Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2018, Az. 1 StR 201/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6512

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Gegenstand

Rücktritt vom Versuch durch Mitwirkung an der Erfolgsverhinderung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in weiterer Tateinheit mit versuchter [X.]stiftung mit Todesfolge und schwerer [X.]stiftung sowie wegen [X.]stiftung in vier weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

Der Erörterung bedarf lediglich die Annahme des [X.]s, der Angeklagte sei im Fall [X.] der Urteilsgründe nicht gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend vom Versuch des Mordes (§§ 211, 23 Abs. 1 StGB) und der [X.]stiftung mit Todesfolge (§§ 306c, 23 Abs. 1 StGB) zurückgetreten. Sie hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s zu Fall [X.] der Urteilsgründe setzte der Angeklagte, der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr [X.]      war, am späten Abend des 5. Januar 2016 ein bewohntes dreistöckiges Wohnhaus im Erdgeschoss in [X.], um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Ihm kam es hierbei allein darauf an, die ausgelobte Einsatzvergütung zu erlangen und so seine schlechte Vermögenssituation zu verbessern.

4

Aufgrund des durch den [X.] entstandenen Rauches und hochgiftiger [X.]gase, die in die Wohnbereiche des 1. und [X.]es des Hauses zogen, war den vier zu dieser Zeit im Haus befindlichen Bewohnern der Fluchtweg durch das Treppenhaus abgeschnitten. Während die [X.]      vom 1. Obergeschoss aus über den Balkon des [X.] aus dem Haus gelangten, brachten sich     [X.]    und [X.] zunächst auf dem Balkon ihrer Wohnung im [X.] in Sicherheit. Dort machten sie eine Nachbarin auf sich aufmerksam, die dann die Feuerwehr alarmierte. Die Feuerwehr evakuierte das Ehepaar [X.]   dann nach einigen Minuten mittels einer Leiter von dem Balkon. Der Angeklagte hatte bereits nach der [X.]legung das Haus verlassen und abgewartet, bis sein Feuerwehrpiepser den Feueralarm meldete. Danach machte er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Feuerwehrhaus, wo er anschließend in der [X.] für über vier Stunden seinen Dienst versah.

5

2. Die Annahme des [X.]s, dass es hier für einen Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht ausreichend war, sich nach Eingang eines erst durch Dritte ausgelösten [X.] auf seinem Feuerwehrpiepser zum Feuerwehrhaus zu begeben und dort die [X.] zu besetzen, hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

6

Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Versuch des Mordes und der [X.]stiftung mit Todesfolge aus Sicht des Angeklagten beendet war, als er einen in der Waschküche abgestellten [X.] entzündet und anschließend das Haus verlassen hatte, nachdem er sich versichert hatte, dass der [X.] weiterbrennen würde und er deshalb alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan habe. Für einen strafbefreienden Rücktritt hätte der Angeklagte daher entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindern müssen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder sich zumindest freiwillig und ernsthaft um die Abwendung des Erfolgseintritts bemühen müssen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

7

a) Allerdings hat das [X.] für die Beantwortung der Frage, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB durch Mitwirkung an der Erfolgsverhinderung vom Versuch zurückgetreten ist, unrichtige Maßstäbe angelegt. Es nahm rechtsfehlerhaft an, der Angeklagte wäre auch bei diesem Rücktrittsgrund verpflichtet gewesen, nach besten Kräften für die Erfolgsvermeidung zu sorgen. Der [X.] kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem unzutreffenden rechtlichen Ansatz des [X.]s beruht, weil ausgehend von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom (beendeten) Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB auch bei Zugrundelegung zutreffender Maßstäbe für die erforderlichen [X.] nicht gegeben waren.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für diesen Fall nicht ([X.], Beschluss vom 20. Dezember 2002 - 2 StR 251/02, [X.]St 48, 147, 149 f.; zum [X.] in der Literatur vgl. die Nachweise bei [X.], StGB, 65. Aufl., § 24, Rn. 32 ff.). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist (vgl. [X.], Urteile vom 22. August 1985 - 4 [X.], [X.]St 33, 295, 301; vom 13. März 2008 - 4 [X.], [X.], 508, 509; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 3 [X.], [X.], 276, 277). Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten (vgl. [X.] aaO, [X.]St 33, 295, 301 mwN).

9

Nach den Feststellungen des [X.]s setzte der Angeklagte durch sein Handeln keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich werden konnte. Die [X.]    hatten sich bereits selbst auf den Balkon des [X.] gerettet. Die beiden weiteren Bewohner wurden bereits nach einigen Minuten aufgrund einer Benachrichtigung durch eine Nachbarin von der Feuerwehr gerettet. Der Angeklagte trug zu der Rettung durch eigenes Verhalten nicht bei. Er wies weder auf den [X.] hin noch machte er - als der Notruf Dritter bei der Feuerwehr eingegangen war - Angaben zu rettungsbedürftigen Personen, [X.]herd oder [X.]ursache. Auch leistete der Angeklagte selbst keine aktiven Beiträge zur Rettung der Personen. Allein dadurch, dass er zunächst auf die Mitteilung des [X.] auf seinem Feuerwehrpiepser wartete, um dann in der [X.] seinen Dienst zu verrichten, setzte er keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang. Ausgehend von den Urteilsfeststellungen schließt der [X.] auch aus, dass die Tätigkeit des Angeklagten in der [X.] für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich geworden sein könnte.

b) Ein Rücktritt des Angeklagten vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB ist ebenfalls nicht gegeben. Wird - wie hier - der [X.] durch Dritte verhindert, setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (vgl. [X.], Urteile vom 22. August 1985 - 4 [X.], [X.]St 33, 295, 301 f.; vom 13. März 2008 - 4 [X.], [X.], 508, 509; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 3 [X.], [X.], 276, 277). Hierfür genügt die bloße Dienstverrichtung des Angeklagten in der [X.] der Freiwilligen Feuerwehr [X.]        erst recht nicht. Insbesondere hat der Angeklagte die Rettungskräfte vor Ort nicht über die ihm bekannten Informationen über die [X.]ursache und den [X.]herd informiert, was aber erforderlich gewesen wäre, um sie möglichst effektiv bei der Rettung zu unterstützen.

Raum     

        

Jäger     

        

Radtke

        

Hohoff     

        

Pernice     

        

Berichtigungsbeschluss vom 3. September 2018

Der [X.]sbeschluss vom 5. Juli 2018 wird wegen eines offensichtlichen Schreibversehens dahin berichtigt, dass es unter Randnummer 10 statt „Verteidigungsmöglichkeiten“ „Verhinderungsmöglichkeiten“ heißen muss.

 

[X.] des [X.] Prof. Dr. Radtke ist aus dem [X.] ausgeschieden und daher gehindert, an der Berichtigung des [X.]sbeschlusses mitzuwirken (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1981 - 4 StR 97/80; [X.] bei [X.] NStZ 1993, 30; OLG Karlsruhe, [X.], 587 mwN; Meyer-Goßner/[X.], [X.], 61. Aufl., § 267 Rn. 39; [X.] in KK-[X.], 7. Aufl., § 267 Rn. 46). Die Berichtigung war daher von den verbleibenden vier [X.]n vorzunehmen.

 

Raum          Jäger          Hohoff          Pernice

Meta

1 StR 201/18

05.07.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 14. Dezember 2017, Az: 16 Ss 327/18

§ 24 Abs 1 S 1 Alt 2 StGB, § 24 Abs 1 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2018, Az. 1 StR 201/18 (REWIS RS 2018, 6512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6512

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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