Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.02.2013, Az. 10 W (pat) 19/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 7999

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Reise-Notfallset“ – zum Fehlen der Beschlussunterschrift – Unwirksamkeit des Beschlusses - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2004 002 230.4-21

wegen Wiedereinsetzung

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 21. Februar 2013 durch [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

1. Der Beschluss des [X.] – Prüfungsstelle 21 – vom 4. Januar 2011 ist unwirksam.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Am 6. September 2004 reichten die Anmelder unter Beanspruchung der Priorität einer Gebrauchsmusteranmeldung vom 8. September 2003 die internationale Anmeldung PCT/DE2004/001952 mit der Bezeichnung „[X.]“ ein, die nach Eintritt in die nationale Phase beim [X.] unter dem Aktenzeichen 11 2004 002 230.4 geführt wird.

2

Die Anmelder entrichteten die 3. Jahresgebühr am letzten [X.] (2. April 2007) durch Bareinzahlung bei der [X.] und übermittelten den [X.] an das Patentamt. Das Patentamt verbuchte als [X.] zunächst den [X.] (3. April 2007) und änderte dies später auf den 2. April 2007. Hinsichtlich der 4. Jahresgebühr wies das Patentamt die Anmelder mit Bescheid vom 11. Februar 2008 (überschrieben mit „Wichtige Mitteilung!“) darauf hin, dass sie die Gebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit entrichtet hätten und die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn sie die Gebühr (70 Euro) mit einem Verspätungszuschlag (50 Euro), insgesamt 120 Euro, nicht bis zum 31. März 2008 entrichteten. Die Zahlung erfolgte erst am 4. April 2008. Das Patentamt wies daraufhin die Anmelder mit Bescheiden vom 6. und 12. Juni 2008 auf die nicht rechtzeitige Zahlung und die dadurch eingetretene Rechtsfolge hin. Die Anmelder übermittelten dem Patentamt per Telefax am 11. Juni 2008 einen Überweisungsbeleg, wonach die im Wege des [X.] vorgenommene Überweisung der 4. Jahresgebühr am 31. März 2008 um 23.26 Uhr von der Bank entgegengenommen wurde.

3

Mit Schreiben vom 25. August 2010, eingegangen am 26. August 2010, haben die Anmelder unter Bezugnahme und Beifügung eines vom 18. Juni 2008 datierenden Schreibens Wiedereinsetzung beantragt. Zur Begründung ist vorgetragen, Frau W… arbeite beruflich selbständig auf Messen und habe im Frühjahr 2008 sechs Messen hintereinander gehabt, so dass sie nie zu Hause gewesen sei. Da sie kein Notebook habe und alle Bankgeschäfte online mache, habe sie die Gebühren erst am 31. März 2008 überweisen können.

4

Auf einen patentamtlichen Zwischenbescheid, wonach der Eingang des Schreibens vom 18. Juni 2008 nicht feststellbar und der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 25. August 2010 erst nach Ablauf der Jahresfrist eingegangen sei, haben die Anmelder geltend gemacht, dass der Antrag bereits im Juni 2008 gestellt worden sei; dies ergebe sich schon daraus, dass er ursprünglich auch im [X.] unter dem Datum 18. Juni 2008 erfasst worden sei. Sie seien insbesondere angesichts der Umstände der Zahlung der 3. Jahresgebühr guten Glaubens gewesen, dass eine Einzahlung der Gebühren am letzten [X.] fristwahrend sei. Das Patentamt hat mit weiterem Zwischenbescheid mitgeteilt, dass die vorübergehende Falscherfassung der Wiedereinsetzung im DV-System des [X.] berichtigt worden sei; an der Nichtwahrung der Ausschlussfrist von einem Jahr habe sich nichts geändert.

5

Das Patentamt hat mit einem als Beschluss bezeichneten Schreiben vom 4. Januar 2011 den Wiedereinsetzungsantrag unter Bezugnahme auf die Zwischenbescheide zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Schreiben vom 18. Juni 2008 sei nicht zur Akte gelangt und von den [X.] sei auch kein Nachweis erbracht worden, dass es abgesendet worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei im DV-System des [X.] erstmalig aufgrund des Schreibens vom 25. August 2010 erfasst worden; dass er hierbei fälschlicherweise vorübergehend unter dem Datum 18. Juni 2008 erfasst worden sei, sei mittlerweile korrigiert und nicht als Beweis zu werten, dass das Schreiben im [X.] eingegangen sei. Zu dem Beschluss befindet sich in der [X.] auf einem Formular lediglich der nicht unterschriebene Tenor ohne Gründe sowie ein Exemplar mit Tenor und Gründen, das am Ende maschinenschriftlich mit dem Namen des Sachbearbeiters der Prüfungsstelle 21 versehen, aber nicht von ihm unterschrieben ist; unterschrieben ist nur der Ausfertigungsvermerk. Auch die an die Anmelder zugestellte Ausfertigung des Beschlusses enthält keine Unterschrift unter dem Beschluss, sondern nur den unterschiebenen Ausfertigungsvermerk mit dem Dienstsiegel des [X.].

6

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelder, mit der sie beantragen,

7

den Beschluss vom 4. Januar 2011 aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der vierten Jahresgebühr nebst Verspätungszuschlag vom 18. Juni 2008, hilfsweise dem Antrag vom 25. August 2010, stattzugeben.

8

Zur Begründung wird mit näheren Ausführungen vorgetragen, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 18. Juni 2008 am selben Tag per Telefax an das Patentamt gesendet worden sei; der Erhalt des [X.] sei am folgenden Tag von einer [X.]mitarbeiterin bestätigt worden. In der Sache sei bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung zu berücksichtigen, dass es sich um private Anmelder handle, die zum fraglichen Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten gewesen seien. Die Überweisung sei innerhalb der Frist veranlasst worden, wobei die Anmelder guten Glaubens davon ausgegangen seien, dass eine Überweisung am letzten [X.] ausreichend sei, weil auch die vorhergehende dritte Jahresgebühr erst am Tag des Fristablaufs eingezahlt worden sei. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben, dass die dritte Jahresgebühr mittels Bareinzahlung entrichtet worden sei, während die vierte Jahresgebühr überwiesen worden sei, hätten sie nicht kennen können.

II.

9

Die in zulässiger Weise erhobene Beschwerde führt zu der Feststellung, dass der angefochtene „Beschluss“ unwirksam ist. Seine Unwirksamkeit ist darin begründet, dass er von dem ihn erlassenden Beamten der Prüfungsstelle nicht unterschrieben worden ist.

1. Beschlüsse der [X.] sind nach § 47 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu begründen, schriftlich auszufertigen und den Beteiligten zuzustellen. Zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses gehört die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., § 47 Rdn. 9; Senatsbeschluss in [X.] 2006, 415 – Paraphe; B[X.] [X.] 2009, 130 – [X.]; B[X.]E 52, 184, 185 – [X.]).

Im vorliegenden Fall enthält das Original des angefochtenen Beschlusses in der [X.] keine Unterschrift, ebenso wenig das den [X.] zugestellte Exemplar der Entscheidung. Die Zustellung einer Ausfertigung kann die fehlende Unterschrift im Original nicht ersetzen (vgl. [X.] NJW 1985, 788; [X.], 609 unter [X.]). Weil hier der „Beschluss“ im schriftlichen Verfahren zustande kommen sollte und somit nicht schon vor seiner schriftlichen Herausgabe im Wege der Verkündung existent und wirksam werden konnte, liegt allenfalls ein Entwurf, jedoch kein wirksamer Beschluss vor (vgl. B[X.] [X.] 2009, 130 – [X.]; B[X.]E 52, 184, 186 – [X.]). Dass die dem Verfahrensbevollmächtigten der Anmelder zugestellte Ausfertigung neben dem maschinenschriftlichen [X.] des Amtsträgers mit einem Dienstsiegel versehen war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 [X.] steht der [X.] zusammen mit einem Abdruck des [X.] nur der Unterschrift derjenigen Person gleich, die die Ausfertigung erstellt hat, nicht jedoch derjenigen Person, die den Beschluss erlassen hat. Die Unterschrift des den Beschluss erlassenden Amtsträgers auf der Urschrift kann somit nicht durch den Abdruck des Namens des Amtsträgers zusammen mit dem Dienstsiegel des [X.] auf der Ausfertigung ersetzt werden (a. A. wohl B[X.]E 52, 184 – [X.]).

2. Die fehlende Unterschrift kann auch nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prüfung im laufenden Beschwerdeverfahren zugänglicher Beschluss zustande kommen würde. Da die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich ist (vgl. [X.], 609; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 329 Rdn. 4), müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut zugestellt werden, und er würde eine neue Beschwerdefrist in [X.] setzen (vgl. B[X.]E 41, 44 – Formmangel; [X.], a. a. [X.], § 73 Rdn. 27 a. E). Die vorliegende Beschwerde würde sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen „Beschluss“ richten und wäre nicht anders zu beurteilen.

Somit bleibt es dabei, dass der angefochtene „Beschluss“ unwirksam ist. Diese Rechtsfolge muss auf die Beschwerde der Anmelder ausdrücklich festgestellt werden, um auf diese Weise den durch die Zustellung entstandenen äußeren Anschein eines wirksamen Beschlusses zu beseitigen (Senatsbeschluss in [X.] 2006, 415 – Paraphe; B[X.]E 52, 184, 187 – [X.]; [X.], a. a. [X.], § 73 Rdn. 27 a. E.).

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 80 Abs. 3 [X.] aus Billigkeitsgründen anzuordnen. Denn das Patentamt hat es zu vertreten, dass die von den [X.] begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann.

4. Auch wenn eine Sachentscheidung unter diesen Umständen nicht getroffen werden kann, ist anzumerken, dass selbst bei unterstelltem rechtzeitigem Zugang des [X.] im Juni 2008 ein Verschulden an der Fristversäumung schwerlich auszuschließen sein wird. Angesichts der Hinweise auf der Rückseite der vom Patentamt verschickten Gebührenmitteilung, die über die Zahlungswege und den jeweils maßgeblichen [X.] informiert, ist die gebotene Sorgfalt bei einer am letzten [X.] kurz vor Mitternacht getätigten Banküberweisung angesichts der [X.] über die Ausführungsfristen wohl nicht eingehalten (vgl. z. B. Senatsbeschlüsse vom 5. August 2010, 10 W (pat) 44/08, und vom 24. April 2008, 10 W (pat) 34/04).

Meta

10 W (pat) 19/12

21.02.2013

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.02.2013, Az. 10 W (pat) 19/12 (REWIS RS 2013, 7999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7999

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

33 W (pat) 14/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Unterschriftsmangel II" – zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts …


7 W (pat) 13/14 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung - "Bindung für ein Snowboard" - keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist …


10 W (pat) 20/12 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Vorrichtung zur Abdichtung von Kabeln, Leitungen bzw. Rohren in Wanddurchbrüchen“ – qualifizierte elektronische …


10 W (pat) 33/08 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren - Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Jahresgebühr – Mangel …


10 W (pat) 32/12 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Gewichtsmessvorrichtung“ – zum Antrag auf Wiedereinsetzung bei unklarer Rechtslage – zur Rückzahlung der …


Referenzen
Wird zitiert von

9 W (pat) 43/09

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.