Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2018, Az. III ZR 69/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1651

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Revision im Amtshaftungsprozess: Revisionsentscheidung bei verfahrensfehlerhafter Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht; Haftung für Fehler des Notarztes bei einem Rettungsdiensteinsatz in Sachsen


Leitsatz

1. Ist die auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO gestützte Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Gericht der ersten Instanz verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil das Berufungsgericht über den Anspruchsgrund nicht vollständig selbst befunden hat, und war die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO veranlasst, da das Erstgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat, so ist das Berufungsurteil vom Revisionsgericht aufzuheben, weil die Bindungswirkung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für das Erstgericht in den Fällen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO einerseits und des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO andererseits unterschiedlich weit reicht. In diesem Fall kann das Revisionsgericht die Sache direkt - unter Aufhebung des Ersturteils - an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen.

2. Die Wahrnehmung rettungsdienstlicher Aufgaben ist im Freistaat Sachsen (Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz - SächsBRKG) der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen. Für Fehler des Notarztes bei einem Rettungsdiensteinsatz haften in Sachsen die Rettungszweckverbände beziehungsweise die Landkreise und Kreisfreien Städte, die sich nicht zu einem Rettungszweckverband zusammengeschlossen haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 1 und die Berufungen des [X.] und seiner Streithelferin werden das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 14. Februar 2017 und das Teilurteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 27. Juli 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelzüge, an das [X.] zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten unter dem Vorwurf der fehlerhaften Behandlung während eines [X.] auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht in Anspruch.

2

Der am 17. Juli 2010 geborene Kläger verbrühte sich am Abend des 12. Dezember 2011 mit heißem Tee den Kopf-, Hals- und Brustbereich. Seine Eltern verständigten die Rettungsleitstelle [X.] des erstbeklagten Land-kreises und forderten ärztliche Hilfe an. Daraufhin traf ein Rettungswagen ein, den die Beklagte zu 3, eine Fachärztin für Innere Medizin, als verantwortliche Notärztin begleitete. Während des Einsatzes wurde der Beklagte zu 2, ein Facharzt für Anästhesie, zur Intubation des [X.] hinzugezogen. Nachfolgend zeigten sich bei dem Kläger unter anderem eine anoxische Hirnschädigung, eine hypoxisch ischämische Enzephalopathie, ein Hirnödem und eine armbetonte spastische Tetraparese. Der Kommunale Schadensausgleich als Versicherer des Beklagten zu 1 leistete im Jahre 2013 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Abschlagszahlungen an den Kläger auf den immateriellen Schaden (Schmerzensgeld) in Höhe von insgesamt 80.000 €, welche der Beklagte zu 1 im Wege der Widerklage aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung des Versicherers zurückverlangt.

3

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagten zu 2 und 3 hätten ihre ärztlichen Pflichten verletzt. Sie hätten insbesondere nicht für eine ordnungsgemäße Überwachung der Vitalfunktionen des [X.] während des Transports zum Krankenhaus gesorgt und deshalb nicht bemerkt, dass sich der Tubus disloziert habe, wodurch es zu einer Sauerstoffunterversorgung des [X.] und dem nachfolgenden Hirnschaden gekommen sei. Der Beklagte zu 1 hafte in seiner Eigenschaft als Träger des Rettungsdienstes nach Amtshaftungsgrundsätzen. Die Beklagten zu 2 und 3 seien aus Behandlungsvertrag sowie gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB ersatzpflichtig.

4

Die Beklagten haben ihre Passivlegitimation in Abrede genommen und einen schadenskausalen Behandlungsfehler bestritten. Die Haftung für etwaige Notarztfehler richte sich nach Amtshaftungsgrundsätzen, so dass eine persönliche Haftung der Beklagten zu 2 und 3 ausgeschlossen sei. Der Beklagte zu 1 hafte nicht, da die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst im [X.] nicht den Trägern des Rettungsdienstes, sondern den Krankenkassen und ihren Verbänden sowie den Verbänden der Ersatzkassen zugewiesen sei. [X.] sei nach dem [X.], Rettungsdienst und Katastrophenschutz ([X.]) allein die [X.] ([X.]), die Streithelferin des [X.]. Die Beklagten zu 2 und 3 hätten pflichtgemäß gehandelt.

5

Das [X.] hat mit [X.] die Klage gegen den Beklagten zu 1 abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten zu 1 80.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufungen des [X.] und seiner Streithelferin hat das [X.] das Ersturteil aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

6

Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1 mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet.

I.

8

Das Berufungsgericht ([X.] 2017, 232) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Ansicht des [X.] sei der erstbeklagte Landkreis als Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert. Der Rettungsdienst sei im [X.] öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Der Notarztdienst sei Bestandteil des Rettungsdienstes. Die Notärzte würden in [X.] nicht von der Streithelferin des [X.] angestellt oder mit den Aufgaben der Notfallrettung betraut, sondern von den [X.] beziehungsweise von den [X.] und Kreisfreien Städten, die sich nicht zu einem [X.] zusammengeschlossen haben, hier also vom [X.] zu 1. Die Rechtslage im [X.] sei insofern nicht mit der in [X.], wo für Behandlungsfehler des Notarztes die [X.] hafte, vergleichbar. Da das [X.] - insofern folgerichtig - von einer Beweisaufnahme zum Haftungsgrund abgesehen habe, sei der Rechtsstreit im Hinblick auf den [X.] zu 1 weder dem Grunde noch der Höhe nach zur Entscheidung reif. Insoweit sei die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das [X.] zurückzuverweisen. Es sei eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen und den Parteien solle nicht eine Instanz genommen werden.

II.

9

1. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem maßgeblichen Punkt nicht stand. Das prozessuale Vorgehen des Berufungsgerichts entsprach nicht den Anforderungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO.

a) Zwar war der für die Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO erforderliche Antrag sowohl vom Kläger als auch von seiner Streithelferin gestellt worden; ein Hilfsantrag genügte (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 5. Juli 2011 - [X.], [X.], 1631 Rn. 6). Auch stritten die Parteien - entgegen der Meinung der Revision - nicht allein über den Umfang der Klageforderung, sondern auch über den Umfang der Widerklageforderung, nämlich über die berechtigte Höhe des dem Kläger möglicherweise zustehenden Schmerzensgeldanspruchs.

b) Das Berufungsgericht hätte jedoch, wie die Revision zu Recht beanstandet, vor einer Zurückverweisung an das [X.] nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO über den [X.] vollständig - also nicht nur über die Passivlegitimation des [X.] zu 1 - befinden müssen.

aa) Hat das Erstgericht die Klage aus einem bestimmten sachlichen Grund abgewiesen, erachtet das Berufungsgericht diese Entscheidung für unzutreffend und hält es daher eine weitere materiell-rechtliche Prüfung auch des [X.]es für erforderlich, so darf es die Sache insoweit nicht in den ersten Rechtszug zurückverweisen; vielmehr muss es über den Grund des Anspruchs insgesamt selbst entscheiden (Senatsurteil vom 21. Februar 1991 - [X.], NJW 1991, 1893 mwN; [X.], Urteil vom 11. März 2004 - [X.], [X.] 2004, 452; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 538 Rn. 44).

bb) Dies hat das [X.] vorliegend aber nicht getan, sondern sich auf die Bejahung der Passivlegitimation des erstbeklagten [X.] beschränkt. An der vollständigen Erledigung des [X.]es wäre es nicht unter dem Gesichtspunkt eines eigenen unzulässigen Teilurteils (§ 301 ZPO) gehindert gewesen. Denn bei ihm war lediglich die Klage gegen den [X.] zu 1, nicht aber auch die Klage gegen die [X.] zu 2 und 3, angefallen. Zudem hätte es die Klage gegen die [X.] zu 2 und 3 an sich ziehen können (s. dazu etwa [X.], Urteile vom 12. Januar 1994 - [X.], NJW-RR 1994, 379, 381 und vom 12. Januar 1999 - [X.], NJW 1999, 1035, 1036; [X.]/[X.] aaO Rn. 55, jeweils mwN).

c) Mangels vollständiger Erledigung des [X.]es war es dem Berufungsgericht mithin versagt, eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO auszusprechen.

2. Allerdings waren die Aufhebung des [X.] und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO veranlasst, weil das [X.] ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat.

a) Ein Teilurteil darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen [X.] geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind. Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge, aber auch bei Klagen gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung) auftreten. Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich diesen Streitgenossen berühren (s. zu alldem [X.], Urteile vom 12. Januar 1999 - [X.], NJW 1999, 1035; vom 17. Februar 2004 - [X.], NVwZ 2004, 1526, 1527; vom 20. Dezember 2016 - [X.], [X.], 1745 f Rn. 7 und vom 21. November 2017 - [X.], NJW 2018, 623 f Rn. 7, jeweils mwN).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das [X.] ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Zwar hat es die Klage gegen den [X.] zu 1 aus Gründen abgewiesen, die allein die generelle haftungsrechtliche Verantwortlichkeit als Träger des Rettungsdienstes für Fehler der eingesetzten Notärzte - in Abgrenzung zur Passivlegitimation der Streithelferin des [X.] - betreffen. Diese Frage ist für die Haftung der [X.] zu 2 und 3 gegenüber dem Kläger, die dieser auf den Abschluss eines Behandlungsvertrags und eine deliktsrechtliche Haftung der [X.] zu 2 und 3 nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB stützt, an sich nicht relevant. Allerdings besteht die Möglichkeit von Divergenzen über gemeinsame präjudizielle Vorfragen bei einer abweichenden Beurteilung der Passivlegitimation des [X.] zu 1 durch das Berufungsgericht. [X.] das Berufungsgericht nämlich - wie auch hier - die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des [X.] zu 1, so müsste es über den [X.] abschließend entscheiden und hierbei auch die Frage nach dem Vorliegen von Pflichtverletzungen der [X.] zu 2 und 3 beantworten, die wiederum - gerade aus der Sicht des [X.], das insoweit gemeint hat, Beweis erheben zu müssen - eine Voraussetzung für den Erfolg der Klage gegen letztere sein könnte. Die Gefahr einander sich widersprechender Entscheidungen konnte daher nicht ausgeschlossen werden.

c) Das Berufungsgericht muss auch ohne entsprechenden Vortrag der Parteien von Amts wegen prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils durch das Erstgericht - die unverzichtbar sind und nicht der Verfügung der Parteien unterliegen - eingehalten worden sind (s. nur [X.], Urteile vom 12. Januar 1999 aaO und vom 11. Mai 2011 - [X.], [X.]Z 189, 356, 361 Rn. 19 mwN). Demnach rechtfertigt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis aus § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.

3. Gleichwohl ist das Berufungsurteil auf die Revision des [X.] zu 1 aufzuheben, weil die Bindungswirkung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für das [X.] in den Fällen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO einerseits und des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO andererseits unterschiedlich weit reicht.

a) Die Rechtsauffassung des nach § 538 Abs. 2 ZPO zurückverweisenden Berufungsgerichts bindet das erstinstanzliche Gericht entsprechend § 563 Abs. 2 ZPO (nur) insoweit, als seine Beurteilung der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrunde liegt (s. etwa [X.], Urteil vom 1. März 2016 - [X.], [X.], 1648, 1652 Rn. 33 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 10. August 2005 - [X.], [X.] 2005, 3983, 3985). Eine Aufhebung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO beruht allein auf der Auffassung des Berufungsgerichts, dass das erstinstanzliche Gericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen habe. Weitergehende rechtliche Ausführungen des Berufungsgerichts - wie hier: zur Passivlegitimation des [X.] zu 1 - würden das Erstgericht hingegen nicht binden. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO entfaltet demgegenüber für das erstinstanzliche Gericht Bindungswirkungen für sämtliche den [X.] betreffenden rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, hier also insbesondere die Darlegungen zur Passivlegitimation des [X.] zu 1.

b) Somit bedarf das Berufungsurteil der Aufhebung, soll der Eintritt einer zu weit gehenden Bindungswirkung für das Erstgericht, wie hier geboten, verhindert werden.

4. Die Sache ist indes nicht an das Berufungsgericht, sondern - unter gleichzeitiger Aufhebung des [X.] - an das [X.] zurückzuverweisen, weil es ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO). Die Zurückverweisung kann in einem solchen Fall im Hinblick auf § 563 Abs. 3 ZPO direkt vom Revisionsgericht an das erstinstanzliche Gericht erfolgen (vgl. [X.], Urteile vom 12. Januar 1994 - [X.], NJW-RR 1994, 379, 380 f; vom 11. Mai 2011 - [X.], [X.]Z 189, 356, 365 Rn. 29 und vom 21. November 2017 - [X.], NJW 2018, 623, 624 Rn. 12 mwN). Zwar käme auch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht in Betracht, weil dieses zur Beseitigung des Verfahrensfehlers des [X.] den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich ziehen und darüber mitentscheiden könnte. Eine solche Verfahrensweise wäre hier aber nicht sachdienlich, denn sie hätte zur Folge, dass ohne sachlich gerechtfertigten Grund praktisch der gesamte Prozess - gegebenenfalls nebst umfangreichen Beweiserhebungen - erst in zweiter Instanz beginnen würde.

5. Für den weiteren Prozessverlauf weist der Senat darauf hin, dass er - in Übereinstimmung mit der Ansicht des Berufungsgerichts - den erstbeklagten Landkreis für passivlegitimiert hält.

a) Die Wahrnehmung rettungsdienstlicher Aufgaben ist im [X.] der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen.

aa) Bezüglich des landesrechtlich geregelten Rettungsdienstes ist maßgeblich, ob dieser öffentlich-rechtlich organisiert ist oder nicht (s. etwa Senatsurteile vom 9. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 268, 270 f [[X.]]; vom 16. September 2004 - [X.], [X.]Z 160, 216, 218 ff [[X.]] und vom 12. Januar 2017 - [X.], [X.]Z 213, 270, 272 ff Rn. 9 ff [[X.]]). Nach § 1 Abs. 1 des [X.] über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz ([X.]) ist Zweck dieses Gesetzes der wirksame Schutz der Bevölkerung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] umfasst der Rettungsdienst Notfallrettung und Krankentransport als öffentliche Aufgabe. In § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] wird Notfallrettung beschrieben als die in der Regel unter Einbeziehung von Notärzten erfolgende Durchführung von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten, die Herstellung ihrer Transportfähigkeit und ihre unter fachgerechter Betreuung erfolgende Beförderung in das für die weitere Versorgung nächstgelegene geeignete Krankenhaus oder die nächstgelegene geeignete Behandlungseinrichtung. § 3 Nr. 3 [X.] bestimmt die [X.] und die Landkreise und Kreisfreien Städte, die sich nicht zu einem [X.] zusammengeschlossen haben, zu den Aufgabenträgern für den bodengebundenen Rettungsdienst. Nach § 31 [X.] werden Notfallrettung und Krankentransport auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt.

bb) Die Teilnahme eines Notarztes bei einem rettungsdienstlichen Einsatz stellt sich hiernach als Ausübung eines öffentlichen Amts im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG dar.

b) Im amtshaftungsrechtlichen Sinne "anvertraut" wird den Notärzten ihre hoheitliche Betätigung im Rettungsdienst nicht durch die [X.] ([X.]), die Streithelferin des [X.], sondern durch die [X.] beziehungsweise durch die Landkreise und Kreisfreien Städte, die sich nicht zu einem [X.] zusammengeschlossen haben. Der Beklagte zu 1 hat sich insoweit erst nach dem streitgegenständlichen Vorfall mit Wirkung ab 1. Januar 2013 mit der Kreisfreien Stadt [X.] zum [X.] C.      -E.      zusammengeschlossen.

aa) Nach Art. 34 Satz 1 GG trifft bei Pflichtverletzungen eines Amtsträgers die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Entscheidend ist mithin, wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlerhaft handelte, anvertraut, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung erfolgte, übertragen hat. Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die den Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit der Amtsausübung eröffnet hat. Steht der Amtsinhaber nicht als Beamter oder Behördenangestellter in einem dauernden Dienstverhältnis zu einer Körperschaft, ist er also nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigt, haftet die Körperschaft, die ihm durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse ein öffentliches Amt anvertraut und ihm damit die Eigenschaft eines Beamten im haftungsrechtlichen Sinn verliehen hat. Entscheidend ist dann, wer dem Amtsträger die konkrete - fehlerhaft erfüllte - Aufgabe anvertraut hat (Senatsurteil vom 12. Januar 2017 aaO [X.] Rn. 13 mwN).

bb) Gemäß diesen Grundsätzen ist der erstbeklagte Landkreis als [X.] anzusehen. Anders als im Freistaat [X.] (s. dazu Senatsurteil vom 12. Januar 2017 aaO [X.] ff Rn. 14 ff) sind die [X.] beziehungsweise die von ihnen gebildeten [X.] im [X.] umfassende Träger der Aufgabe "bodengebundener Rettungsdienst".

(1) Dies ergibt sich aus § 3 Nr. 3 [X.]. Im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Satz 2 des [X.] Rettungsdienstgesetzes ([X.]) enthält die Bestimmung der Aufgabenträger in § 3 [X.] keine ausdrückliche Herausnahme der notärztlichen Versorgung aus dem Aufgabenbereich der [X.] (beziehungsweise der von ihnen gebildeten Zweckverbände).

(2) Zwar bestimmt § 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] ähnlich wie § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass die Krankenkassen und ihre Verbände sowie die Verbände der Ersatzkassen (in [X.]: die [X.]) die notärztliche Versorgung im Rettungsdienst "sicherstellen". Während der [X.] Gesetzgeber jedoch - auch ausweislich der Entstehungsgeschichte des [X.] Rettungsdienstgesetzes - keine Differenzierung zwischen "Sicherstellung/Sicherstellungsträger" und "Aufgabe/Aufgabenträger" vorgenommen hat (s. dazu Senatsurteil vom 12. Januar 2017 aaO [X.] ff Rn. 18 ff; vgl. auch inzwischen die ausdrückliche Bezeichnung der Kassenärztlichen Vereinigung [X.] als Aufgabenträger in § 5 Abs. 1a [X.]), kann solches für die Rechtslage in [X.] nicht festgestellt werden. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich hier, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, insbesondere nicht aus der [X.]. Der Gesetzentwurf der [X.] ([X.]. 3/9866) spricht im Zusammenhang mit § 28 Abs. 2 [X.] von dem Zweck, die Krankenkassen und ihre Verbände "in die Pflicht zu nehmen" und zu gewährleisten, "dass Entscheidungen zur Notarztversorgung und deren Vorbereitung und Umsetzung von allen Krankenkassen mitgetragen werden". Die Landkreise und Kreisfreien Städte "bleiben weiterhin Träger des Rettungsdienstes. Die Krankenkassen übernehmen lediglich die Bereitstellung der Notärzte für die Landkreise und die Kreisfreien Städte. Das bedeutet, dass die Krankenkassen künftig den Trägern des Rettungsdienstes die Notärzte zur Mitwirkung im Rettungsdienst bereitstellen" (so der Berichterstatter des federführenden [X.] [[X.]] in der 2. und 3. Lesung des [X.] im [X.] vom 26. Mai 2004, Plenarprotokoll 3/107, [X.]). Dass mit der Sicher- bzw. Bereitstellung gewollt war, dass der jeweilige, von den kommunalen [X.] organisierte konkrete Rettungseinsatz, was die Tätigkeit des Notarztes anbetrifft, nunmehr Sache der Streithelferin sein sollte, diese - und nicht der Träger des Rettungsdienstes - dem Notarzt mithin die konkrete Notfallrettung "anvertraut", lässt sich hieraus nicht ablesen.

(3) § 28 Abs. 2 Satz 3 [X.] sieht vor, dass die Krankenkassen und ihre Verbände bei der Erfüllung des [X.] nach § 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] unter anderem auch mit "den Trägern des Rettungsdienstes" koordinierend zusammenwirken. Demnach zählen die Krankenkassen und ihre Verbände - nach den Vorstellungen des [X.] - selbst nicht zu den ([X.]". "Träger des Rettungsdienstes" sind vielmehr die Landkreise und Kreisfreien Städte beziehungsweise die von ihnen gebildeten [X.] (§ 3 Nr. 3 [X.]). Vor diesem Hintergrund bedeutet die Herausnahme der Sicherstellung der notärztlichen Versorgung aus der sachlichen Zuständigkeit der Landkreise und Kreisfreien Städte für den Rettungsdienst in § 7 Abs. 3 Nr. 1 [X.] (dessen Fassung auf eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses des [X.]s zurückgeht, s. [X.]. 3/10528 S. 7 unten) nicht, dass den [X.] insoweit die Aufgabenträgerschaft für die konkrete Notfallrettung, d.h. "die in der Regel unter Einbeziehung von Notärzten erfolgende Durchführung von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten, die Herstellung ihrer Transportfähigkeit und ihre unter fachgerechter Betreuung erfolgende Beförderung in das für die weitere Versorgung nächstgelegene Krankenhaus" (§ 2 Abs. 2 iVm § 3 Nr. 3 [X.]) entzogen würde. Zwar haben bei der Fassung des § 7 Abs. 3 Nr. 1 [X.] auch Haftungsfragen eine Rolle gespielt (vgl. die Änderungsanträge der [X.] vom 27. April 2004 und der [X.]-Fraktion vom 29. April 2004, Anlagen 5 und 6 zu [X.]. 3/10528). Insoweit ging es aber um die in der Vergangenheit problematische Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Notärzten vor allem im ländlichen Bereich, d.h. letztlich um Fragen der [X.] und nicht um Haftungsfragen im Zusammenhang mit einem ärztlichen Fehler bei einer konkreten Notfallrettung.

Als den "Trägern des bodengebundenen Rettungsdienstes" obliegt den [X.] und Kreisfreien Städten sowie den von ihnen gebildeten [X.] gemäß § 28 Abs. 6 [X.] nicht nur die Bestellung eines - mit Weisungsbefugnissen ausgestatteten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 der [X.]) - "Ärztlichen Leiters Rettungsdienst". Auch vereinbaren sie mit den Kostenträgern einheitliche, leistungsgerechte Entgelte für den Rettungsdienst (§ 32 Abs. 1 Satz 1 [X.]), und sie tragen die durch die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung entstehenden Kosten als "Kosten des Rettungsdienstes" (§ 28 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Anders als in [X.] (§ 35 [X.]) gibt es in [X.] (§ 5 [X.]) schließlich auch keine Differenzierung bei der Rechtsaufsicht (s. dazu Senatsurteil vom 12. Januar 2017 aaO [X.] Rn. 18).

(4) Hiernach finden sich insgesamt keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme einer echten "Aufgabenspaltung", wie sie der Senat für die Rechtslage im Freistaat [X.] angenommen hat (Senatsurteil vom 12. Januar 2017 aaO [X.] ff Rn. 14 ff). Dementsprechend geht auch das [X.] (Erlasse vom 27. April 2004 und 6. August 2014, s. Ärzteblatt [X.] 10/2014, [X.]) von einer generellen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Landkreise und Kreisfreien Städte (beziehungsweise der von ihnen gebildeten [X.]) für notärztliche Behandlungsfehler im Rettungsdiensteinsatz aus. Dies wiederum trägt dem Gedanken Rechnung, dass für den Rettungsdiensteinsatz grundsätzlich ein Träger einheitlich haftungsrechtlich verantwortlich sein und ein Geschädigter dem Gesetz möglichst klar und eindeutig entnehmen können sollte, welche [X.] für ihn als Gegner eines amtshaftungsrechtlichen Anspruchs in Betracht kommt. In § 3 [X.] ist als "Aufgabenträger" und damit als solchermaßen "Verantwortlicher" indes - ohne Bereichsausnahme - die zuständige [X.] (§ 3 Nr. 3), nicht aber die [X.] erwähnt. Hierauf soll der Geschädigte sich denn auch verlassen dürfen.

6. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren war gemäß § 21 Abs. 1 GKG abzusehen.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Arend     

      

Böttcher     

      

Meta

III ZR 69/17

15.11.2018

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 14. Februar 2017, Az: 4 U 1256/16, Urteil

§ 839 BGB, § 538 Abs 2 S 1 Nr 4 ZPO, § 538 Abs 2 S 1 Nr 7 ZPO, § 3 Nr 3 BRKG SN, Art 34 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2018, Az. III ZR 69/17 (REWIS RS 2018, 1651)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 162-163 REWIS RS 2018, 1651

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07 (Bundesverfassungsgericht)

Neuordnung des Rettungsdienstwesen im Freistaat Sachsen unter Wechsel zu Eingliederungsmodell - Zum Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers …


8 AZR 436/11 (Bundesarbeitsgericht)


8 AZR 434/11 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - Daseinsvorsorge - Rettungsdienst


8 AZR 639/10 (Bundesarbeitsgericht)


8 AZR 433/11 (Bundesarbeitsgericht)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.