Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2015, Az. VII R 35, 37/14, VII R 35/14, VII R 37/14

7. Senat | REWIS RS 2015, 2685

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Gegenstand

Bloße Branchenüblichkeit eines Eigentumsvorbehalts reicht zur stillschweigenden Einbeziehung entsprechender AGB nicht aus


Leitsatz

1. NV: Unabdingbare Voraussetzung für einen Entlastungsanspruch nach § 60 EnergieStG ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts, auf den auch bei Abschluss einer Warenkreditversicherung nicht verzichtet werden kann .

2. NV: Die Branchenüblichkeit ist lediglich ein Indiz für einen konkludenten Einbeziehungswillen. Sofern keine Anhaltspunkte für einen Einbeziehungswillen bestehen, kann nicht von einer stillschweigenden Einbeziehung von AGB und der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ausgegangen werden .

3. NV: Für die wirksame Einbeziehung eines Eigentumsvorbehalts reicht es nicht aus, wenn dieser bloß zusammen mit anderen AGB auf der Rückseite einer Rechnung ohne jeden Hinweis auf der Vorderseite abgedruckt ist .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2014  4 K 98/13 dahin geändert, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

Die Revision der Klägerin wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Schreiben vom 29. [X.]ezember 2010 beantragte die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beim Hauptzollamt [X.] eine Steuerentlastung nach § 60 des [X.] ([X.]). Einen weiteren Antrag stellte sie mit Schreiben vom selben Tag beim Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --[X.]--). Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 teilte das Hauptzollamt [X.] der Klägerin mit, der Antrag sei an das [X.] wegen dessen Zuständigkeit weitergeleitet worden. [X.]ieses bearbeitete in der Folgezeit den Antrag. [X.]er [X.] betraf zwei [X.]ieselkraftstofflieferungen an eine [X.]. [X.]ie erste Lieferung vom 22. [X.]ezember 2008, für die der Rechnungsbetrag am 11. Januar 2009 fällig war, umfasste 31 850 l [X.]ieselkraftstoff. [X.]ie zweite Lieferung vom 13. Januar 2009, für die der Rechnungsbetrag am 2. Februar 2009 fällig war, umfasste 50 148 l [X.]ieselkraftstoff. Beide Rechnungen wurden jeweils noch am [X.] gestellt und enthielten einen Hinweis auf den Fälligkeitszeitpunkt. Auf der Rückseite fanden sich Verkaufs- und Lieferbedingungen, auf die auf der Vorderseite nicht hingewiesen wurde und die in § 6 einen Eigentumsvorbehalt enthielten. [X.]a die [X.] die Rechnungen nicht beglich, mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 11. und 25. Februar 2009 und vom 10. März 2009, bevor sie am 11. März 2009 den Erlass eines Mahnbescheids beantragte. Mit Beschluss vom 13. März 2009 bestellte das Amtsgericht im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Eröffnet wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss des [X.]. April 2009. Am 28. April 2009 meldete die Klägerin ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an.

2

Mit Bescheid vom 9. September 2011 --eingegangen bei der Klägerin am 26. September 2011-- entsprach das [X.] hinsichtlich der zweiten Lieferung vom 13. Januar 2009 dem Antrag der Klägerin. [X.]en Antrag in Bezug auf die erste Lieferung vom 22. [X.]ezember 2008 lehnte es jedoch unter Hinweis auf das Überschreiten der von der Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der gerichtlichen Geltendmachung entwickelten Zweimonatsfrist ab. [X.]agegen legte die Klägerin am 24. Oktober 2011 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 20. Juni 2012 wies das [X.] darauf hin, dass es aufgrund der fehlenden Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts auch bei der zweiten Lieferung an einer Voraussetzung für den geltend gemachten Entlastungsanspruch fehle und dass infolgedessen der Bescheid vom 9. September 2011 aufzuheben sei. Festsetzungsverjährung sei noch nicht eingetreten. [X.]emgemäß änderte das [X.] mit Bescheid vom 12. September 2012 den Bescheid vom 9. September 2011, indem es den Antrag insgesamt ablehnte und die bereits bewilligte Entlastung in Höhe von 18.589,62 € zurückforderte. [X.]ie nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte teilweise Erfolg.

3

[X.]as Finanzgericht ([X.]) urteilte, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen seien teilweise rechtswidrig. [X.]a die Klägerin ihren Sitz in [X.] habe, sei zwar nicht das [X.], sondern das Hauptzollamt [X.] örtlich zuständig, doch folge daraus aufgrund der Regelung des § 125 Abs. 3 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) nicht die Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide. In der Sache hätte keine andere Entscheidung getroffen werden können, so dass sich die örtliche Unzuständigkeit auf die Sachentscheidung nicht ausgewirkt habe. Mangels Entscheidungsspielraums der Finanzbehörde liege ein Fall des § 127 [X.] vor. In Bezug auf die erste Lieferung habe die Klägerin den Zahlungsanspruch erst 78 Tage nach der Lieferung und damit nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht, weshalb das [X.] den Antrag zu Recht abgelehnt habe. Bei der vom [X.] entwickelten Zweimonatsfrist handele es sich um eine Ausschlussfrist. [X.]er [X.] dürfe einzelne Lieferungen nicht isoliert betrachten, sondern müsse sein Verhalten nach Unregelmäßigkeiten bei vorangegangenen Lieferungen ausrichten.

4

Hinsichtlich der zweiten Lieferung vom 13. Januar 2009 könne offengelassen werden, ob der Bescheid vom 9. September 2011 bereits bestandskräftig geworden und daher einer Verböserung nicht mehr zugänglich gewesen sei. Jedenfalls sei aufgrund der Branchenüblichkeit entgegen der Auffassung des [X.] von der wirksamen Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts auszugehen, so dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erfüllt seien. Im gewerblichen Mineralölhandel könne von der Branchenüblichkeit der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ausgegangen werden. [X.]ies hätten wiederholte Anfragen des Gerichts beim [X.] ergeben. Wie der Geschäftsführer des Verbandes berichtete, hätten alle im Rahmen einer Umfrage im [X.] kontaktierten Verbandsmitglieder erklärt, im gewerblichen Handel nur gegen Eigentumsvorbehalt, der in [X.] ([X.]B) geregelt sei, zu liefern. [X.]er Auffassung des [X.] (Urteil vom 30. Juni 2010  2 K 1440/07, nicht veröffentlicht --n.v.--) könne nicht gefolgt werden, weil § 305 Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Streitfall gemäß § 310 Abs. 1 BGB keine Anwendung finde.

5

Gegen das erstinstanzliche Urteil haben beide Beteiligte Revision eingelegt. Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Ansicht des [X.], bei der von der Rechtsprechung entwickelten Zweimonatsfrist handele es sich um eine starre Ausschlussfrist. Abzustellen sei auf die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Im Streitfall müsse berücksichtigt werden, dass sie eine ausschließlich auf den Warenwert bezogene Warenkreditversicherung abgeschlossen und ein E[X.]V-gestütztes System eingesetzt habe, um die Außenstände laufend zu überwachen. Nur einen Tag nach der letzten Mahnung habe sie einen Mahnbescheid beantragt, wobei die Zweimonatsfrist nur geringfügig überschritten worden sei. Von einer nicht rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung könne daher nicht gesprochen werden. Zweifel bestünden hinsichtlich der ordnungsgemäßen Vertretung des [X.].

6

Entgegen der Ansicht des [X.] seien die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufgrund der örtlichen Unzuständigkeit des [X.] aufzuheben. [X.]ie Voraussetzungen des § 127 [X.] lägen im Streitfall nicht vor, denn das zuständige Hauptzollamt [X.] hätte in der Sache eine andere Entscheidung treffen können, wie das Urteil des [X.] belege. Zu Recht habe das [X.] auf die Bestandskraft des Bescheids vom 9. September 2011 verwiesen, so dass die Überlegungen zur Branchenüblichkeit der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nur hilfsweise angestellt worden seien. Sofern das [X.] behaupte, bei der [X.] handele es sich um ein branchenfremdes Unternehmen, könne dem nicht gefolgt werden. Gegenstand des Unternehmens der [X.] sei die internationale Produktion und insbesondere der Handel mit Biotreibstoffen, so dass sie Teilnehmer am Markt mit Kraftstoffen sei. Von Anfang an sei die Geschäftsbeziehung der Klägerin zur [X.] auf [X.]auer angelegt gewesen. Entgegen der Ansicht des [X.] sei im Streitfall von der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts auszugehen, auch wenn auf der Vorderseite der Rechnung nicht auf die umseitig abgedruckten [X.]B hingewiesen worden sei.

7

[X.]ie Klägerin beantragt, das Urteil des [X.] dahin zu ändern, dass das [X.] unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verpflichtet wird, für beide Lieferungen antragsgemäß die Energiesteuer nach § 60 [X.] zu vergüten sowie die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

[X.]as [X.] beantragt, das Urteil des [X.] dahin zu ändern, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

[X.]as [X.] wendet sich gegen die Ansicht des [X.], der angefochtene Bescheid vom 9. September 2011 enthalte zwei selbstständige Verwaltungsakte. Es werde nicht nach einzelnen Warenlieferungen, sondern nach einzelnen Warenempfängern entschieden. Auch bei mehreren Warenlieferungen werde der Selbstbehalt nur einmal abgezogen. Entgegen der Auffassung des [X.] seien die [X.]B nicht Vertragsbestandteil geworden. Hinsichtlich der Branchenüblichkeit habe das [X.] keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Zudem sei zu bezweifeln, dass es sich bei der [X.] um ein branchenkundiges Unternehmen handele. Von einer stillschweigenden Einbeziehung der [X.]B könne im Streitfall nicht ausgegangen werden, zumal sich auf der Vorderseite der Rechnungen kein Hinweis auf die rückseitig abgedruckten [X.]B befunden habe und von einer laufenden Geschäftsbeziehung nicht ausgegangen werden könne. Zudem habe das [X.] keine Feststellung hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts getroffen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Zu Unrecht hat das [X.] die [X.] der Klägerin allein aufgrund einer vermeintlichen Branchenüblichkeit als einbezogen und damit einen Eigentumsvorbehalt als zumindest stillschweigend vereinbart angesehen. Aufgrund der fehlenden Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts steht der Klägerin der begehrte [X.] nach § 60 [X.] nicht zu, so dass das Urteil des [X.] hinsichtlich des Bescheids vom 12. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Aus demselben Grund erweist sich die Revision der Klägerin als unbegründet.

1. Zutreffend hat das [X.] geurteilt, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen seien nicht bereits nichtig oder wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil das [X.] örtlich unzuständig gewesen ist.

Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. In Bezug auf diese Voraussetzung ist auf die rechtliche Alternativlosigkeit abzustellen. Anhand der objektiven Sach- und Rechtslage ist zu prüfen, ob die getroffene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und alternativlos ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist deshalb nicht entscheidend, ob die theoretische Möglichkeit besteht, dass eine andere Finanzbehörde --etwa bei unzutreffender Auslegung einer streitentscheidenden [X.] zu einem abweichenden Ergebnis gekommen wäre. Über einen Antrag nach § 60 [X.] ist nicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu befinden; vielmehr besteht bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Steuerentlastung ([X.]surteil vom 8. August 2006 VII R 28/05, [X.], 392, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2007, 45), so dass nur eine Entscheidung rechtmäßig ist. Daher hat das [X.] zu Recht entschieden, dass ein Fall des § 127 AO vorliegt und dass die angefochtenen Bescheide nicht bereits aufgrund der örtlichen Unzuständigkeit des [X.] aufzuheben sind.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei dem Bescheid vom 9. September 2011 um einen einzigen Verwaltungsakt, mit dem das [X.] über den von der Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 geltend gemachten [X.] entschieden hat. Allein der Umstand, dass sich der Antrag nach § 60 [X.] auf zwei Lieferungen bezog, rechtfertigt nicht die Aufspaltung der für beide Lieferungen getroffenen Verwaltungsentscheidung in zwei selbstständige Verwaltungsakte, die unabhängig voneinander angefochten werden könnten. Dagegen spricht bereits der Inhalt des Bescheids, dem nicht entnommen werden kann, dass zwei Verwaltungsakte erlassen werden sollten. Gegen eine verfahrensrechtliche Aufspaltung der einheitlich getroffenen Verwaltungsentscheidung sprechen auch die gesetzlichen Vorgaben, nach denen eine Steuerentlastung nur gewährt wird, wenn der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000 € übersteigt (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Bei isolierter Betrachtung und Bescheidung jeder einzelnen Lieferung --unabhängig davon, ob der Entlastungsberechtigte in Bezug auf mehrere Lieferungen nur einen [X.] gestellt [X.] bliebe unklar, in welchem Bescheid der Selbstbehalt abgezogen bzw. ob und nach welchen Kriterien er auf die einzelnen Lieferungen bzw. Kaufpreisforderungen aufgeteilt werden müsste.

3. Der einheitliche Bescheid vom 9. September 2011, mit dem das [X.] dem Antrag der Klägerin hinsichtlich der zweiten Lieferung vom 13. Januar 2009 stattgegeben und gemäß § 60 [X.] eine Vergütung in Höhe von 18.589,62 € festgesetzt hat, ist in diesem Umfang nicht bestandskräftig geworden. Infolgedessen konnte er zum Nachteil der Klägerin geändert werden. Dies ergibt sich aus § 367 Abs. 2 Satz 1 AO, nach dem die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen hat. Insoweit ist sie nicht an das Einspruchsbegehren gebunden. Die umfassende Überprüfungsmöglichkeit wird weder durch den [X.] noch durch die Einspruchsbegründung begrenzt ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 367 AO Rz 16). Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] selbst im Fall einer nur teilweisen Anfechtung eines teilbaren Verwaltungsakts ([X.]-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01, [X.]/NV 2004, 1372, m.w.N.), so dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt auch hinsichtlich desjenigen Teils zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ändern kann, der nicht von ihm angefochten worden ist. Dabei steht der Ablauf der regulären Festsetzungsfrist einer verbösernden Änderung nicht entgegen, denn nach § 171 Abs. 3a Satz 2 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt. Nach diesen Grundsätzen eröffnete der von der Klägerin mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 eingelegte Einspruch dem [X.] die Möglichkeit, den ursprünglichen Bescheid einer erneuten und umfassenden Prüfung zu unterziehen und eine verbösernde Entscheidung zu treffen.

4. Der Klägerin steht für beide Lieferungen kein [X.] nach § 60 [X.] zu, weil sie es versäumt hat, mit der [X.] einen wirksamen und nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 [X.] für die Gewährung eines solchen Anspruchs erforderlichen Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren.

a) Nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 [X.] wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt, wenn der Zahlungsausfall u.a. trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts nicht zu vermeiden war. Auf das Tatbestandsmerkmal der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts kann nicht deshalb verzichtet werden, weil der [X.] weitere Sicherungsmaßnahmen (wie z.B. der Abschluss einer Warenkreditversicherung oder die Anforderung einer Bürgschaftserklärung) getroffen hat. Aufgrund der besonderen Sicherungsfunktion eines Eigentumsvorbehalts kann der [X.] von der Pflicht zur Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nicht entbunden werden (Urteil des [X.] Hamburg vom 21. Oktober 2005 IV 130/04, n.v.).

b) Wie das [X.] festgestellt hat, wurden die [X.] der Klägerin bei Vertragsabschluss nicht ausdrücklich einbezogen. Auch hat die Klägerin nicht erkennbar auf die [X.] verwiesen. Vielmehr waren ihre [X.] lediglich auf der Rückseite der beiden Rechnungen vom 22. Dezember 2008 und vom 13. Januar 2009 abgedruckt, ohne dass auf der Vorderseite ein Hinweis auf die rückseitig abgedruckten [X.] gegeben war. Bei den beiden Lieferungen, die diesen Rechnungen zugrunde lagen, handelte es sich nach eigenem Bekunden der Klägerin um [X.]. Dieser Umstand und der kurze Abstand zwischen den beiden Lieferungen von drei Wochen deuten darauf hin, dass von einer dauernden Geschäftsbeziehung noch nicht gesprochen werden kann. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) kommt eine Einbeziehung von [X.] durch schlüssiges Verhalten nur in Betracht, wenn der Vertragspartner im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung einen immer wiederkehrenden Hinweis auf diese Bedingungen unwidersprochen lässt ([X.]-Urteile vom 7. Juni 1978 VIII ZR 146/77, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1978, 2243, und vom 7. Mai 1969 VIII ZR 142/68, [X.] 1969, 772). Selbst für eine länger andauernde Geschäftsbeziehung hat das [X.] entschieden, dass der bloße Abdruck einer Gerichtsstandsklausel auf der Rückseite von Rechnungen ohne jeden Hinweis auf der Vorderseite für eine Einbeziehung dieser Klausel nicht genügt (Urteil vom 19. September 1984  5 U 56/84, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1984, 1241).

c) In seinem Urteil vom 7. November 2002 IV 273/99 (n.v.) hat das [X.] Hamburg darauf hingewiesen, dass dieses Urteil keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könne und zur stillschweigenden Einbeziehung einer Vereinbarung über einen Eigentumsvorbehalt --wie auch im [X.] lediglich auf die Branchenüblichkeit einer solchen Vereinbarung abgestellt. Der [X.] kann offenlassen, ob die vom [X.] mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] zutreffen, im Mineralölhandel sei die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts branchenüblich, denn eine bloße Branchenüblichkeit reicht zur Einbeziehung nicht aus. Die Branchenüblichkeit einer [X.]-Verwendung hat die Rechtsprechung bisher lediglich bei Speditions-, Versicherungs- und Bankgeschäften bejaht ([X.]/[X.]/[X.], [X.]-Recht, 11. Aufl., § 305 BGB Rz 175, m.w.N.). Nach einer Entscheidung des [X.] besteht für Lieferungen im Mineralölhandel (Belieferung einer Tankstelle durch ein Mineralölhandelsgeschäft) kein entsprechender Handelsbrauch ([X.]-Urteil in NJW 1978, 2243). Ohne die Möglichkeit einer stillschweigenden Einbeziehung von [X.] durch Branchenüblichkeit in Erwägung zu ziehen, hat der [X.] selbst bei einer mehrjährigen Geschäftsbeziehung ein bloßes Wissenmüssen des Käufers, dass der Geschäftsbeziehung die [X.] des Verkäufers mit einem dort geregelten Eigentumsvorbehalt zugrunde lagen, für die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts für nicht ausreichend erachtet ([X.]sbeschluss vom 21. Mai 2001 VII B 53/00, [X.]/NV 2001, 1304).

d) Nach der Rechtsprechung des [X.] stellt die Branchenüblichkeit lediglich ein Indiz für einen konkludenten Einbeziehungswillen dar. Wie er geurteilt hat ([X.]-Urteil vom 4. Februar 1992 [X.], Neue Juristische [X.] Zivilrecht 1992, 626), reicht eine Branchenüblichkeit allein für die Einbeziehung von [X.] nicht aus (bestätigt durch [X.]-Urteil vom 15. Januar 2014 VIII ZR 111/13, Betriebs-Berater 2014, 785). Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die den Schluss darauf zulassen, dass der Vertragspartner stillschweigend mit der Regelung einverstanden ist. Nur in diesem Fall soll die Branchenüblichkeit das [X.] tätigen Kaufmanns begründen. Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, die reine Branchenüblichkeit reiche ohne die Feststellung eines Einbeziehungswillens für die wirksame Einbeziehung von [X.] nicht aus ([X.], [X.]-Recht, 5. Aufl., § 305 BGB Rz 126; [X.], [X.], § 305 Rz 194). Da das [X.] --ohne die dargestellte [X.]-Rechtsprechung zu berücksichtigen und einen Einbeziehungswillen festzustellen-- die Einbeziehung der [X.] der Klägerin allein mit der vermeintlichen Branchenüblichkeit begründet hat, kann der [X.] dieser Rechtsauffassung nicht folgen.

Da es sich im Streitfall um [X.] handelte und Anhaltspunkte für einen erforderlichen Einbeziehungswillen nicht bestehen, kann von einer stillschweigenden Einbeziehung der [X.] und der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts nicht ausgegangen werden. Somit ist eine der in § 60 Abs. 1 Nr. 3 [X.] genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass die Klägerin hinsichtlich beider Lieferungen keinen [X.] hat. Bei diesem Befund bedarf es keiner Entscheidung über die Fragen, ob die Entlastung hinsichtlich der ersten Lieferung auch zu versagen ist, weil der Zahlungsanspruch nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden ist, und unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die von der [X.]srechtsprechung entwickelte [X.], die nicht als Ausschlussfrist zu begreifen ist, überschritten werden kann.

Aus den dargelegten Gründen waren das Urteil des [X.] hinsichtlich des Änderungs- und Rückforderungsbescheids vom 12. September 2012 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 35, 37/14, VII R 35/14, VII R 37/14

10.11.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 17. Juni 2014, Az: 4 K 98/13, Urteil

§ 60 EnergieStG, § 60 Abs 1 Nr 3 EnergieStG, § 118 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2015, Az. VII R 35, 37/14, VII R 35/14, VII R 37/14 (REWIS RS 2015, 2685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2685

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