Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.09.2022, Az. 1 StR 271/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7235

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Gegenstand

(Versuchte bzw. vollendete Hinterziehung von Ertragssteuern einer GmbH: Schätzung bei unterbliebener Führung von Betriebsbüchern


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. März 2022, soweit es sie betrifft, aufgehoben

a) in den Fällen II. 2.3. bis II. 2.6. der Urteilsgründe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen und

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des [X.] vom 2. Dezember 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Angeklagte wendet sich gegen diese Verurteilung mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zu den Fällen [X.] 2.1. und [X.] 2.2. der Urteilsgründe (Hinterziehung von Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 durch die Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen trotz bezogener verdeckter Gewinnausschüttungen; vgl. dazu [X.], Urteile vom 13. Juli 1994 – [X.], [X.]E 175, 489, 495 f.; vom 14. Oktober 1992 – [X.], [X.]E 169, 340, 342 sowie [X.], [X.]E 169, 343, 350 und vom 13. September 1989 – [X.], [X.]E 158, 338, 340) keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

3

2. Dagegen hat die Verurteilung wegen vollendeter bzw. versuchter Hinterziehung der Ertragsteuern zugunsten der [X.] keinen Bestand (Verkürzung von Körperschaftsteuer für das [X.] im Fall [X.] 2.5., versuchte Verkürzung von Körperschaftsteuer für das [X.] im Fall [X.] 2.6. sowie versuchte Verkürzung von Gewerbesteuer für die [X.] und 2015 in den Fällen [X.] 2.3. und [X.] 2.4. der Urteilsgründe). Letztlich kann sich der Senat dem Teilaufhebungsantrag des [X.] nicht verschließen:

4

Da die Angeklagte und der mitangeklagte Ehemann für die GmbH überhaupt keine Bücher führten, wofür sie bezogen auf den Zeitraum des Drohens der Zahlungsunfähigkeit im März 2014 bereits rechtskräftig wegen Bankrotts verurteilt sind (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB), blieb als Ausgangspunkt für eine Schätzung allein die Auswertung der Geschäftskonten, um zunächst wenigstens die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermitteln zu können. Es kann offenbleiben, ob eine solche Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) anstelle des an sich nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gebotenen [X.] als letzte Möglichkeit tragfähige Grundlage einer Schätzung in solchen Fällen einer vollständig fehlenden Buchhaltung sein kann. Denn mit dem [X.] ist indes letzten Endes – insbesondere wegen der Krise der Gesellschaft – ohnehin nicht auszuschließen, dass die vom [X.] angesetzten Ausgaben in Höhe der Abbuchungen vom [X.] trotz eines Sicherheitszuschlags von 10 % und des Abzugs eines fiktiven Geschäftsführerlohns für den mitangeklagten Ehemann tatsächlich nicht sämtliche relevanten Verbindlichkeiten der GmbH erfassen. Denn nicht bediente Verbindlichkeiten sind gerade nicht einem Bankkonto zu entnehmen. Das [X.] hätte sich daher mit den Erkenntnissen zur drohenden bzw. eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auseinandersetzen müssen, ob etwa ignorierten Rechnungen oder Mahnungen oder gescheiterten Vollstreckungsversuchen weitere [X.] zu entnehmen waren.

5

3. Die in den Fällen [X.] 2.1. und [X.] 2.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen (einschließlich der Einsatzstrafe) bleiben von der Aufhebung der Verurteilung in den genannten vier Fällen (einschließlich der zugehörigen Feststellungen) unbeeinflusst. Trotz äußerst straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen verschließt sich der Senat dem Aufhebungsantrag des [X.] auch bezüglich der Gesamtstrafe nicht.

Jäger     

      

Bellay     

      

Fischer

      

Bär     

      

Leplow     

      

Meta

1 StR 271/22

22.09.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 22. September 2022, Az: 1 StR 271/22, Beschluss

§ 370 Abs 1 AO, § 4 Abs 1 S 1 EStG, § 4 Abs 3 EStG, § 5 Abs 1 S 1 EStG, § 1 GewStG, §§ 1ff GewStG, § 8 Abs 1 S 1 KStG, § 22 StGB, § 23 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.09.2022, Az. 1 StR 271/22 (REWIS RS 2022, 7235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7235

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3 StR 203/21

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