Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2010, Az. 5 StR 38/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 8989

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Gegenstand

Zurückverweisung einer Strafsache durch das Revisionsgericht: Verschlechterungsverbots nach einer verständigten Strafobergrenze


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer [X.]usswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:

3

Der 21 Jahre alte Angeklagte konsumierte vor seiner Verhaftung am 22. Juli 2009 vier bis fünf Gramm Marihuana am Tag und zusätzlich an Wochenenden gelegentlich Kokain und [X.]. Am 28. Mai 2009 besaß der Angeklagte 166 g [X.] mit 25 g THC-Anteil sowie nahezu 11 g mit einem Wirkstoffanteil in Höhe von 15 % und ferner zwei [X.]reckschusspistolen nebst geladenen Magazinen. Der Angeklagte verwahrte 90 g [X.] für den Zeugen [X.]. Aus der größeren, nicht näher festgestellten, gemeinsam mit [X.]. gekauften Menge „gab (der Angeklagte) weitere Teilmengen in seinem Wohnzimmer an die Zeuginnen [X.] und [X.] gegen Bezahlung ab“ ([X.]). Hierzu hat das [X.] die Aussage der Zeuginnen referiert. Die Zeugin [X.] habe bekundet, einmal direkt vom Angeklagten erworben und für das [X.] zehn Euro bezahlt zu haben. Die Zeugin [X.] habe ausgesagt, sie hätte ungefähr zwei bis drei Monate lang vom Angeklagten sowohl [X.] als auch Kokain und LSD bekommen und dafür ertrogene Mobiltelefone und einen Laptop übergeben.

4

2. Hierdurch ist der [X.]uldspruch des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht bewiesen.

5

Das [X.] hat in seine Feststellungen zu Recht nicht den von der Zeugin [X.] bekundeten Ankauf von Kokain und LSD einbezogen. Diese Vorgänge waren von der Anklageschrift nicht erfasst.

6

Die Feststellungen belegen das - schlüssig angeklagte - unerlaubte Handeltreiben mit den sichergestellten 177 g [X.] nicht.

7

Die dem Zeugen [X.]. zugeordneten 90 g scheiden aus. Das [X.] hat nicht beweiswürdigend erwogen, dass insoweit für den Angeklagten ein mittäterschaftliches Handeltreiben gegeben sei. Aber auch für die restlichen 87 g fehlt es an einer beweiswürdigend fundierten Feststellung, dass der Angeklagte diese Menge für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Das „nach einer Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten vollumfängliche Geständnis“ ([X.] 8) des Angeklagten bezieht sich lediglich auf den Erwerb von [X.] ([X.] 8). Eine ergänzende Bezugnahme auf den [X.] ist dem Hinweis, dass der Angeklagte den [X.] eingeräumt habe ([X.] 8), nicht zu entnehmen. Die Voraussetzungen des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO für eine Ermächtigung zur Bezugnahme liegen nicht vor (vgl. [X.], [X.]. § 267 Rdn. 2 und 8).

8

Hinsichtlich der Verkäufe von [X.] an die Zeuginnen [X.] und [X.] hat es das [X.] unterlassen, die [X.] und die [X.] festzulegen. Zudem hat es die gebotene Eigennützigkeit (vgl. BGHSt - [X.] - 50, 252, 256) nicht beweiswürdigend belegt. Der Angeklagte hat gewinnbringende Verkäufe nicht eingeräumt. Solche anzunehmen, lag zwar im Blick auf den erheblichen Finanzbedarf des Angeklagten für den eigenen Drogenkonsum nahe. Sie traten indes im Zusammenhang mit dem festgestellten Verdienst des Angeklagten noch nicht in einem solchen Ausmaß zutage, dass jede - notwendigerweise über das Geständnis hinausgehende - beweiswürdigende Erwägung entbehrlich gewesen wäre.

9

3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.

Dabei wird das - die Anklage freilich nicht erschöpfende - Geständnis des Angeklagten nicht dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO unterliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze führt das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu deren Perpetuierung im weiteren Verfahren. Zudem ist bei dem hier zu Lasten des Angeklagten vom Tatgericht unzutreffend bewerteten Geständnis nach Korrektur des Wertungsfehlers durch das Revisionsgericht zugunsten des Angeklagten die „Vertragsgrundlage“ für das Geständnis nicht entfallen (vgl. [X.] aaO § 257c Rdn. 28).

[X.]on die weitergehenden, vom [X.] bisher nicht präzisierten Angaben der Zeuginnen [X.] und [X.] könnten die Annahme eines nicht unwesentlichen Rauschgifthandels des Angeklagten nahelegen, aus dem sich indiziell der [X.] erhärten könnte (vgl. [X.], 430).

Zur gegebenenfalls erforderlichen Bewertung des Verhältnisses der Handels- zur [X.] verweist der Senat auf BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5.

Basdorf                                         Brause                                  [X.]aal

                           König                                        [X.]

Meta

5 StR 38/10

24.02.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 21. September 2009, Az: 61 KLs 903 Js 18785/09 - 3 AR 9/10, Urteil

§ 257c Abs 4 S 3 StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.02.2010, Az. 5 StR 38/10 (REWIS RS 2010, 8989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8989

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 331/16

4 StR 537/12

5 StR 38/10

5 StR 484/20

2 StR 439/20

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