Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.11.2010, Az. 33 W (pat) 14/10

33. Senat | REWIS RS 2010, 1366

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Unterschriftsmangel II" – zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) gehört die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers oder Abdruck seines Namens mit Abdruck des Dienstsiegels des DPMA – Nachholung der Unterschrift oder der Anbringung des Dienstsiegels im Beschwerdeverfahren ist bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem DPMA erlassenen Beschluss nicht möglich


Leitsatz

Unterschriftsmangel II

Zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts gehört die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers oder - ersatzweise - der Abdruck seines Namens zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des Deutschen Patent- und Markenamts auf dem Original.

Fehlt es daran, so ist der Beschluss mangels gesetzlich vorgeschriebener Form unwirksam, was vom Bundespatentgericht festzustellen ist. Eine Nachholung der Unterschrift oder der Anbringung des Dienstsiegels im Beschwerdeverfahren ist bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erlassenen Beschluss nicht möglich (Weiterentwicklung von BPatGE 41, 44 f.).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 008 877.2

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 16. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.] sowie der Richterin Dr. Hoppe

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des [X.] vom 8. Oktober 2009 ist unwirksam.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle für Klasse 1 des [X.] hat die am 16. Februar 2009 eingegangene Anmeldung der Wortmarke

2

Hydro-Karbonat

3

für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 11 und 42 durch den von einer Beamtin des gehobenen Dienstes erlassenen Beschluss vom 11. Mai 2009 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Anmelderin vom 15. Juni 2009 hat die Markenstelle der Klasse 1 mit Beschluss vom 8. Oktober 2009 zurückgewiesen.

4

Dieser Beschluss enthält in dem in den [X.] befindlichen Original am Ende lediglich maschinenschriftlich den Namen und die Bezeichnung eines Mitglieds des [X.] im höheren Dienst ([X.]), ist aber weder mit einer handschriftlichen Unterschrift der entscheidenden Person, noch mit einem Dienstsiegel des [X.] neben dem [X.] versehen. Lediglich das Begleitschreiben der Markenstelle für Klasse 1, mit dem der Beschluss an die Anmelderin versandt wurde („… anliegender Beschluss wird ihnen zum Zwecke der Zustellung übersandt.“) verfügt neben der Namensangabe der Tarifbeschäftigten [X.] über den Abdruck des Dienstsiegels des [X.].

5

Auch die an die Anmelderin versandte Ausfertigung des Beschlusses enthält weder eine handschriftliche Unterschrift noch ein Dienstsiegel des [X.] neben dem maschinenschriftlichen [X.], wie eine Nachfrage des Senats bei der Anmelderin ergab, die einen Faxabdruck der übermittelten Dokumente zur Verfügung stellte.

6

Gegen diesen Erinnerungsbeschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie nach Hinweis auf die fehlende Unterschrift durch den Senat beantragt,

7

die Unwirksamkeit des angefochtenen Beschlusses festzustellen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

8

Zur Begründung trägt sie insoweit vor, dass die formell fehlerhafte Sachbehandlung durch das [X.] eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zu der Feststellung, dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 unwirksam ist, da er weder von der ihn erlassenden Beamtin handschriftlich unterschrieben worden ist noch  - ersatzweise - neben der maschinenschriftlichen Namensangabe einen Abdruck des Dienstsiegels des [X.] enthält. Auch die der Anmelderin zugestellte Ausfertigung des Beschlusses enthält weder eine handschriftliche Unterschrift noch ein Dienstsiegel neben der Namensangabe, so dass ausgeschlossen werden kann, dass versehentlich der Anmelderin das Original des Beschlusses zugestellt worden ist.

1. Beschlüsse der Markenabteilungen des [X.] sind nach § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.] schriftlich auszufertigen und bedürfen auf ihrer Originalfassung der Unterschrift des entscheidenden Beamten oder - ersatzweise - des [X.]s zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des [X.]. Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 [X.], wonach Ausfertigungen von Beschlüssen den Namen und gegebenenfalls die Dienstbezeichnung der Person, die den Beschluss unterzeichnet hat, enthalten und von der Person unterschrieben werden müssen, die die Ausfertigung hergestellt hat. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 [X.] steht der Unterschrift ein [X.] zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des [X.] gleich.

2. Zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses gehört somit die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers oder - ersatzweise - der Abdruck seines Namens zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des [X.] auf dem Original. Es reicht aus, dass von mehreren Exemplaren des Beschlusses eines unterschrieben ist. Dem [X.] ist aber nur dann genügt, wenn der Unterzeichner durch die Unterschrift erkennen lässt, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Entscheidung übernimmt (s. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 61 Rn. 3).

Nach § 20 Abs. 3 [X.] dürfen zwar formlose [X.] in der Kopfzeile die Angabe „[X.]“, den Hinweis, dass die Mitteilung maschinell erstellt wurde und nicht unterschrieben wird, und die Angabe der zuständigen Stelle enthalten. Dies gilt jedoch aufgrund ausdrücklicher Bestimmung nur für formlose [X.], nicht aber für förmliche Beschlüsse wie im vorliegenden Fall.

Es reicht auch nicht aus, dass lediglich das Zuleitungsschreiben des [X.] an die Anmelderin den Namen der Tarifbeschäftigten und das Dienstsiegel des [X.] enthält, weil dieses abstrakte Formularschreiben nur [X.] dient, ersichtlich nicht den Inhalt des Beschlusses abdeckt und zudem von einer anderen, für den Erlass von [X.] nicht zuständigen Person stammt.

3. Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Beschluss weder unterschrieben noch weist er - ersatzweise - neben dem maschinenschriftlichen Namen das Dienstsiegel des [X.] auf, und zwar weder auf dem Original in den Akten noch auf dem Exemplar, das der Anmelderin zugestellt worden ist. Daher muss dieser Beschluss wegen § 61 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] mangels gesetzlich vorgeschriebener Form als unwirksam angesehen werden. Es liegt kein Beschluss vor, sondern bestenfalls ein Beschlussentwurf ([X.] 2009, 130; s. auch [X.], [X.], Kliems, 30 W (pat) 157/96, 24 W (pat) 125/97, 30 W (pat) 180/97, 30 W (pat) 193/97 und 28 W (pat) 207/00; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 61, Rn. 3; Fezer, Markenrecht, § 61 [X.], Rn. 2; Fezer/[X.], [X.]. [X.], [X.], [X.], 1. Teil. [X.]., Rn. 46; [X.] in [X.]/[X.], [X.], a. a. [X.]; Büscher, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 61 [X.], Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 64. Aufl., § 329, Rn. 9 f. m. w. N.; [X.] in [X.], ZPO, 22. Aufl., § 329, Rn. 17; Musielak in [X.] Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 329, Rn. 3; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 329, Rn. 11).

4. Die fehlende Unterschrift kann bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem [X.] und Markenamt erlassenen Beschluss auch nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prüfung im laufenden Beschwerdeverfahren zugänglicher Beschluss zustande kommen würde (s. [X.]/[X.], a. a. [X.]). Während nämlich verkündete Beschlüsse im Zeitpunkt der Verkündung existent und zugleich wirksam werden, wird bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren der Beschluss erst existent, wenn er - mit der Unterschrift versehen - den Gerichts- bzw. [X.] verlassen hat (vgl. [X.]E 38, 16 f.; [X.], ZPO, 28. Aufl., § 329, Rn. 36). Die Unterschrift ist hier also notwendige Voraussetzung für die Existenz eines beschwerdefähigen Beschlusses. Sie kann deshalb auch nicht im Rahmen einer Berichtigung gemäß § 319 ZPO, die auch im Laufe des Beschwerdeverfahrens möglich wäre, nachgeholt werden, da nur existente Entscheidungen (an die das Gericht bzw. die Behörde grundsätzlich gebunden sind) einem Berichtigungsverfahren zugänglich sein können.

Da somit die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich ist (vgl. [X.], 609 f.; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 329, Rn. 4), müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut zugestellt werden, und er würde eine neue Beschwerdefrist in [X.] setzen (vgl. [X.]E 38, 16 f. und 41, 44 f. - Formmangel). Die vorliegende Beschwerde würde sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen Beschluss richten und wäre nicht anders zu beurteilen.

5. Somit ist der angefochtene Beschluss der Markenabteilung für Klasse 1 unwirksam. Diese Rechtsfolge muss auf die Beschwerde der Antragsteller ausdrücklich festgestellt werden, um auf diese Weise den durch die Zustellung entstandenen äußeren Anschein eines wirksamen Entscheidung des [X.] zu beseitigen ([X.] 2006, 415 - Paraphe; [X.] vom [X.], 35 W (pat) 40/09; s. [X.] in [X.]/[X.], a. a. [X.] m. w. N.).

6. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 71 Abs. 3 [X.] gerechtfertigt. Denn ausschließlich das Patentamt hat es zu vertreten, dass die von der Anmelderin mit der Beschwerde begehrte Sachentscheidung des [X.] nicht getroffen werden kann. Da der zugestellte Beschluss der Markenstelle vom 8. Oktober 2009 jedenfalls formell den Anschein einer rechtswirksamen, gemäß § 66 Abs. 1 [X.] beschwerdefähigen Entscheidung gegeben hat, ist der Anmelderin auch nicht vorzuwerfen, dass sie das Fehlen der Unterschrift offenbar nicht bemerkt und das [X.] deshalb nicht veranlasst hat, den Beschluss mit der Unterschrift versehen erneut zuzustellen ([X.] in [X.]/[X.], a. a. [X.], § 66, Rn. 4).

Meta

33 W (pat) 14/10

16.11.2010

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.11.2010, Az. 33 W (pat) 14/10 (REWIS RS 2010, 1366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1366

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

30 W (pat) 803/18

28 W (pat) 114/10

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