Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.08.2021, Az. I R 39/18

1. Senat | REWIS RS 2021, 3381

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(§ 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 ist kein eigenständiger, von Satz 4 losgelöster Ausschlussgrund)


Leitsatz

§ 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 bildet nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 und ist kein eigenständiger Ausschlussgrund für eine Buchwertfortführung; es handelt sich um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 18.09.2018 - 6 K 77/16 aufgehoben und werden die Bescheide des Beklagten vom 17.11.2015 über Körperschaftsteuer 2007 und über den [X.] für 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.04.2016, dahingehend geändert, dass ein Übertragungsgewinn in Höhe von ... € nicht angesetzt wird.

Die Berechnung der festzusetzenden Beträge wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

[[X.].]n der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --als Rechtsnachfolgerin der [X.]-- sind als Kommanditisten hälftig die [[X.].] und die [[X.].] beteiligt. [X.]urch notariellen [[X.].] gliederte die [X.] zum 01.01.2004 den Geschäftsbetrieb "[X.]" in eine [X.] ([X.]), deren Kommanditistin sie war, gegen Gewährung von [[X.].]nteilen aus. Parallel dazu gründete sie die GmbH 2 und legte die [[X.].]nteile an der [X.] zum [[X.].]uchwert gegen Gewährung von [[X.].]nteilen in die GmbH 2 ein.

2

[X.]ie [X.] beschloss am 22.06.2006, die Kapitalrücklage der GmbH 2 in Höhe von ... € aufzulösen und an sich auszuschütten. Zu diesem Zweck schloss die GmbH 2 am [X.] je einen [X.]arlehensvertrag mit der [X.] und der [X.] in Höhe von jeweils ... €. [[X.].]m 31.01.2007 schüttete die GmbH 2 ... € als Vorabdividende an die [X.] aus.

3

Mit [X.] verschmolz die Komplementär-GmbH der [X.] zum 01.01.2007 zu [[X.].]uchwerten auf die GmbH 2. [X.]as Vermögen der [X.] wuchs gleichzeitig ebenfalls zu [[X.].]uchwerten der GmbH 2 im Wege der [[X.].]nwachsung zu.

4

Seit [[X.].]ugust 2007 verhandelten die [X.] und ihre [[X.].]nteilseigner mit potenziellen Erwerbern des [X.]-Geschäfts. [[X.].]m 09.11.2007 gab die N.V. ein "irrevocabel and binding offer" für den Erwerb sämtlicher [[X.].]nteile an der inzwischen umbenannten GmbH 2 ab. Nach dem [[X.].]ngebot war die N.V. bereit, für den Erwerb der [[X.].]nteile an der GmbH 2, auf [[X.].]asis eines Unternehmenswertes zum 30.06.2007 von ... €, einen Kaufpreis von ... € zu entrichten.

5

Mit Kaufvertrag vom 23.11.2007, fünffach geändert bis Mitte 2008, vereinbarten die E [X.] als Käuferin einerseits und die Muttergesellschaften der [X.] andererseits den Kauf von [[X.].]nteilen an einer noch zu gründenden Gesellschaft, der späteren [X.], in die die [X.] auf Geheiß ihrer Muttergesellschaften das [X.]-Geschäft in Form sämtlicher [[X.].]nteile an der GmbH 2 bis zum "closing date" einzubringen hatte. Grundlage dieses Vertrags war die [[X.].]nnahme eines Unternehmenswerts von ... €. [X.]er Kaufpreis belief sich unter [[X.].]erücksichtigung von Verbindlichkeiten in Höhe von ... € zum 30.06.2007 auf ... €. Nach dem Vertrag sollte die GmbH 2 im Rahmen ordnungsgemäßer Geschäftsführung berechtigt sein, [X.]arlehen bis zu ... € in [[X.].]nsehung des parallel abgeschlossenen [X.]arlehensübernahmevertrags ("Loan [[X.].]cquisition and [[X.].]ssumption [[X.].]greement") aufzunehmen und in gleicher Höhe an die Klägerin auszuschütten. [X.]er [[X.].]etrag sollte bis zum "closing date" adjustiert werden. [X.]ies geschah durch das Fourth [[X.].]ddendum vom 25.06.2008, in dem der [[X.].]etrag der "Reference Net [X.]ebt" auf ... € festgelegt wurde.

6

Ebenfalls mit Vertrag vom 23.11.2007 erwarb die E [X.] von den o.g. [X.]arlehensgebern die gegenüber der GmbH 2 bestehenden [X.]arlehensforderungen. [X.]azu gehörten die [X.]arlehensforderungen in Höhe von jeweils ... € vom [X.] und bis zu jeweils ... €, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vereinbart waren, und die zur Finanzierung einer [[X.].]usschüttung in Höhe von ... € von der GmbH 2 an die [X.] dienen sollten. Ein entsprechender [X.]arlehensvertrag wurde sodann mit [X.]atum vom 14.12.2007 vereinbart, wonach die GmbH 2 von ihren beiden mittelbaren [[X.].]nteilseignern ein [X.]arlehen von jeweils bis zu ... € erhalten sollte. Hierauf wurden am 18.12.2007 jeweils ... € an die [X.]arlehensnehmerin ausgezahlt, weitere jeweils ... € am 18.06.2008.

7

[[X.].]ufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 17.12.2007 wurden bei der GmbH 2 ... € in [[X.].]nsehung des bis zum 30.12.2007 bestehenden [X.] als Gewinnabschlag am 18.12.2007 an die [X.] ausgezahlt. [X.]er [[X.].]uchgewinn war durch die [[X.].]nwachsung der [X.] auf die GmbH 2 entstanden. [X.]ie Zahlung wurde wegen des zum 30.12.2007 gekündigten [X.] als verdeckte Gewinnausschüttung (vG[[X.].]) behandelt.

8

Zum 31.12.2007 betrug der Gesamtwert der [X.] nach einem [X.] ... €. [X.]avon entfielen nach der [[X.].]usschüttung am 18.12.2007 noch ... € auf die [[X.].]eteiligung an der GmbH 2. [X.]as Gutachten kommt weiterhin zu dem Schluss, dass das nicht betriebsnotwendige Vermögen der [X.], das überwiegend aus der [[X.].]eteiligung an der GmbH 2 und den auf der als vG[[X.].] gewerteten [[X.].]usschüttung beruhenden Finanzanlagen bei den Finanzierungsgesellschaften der mittelbaren Muttergesellschaften besteht, einen Gesamtwert von ... € aufweise.

9

Mit [X.] und steuerlicher Wirkung zum 31.12.2007 spaltete die [X.] ihre 100%ige [[X.].]eteiligung an der GmbH 2 auf die am 02.06.2008 neu gegründete [X.], deren [[X.].]nteilseigner dieselben waren wie bei der Klägerin, gegen Gewährung von [[X.].]nteilen an der [X.] zu Gunsten dieser [[X.].]nteilseigner ab. [X.]ie [X.] war damit eine Schwestergesellschaft der [X.]. [X.]ie Eintragung der [X.] im Handelsregister erfolgte am 11.06.2008. [X.]ie Klägerin beantragte [[X.].]uchwertfortführung. [[X.].]m 01.07.2008 erfolgte die Kaufpreiszahlung für die Geschäftsanteile der [X.].

Im Rahmen einer [[X.].]ußenprüfung gelangte der Prüfer zum [X.] (Streitjahr) zu der [[X.].]uffassung, durch die [[X.].]bspaltung des [X.] 2 auf die [X.] seien die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen worden. [X.]aher greife § 15 [[X.].]bs. 2 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2006), die sog. [X.]. [X.]ie beantragte Fortführung zu [[X.].]uchwerten sei zu versagen und stattdessen der gemeine Wert anzusetzen. [X.]er Übertragungsgewinn in Höhe von ... €, der sich aus der [X.]ifferenz zwischen [[X.].]uchwert (... €) und gemeinem Wert (... €) der [[X.].]eteiligung zum 31.12.2007 ergebe, sei von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der übertragenden [X.] im Streitjahr zu versteuern.

[[X.].]m 17.11.2015 erließ der [[X.].]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[[X.].]--) auf Grundlage dieser Feststellungen einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2007 sowie einen geänderten [[X.].]escheid über den [X.] 2007.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. [X.]as Urteil des Finanzgerichts (FG) [X.] vom 18.09.2018 - 6 K 77/16 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2019, 140 veröffentlicht.

[X.]agegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Revision, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

Sie beantragt, die Körperschaftsteuer 2007 und den [X.] 2007 unter [[X.].]ufhebung des angefochtenen Urteils sowie der [[X.].]escheide des F[[X.].] vom 17.11.2015 über Körperschaftsteuer 2007 und über den [X.] für 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.04.2016, soweit herabzusetzen, wie sich die Körperschaftsteuer und der [X.] ergeben, wenn ein um ... € verminderter Gewinn bzw. ein entsprechend verminderter Gewerbeertrag zugrunde gelegt wird und demgemäß die festgesetzte Körperschaftsteuer um ... € niedriger festgesetzt und der [X.] um ... € reduziert wird.

[X.]as F[[X.].] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

[X.]as [[X.].]undesministerium der Finanzen ([[X.].]MF) ist dem Verfahren beigetreten, hat aber keinen [[X.].]ntrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist für den streitgegenständlichen Abspaltungsvorgang zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 [X.] 2006 erfüllt sind (dazu 1.), es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die von der Klägerin begehrte [X.] an der sog. Nachspaltungsveräußerungssperre des § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 scheitert (dazu 2.). Da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 im Streitfall nicht vorliegen (dazu 3.) und § 42 der Abgabenordnung i.d.[X.] zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001) vom 20.12.2001 ([X.], 3794, [X.], 4) --[X.] a.F.-- neben den genannten spezialgesetzlichen Missbrauchsverhinderungsvorschriften nicht anwendbar war (dazu 4.), konnte die Abspaltung zu Buchwerten durchgeführt werden.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2006 gelten die §§ 11 bis 13 des Gesetzes entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Aufspaltung oder Abspaltung oder durch Teilübertragung auf andere Körperschaften übergeht. § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 [X.] 2006 sind in diesem Zusammenhang aber nur anzuwenden, wenn auf die Übernehmerin ein Teilbetrieb übertragen wird und im Fall der Abspaltung oder Teilübertragung bei der übertragenden Körperschaft ein Teilbetrieb verbleibt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2006). Als Teilbetrieb gilt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2006 auch ein Mitunternehmeranteil oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital der [X.] umfasst. Dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 [X.] 2006 erfüllt sind, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und bedarf keiner eingehenden Erörterungen.

a) Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] mit der 100 %-Beteiligung an der GmbH 2 einen Teilbetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2006 abgespalten hat. Ihr verblieben anschließend auch [X.], was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit steht: Die [X.] hat ihren Geschäftsbetrieb ausweislich des Berichts der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Ermittlung des Unternehmenswertes zum 31.12.2007 nach der Abspaltung der streitgegenständlichen Beteiligung fortgesetzt. Ihre eigenen geschäftlichen Aktivitäten nach der Abspaltung bestanden ausweislich der bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) im Wesentlichen aus ... Daneben hatte sie 100%ige Tochtergesellschaften in Form von Kapitalgesellschaften, die als solche schon gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 [X.] 2006 als [X.] anzusehen sind.

b) Auch die Voraussetzungen für eine [X.] gemäß § 11 Abs. 2 [X.] 2006 waren im Streitfall erfüllt. Die [X.] hatte insoweit am 02.03.2009 einen Antrag auf [X.] gestellt. Sie spaltete ihre 100%ige Beteiligung an der GmbH 2 auf die neu gegründete GmbH 3, deren Anteilseigner identisch mit denen der Klägerin waren, gegen Gewährung von Anteilen an der GmbH 3 zu Gunsten dieser Anteilseigner ab. Hierbei handelte es sich um eine Spaltung i.S. des § 123 Abs. 1 Nr. 2 des [X.]es, durch die das abgespaltene Vermögen entsprechend der im Spaltungsvertrag vorgesehenen Aufteilung auf den übernehmenden Rechtsträger überging. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 11.06.2008.

c) Das [X.] hat den [X.] zutreffend dem Streitjahr zugeordnet, da die Beteiligten den steuerlichen Übertragungsstichtag nach § 2 Abs. 1 [X.] 2006 auf den 31.12.2007 zurückbezogen haben. Die steuerliche [X.] setzt insoweit nicht voraus, dass der übernehmende Rechtsträger zum steuerlichen Übertragungsstichtag bereits zivilrechtlich besteht (vgl. [X.]-Schreiben vom 11.11.2011, [X.], 1314, Rz 02.11), weshalb unerheblich ist, dass die GmbH 3 erst mit [X.] gegründet wurde.

2. Abweichend zur Rechtsauffassung des [X.] scheitert die [X.] nicht an § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2006 ist § 11 Abs. 2 [X.] 2006 nicht anzuwenden, wenn durch die Spaltung die Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird. Das Gleiche gilt nach Satz 3, wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Davon ist nach Satz 4 auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden.

b) Die Rechtsfrage, ob § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 als eigenständiger Ausschlussgrund zu bewerten ist, der unabhängig von § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 Anwendung finden kann, wird unterschiedlich beantwortet.

aa) Teilweise wird vertreten, § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 sei nicht "leerläufig" und habe unabhängig von Satz 4 der Vorschrift einen eigenen Anwendungsbereich. Satz 4 stelle nur eine Vermutung für das Vorliegen einer Veräußerungsabsicht auf, so dass bei bestehender und nachweisbarer Veräußerungsabsicht eine Schädlichkeit auch unterhalb der in Satz 4 geregelten 20 %-Schwelle angenommen werden könne ([X.] vom 13.04.2015, [X.] --DStR-- 2015, 1871; Finanzministerium Brandenburg vom 16.07.2014, [X.], 2180; [X.], [X.] --GmbHR-- 2012, 141, 148; [X.], Der Konzern 2017, 443, 444 ff.; [X.] in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 15 [X.] Rz 294; wohl auch [X.]/Golücke, GmbHR 2004, 1264, 1265 f., und [X.], GmbHR 2020, 467, 470).

bb) Die überwiegend vertretene Gegenauffassung geht allerdings davon aus, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 nur die Grundlage für die Vermutung des Satzes 4 regelt und keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat, es sich also um eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bestehend aus den Sätzen 3 und 4 handelt ([X.] Berlin-Brandenburg vom 31.05.2018 - 9 K 9143/16, E[X.] 2018, 1681, Revision I R 27/18; [X.], Der Betrieb 1995, 338, 345; [X.]/Schade, GmbHR 2006, 219, 220; [X.], GmbHR 2018, 1086; [X.], GmbHR 2019, 145, 146; Bumiller, [X.], 1738, 1742; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 15 Rz 242, sowie in Die Wirtschaftsprüfung 2006, 518; [X.] in Schmitt/[X.], [X.], Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl., § 15 [X.] Rz 149; [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 15 [X.] Rz 200; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 15 [X.] Rz 277; [X.] in [X.]/Edelmann/Bron, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 15 Rz 134; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 15 Rz 284; [X.] in [X.]/[X.], § 15 [X.] 2006 Rz 106).

c) Der [X.] schließt sich der zweitgenannten Auffassung an.

aa) Für diese Sichtweise spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] 2006. Wenn es in § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 heißt, es gelte das Gleiche (wie in Satz 2), wenn durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden, und wenn dann in Satz 4 ausgeführt wird, "davon ist auszugehen, wenn ...", legt dies nahe, dass Satz 3 ohne die weiteren Voraussetzungen des Satzes 4 keinen eigenen Anwendungsbereich hat (ebenso Urteil des [X.] Berlin-Brandenburg in E[X.] 2018, 1681, Revision I R 27/18). Hätte der Gesetzgeber in Satz 4 nur ein mögliches Regelbeispiel nennen wollen, so hätte er das Wort "insbesondere" oder "etwa" einfügen können. In diese Richtung hat sich der [X.] auch bereits in seinem Urteil vom 03.08.2005 - I R 62/04 ([X.], 443, [X.], 391) zur Vorgängerregelung des [X.] 1995 ausgesprochen. Dort hat er ausgeführt, dass Satz 4 an den vorgehenden Satz 3 anknüpft und "nur zusammen mit diesem einen Sinn erhält". Er hat geschlussfolgert, der Gesetzgeber "hätte ... Satz 3 und 4 auch in einem Satz zusammenfassen können" und die "Aufteilung in zwei Sätze indiziert ... nicht, dass Satz 3 und 4 unterschiedliche Anwendungsbereiche haben ...".

bb) Dem steht das systematische Argument nicht entgegen, dass bei dieser Auslegung § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 überflüssig wäre (so aber [X.], a.a.[X.]). Vielmehr schafft eine Spaltung immer die Voraussetzungen für eine getrennte Veräußerung von Anteilen, so dass § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 selbst ohne nachfolgende tatsächliche Veräußerung oder bei Veräußerungen unterhalb der in Satz 4 genannten Wert-Grenzen erfüllt wäre. Es bedürfte der Regelung in Satz 4 nicht, wenn bereits die Schaffung der Voraussetzungen einer Veräußerung auch ohne nachfolgende tatsächliche Veräußerung innerhalb von fünf Jahren tatbestandlich sein sollte ([X.], a.a.[X.]; [X.], a.a.[X.]). Die Bedeutung des § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2006 besteht danach gerade darin, die dogmatische Grundlage für die in § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 geregelte gesetzliche Vermutung zu bilden ([X.]/[X.], a.a.[X.]).

cc) Für die hier vertretene Sichtweise sprechen insbesondere die Entstehungsgeschichte und das Telos des § 15 Abs. 2 [X.] 2006. Die Norm dient dazu, missbräuchliche Gestaltungen, die sich aufgrund der Möglichkeit zur [X.] ergeben können, zu unterbinden (BTDrucks 12/6885, S. 23 zu § 15 [X.] 1995 Nr. 3 und 4). Die [X.] soll deshalb in den Fällen ausgeschlossen werden, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung eines Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils oder einer 100%igen Beteiligung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden (BTDrucks 12/6885, S. 23).

Der [X.] hat dazu im Urteil in [X.], 443, [X.], 391 bereits darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber durch § 15 Abs. 3 Satz 4 [X.] 1995 eine Abgrenzung vornehmen wollte, die an einfach zu ermittelnde und objektive Umstände anknüpft, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft werden muss, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 3 [X.] 1995 tatsächlich vorliegen. Würde man demgegenüber dem Satz 3 einen eigenständigen Anwendungsbereich zubilligen, so würde dies gerade zu der vom Gesetzgeber missbilligten und auch praktisch nur schwerlich durchführbaren Einbeziehung subjektiver Elemente führen (ebenso [X.], a.a.[X.]). Hinzu kommt, dass in den Materialien bezogen auf § 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 [X.] 1995 ausgeführt wird, diese Missbrauchsverhinderungsregelung solle "jedoch erst greifen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach der Spaltung mehr als 10 vom Hundert der Anteile veräußert werden ..." (BTDrucks 12/6885, S. 23). Nimmt man hinzu, dass auf Empfehlung des Finanzausschusses später eine "Abmilderung der Regelungen zur Verhinderung von Missbräuchen" und insbesondere die Anhebung der vorgenannten 10 %-Schwelle auf 20 % beschlossen wurde (BTDrucks 12/7945, S. 61), spricht dies umso mehr dafür, dass unterhalb dieser Schwelle gerade kein Fall des Missbrauchs angenommen werden sollte. Solange die Veräußerung nicht erfolgt ist, ist der vom Gesetzgeber befürchtete [X.] auch nicht eingetreten und stellt die bloße Gefährdung keine Rechtfertigung für die Besteuerung der stillen Reserven dar, da wirtschaftlich noch keine Realisation eingetreten ist, die Grund dafür sein könnte, die [X.] zu versagen (vgl. [X.], a.a.[X.]). Den Materialien lässt sich im Übrigen kein Hinweis dafür entnehmen, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] 1995 ein (einengend wirkendes) subjektives Tatbestandsmerkmal im Sinne einer erforderlichen Veräußerungsabsicht beigegeben werden sollte.

d) Dass nach der hier favorisierten Auslegung im Ergebnis "nur spaltungsfähige Körperschaften die Möglichkeit haben, die entsprechenden Vermögensbestandteile steuerfrei an einen [X.] zu veräußern", ist Folge der gesetzlichen Vorgaben. Der Gesetzgeber wollte --wie zuvor ausgeführt-- die [X.] (nur) in den Fällen ausschließen, in denen die Steuerpflicht der Veräußerung eines Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils oder einer 100%igen Beteiligung dadurch umgangen wird, dass die Anteile der verbleibenden oder der aufnehmenden Körperschaft nach Abspaltung veräußert werden. Dass sich dies entsprechend auch nur auf spaltungsfähige Körperschaften beschränkt, ergibt sich aus der Sache selbst und begründet keinen erkennbaren Gleichheitsverstoß, der zu einer abweichenden verfassungskonformen Auslegung [X.] geben könnte.

3. Ein Fall des § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 liegt im Streitfall nicht vor. Denn dazu müssten innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: 31.12.2007) Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert worden sein. Es muss ermittelt werden, welchen rechnerischen Anteil die zu berücksichtigenden Anteile an den beteiligten Körperschaften nach Spaltung an den Anteilen an der übertragenden Körperschaft vor Spaltung repräsentieren. Maßgeblich sind insoweit die gemeinen Werte der Anteile zum Übertragungsstichtag (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 15 Rz 260; [X.] in Schmitt/[X.], a.a.[X.], § 15 [X.] Rz 180). Deshalb sind zeitlich vorgelagerte Vorgänge [X.] das [X.] und das [X.] aber auch nicht geltend gemacht haben-- nicht einzubeziehen. Der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 stellt insoweit ausdrücklich und unmissverständlich auf die "Anteile" an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft ab. Es ist danach ausgeschlossen, auch die von der [X.] von [X.] übernommenen [X.] als "Kosten für den Erwerb des abgespaltenen Teilbetriebs" in die Wertermittlung einzubeziehen.

Im Streitfall hat die [X.] für die Anteile an der GmbH 3 einen Kaufpreis in Höhe von ... € entrichtet. Der den erworbenen Anteilen zugrunde liegende Unternehmenswert der [X.] betrug nach dem [X.] --zwischen den Beteiligten unstreitig [X.] ... €. Damit wird die in § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 genannte 20 %-Grenze nicht erreicht.

4. Es ist entgegen der Auffassung des [X.] ausgeschlossen, § 15 Abs. 2 Satz 4 [X.] 2006 unter Rückgriff auf § 42 [X.] a.F. auszulegen bzw. § 42 [X.] a.F. unmittelbar anzuwenden.

Der [X.] hat zu der bis zum Veranlagungszeitraum 2007 geltenden und im Streitfall maßgebenden Fassung des § 42 [X.] a.F. mehrfach entschieden, dass dann, wenn der Gesetzgeber ein missbrauchsverdächtiges Feld "gesichtet" und durch eine [X.] abgesteckt hat, er für diesen Bereich die Maßstäbe festlegt und eine einheitliche Rechtsanwendung sichert. Sind in einem konkreten Einzelfall --wie hier im [X.] die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsverhinderungsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 [X.] a.F. unterlaufen werden. Verbleiben [X.], ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen (vgl. [X.]surteil vom 18.12.2013 - I R 25/12, [X.] 2014, 904, m.w.[X.]). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 42 Abs. 2 [X.] a.F., da es aufgrund des [X.] bereits an einem Missbrauchsvorwurf i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. fehlt. § 42 Abs. 2 [X.] a.F. läuft dann leer (vgl. [X.]surteil vom 20.03.2002 - I R 63/99, [X.], 506, [X.] 2003, 50). § 42 [X.] a.F. bleibt danach im Streitfall unanwendbar, weil § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] 2006 eine sondergesetzliche Konkretisierung des allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchstatbestandes in § 42 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. beinhalten (vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 15 Rz 210, m.w.[X.]).

5. Auf dieser Grundlage kommt es nicht mehr darauf an, ob die vom [X.] befürwortete Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] 2006 zu einem Verstoß gegen die sog. Fusionsrichtlinie (Richtlinie 2005/19/[X.] [X.] zur Änderung der Richtlinie 90/434/[X.] über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die [X.]en verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, [X.] 2005, Nr. L 58, 19) führen würde.

6. [X.] folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O; die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Beträge auf das [X.] beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O.

Meta

I R 39/18

11.08.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 18. September 2018, Az: 6 K 77/16, Urteil

§ 15 Abs 2 S 3 UmwStG 2006, § 15 Abs 2 S 4 UmwStG 2006, § 42 Abs 1 S 1 AO vom 20.12.2001, § 42 Abs 2 AO vom 20.12.2001, § 97 § 7 S 2 AOEG 1977, Art 3 Abs 1 GG, § 124 UmwG, § 123 Abs 1 Nr 2 UmwG, EWGRL 434/90, EGRL 19/2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.08.2021, Az. I R 39/18 (REWIS RS 2021, 3381)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3381


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 K 77/16

Finanzgericht Hamburg, 6 K 77/16, 18.09.2018.


Az. I R 39/18

Bundesfinanzhof, I R 39/18, 11.08.2021.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 K 77/16 (Finanzgericht Hamburg)


I R 96/08 (Bundesfinanzhof)

(Steuerneutrale Abspaltung eines Teilbetriebs nur bei Übertragung, nicht bei bloßer Vermietung sämtlicher wesentlicher Betriebsgrundlagen - …


I R 24/12 (Bundesfinanzhof)

Steuerfreies Übernahmeergebnis bei sog. Abwärtsabspaltungen und Seitwärtsabspaltungen - Kein tatbestandliches Erfordernis eines tatsächlichen Beteiligungsbesitzes - …


IV R 17/17 (Bundesfinanzhof)

Gewinnrealisierung bei Abspaltung eines Teilbetriebs von einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei …


I B 11/18 (Bundesfinanzhof)

(Keine teleologische Reduktion des § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 bei Abspaltung des …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.