriedigen, weil
es wegen eines [X.] Betrages an der objektiven Benachteiligung anderer Gläubiger fehlt, §
129 Abs.
1 [X.].

Dasselbe gilt entsprechend für den Anspruch gegen Frau U.

M.

aus §§
130a, 161 HGB, weil es für Beträge, die nicht zur Befriedigung der Mas-se-
und Insolvenzgläubiger benötigt werden, an einem Schaden fehlt.

d) Hinsichtlich der Darlehensforderung gegen Frau S.

in Höhe von nominal 12.473,78

r-derung wegen nicht bekannter Bonität von Frau S.

unter Vorsichtsgesichts-16
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punkten mit 1
Euro bewertet, bei der Berechnungsgrundlage für seine Vergü-tung mit dem vollen Betrag. Mutmaßungen der Insolvenzschuldnerin über die Bonität von Frau S.

könnten nicht nachvollzogen werden, Frau S.

habe hierzu nichts mitgeteilt.

Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die [X.] den maßgeblichen Verkehrswert der Forderung für Zwecke der Be-rechnungsgrundlage auf 6.000

der tatrichterlichen Verantwortung nach §
287 ZPO, §
6 [X.]. Willkür ist inso-weit nicht gegeben.

e) Da
sich damit die Berechnungsgrundlage
für die Vergütung des [X.] nach der Höhe der einziehbaren Forderungen
richtet, die Höhe der ein-ziehbaren Forderungen
ihrerseits aber überwiegend wiederum nach der Höhe der Vergütung, muss für die Höhe der einziehbaren Forderungen
im Wege der Annäherung als Wert ein Betrag geschätzt werden

4 [X.], §
287 ZPO), bei dessen Zugrundelegung auch die hieraus zu berechnende Vergütung abge-deckt ist.

f) An dieser Berechnung ändert vorliegend nichts der Umstand,
dass sich ein Dritter bereit erklärt hat, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Die Berechnungsgrundlage wird dadurch nicht
berührt.

g) Nach §
1 Abs.
1 Satz
2 InsVV ist allerdings der Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgebend. Durch die Befriedigung der Insolvenzforderungen durch einen Dritten sinkt unter den gegebenen Um-ständen der Betrag, der mit den oben unter c) behandelten Ansprüchen zu die-sem Zeitpunkt noch durchgesetzt werden könnte.
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Das führt aber in diesem Zusammenhang nicht zu einer Absenkung der Berechnungsgrundlage. Andernfalls könnte mit
Zahlungen Dritter die Berech-nungsgrundlage bis auf die Höhe der [X.] und damit auf die Mindestvergütung gedrückt werden. Das würde der Systematik der gesetzlichen [X.] nicht gerecht. Zahlungen Dritter an die Insolvenzgläubiger können in diesem Zusammenhang deshalb nicht anders bewertet werden, als hätte der Verwalter die
genannten Ansprüche in der erforderlichen Höhe einge-zogen.

3. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Der ohne weitere Vo-raussetzungen durchsetzbare Darlehensanspruch ist mit seinem geschätzten Realisierungswert in die Berechnungsgrundlage einzustellen. Im Übrigen wird das Beschwerdegericht festzustellen haben, in welcher Höhe die weiteren For-derungen
noch hätten
eingezogen werden müssen, damit
alle Insolvenzgläubi-ger und [X.] hätten befriedigt werden können. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Drittzahlungen sind in diesem Zusammen-hang außer Betracht
zu lassen.
Ebenfalls außer Betracht zu lassen sind diese Forderungen, soweit ihr Erlös anschließend wieder an die Anspruchsgegner

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wegen ihrer dadurch entstehenden
nachrangigen
Insolvenzforderungen ausge-zahlt werden müsste.

Kayser
Gehrlein
[X.]

Lohmann
Fischer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.02.2010 -
1121 IN 2145/07 -

LG [X.], Entscheidung vom 29.04.2011 -
3 T 125/10 -

Meta

IX ZB 150/11

09.02.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. IX ZB 150/11 (REWIS RS 2012, 9353)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9353

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